TE Vwgh Erkenntnis 2022/2/3 Ra 2019/17/0115

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.02.2022
beobachten
merken

Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
34 Monopole
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §39 Abs2
B-VG Art130 Abs3
GSpG 1989 §52 Abs2
VStG §19 Abs2
VStG §24
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §38
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer sowie die Hofrätin Mag. Dr. Zehetner und den Hofrat Mag. Berger als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision der R A H, vertreten durch Dr. Patrick Ruth und MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 23. Jänner 2019, LVwG-S-1803/004-2016, betreffend Übertretungen des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Mistelbach),

Spruch

1. zu Recht erkannt:

Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seines Ausspruchs über die verhängte Strafe und über den Beitrag zu den Kosten des Verfahrens wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

2. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Begründung

1. Mit Straferkenntnis vom 31. Mai 2016 erkannte die Bezirkshauptmannschaft Mistelbach (im Folgenden: Behörde) die Revisionswerberin der dreifachen (mit drei Glücksspielgeräten begangenen) Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild Glücksspielgesetz - GSpG schuldig und verhängte über sie drei Geldstrafen in der Höhe von jeweils € 6.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils 72 Stunden). Der gegen dieses Straferkenntnis erhobenen Beschwerde der Revisionswerberin gab das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (im Folgenden: Verwaltungsgericht) - im ersten Rechtsgang - mit Erkenntnis vom 11. Dezember 2017 ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung dahingehend Folge, dass es eine (Gesamt)Geldstrafe in der Höhe von € 9.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von vier Tagen) verhängte und die Kosten des behördlichen Verfahrens mit € 900,-- bestimmte. Der gegen diese Entscheidung erhobenen Revision der Revisionswerberin gab der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 6. September 2018, Ra 2018/17/0057-5, statt und hob die angefochtene Entscheidung wegen (prävalierender) inhaltlicher Rechtswidrigkeit auf, weil das Verwaltungsgericht für die drei selbständigen Taten nicht jeweils eine gesonderte Strafe, sondern eine (Gesamt)Strafe verhängt und weil es ferner keine mündliche Verhandlung durchgeführt hatte.

2. Im zweiten Rechtsgang gab das Verwaltungsgericht - mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 23. Jänner 2019 - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung der Beschwerde der Revisionswerberin insofern Folge, als es die drei zu verhängenden Geldstrafen mit jeweils € 3.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafen jeweils ein Tag) neu bemaß und den Beitrag zu den Kosten des behördlichen Verfahrens mit € 900,-- bestimmte; als Strafsanktionsnorm führte es im Spruch § 52 Abs. 2 GSpG an.

Das Verwaltungsgericht begründete die Entscheidung im Wesentlichen damit, das Beschwerdevorbringen, wonach die Revisionswerberin die vorgeworfenen Taten nicht begangen habe und die herangezogenen Rechtsgrundlagen unionsrechtswidrig und deshalb nicht anzuwenden seien, sei nicht begründet. Zur Strafbemessung führte es aus, die Geldstrafen seien im Hinblick auf die bereits von der Behörde herangezogenen Strafzumessungsgründe sowie die lange Verfahrensdauer und die persönlichen wirtschaftlichen Verhältnisse unter Bedachtnahme auf spezial- und generalpräventive Erwägungen „tat- und tätergerecht“ anzupassen gewesen.

Das Verwaltungsgericht sprach ferner aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichthof nicht zulässig sei.

3. Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, zu der keine Revisionsbeantwortung erstattet wurde.

4. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

5. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision - gesondert - vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

6. Voranzustellen ist, dass - wie hier - bei Vorliegen von in Schuld- und Strafausspruch trennbaren Absprüchen die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision getrennt zu überprüfen ist (vgl. VwGH 8.6.2020, Ra 2020/17/0029, Rn. 5).

7.1. Was den Schuldspruch betrifft, so sind die - von der Revisionswerberin im Vorbringen zur Zulässigkeit der Revision weitläufig erörterten - Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte in der Rechtsprechung hinreichend geklärt (vgl. EuGH 15.9.2011, Dickinger und Ömer, C-347/09, Rn. 83 f; 30.4.2014, Pfleger, C-390/12, Rn. 47 ff; 30.6.2016, Admiral Casinos & Entertainment AG, C-464/15, Rn. 31, 35 ff; 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn. 28, 62 ff; 6.9.2018, Gmalieva s.r.o. u.a., C-79/17, Rn. 22 ff).

Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, im Sinn der Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen. Der Verwaltungsgerichtshof hat an dieser Gesamtwürdigung mit Erkenntnis vom 11. Juli 2018, Ra 2018/17/0048, 0049, mit näherer Begründung festgehalten. Von dieser Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht auch im hier zu beurteilenden Fall nicht abgewichen. Entgegen dem weiteren Vorbringen steht die angefochtene Entscheidung daher nicht im Widerspruch zum Urteil des EuGH vom 30. April 2014, Pfleger, C-390/12.

7.2. Ebenso stehen nach den Ausführungen des EuGH im Urteil vom 14. Juni 2017, Online Games Handels GmbH u.a., C-685/15, die Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit) im Licht des Art. 47 GRC einem Verfahrensregime wie dem vor dem Verwaltungsgericht geltenden betreffend die amtswegige Ermittlung der Umstände der vom Gericht entschiedenen Rechtssachen nicht entgegen (vgl. auch EuGH 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn. 55; VwGH 11.7.2018, Ra 2018/17/0048 bis 0049, Rn. 24 ff; VfGH 12.6.2018, E 885/2018).

Entgegen dem Vorbringen der Revisionswerberin steht weiters das in § 14 Abs. 3 GSpG statuierte Erfordernis eines Sitzes im Inland bzw. der davon normierten Ausnahme, wenn die ausländische Kapitalgesellschaft in ihrem Sitzstaat über eine vergleichbare Lotterienkonzession verfügt und einer vergleichbaren staatlichen Glücksspielaufsicht unterliegt, die im Sinn des § 19 GSpG der österreichischen Aufsicht erforderlichenfalls Kontrollauskünfte übermittelt und für sie Kontrollmaßnahmen vor Ort durchführt, nicht mit dem Unionsrecht im Widerspruch (vgl. näher VwGH 11.7.2018, Ra 2018/17/0048 bis 0049, Rn. 34 ff). Im Hinblick darauf stellt sich auch insofern im Revisionsfall keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung.

Anders als die Revisionswerberin vertritt, kann sich das GSpG selbst bei Hinweisen auf das Vorliegen einer expansionistischen Geschäftspolitik der Konzessionäre - etwa durch das Glücksspiel verharmlosende Werbung - nach der Rechtsprechung des EuGH und des Verwaltungsgerichtshofs im Rahmen der Gesamtwürdigung als mit dem Unionsrecht in Einklang stehend erweisen, wenn etwa mit dieser Geschäftspolitik eine Umlenkung von Spielern vom illegalen zum legalen Glücksspiel sichergestellt werden soll (vgl. VwGH 26.9.2018, Ra 2017/17/0459 bis 0460, Rn. 26; 16.11.2018, Ra 2017/17/0947 bis 0948, Rn. 5). Von dieser Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht ebenso nicht abgewichen.

7.3. Schließlich liegt - entgegen der Argumentation der Revisionswerberin - auch insoweit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, als die Voraussetzungen für eine Vorlagepflicht an den EuGH nach Art. 267 AEUV klar bzw. geklärt sind (vgl. etwa VwGH 14.2.2017, Ra 2017/17/0010, Rn. 7).

8.1. Die Revisionswerberin macht ferner geltend, das Verwaltungsgericht habe trotz Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 39 Abs. 2 AVG eine Verbindung mit acht weiteren Verfahren vorgenommen, obwohl ein erkennbarer sachverhaltsbezogener Konnex nicht bestanden und die Revisionswerberin widersprochen habe. Durch die Verbindung sei der Sinn und Zweck einer Beschwerdeverhandlung untergraben worden, sei doch eine ausreichende Erörterung der Beschwerdesachen nicht möglich gewesen. Dies habe insbesondere dazu geführt, dass das Vorbringen der Revisionswerberin, wonach Glücksspiele im Sinn des GSpG nicht angeboten und Gewinne nicht in Aussicht gestellt worden seien, unerörtert geblieben sei.

8.2. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits klargestellt hat, besteht auch für die Verwaltungsgerichte die in § 39 Abs. 2 AVG für die Verwaltungsbehörden vorgesehene Möglichkeit, den Gang des Verfahrens dahingehend zu bestimmen, mehrere Verwaltungssachen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung zu verbinden und sie wieder zu trennen. Dabei hat sich das Verwaltungsgericht - wie auch die Verwaltungsbehörden - von den Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis leiten zu lassen (vgl. VwGH 17.11.2015, Ra 2015/03/0058, Pkt. IV.A.1.).

Vorliegend ist dem Verhandlungsprotoll der zur gemeinsamen Verhandlung verbundenen Beschwerdesachen zu entnehmen, dass es sich bei diesen Sachen um Bestrafungen, Beschlagnahmen und Einziehungen jeweils nach dem GSpG gehandelt hat und in allen Verfahren derselbe Rechtsvertreter (wie auch in der gegenständlichen Revisionssache) eingeschritten ist. Inwieweit das Verwaltungsgericht vor diesem Hintergrund mit seiner Vorgehensweise, die Beschwerdesachen zur gemeinsamen Verhandlung zu verbinden, von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs abgewichen sein soll, wird mit der bloßen Behauptung, die Rechtssachen stünden in keinem Konnex, nicht aufgezeigt. Die Behauptung, wonach die anwaltlich vertretene Revisionswerberin in der Verhandlung kein ihr Beschwerdevorbringen ergänzendes Vorbringen erstatten hätte können, ist bei Einsicht in das Verhandlungsprotokoll in keiner Weise nachvollziehbar. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt sich daher in diesem Zusammenhang nicht (vgl. zum Ganzen auch VwGH 12.2.2020, Ra 2019/17/0117, Rn. 13, betreffend ein anderes der vom Verwaltungsgericht zur gemeinsamen Verhandlung verbundenen Verfahren).

9.1. Was den Strafausspruch betrifft, so erweist sich die Revision, zu deren Zulässigkeit ferner ausgeführt wird, es sei nicht ersichtlich, welchen Strafsatz das Verwaltungsgericht herangezogen habe, hingegen als zulässig und begründet.

9.2. Das Verwaltungsgericht hat im Spruch des angefochtenen Erkenntnisses zwar die Strafsanktionsnorm des § 52 Abs. 2 GSpG angeführt. Es ist aber auch im Zusammenhang mit der Begründung nicht ohne jeden Zweifel erkennbar, welchen konkreten Strafsatz das Verwaltungsgericht bei seiner Strafbemessung herangezogen hat. Da im Hinblick darauf der Verwaltungsgerichtshof nicht ohne Weiteres überprüfen kann, ob das Verwaltungsgericht von dem ihm eingeräumten Ermessen im Sinn des Gesetzes Gebrauch gemacht hat, mithin ob die verhängte Strafe unter Bedachtnahme auf die Strafzumessungsgründe vertretbar erscheint, hat das Verwaltungsgericht insofern das angefochtene Erkenntnis im Strafausspruch mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet (ähnlich VwGH 20.11.2019, Ra 2019/15/0101, Rn. 8).

9.3. Das angefochtene Erkenntnis war daher im Umfang des Ausspruchs über die Strafe sowie des damit im untrennbaren Zusammenhang stehenden Ausspruchs über den Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

10. Der Kostenzuspruch im Revisionsverfahren gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 50 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 3. Februar 2022

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete Ermessen VwRallg8

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2019170115.L00

Im RIS seit

11.03.2022

Zuletzt aktualisiert am

14.03.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten