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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer und die Hofrätin Mag. Dr. Zehetner sowie den Hofrat Dr. Terlitza als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des M D, vertreten durch Mag. Rainer Hochstöger, MBA, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Breitwiesergutstraße 10, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 6. November 2019, LVwG-413516/9/DM/EP, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Oberösterreich), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 23. Juli 2019 wurde der Revisionswerber wegen Verletzung der Duldungs- und Mitwirkungspflicht gemäß § 50 Abs. 4 iVm § 52 Abs. 1 Z 5 Glücksspielgesetz - GSpG schuldig erkannt, weil er als „Lokalverantwortlicher“ und als Person, welche Glücksspieleinrichtungen bereitgehalten habe, Organen der öffentlichen Aufsicht umfassende Überprüfungen und Testspiele nicht ermöglicht habe, indem er bei einer 15. Mai 2019 im Lokal P in L stattgefundenen Kontrolle den Kontrollorganen den Zutritt zu dem Raum mit den Geräten nicht ermöglicht habe und die Stromzufuhr zu den vorgefundenen und zu kontrollierenden Glücksspielgeräten unterbrochen habe. Über ihn wurde eine Strafe in der Höhe von EUR 3.000,-- (samt Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (LVwG) - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - in Spruchpunkt I. die vom Revisionswerber dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet ab und bestätigte das Straferkenntnis unter Herabsetzung der Geldstrafe auf EUR 2.000,-- (sowie der Ersatzfreiheitsstrafe). Es sprach in Spruchpunkt II. aus, dass dem Revisionswerber kein Kostenbeitrag für das Beschwerdeverfahren aufzuerlegen sei, und setzte den Kostenbeitrag für das Strafverfahren neu fest. Weiters sprach das LVwG in Spruchpunkt III. aus, dass gegen diese Entscheidung eine Revision nicht zulässig sei.
3 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 26. Februar 2020, E 189/2020-5, deren Behandlung ablehnte und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. In der Folge erhob der Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof. Die belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision - gesondert - vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit zunächst vor, das LVwG habe seine Beweiswürdigung auf die Anzeige vom 12. Juni 2019 und die Niederschrift vom 15. Mai 2019 gestützt, die Aktenbestandteile aber bei der mündlichen Verhandlung nicht verlesen.
8 Wenn eine Verhandlung durchgeführt wurde, dann ist gemäß § 48 Abs. 1 VwGVG bei der Fällung des Erkenntnisses nur auf das Rücksicht zu nehmen, was in dieser Verhandlung vorgekommen ist. Auf Aktenstücke ist nur insoweit Rücksicht zu nehmen, als sie bei der Verhandlung verlesen wurden, es sei denn, der Beschuldigte hätte darauf verzichtet, oder als es sich um Beweiserhebungen handelt, deren Erörterung infolge des Verzichts auf eine fortgesetzte Verhandlung gemäß § 44 Abs. 5 VStG entfallen ist.
9 § 48 VwGVG legt die Geltung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes im Verwaltungsstrafverfahren fest, der für den Beschuldigten an Art. 6 EMRK zu messen ist. Demnach darf das Verwaltungsgericht, soweit es eine Verhandlung durchführt, bei seiner Entscheidung nur auf die in der Verhandlung selbst vorgekommenen Beweise Rücksicht nehmen (vgl. VwGH 27.4.2020, Ra 2018/17/0119, mwN).
10 Nach der im Akt befindlichen „Niederschrift über die öffentliche mündliche Verhandlung“ am 29. Oktober 2019 haben sowohl der Revisionswerber als auch sein Rechtsvertreter an dieser teilgenommen. Aus dieser Niederschrift ergibt sich, dass die Parteien auf die Verlesung des Akteninhaltes verzichtet haben. Der Revisionswerber kann daher durch das Unterbleiben der Verlesung der genannten Aktenteile in seinen Rechten nicht verletzt sein, sodass in diesem Zusammenhang eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht aufgezeigt wird.
11 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit weiters vor, das LVwG habe gegen die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verstoßen, indem es trotz „des sehr überschaubaren“ Sachverhalts seine Entscheidung nicht sofort im Anschluss an die mündliche Verhandlung verkündet habe.
12 Die Verkündung der Entscheidung direkt nach der Verhandlung stellt den gesetzlichen, wenn auch in der Praxis nicht immer umsetzbaren, Regelfall dar. Ist eine anschließende Verkündung nicht möglich, etwa wegen der Komplexität der Sach- oder Rechtslage, hat die Entscheidung schriftlich zu ergehen (vgl. VwGH 26.5.2020, Ra 2018/11/0195, mwN).
13 Im Revisionsfall hat das LVwG in der genannten Niederschrift begründet, warum es ihm nicht möglich gewesen sei, das Erkenntnis nach Schluss der Verhandlung sofort zu verkünden. Eine solche Begründung ist - infolge ihrer Einzelfallbezogenheit - im Regelfall, wenn sie in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze erfolgt, nicht revisibel (vgl. wieder VwGH 26.5.2020, Ra 2018/11/0195). Zur Begründung des LVwG enthält die Revision aber kein ausdrückliches Vorbringen, sodass sie auch in diesem Zusammenhang keine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufzeigt.
14 Die Revision rügt in ihren Ausführungen zur Zulässigkeit schließlich, das LVwG habe seine Kohärenzprüfung auf die Zitierung höchstgerichtlicher Entscheidungen beschränkt. Damit habe das LVwG gegen die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verstoßen.
15 Mit diesem Vorbringen übersieht die Revision jedoch, dass dem Revisionsfall eine Bestrafung nach § 50 Abs. 4 GSpG iVm § 52 Abs. 1 Z 5 GSpG zugrunde liegt. In dem angefochtenen Erkenntnis konnte sich das LVwG auf die ständige Rechtsprechung stützen, wonach eine Kontrolle nach § 50 Abs. 4 GSpG grundsätzlich der Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen des Glücksspielgesetzes und nicht nur der Überwachung der Einhaltung des in den §§ 3 und 4 GSpG normierten Glücksspielmonopols dient. Sinn und Zweck einer Kontrolle gemäß § 50 Abs. 4 GSpG ist es, einen Sachverhalt festzustellen, der die Beurteilung ermöglicht, ob die Bestimmungen des GSpG und nicht nur jene das Glücksspielmonopol des Bundes betreffenden Bestimmungen eingehalten werden. Selbst eine Unvereinbarkeit des Glücksspielmonopols des Bundes mit dem Unionsrecht und eine etwa daraus folgende Unanwendbarkeit der entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen des Glücksspielgesetzes, insbesondere der sich darauf beziehenden Strafbestimmungen des § 52 Abs. 1 GSpG, würden daher nicht zwangsläufig die Rechtswidrigkeit einer Kontrolle gemäß § 50 Abs. 4 GSpG und ein unionsrechtlich begründetes Anwendungsverbot des § 52 Abs. 1 Z 5 GSpG bewirken (vgl. etwa VwGH 20.7.2020, 2020/17/0050, mwN). Auch eine allfällige Mangelhaftigkeit einer dennoch durchgeführten Kohärenzprüfung würde daher noch nicht zur Rechtswidrigkeit einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung führen.
16 Da im Zulässigkeitsvorbringen der Revision keine Rechtsfrage aufgeworfen wird, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, war die Revision nach § 34 Abs. 1 VwGG wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG mit Beschluss zurückzuweisen.
17 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.
Wien, am 3. Februar 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020170072.L00Im RIS seit
11.03.2022Zuletzt aktualisiert am
14.03.2022