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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
BAO §167 Abs2Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn sowie die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision der S OG in G, vertreten durch Dr. Alexandra Feldgrill, Rechtsanwältin in 8054 Graz, Haushamerstraße 1, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 4. November 2021, Zl. RV/2100140/2019, betreffend Feststellung von Einkünften aus Gewerbebetrieb gemäß § 188 BAO für die Jahre 2014 bis 2016, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Das Finanzamt hatte die von der Revisionswerberin, einer OG, deren Tätigkeit im Streitzeitraum in der Entwicklung und Verwertung einer Turbine bestand, in den Jahren 2009 bis 2016 erzielten negativen Einkünfte aus Gewerbebetrieb zunächst erklärungsgemäß festgestellt. Für die Jahre 2014 bis 2016 erließ es nach einer Außenprüfung - teilweise nach Wiederaufnahme der Verfahren - Bescheide betreffend die Nichtfeststellung von Einkünften für die Jahre 2014 bis 2016 und führte zur Begründung aus, die Tätigkeit der Revisionswerberin sei objektiv nicht geeignet, einen Gesamtgewinn zu erzielen. Sie stelle eine Betätigung im Sinne des § 1 Abs. 1 der Liebhabereiverordnung 1993 (LVO) dar, bei der lediglich die in § 2 Abs. 2 LVO normierten Anlaufverluste zu berücksichtigen seien.
2 Einer gegen die Nichtfeststellungsbescheide gerichteten Beschwerde gab das Finanzamt - nach Durchführung einer Kriterienprüfung iSd § 2 LVO - mit Beschwerdevorentscheidung keine Folge, woraufhin die Revisionswerberin deren Vorlage an das Bundesfinanzgericht beantragte.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis, in welchem eine ordentliche Revision für nicht zulässig erklärt wurde, wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab und führte aus, unbestritten sei, dass die Revisionswerberin von 2009 bis 2014 Verluste von insgesamt 124.211,51 € erzielt habe. Im Rahmen der Außenprüfung sei auch festgestellt worden, dass die Gesellschafter der Revisionswerberin über anderweitige Mittel verfügten, die es ihnen erlaubten, eine stets verlustbringende Tätigkeit auszuüben. Einnahmen seien - abgesehen vom Verkauf eines Turbinenrades an einen nahen Angehörigen eines Gesellschafters im Jahr 2019 - keine erzielt worden.
4 Das Finanzamt habe eine Kriterienprüfung nach § 2 LVO vorgenommen, die nicht zu beanstanden und als integrierender Bestandteil des angefochtenen Erkenntnisses anzusehen sei. Dieser Prüfung habe die Revisionswerberin im Vorlageantrag nichts Konkretes entgegengesetzt. Sie habe nur wiederholt darauf hingewiesen, dass Gewinnabsicht bestehe und die Gesellschaft zum Zweck der gewinnbringenden Erzeugung und Vermarktung einer Turbine gegründet worden sei. Das Vorbringen zum marktgerechten Verhalten beschränke sich auf die unbegründete Behauptung, dass eine Nachfrage nach dem Produkt bestehe und sich die Revisionswerberin um dessen Vermarktung bemühe. Zusammenfassend werde auf die lange Entwicklungsdauer verwiesen und der Standpunkt vertreten, dass diese im vorliegenden Fall zumindest zehn Jahre betrage, weshalb nicht nur die bereits anerkannten Anlaufverluste zu berücksichtigen seien.
5 Ein längerer Anlaufzeitraum sei - so das Bundesfinanzgericht weiter - nur bei einem planvollen Hinarbeiten auf eine Erfindung und bei seriösen Bemühungen um deren wirtschaftliche Verwertung gerechtfertigt (Hinweis auf Renner, Einkünfte aus Erfindertätigkeit und Erfindervergütung, SWK 2004, S 754). Ein planvolles Hinarbeiten auf eine vermarktbare Erfindung lasse sich in den Streitjahren aber nicht erkennen. Die Beschwerdebehauptung, wonach Entwicklungs- und Forschungskosten aufgrund der „unentgeltlichen Mitarbeit von professionellen Spezialisten“ fehlten, widerspreche jeder Lebenserfahrung und erkläre nicht, wieso es während der Entwicklungszeit keine ernsthaften Vorgespräche gegeben habe, um auszuloten, ob ein entsprechendes Interesse an der Erfindung bestehe.
6 Wie bereits der Prüfer aufgezeigt habe, werde von der Revisionswerberin einerseits behauptet, dass die Turbine fertig und marktreif sei, und andererseits, dass eine Überprüfung seitens der Interessenten erst dann erfolgen könne, wenn sie vollständig betriebsbereit sei. Nachfragen dazu würden mit dem Hinweis auf Verschwiegenheitspflichten und eine Stillschweigevereinbarung nicht beantwortet, obwohl auf der Homepage der Revisionswerberin die Beschreibung und technische Skizzen der Turbine abrufbar seien. Die Skizzen seien laut den Aussagen eines Gesellschafters allerdings nicht nachbaubar, weil für einen wesentlichen Teil der Turbine noch kein Patent beantragt worden sei. Letzteres bestärke die Zweifel an der Betriebsbereitschaft der Turbine und lasse kein planvolles Hinarbeiten auf eine Erfindung erkennen. Auf der Homepage der Revisionswerberin würden zudem Investoren „zur Fertigstellung unserer neuen [Turbine] und Überleitung in Serienreife“ gesucht, obwohl die Maschine laut Revisionswerberin schon längst fertig und mit der Vermarktung gemäß den Ausführungen im Vorlageantrag 2016 begonnen worden sei. Im Widerspruch dazu werde in der Beschwerde wiederum von einer „zeitnahen Vermarktung bis 2020 als sehr realistisch“ gesprochen.
7 Unerklärlich sei auch, warum der Kontakt zu Jürgen B (Anm: mit welchem die Revisionswerberin einen in den Verwaltungsakten einliegenden Vermittlungs- und Provisionsvertrag abgeschlossen hat) nicht weiterverfolgt worden sei, obwohl dieser über gute Kontakte in den arabischen Raum verfüge. Jürgen B habe anlässlich seiner Einvernahme als Zeuge ausgesagt, dass bei weiteren Treffen mit einem Gesellschafter der Revisionswerberin gar nicht mehr über die Turbine gesprochen worden sei. Auch das Verweigern weiterer Kontakte mit einem konkreten Interessenten aus Ägypten spreche nicht für das Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht. Durch Plakatwerbung am Österreichring und zusätzliche Werbemaßnahmen zeichne sich hingegen - entgegen der im Beschwerdeverfahren erhobenen Behauptung - noch keine vielversprechende Gewinnaussicht ab. Auch ein weiterer Vermittlungsvertrag, der im Beschwerdeverfahren vorgelegt worden sei, habe letztlich zu keinem Vertragsabschluss geführt.
8 Die besondere Leidenschaft für ihr Produkt - die der Revisionswerberin nicht abgesprochen werde - und die bloße Absicht, mit ihrer Tätigkeit einen Gewinn zu erzielen, seien langfristig für eine erwerbswirtschaftliche Betätigung nicht ausreichend (Hinweis auf VwGH 29.1.2003, 97/13/0015). Das Bundesfinanzgericht komme daher - unter Bedachtnahme auf die Kriterien des § 2 Abs. 1 LVO - in freier Beweiswürdigung zum Ergebnis, dass die Erzielung eines Gesamtgewinnes nach dem Gesamtbild der Verhältnisse aussichtslos erscheine. Die Tätigkeit stelle nach Ablauf des Anlaufzeitraumes eine steuerlich unbeachtliche Liebhabereibetätigung dar.
9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
10 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
13 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor:
„Nach eingehender Recherche der Rechtsprechung des hohen Verwaltungsgerichtshofes konnte keine entsprechende Judikatur zur Frage, ob eine Kriterienprüfung für die Tätigkeit aus ‚Forschung und Entwicklung‘ als positiv - im Sinne der Absicht einen Gesamtgewinn oder Gesamtüberschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu erzielen - bewertet werden kann, wenn nach einem längeren Anlaufzeitraum aus derselben Tätigkeit tatsächlich ein Gewinn (im gegenständlichen Fall nach 10 Jahren) erzielt wurde, vorgefunden werden.“
14 Ob eine Betätigung iSd § 1 Abs. 1 LVO, bei der Verluste anfallen, durch die Absicht veranlasst ist, einen Gesamtgewinn (Gesamtüberschuss) zu erzielen, ist insbesondere anhand der in § 2 Abs. 1 LVO aufgezählten Umstände zu beurteilen.
15 Das Bundesfinanzgericht hat sich im angefochtenen Erkenntnis mit den unter die Kriterien nach § 2 Abs. 1 LVO fallenden Umständen auseinandergesetzt und ist sodann zum Ergebnis gekommen, dass die Gewinnerzielungsabsicht nicht vorliegt. Die in diesem Zusammenhang vorgenommene Beweiswürdigung, ist nur insofern der Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofs zugänglich ist, als es sich um die Beurteilung handelt, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, also ob sie den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut bzw. den Erfahrungen des täglichen Lebens entsprechen (vgl. VwGH 14.9.2017, Ra 2016/15/0073, mwN).
16 Das Bundesfinanzgericht kam - trotz des im Jahr 2019 erzielten Gewinnes, der dem angefochtenen Erkenntnis zufolge aus dem Verkauf eines Turbinenrades an einen nahen Angehörigen eines Gesellschafters resultiert - in einer zusammenfassenden Würdigung der Kriterien zum Ergebnis, dass ab dem Jahr 2014 keine Gewinnerzielungsabsicht vorgelegen ist. Eine Unschlüssigkeit der beweiswürdigenden Erwägungen zu den Sachverhaltsannahmen oder eine unvertretbare Gesamtwürdigung wird durch das Zulässigkeitsvorbringen nicht aufzeigt.
17 In der Revision werden demnach keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 10. Februar 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022150005.L00Im RIS seit
11.03.2022Zuletzt aktualisiert am
22.03.2022