TE Vwgh Erkenntnis 2022/2/4 Ra 2021/09/0239

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Veröffentlicht am 04.02.2022
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §66 Abs4
VStG §19
VwGG §42 Abs2 Z2
VwGVG 2014 §27
VwGVG 2014 §38
VwGVG 2014 §50
VwRallg

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2021/09/0240
Serie (erledigt im gleichen Sinn):
Ra 2021/09/0237 E 24.02.2022

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie Hofrat Mag. Feiel und Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über die außerordentliche Revision 1. des A B in C (protokolliert zu Ra 2021/09/0239) und 2. der D GmbH in E (protokolliert zu Ra 2021/09/0240), beide vertreten durch Mag. Manfred Kantner, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maximilianstraße 2, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 29. Juli 2021, 405-7/1098/1/8-2021, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Landeshauptstadt Salzburg), zu Recht erkannt:

Spruch

1. Das angefochtene Erkenntnis wird, soweit damit über den Schuldspruch des behördlichen Straferkenntnisses abgesprochen und der Tatzeitraum abgeändert wurde, wegen Unzuständigkeit des Landesverwaltungsgerichts Salzburg aufgehoben.

2. Im Übrigen - im Umfang seines Strafausspruchs sowie in seinem Ausspruch über die Kosten des Strafverfahrens - wird das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

3. Der Bund hat dem Erstrevisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Mit Straferkenntnis der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde vom 2. April 2021 wurde der Erstrevisionswerber als handelsrechtlicher Geschäftsführer und damit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ der zweitrevisionswerbenden Partei (einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung) einer Verwaltungsübertretung nach § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) schuldig erkannt, weil letztere einen namentlich genannten serbischen Staatsangehörigen vom 18. Mai 2020 bis zumindest 22. Dezember 2020 beschäftigt habe, ohne dass eine der im Einzelnen aufgezählten arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen erteilt oder Bestätigungen ausgestellt gewesen sei. Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über ihn eine Geldstrafe von 1.800 Euro (für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von zwei Tagen und zwölf Stunden) verhängt und die Haftung der zweitrevisionswerbenden Partei gemäß § 9 Abs. 7 VStG ausgesprochen. Die Kosten des Strafverfahrens wurden gemäß § 64 Abs. 2 VStG mit 180 Euro festgesetzt.

2        Gegen diesen Bescheid erhobenen die revisionswerbenden Parteien Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Salzburg, die sie in der mündlichen Verhandlung auf die Bekämpfung der Höhe der verhängten Strafe einschränkten.

3        Mit dem angefochtenen Erkenntnis setzte das Verwaltungsgericht die verhängte Strafe auf 1.500 Euro herab, änderte die angelastete Tatzeit auf 20. Mai 2020 bis 2. April 2021 ab und reduzierte den Kostenbeitrag zum Strafverfahren vor der Behörde auf 150 Euro. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte es für nicht zulässig.

4        Die Strafbemessung begründete das Verwaltungsgericht zusammengefasst damit, dass den die Beschäftigung von Ausländern regelnden Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes ein sehr großes Gewicht beizumessen sei, um die Gefährdung des österreichischen Arbeitsmarktes durch illegale Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte hintanzuhalten. Im vorliegenden Fall sei im Tatzeitraum eine Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht gegen die Abweisung eines Antrags nach § 12b AuslBG anhängig gewesen. Der vorgebrachte Irrtum über die Rechtswirkungen dieser Beschwerde könne den Erstrevisionswerber zwar nicht exkulpieren, der Unrechtsgehalt der Übertretung bleibe jedoch hinter dem typisierten Unrechtsgehalt vergleichbarer Übertretungen zurück. Als mildernd führte das Verwaltungsgericht neben der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit des Erstrevisionswerbers an, dass kein „klassischer Fall von Schwarzarbeit“ vorliege, weil der Arbeitnehmer zur Sozialversicherung angemeldet gewesen sei und in der mündlichen Verhandlung Einsicht gezeigt worden sei. Erschwerend wertete es den Tatzeitraum.

5        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende außerordentliche Revision. Revisionsbeantwortungen wurden in dem vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren nicht erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

6        Die Revision der revisionswerbenden Parteien ist schon im Hinblick auf den unter diesem Gesichtspunkt geltend gemachten Umstand, dass das Verwaltungsgericht trotz der erfolgten Einschränkung der Beschwerde auf die Bekämpfung der Strafhöhe den Schuldspruch in Bezug auf den Tatzeitraum abänderte, zulässig. Sie ist auch begründet.

7        Bekämpft ein Rechtsmittelwerber nur den Ausspruch über die Strafe, ist Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens nur die Frage der Strafbemessung. Hinsichtlich der Frage der Strafbarkeit ist diesfalls Teilrechtskraft eingetreten (vgl. etwa VwGH 27.1.2020, Ra 2019/02/0203, mwN; 22.12.2020, Ra 2020/11/0105, zu einer Einschränkung der Beschwerde vor dem Verwaltungsgericht).

8        Im vorliegenden Fall wurde die Beschwerde in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht auf die Bekämpfung der Strafhöhe eingeschränkt, womit der Schuldspruch in Rechtskraft erwachsen ist. Dem Verwaltungsgericht war damit eine Überprüfung des Schuldspruchs, die es mit der Ausdehnung des Tatzeitraums vorgenommen hat verwehrt (vgl. im Übrigen zur Unzulässigkeit der Erweiterung des Tatvorwurfs durch Ausdehnung des Tatzeitraums z.B. VwGH 14.9.2020, Ra 2020/02/0103, Rn. 28f, unter Hinweis auf VwGH 5.11.2014, Ra 2014/09/0018; u.a.). Indem das Verwaltungsgericht den Tatzeitraum des Schuldspruchs des behördlichen Straferkenntnisses abänderte und erweiterte, hat es seinen Prüfungsumfang gemäß § 27 VwGVG überschritten.

9        Das angefochtene Erkenntnis war daher in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG wegen - bei einer zulässigen Revision gemäß § 41 VwGG schon von Amts wegen aufzugreifenden (VwGH 17.10.2019, Ra 2018/08/0004) - Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichts aufzuheben.

10       Der Strafbemessung legte das Landesverwaltungsgericht Salzburg ausdrücklich den ausgedehnten Tatzeitraum zugrunde, den es überdies als erschwerend wertete. Schon deshalb war das angefochtene Erkenntnis auch in seinem Strafausspruch und der damit zusammenhängenden Kostenentscheidung gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne dass auf das weitere Revisionsvorbringen gegen die Strafbemessung einzugehen war.

11       Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf § 53 Abs. 1 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 4. Februar 2022

Schlagworte

Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Person des Bescheidadressaten Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Verwaltungsstrafrecht Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021090239.L00

Im RIS seit

11.03.2022

Zuletzt aktualisiert am

28.03.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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