TE Vwgh Erkenntnis 1996/8/27 96/05/0172

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Veröffentlicht am 27.08.1996
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Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L81703 Baulärm Umgebungslärm Niederösterreich;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §56;
BauO NÖ 1976 §25 Abs2;
BauO NÖ 1976 §25 Abs7;
BauO NÖ 1976 §25;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde der N-Aktiengesellschaft in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 7. Mai 1996, Zl. R/1-V-91032/16, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Parteien: 1) Stadtgemeinde Mödling, vertreten durch den Bürgermeister, 2) DDr. R und Mag. EL in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerde und dem dieser angeschlossenen angefochtenen Bescheid ist folgender Sachverhalt zu entnehmen:

Mit Eingabe vom 25. November 1992 beantragte die Beschwerdeführerin gemäß § 25 Abs. 2 der Niederösterreichischen Bauordnung 1976, das im Miteigentum der Ehegatten Mag. E und DDr. RL stehende Grundstück Nr. nn/4, inneliegend der Liegenschaft EZ nn, KG Mödling, "mit dem Kranausleger im Ausmaß von ca. 6 m laut beiliegender Skizze Nr. 1176/1, blau eingezeichnet, für den Zeitraum von jetzt bis 15. März 1993, überfahren zu dürfen", zumal Bauarbeiten auf dem zu bebauenden Grundstück ohne Überfahren des Nachbargrundstückes mit dem Kranausleger nicht möglich seien und ein Überfahren des Grundstückes von den Nachbarn verweigert worden sei. Mit Eingabe vom 1. März 1993 beantragte die Beschwerdeführerin, den Endtermin der Benützung des Nachbargrundstückes "auf etwa zwei Monate, gerechnet vom Zeitpunkt, ab dem ein Neubeginn der Bauarbeit (nach einer zwischenzeitlich erfolgten Baueinstellung) erfolgen könne, auszudehnen".

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Mödling vom 17. Mai 1993 wurde den Ehegatten L die Duldung der Inanspruchnahme eines Teiles ihres - oben näher bezeichneten - Grundstückes für das Überschwenken mit dem Kranausleger für den Zeitraum vom 25. November 1992 bis 30. Juni 1993 aufgetragen, da der Beschwerdeführerin ohne diese Inanspruchnahme unzumutbare Mehrkosten in der Höhe von ca. S 350.000,-- entstünden. Die dagegen erhobene Berufung der Ehegatten L wurde - soweit für das Beschwerdeverfahren entscheidungswesentlich - mit Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde Mödling vom 17. August 1993 als unbegründet abgewiesen. Mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 29. November 1993 wurde dieser Berufungsbescheid infolge Vorstellung der Ehegatten L aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der Stadtgemeinde Mödling zurückverwiesen. Dieser Bescheid enthält unter anderem folgende Begründung:

"Außerdem hat der Bürgermeister in seinem Bescheid vom 17. Mai 1993 über eine Duldungsverpflichtung für einen Zeitraum vor seiner Bescheiderlassung abgesprochen, während der Gemeinderat in seiner Entscheidung vom 17. August 1993 über einen Zeitraum abgesprochen hat, der zum Zeitpunkt der Erlassung dieses Bescheides bereits längst verstrichen war."

Auf Grund dieses Vorstellungsbescheides, welcher vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts nicht angefochten wurde, gab der Gemeinderat der Stadtgemeinde Mödling mit Bescheid vom 13. Mai 1994 der Berufung der Ehegatten L Folge, hob den Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Mödling vom 17. Mai 1993 auf und wies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung zurück.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Mödling vom 9. Oktober 1995 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 25. November 1992 auf Duldung der Inanspruchnahme des Luftraumes des Nachbargrundstückes durch das Überschwenken des Baukranes mit seinem Ausleger für den Zeitraum vom 25. November 1992 bis 30. Juni 1993 zurückgewiesen, weil die Duldungsverpflichtung voraussetze, daß die Benützung des fremden Grundstückes erst zu einem von der Baubehörde bestimmten späteren Zeitpunkt zu erfolgen habe und eine rückwirkende Duldungsverpflichtung nicht erteilt werden könne. Eine Notwendigkeit der Benützung des Nachbargrundstückes liege nicht mehr vor, da die von dem antragsgegenständlichen Kran zu beschickende Wohnhausanlage bereits fertiggestellt und für diese bereits am 6. Oktober 1994 um die baubehördliche Benützungsbewilligung angesucht worden sei.

Mit Bescheid vom 27. März 1996 wies der Gemeinderat der Stadtgemeinde Mödling die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet ab, da die Baubehörden der Beurteilung der Frage der Notwendigkeit, des Umfanges und der Dauer der Benützung fremden Eigentums die Sach- und Rechslage im Zeitpunkt der Bescheiderlassung zugrundezulegen hätten. Da das gegenständliche Bauvorhaben bereits fertiggestellt und der Kran abgebaut worden sei und auch nicht mehr benötigt werde, liege die Notwendigkeit einer Inanspruchnahme des Nachbargrundstückes nicht mehr vor. Eine Rückwirkung der Duldungsverpflichtung könne nicht ausgesprochen werden.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 7. Mai 1996 wurde die dagegen erhobene Vorstellung der Beschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen. Der Rechtsmeinung der Aufsichtsbehörde, die in einem aufhebenden Vorstellungsbescheid ausgedrückt worden sei und den aufhebenden Spruch dieses Bescheides trage, komme bindende Wirkung zu, wobei sich die Bindung in diesem Umfang auf alle Parteien und Behörden einschließlich der Aufsichtsbehörde selbst und der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes bei gleichbleibender Sach- und Rechtslage erstrecke. Bereits im Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 29. November 1993 sei ausgesprochen worden, daß eine rückwirkende Duldungsverpflichtung § 25 der NÖ. Bauordnung 1976 widerspreche. Diese Rechtsmeinung habe einen tragenden Aufhebungsgrund dieses Bescheides gebildet; daran seien die Parteien und die Behörden gebunden. Die Baubehörde habe daher eine Duldungsverpflichtung nach § 25 der NÖ. Bauordnung 1976 für einen zurückliegenden Zeitraum (25. November 1992 bis 30. Juni 1993) nicht mehr aussprechen dürfen. Eine nachträgliche Bewilligung könne in einem solchen Fall nicht mehr erteilt werden. Schon der Bürgermeister der Stadtgemeinde Mödling als Baubehörde erster Instanz habe den Umstand zu berücksichtigen gehabt, daß zufolge der Fertigstellung des Bauvorhabens und des Abbaus des Kranes eine Notwendigkeit der Benützung des benachbarten Grundstückes nicht mehr gegeben gewesen sei und durch den Ablauf des geplanten Duldungs- bzw. Inanspruchnahmezeitraumes der "Gegenstand" des Bewilligungsverfahrens weggefallen sei und damit nicht mehr "in der Sache" entschieden habe werden können. Die Baubehörde erster Instanz habe demzufolge zu Recht den Antrag vom 25. November 1992 zurückgewiesen. Habe die Behörde erster Instanz einen Antrag zurückgewiesen, so dürfe die Berufungsbehörde nur über die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung, nicht aber über den zurückgewiesenen Antrag selbst entscheiden. Der Berufungsbehörde sei es somit verwehrt gewesen, den unterinstanzlichen Bescheid in eine Sachentscheidung abzuändern. Der Gemeinderat der Stadtgemeinde Mödling habe daher die Berufung der Beschwerdeführerin zu Recht als unbegründet abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid "in ihrem Recht auf Benützung des Nachbargrundstückes Nr. nn/4 der KG Mödling zur Vornahme von Bauarbeiten gemäß § 25 Abs. 2 NÖ. Bauordnung und ihrem Recht auf eine Sachentscheidung verletzt".

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 25 Abs. 1 der Niederösterreichischen Bauordnung 1976 i.d.F. der Novelle LGBl. 8200-9 (BO) haben die Eigentümer benachbarter Grundstücke das Betreten und die vorübergehende Benützung ihrer Grundstücke oder ihrer Bauwerke zur Herstellung der nach diesem Gesetz erforderlichen Pläne, zur Durchführung von Vorhaben, zu Instandhaltungsarbeiten oder zur Beseitigung von Baugebrechen zu dulden, wenn diese Arbeiten auf andere Weise nicht oder nur unter unzumutbar hohen Kosten durchgeführt werden können. § 24 Abs. 12 gilt sinngemäß.

Gemäß § 24 Abs. 12 leg. cit. ist der Eigentümer mindestens vier Wochen vor der Inanspruchnahme seines Grundstückes oder seines Bauwerks zu verständigen.

Gemäß § 25 Abs. 2 leg. cit. hat die Baubehörde im Fall der Verweigerung der Inanspruchnahme nach § 25 Abs. 1 über die Notwendigkeit, Umfang und Dauer der Benützung fremden Eigentums zu entscheiden.

Die im § 25 Abs. 1 BO normierte Duldungsverpflichtung des Eigentümers benachbarter Grundstücke besteht kraft Gesetzes und erfordert zunächst keinen Bescheid. Erst bei Verweigerung der Inanspruchnahme durch den Eigentümer benachbarter Grundstücke ist die Erlassung eines Bescheides im Sinne des § 25 Abs. 2 leg. cit. vorgesehen. Demnach hat die Baubehörde über Notwendigkeit, Umfang und Dauer der Benützung fremden Eigentums zu entscheiden. Hiebei handelt es sich um einen Leistungsbescheid, welcher die im Gesetz vorgesehene Verpflichtung individualisiert, und nötigenfalls auch vollstreckt werden kann (vgl. § 25 Abs. 7 BO).

Nach den unstrittigen Sachverhaltsfeststellungen im angefochtenen Bescheid hat die Beschwerdeführerin den bescheidmäßigen Ausspruch einer Duldungsverpflichtung gegenüber den Eigentümern benachbarter Grundstücke für einen im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides bereits verflossenen Zeitraum begehrt. Damit war zum Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides der Antragsgegenstand bereits weggefallen. Die Beschwerdeführerin wurde daher in dem vom Beschwerdepunkt umfaßten subjektiven Recht nicht verletzt, da schon die Baubehörde erster Instanz im Zeitpunkt der Erlassung ihres hier maßgeblichen Bescheides vom 9. Oktober 1995 nicht mehr in der Sache entscheiden konnte (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 18. Jänner 1978, Slg. Nr. 9473/A, sowie vom 19. April 1988, Zl. 87/04/0259). Bei dieser Sach- und Rechtslage bedurfte es daher keiner näheren Erörterung mehr, ob durch den Bescheid der belangten Behörde vom 29. November 1993 eine - auch für den Verwaltungsgerichtshof - bindende Rechtsansicht ausgesprochen worden ist.

Im Beschwerdefall hatten die Baubehörden nicht darüber abzusprechen, was an einem bestimmten Stichtag oder in einem konkreten Zeitraum rechtens war. Mangels Sonderregelung hatten daher die Baubehörden jene Sach- und Rechtslage ihrer Entscheidungsfindung zugrundezulegen, die im Zeitpunkt ihrer Entscheidung vorlag (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 28. November 1983, Slg. Nr. 11237/A). Maßgeblich war somit für die Baubehörde erster Instanz der Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides vom 9. Oktober 1995, nicht - wie die Beschwerdeführerin vermeint - ihres Bescheides vom 17. Mai 1993, welcher mit Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde Mödling vom 13. Mai 1994 gemäß § 66 Abs. 2 AVG aufgehoben worden ist. Mit ihren Ausführungen, ihr Antrag vom 25. November 1992, ergänzt durch die Eingabe vom 1. März 1993, wäre ab-, keinesfalls aber zurückzuweisen gewesen, vermag die Beschwerdeführerin auch keine Verletzung eines subjektiven Rechtes aufzuzeigen, zumal - wie oben bereits ausgeführt - der Zeitraum, auf welchen sich die beantragte Duldungsverpflichtung der Eigentümer benachbarter Grundstücke bezogen hat, zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung bereits abgelaufen war. Der auf § 25 Abs. 2 BO gestützte Antrag konnte nur auf den bescheidmäßigen Ausspruch der im § 25 Abs. 1 leg. cit. normierten Verpflichtung gerichtet sein. Gemäß § 25 Abs. 2 BO hätte ein solcher Bescheid die Notwendigkeit, den Umfang und die Dauer der Benützung fremden Eigentums durch den Antragsteller zu enthalten. Eine bescheidmäßige Feststellung des Inhaltes, daß die Benützung fremden Eigentums § 25 BO entsprochen hat, ist im Gesetz nicht vorgesehen. Daß die Beschwerdeführerin einen solchen Feststellungsantrag gestellt hätte, wird auch in der Beschwerde nicht behauptet und war auch nicht Gegenstand des Abspruches durch den Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Mödling vom 9. Oktober 1995.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung FeststellungsbescheideAnspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung konstitutive Bescheide

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996050172.X00

Im RIS seit

25.01.2001

Zuletzt aktualisiert am

08.08.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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