TE Vwgh Erkenntnis 2022/2/14 Ra 2020/02/0141

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Veröffentlicht am 14.02.2022
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §47
VwGVG 2014 §47 Abs4

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Dr. Köller und die Hofrätinnen Mag. Dr. Maurer-Kober und Mag. Schindler als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schörner, über die Revision des S in L, vertreten durch Mag. Rainer Hochstöger, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Breitwiesergutstraße 10 (4. OG), gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 12. März 2020, LVwG-S-2703/001-2018, betreffend Übertretung des KFG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft St. Pölten), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 4. Dezember 2018 wurde dem Revisionswerber zur Last gelegt, er habe zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem näher bezeichneten Ort ein konkret genanntes Kraftfahrzeug, an welchem für ihn erkennbar ein sogenannter „Radar- oder Laserblocker“ der Marke „Antilaser“ angebracht gewesen sei, gelenkt, obwohl Geräte oder Gegenstände, mit denen technische Einrichtungen zur Verkehrsüberwachung beeinflusst oder gestört werden können, weder an Kraftfahrzeugen angebracht noch in solchen mitgeführt werden dürfen, und dadurch § 98a Abs. 1 in Verbindung mit § 102 Abs. 1 KFG verletzt. Die belangte Behörde verhängte gemäß § 134 Abs. 1 KFG eine Geldstrafe in der Höhe von € 1.000,-- sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe und verpflichtete den Revisionswerber zur Zahlung eines Beitrages zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens.

2        Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (Verwaltungsgericht) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit der Maßgabe ab, dass im Spruch die Wortfolge „Radar- oder“ zu entfallen habe. Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

3        Begründend stellte das Verwaltungsgericht fest, dass der Revisionswerber das genannte Kraftfahrzeug am Tatort zur Tatzeit gelenkt habe. Beim Versuch der Polizeibeamten Z. und F. die Fahrgeschwindigkeit des vom Revisionswerber gelenkten Fahrzeuges zu messen, sei auf dem Messgerät nicht die Fahrgeschwindigkeit, sondern die Meldung „Error E03“ angezeigt worden. Ein erneuter Messversuch habe ebenfalls mit der Meldung „Error E03“ geendet. Bei der in der Folge unternommenen Fahrzeugkontrolle sei von den Meldungslegern im vorderen Bereich des Fahrzeuges ein Laserblocker und im Inneren des Fahrzeuges im Fußbereich der Lautsprecher sowie das Bedienteil des Laserblockers entdeckt worden. Über Aufforderung der die Amtshandlung führenden Beamten habe der Revisionswerber die Bestandteile des Laserblockers ausgebaut, wobei das zu einem Laserblocker dazugehörige Steuergerät nicht wahrgenommen worden sei. Die Bestandteile des Laserblockers seien gegenüber dem Zulassungsbesitzer für verfallen erklärt und vernichtet worden. Der Revisionswerber sei zum Tatzeitpunkt in Kenntnis des Umstandes gewesen, dass bei dem von ihm gelenkten Fahrzeug ein Laserblocker zur Vereitelung einer mit Lasermessgeräten vorgenommenen Geschwindigkeitsmessung eingebaut gewesen sei.

4        Diese Feststellungen stützte das Verwaltungsgericht primär auf die Aussagen der Meldungsleger Z. und F. und führte aus, der Zeuge F. habe unter Verweis auf von ihm durchgeführte derartige Amtshandlungen glaubwürdig dargelegt, dass er mit Lasermessungen und insbesondere mit im Zuge solcher Messungen festgestellten Laserblockern Erfahrung habe und der Umstand, dass das zu einem Laserblocker gehörende Steuerungsgerät nicht auch gefunden worden sei, ausschließlich daran gelegen habe, dass dieses meist hinter einem Verbau bzw. der Verkleidung hinter dem Lenkrad, also nicht ohne weiteres von außen sichtbar angebracht sei. Es wäre außerhalb jeder Lebenserfahrung, wolle man nur vom Vorhandensein der damals beschlagnahmten Komponenten eines Laserblockers ausgehen, zumal der Einbau bloß dieser drei Komponenten (ohne Steuergerät) keinem Zweck zugeordnet werden könne. Dass es sich bei den ausgebauten Komponenten um solche eines Laserblockers gehandelt habe, ergebe sich nicht zuletzt auch aus der darauf angebrachten Aufschrift des Herstellers mit der Bezeichnung „Antilaser“ sowie dem Umstand, dass zur Tatzeit eine Messung der Geschwindigkeit des in Rede stehenden Fahrzeuges vereitelt worden sei.

5        In der rechtlichen Beurteilung wurde der objektive Tatbestand des § 98a Abs. 1 KFG als erfüllt angesehen, weil es sich um ein Gerät handle, mit dem technische Einrichtungen zur Verkehrsüberwachung beeinflusst oder gestört werden könnten. Mit näherer Begründung führte das Verwaltungsgericht aus, dass der Revisionswerber die ihm angelastete Tat auch subjektiv zu verantworten habe. Schließlich begründete das Verwaltungsgericht die Höhe der verhängten Strafe.

6        Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

7        Die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.

8        Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

9        Zur Begründung der Zulässigkeit bringt die Revision zunächst vor, das Verwaltungsgericht habe dem Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Bereich Fahrzeugelektronik in antizipierender Weise nicht stattgegeben.

10       Dazu ist darauf hinzuweisen, dass es der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichts unterliegt, ob eine Beweisaufnahme notwendig ist. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG liegt nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt ist und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Ergebnis geführt hat (vgl. VwGH 2.6.2021, Ra 2019/02/0239, mwN).

11       Eine derart grobe Fehlbeurteilung liegt fallbezogen nicht vor. Das Verwaltungsgericht stützte seine Einschätzung, wonach es sich bei dem eingebauten Gerät um einen Laserblocker handle, welcher zur Beeinflussung oder Störung technischer Einrichtungen zur Verkehrsüberwachung zur Tatzeit geeignet war (vgl. zu diesen Anforderungen VwGH 17.6.2019, Ra 2019/02/0069, sowie VwGH 13.10.2020, Ra 2020/02/0063), maßgeblich auf die für glaubwürdig befundenen Angaben des amtshandelnden Polizeiorganes zu seiner Erfahrung mit derartigen Laserblocksystemen sowie auf die Fotos der sichergestellten Komponenten, auf denen die Aufschrift des Herstellers „Antilaser“ zu sehen sei. Dass die bei der Amtshandlung aus dem Fahrzeug ausgebauten Teile anderweitige Funktionen hätten, sei im gesamten Verfahren nicht hervorgekommen. Der Revisionswerber tritt diesen Beweisergebnissen in seinen Ausführungen nicht entgegen. Insbesondere legt er nicht dar, welche andere Funktion die sichergestellten Komponenten haben sollten. Zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist der Verwaltungsgerichtshof nach ständiger Rechtsprechung im Allgemeinen nicht berufen (vgl. etwa VwGH 14.1.2021, Ra 2020/02/0292, mwN). Die Nichteinholung eines Sachverständigengutachtens ist vor diesem Hintergrund nicht als rechtwidrig zu erkennen.

12       Zudem wird vom Revisionswerber vorgebracht, das Verwaltungsgericht sei insofern von der (näher zitierten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abgewichen, als es das Erkenntnis nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung nicht verkündet habe.

13       Mit diesem Vorbringen erweist sich die Revision als zulässig und auch begründet.

14       Gemäß § 47 Abs. 4 letzter Satz VwGVG sind nach dem Schluss der Verhandlung der Spruch des Erkenntnisses und seine wesentliche Begründung nach Möglichkeit sofort zu beschließen und zu verkünden.

15       Die Verkündung der Entscheidung direkt nach der Verhandlung stellt den gesetzlichen, wenn auch in der Praxis nicht immer umsetzbaren Regelfall dar. Ist eine anschließende Verkündung nicht möglich, etwa wegen der Komplexität der Sach- oder Rechtslage, hat die Entscheidung schriftlich zu ergehen. Bedarf die Fällung des Erkenntnisses (etwa die Beweiswürdigung) reiflicher Überlegung, so kann das Verwaltungsgericht von der sofortigen Verkündung Abstand nehmen, andernfalls belastet die rechtswidrige Unterlassung der Verkündung durch das Verwaltungsgericht das Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit (vgl. VwGH 24.6.2021, Ra 2020/02/0072, mwN).

16       Im Revisionsfall hat das Verwaltungsgericht weder nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung noch im schriftlichen Erkenntnis begründet, warum es ihm nicht möglich (gewesen) sei, das Erkenntnis nach Schluss der Verhandlung sofort zu beschließen und zu verkünden. Eine solche Begründung wäre - infolge ihrer Einzelfallbezogenheit - im Regelfall, wenn sie in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze erfolgt, nicht revisibel. Im Revisionsfall ist auch nicht offensichtlich, dass die Verkündung des Spruches des Erkenntnisses und seiner wesentlichen Begründung nach dem Schluss der Verhandlung nicht möglich gewesen wäre (vgl. VwGH 8.10.2020, Ra 2020/02/0178, mwN).

17       Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung zu § 47 Abs. 4 letzter Satz VwGVG hat das Verwaltungsgericht durch das unbegründete Unterlassen der Verkündung des Erkenntnisses nach Schluss der mündlichen Verhandlung in einer Verwaltungsstrafsache das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet. Dieses war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

18       Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG Abstand genommen werden.

19       Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 14. Februar 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020020141.L00

Im RIS seit

10.03.2022

Zuletzt aktualisiert am

18.03.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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