TE Vwgh Erkenntnis 1996/8/27 95/05/0175

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Veröffentlicht am 27.08.1996
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Index

L37154 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Oberösterreich;
L81704 Baulärm Umgebungslärm Oberösterreich;
L82004 Bauordnung Oberösterreich;
L82304 Abwasser Kanalisation Oberösterreich;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §15;
AVG §42 Abs1;
BauO OÖ 1976 §4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde des F in E, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in E, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 27. April 1995, Zl. BauR-011429/1-1995 Ru/Lan, betreffend Nachbareinwendungen im Bauverfahren (mitbeteiligte Parteien:

1.

A in L, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in L;

2.

Gemeinde P, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und dem Erstmitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Ansuchen vom 6. Juli 1993 beantragte die erstmitbeteiligte Partei die Erteilung der Baubewilligung für den Zubau einer Lagerhalle und den Umbau und die Errichtung eines Flugdaches auf dem Grundstück Nr. 866, EZ 401, KG O. Am 2. September 1993 fand die mündliche Verhandlung im Bauverfahren sowie im Gewerbeverfahren vor der Bezirkshauptmannschaft Eferding statt, zu der der Beschwerdeführer unter Hinweis auf die Präklusionsfolgen gemäß § 42 AVG geladen wurde. Aus dem Verhandlungsprotokoll ergibt sich in bezug auf das Vorbringen des Beschwerdeführers, daß mit ihm, seiner Ehegattin, der erstmitbeteiligten Partei und dem Bauführer an der beabsichtigten Zufahrt von der Gemeindestraße (Südseite) nochmals eine Besichtigung durchgeführt worden sei. Dabei sei festgelegt worden, daß die neu zu schaffende Zufahrt im Bereich der Gemeindestraße nur eine Breite von 4,50 m aufweisen solle, wobei der Beginn mit der Flucht der ostseitigen Fassade begrenzt sei. Die Zufahrt werde beidseitig durch grüne Inseln markiert. Mit dieser Festlegung wären der Beschwerdeführer und seine Ehegattin einverstanden gewesen. Der Beschwerdeführer und seine Ehegattin hätten vor der Fertigung der Verhandlungsschrift die Verhandlung verlassen. Bei Ausführung im Sinne der angeführten Darlegungen hätten der Beschwerdeführer und seine Ehegattin keine Einwände gegen das Projekt erhoben. Die Richtigkeit dieses Teiles des Protokolles wurde vom Verhandlungsleiter ausdrücklich bestätigt.

In der in der Verhandlung verlesenen schriftlichen Stellungnahme der Bundesstraßenverwaltung vom 16. August 1993 wurde ausgeführt, daß der im eingereichten Plan beabsichtigten Erweiterung der Ausfahrt auf die Bundesstraße nicht zugestimmt werde. Sollte damit nicht das Auslangen gefunden werden können, so sollte die Aufschließung über den G-weg (Gemeindestraße) erfolgen.

Mit Schriftsatz vom 22. Oktober 1993 wurde das Bauansuchen insofern abgeändert, als es auf die Ergebnisse der mündlichen Verhandlung abgestimmt bzw. in zwei getrennte Ansuchen aufgeteilt wurde (einerseits Zubau einer Lagerhalle, andererseits Umbauarbeiten und Flugdacherrichtung auf dem angeführten Grundstück).

Mit Bescheid des Bürgermeisters der zweitmitbeteiligten Partei vom 16. Juni 1994 wurde unter Zugrundelegung des vorgelegten Lageplanes gemäß § 4 Oö Bauordnung 1976 das Grundstück Nr. 886 EZ 401, KG O, im Gesamtausmaß von 5.282 m2 als Bauplatz bewilligt (Spruchpunkt I) und entsprechend dem Antrag vom 6. Juli 1993 und dem Ergebnis des durchgeführten Ermittlungsverfahrens, insbesondere der am 2. September 1993 durchgeführten Bauverhandlung, die baurechtliche Bewilligung für die Errichtung eines Hallenzubaues auf dem genannten Grundstück unter Vorschreibung von Auflagen erteilt. Weiters wurde angeordnet, daß die Verhandlungsschrift vom 2. September 1993 einen wesentlichen Bestandteil des Bescheides bilde und die darin enthaltenen Vorschriften und Vorschreibungen genau zu beachten seien.

In der Berufung machte der Beschwerdeführer geltend, daß er in der mündlichen Verhandlung Einwendungen erhoben hätte. Es sei bei dem Lokalaugenschein besprochen worden, daß die Zufahrt möglichst weit südlich, möglicherweise von der Bundesstraße direkt bzw. zumindest südlich seiner Parzelle Nr. 833/2 erfolgen solle. Die Formulierung des Verhandlungsleiters im Protokoll entspreche somit nicht den Forderungen des Beschwerdeführers. Die nunmehr geplante verkehrsmäßige Anbindung des Betriebsgeländes von der Gemeindestraße her unmittelbar vor der Haustüre des Beschwerdeführers sei nicht akzeptabel und sei von ihm stets vehement abgelehnt worden. Die Einwendungen des Beschwerdeführers seien nicht wahrheitsgetreu festgehalten worden und die Gemeinde habe nicht über sie abgesprochen. In Gesprächen mit dem Bürgermeister und der erstmitbeteiligten Partei habe er immer zum Ausdruck gebracht, daß eine Zufahrt unmittelbar vor seiner Haustüre für ihn unzumutbar sei. Es werde durch die geplante Zufahrt, die in keinem Lageplan eingetragen sei, die Wohnqualität auf seinem Grundstück wesentlich beeinträchtigt. Es sei daher mit erheblichen Lärm- und Geruchsbelästigungen zu rechnen. Die geplante Zufahrt zur Gemeindestraße sei für ihn wesentlich unangenehmer als die ca. 40 m entfernte Bundesstraße B n9. Es entstehe durch die Zufahrtsstraße der erstmitbeteiligten Partei eine neue Lärmquelle, die ca. 10 m vor dem Gebäude des Beschwerdeführers entfernt liege. Durch das unbedingt notwendige Anhalten und Wiederabfahren, Starten (vor allem in den Morgenstunden), ausschließlich durch Lastkraftwagen sei nach der Einschätzung des Beschwerdeführers eine unzumutbare Lärmbelästigung und eine unzumutbare Geruchsbelästigung durch Abgase zu erwarten. Er verweise in diesem Zusammenhang auf § 23 Abs. 2 Oö Bauordnung 1976, der seiner Auffassung nach nicht eingehalten werde.

Mit Schriftsatz vom 19. Oktober 1994 ersuchte der lärmtechnische Sachverständige um die Durchführung eines Ortsaugenscheines, weil sich aus dem Projekt nicht ergebe, für welche betrieblichen Zwecke die neue Zufahrt zur Gemeindestraße geschaffen werden solle. Es lasse sich daher aufgrund fehlender Ausgangsdaten keine fundierte Aussage treffen.

In der Folge wurden ein lärmtechnisches Gutachten (vom 15. November 1994) und ein medizinisches Gutachten (vom 8. Dezember 1994) erstattet. Zu beiden Gutachten nahmen der Beschwerdeführer und seine Ehegattin in einem umfangreichen Schriftsatz mit vielen Einwänden Stellung.

Mit Bescheid des Gemeinderates der zweitmitbeteiligten Partei vom 16. Februar 1995 wurde unter Spruchpunkt 1. die Einwendung der Verschlechterung der Verkehrsverhältnisse ab- bzw. zurückgewiesen und unter Spruchpunkt 2. der erstinstanzliche Bescheid bestätigt und gemäß § 49 Abs. 4 Oö Bauordnung 1976 mit der Auflage ergänzt, daß die im Süden des Grundstückes Nr. 866, EZ 401, KG O, laut Lageplan vom 12. Mai 1993 zu errichtende befahrbare Fläche zur Gemeindestraße durch entsprechende Hinweisschilder und Bodenmarkierungen so zu gestalten ist, daß die Zu- und Abfahrten in Form eines Einbahnsystems erfolgten.

Der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Vorstellung wurde mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge gegeben. Nach Anführung der entsprechenden gesetzlichen Grundlagen wird im wesentlichen ausgeführt, daß der Beschwerdeführer unter Hinweis auf § 42 AVG zur Bauverhandlung geladen worden sei und weder vor noch während der Bauverhandlung Einwendungen erhoben hätte. Im Hinblick auf die Mitwirkungsrechte und den sich daraus ergebenden Pflichten der einzelnen Parteien habe es sich eine Partei selbst zuzuschreiben, wenn Ergebnisse von Verhandlungen bei unterschiedlichen Auffassungen anders protokolliert würden, als es die Partei selbst verstanden hätte. Es sei im übrigen dem Beschwerdeführer unbenommen geblieben, im Hinblick auf die von ihm behauptete Unvollständigkeit des Projektes einen Vertagungsantrag zu stellen und die Vorlage entsprechender Pläne zu verlangen, die ihm eine zweifelsfreie Beurteilung der Zu- und Abfahrtssituation ermöglicht hätten. Es seien daher die Präklusionsfolgen eingetreten, auch wenn sich die Rechtslage durch die Änderung des Flächenwidmungsplanes geändert habe. Auf diese Änderung könnten sich die Präklusionsfolgen berechtigterweise nicht stützen. Vom Beschwerdeführer werde nicht die Übereinstimmung des beantragten Bauvorhabens mit der Flächenwidmung angesprochen, sondern lediglich die Flächenwidmung selbst als ungeeignet bezeichnet. Die Prüfungsbefugnis sowohl der Berufungsbehörde als auch der Aufsichtsbehörde sei durch die Präklusionsfolgen eingeschränkt, wie dies im Berufungsbescheid zutreffend festgestellt worden sei. Aber selbst bei der Annahme, es sei keine Präklusion des Beschwerdeführers eingetreten, hätte die vorliegende Baubewilligung nicht verweigert werden dürfen. Zu Recht habe die Berufungsbehörde darauf hingewiesen, daß der Einwand der Verschlechterung der Verkehrsverhältnisse auf öffentlichen Straßen durch den Betrieb eines beabsichtigten Bauvorhabens durch den Nachbarn kein subjektives Recht desselben berühre und eine solche Einwendung daher als unzulässig zurückgewiesen werden müßte. Zusammenfassend sei daher festzuhalten, daß gegen das Bauvorhaben selbst vom Beschwerdeführer kein Einwand bestehe und hinsichtlich der Zu- und Abfahrt bzw. Lärm- und Geruchsbelästigung durch den zwar behaupteten, durch das Gutachten des lärmtechnischen Sachverständigen jedoch entkräfteten Einwand eines verstärkten Verkehrs jedoch subjektive Rechte nicht verletzt würden.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - wie die erstmitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 42 Abs. 2 AVG in Verbindung mit Abs. 1 hat im Falle einer nur durch Verständigung der Beteiligten anberaumten Verhandlung der Umstand, daß Einwendungen, die nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung vorgebracht wurden, zur Folge, daß Einwendungen keine Berücksichtigung mehr finden und angenommen wird, daß die Beteiligten dem Parteiantrag, dem Vorhaben oder der Maßnahme, die Gegenstand der Verhandlung bilden, zustimmen (sogenannte Präklusionsfolgen).

Zentrale Frage ist im vorliegenden Fall zunächst, ob die belangte Behörde in bezug auf die neu geplante Zufahrt zum Betriebsgelände von der südseitig gelegenen Gemeindestraße her zutreffend von der Präklusion des Beschwerdeführers ausgegangen ist.

Der Beschwerdeführer begründet seine gegenteilige Auffassung in zweierlei Hinsicht: Einerseits habe er unzumutbare Immissionen bereits in der Bauverhandlung am 2. September 1993 vorgetragen, aufgrund einer mangelhaften Protokollierung seien diese jedoch nicht in die Verhandlungsschrift aufgenommen worden. Andererseits seien die bei der Bauverhandlung am 2. September 1993 vorgelegten Pläne unzureichend gewesen, die das wesentliche Detail der neu zu errichtenden Zufahrt nicht aufwiesen. Da das Projekt unzureichend dargestellt worden sei, seien daher Nachbarrechte verletzt worden. Präklusion trete nicht ein, wenn Gegenstand der Verhandlung ein Bauvorhaben sei, das in der Ladung nicht genannt worden sei.

Sofern der Beschwerdeführer geltend macht, es seien Einwendungen nicht protokolliert worden, ist ihm entgegenzuhalten, daß gemäß § 15 AVG, soweit nicht Einwendungen erhoben wurden, eine gemäß § 14 aufgenommene Niederschrift über den Verlauf und den Gegenstand einer Amtshandlung vollen Beweis liefert. Der Gegenbeweis der Unrichtigkeit des bezeugten Vorganges bleibt allerdings zulässig. Gemäß § 14 Abs. 3 AVG ist die Niederschrift den vernommenen oder sonst beigezogenen Personen, wenn sie nicht darauf verzichten, vorzulesen und von ihnen durch Beisetzung ihrer eigenhändigen Unterschrift zu bestätigen. Entfernt sich eine Person vor Abschluß einer Niederschrift, so ist unter Angabe des Grundes, aus dem die Fertigung nicht erfolgte, die Richtigkeit der schriftlichen Wiedergabe von dem die Amtshandlung leitenden Organ ausdrücklich zu bestätigen.

Im vorliegenden Fall hat sich der Beschwerdeführer vor Abschluß der Verhandlung und somit vor Abschluß der Niederschrift - wie dies vom Verhandlungsleiter auch festgehalten wurde - entfernt. Der Verhandlungsleiter hat entsprechend der angeführten Vorschrift des § 14 Abs. 3 AVG die Richtigkeit der schriftlichen Wiedergabe in bezug auf das Vorbringen des Beschwerdeführers bestätigt. Einwendungen des Beschwerdeführers im Sinne des § 14 Abs. 4 und § 15 AVG gegen die Protokollierung wurden nicht erhoben. Die belangte Behörde ist somit zutreffend von der Richtigkeit des protokollierten Vorbringens des Beschwerdeführers in der angeführten Verhandlung ausgegangen.

Es entspricht nicht der Aktenlage, daß die der Bauverhandlung zugrundegelegenen Projektunterlagen die Zufahrt zur Gemeindestraße nicht enthalten hätten. Wie sich aus dem mit Bauansuchen vom 6. Juni 1993 vorgelegten Lageplan (vom 12. Mai 1993) ergibt, ist eine Zufahrt von der Gemeindestraße her, die auch am Grundstück des Beschwerdeführers vorbeiführt, vorgesehen gewesen. Aus dem Umstand, daß die Baubehörde in bezug auf die Breite dieser Zufahrt in der mündlichen Verhandlung eine Verringerung anordnete, ergibt sich nicht, daß man davon ausgehen könnte, daß die Zufahrt in diesem verringerten Ausmaß nicht bereits Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 2. September 1993 war, hinsichtlich dessen für den Beschwerdeführer durch die Nichterhebung von Einwendungen in dieser mündlichen Verhandlung Präklusion eingetreten ist.

Es erübrigte sich daher auf die Ausführungen des Beschwerdeführers zu den im Berufungsverfahren erstatteten und zur Entscheidung von der Berufungsbehörde herangezogenen Gutachten in lärmtechnischer und medizinischer Hinsicht näher einzugehen. Die belangte Behörde hat daher schon im Hinblick auf die dargelegten, für den Beschwerdeführer eingetretenen Präklusionsfolgen, an die die Aufsichtsbehörde genauso wie der Verwaltungsgerichtshof gebunden sind (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 1995, Zl. 94/05/0294), der Vorstellung des Beschwerdeführers zu Recht keine Folge geben. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995050175.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

06.08.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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