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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §18 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde der Marktgemeinde Mauerbach, vertreten durch den Bürgermeister, dieser vertreten durch Dr. U, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 16. Mai 1995, Zl. R/1-V-92072/01, betreffend Zurückweisung einer Berufung im Bauverfahren (mitbeteiligte Parteien:
1.
P-KG, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W;
2.
Dipl. Ing. Hans und Lieselotte R, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat der beschwerdeführenden Gemeinde Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Aufgrund des Antrages der erstmitbeteiligten Partei um Baubewilligung für die Errichtung eines Betriebsgebäudes auf dem Grundstück Nr. n/9, KG Mauerbach, erteilte der Bürgermeister der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 22. Jänner 1992 unter Vorschreibung von insgesamt acht Auflagen die beantragte Baubewilligung. Die unter Punkt 1. und 2. erteilten Auflagen lauteten wie folgt:
"1.
Die im örtl. Raumordnungsprogramm (Flächenwidmungs- u. Bebauungsplan) als Verkehrsfläche ausgewiesenen Teile des Gst. n/9 und der Begleitweg entlang des Mauerbaches sind vor Kollaudierung bzw. Inbetriebnahme unentgeltlich, kosten- u. lastenfrei an das öffentliche Gut abzutreten.
2.
Bis zur Herstellung der im örtl. Raumordnungsprogramm vorgesehenen Aufschließungsstraße entlang der südöstl. Grundgrenze d. Gst. n/9 ist die Einfahrt im Bereich der Ausmündung (Trompete) der vorgesehenen Aufschließungsstraße auf Eigengrund herzustellen."
In der Folge richtete die erstmitbeteiligte Partei am 6. Februar 1992 folgendes Schreiben an die Beschwerdeführerin:
"Sehr geehrter Herr Bürgermeister B. ...
Am 1.2.1988 habe ich in einem Schreiben an die Gemeinde Mauerbach den Wunsch geäussert auf unserem Grund in Mauerbach Kreuzbrunn ein Betriebsgebäude für unsere Firma zu errichten. Den Grund haben meine Eltern vor rund 20 Jahren als BAULAND BETRIEBSGEBIET gekauft.
Zu meinem großen Pech wohnen gegenüber dieses Grundes drei offensichtlich wichtige Gemeinderatsmitglieder.
...
Und nun nach vier langen Jahren haben wir den Baubescheid Nr. 5822/91/HO-92 am 25.1.92 endlich bekommen.
Ich danke allen die mich dabei unterstützt haben.
Aber auch jetzt versucht mir die Gemeinde Mauerbach zu schaden so gut sie kann.
Im Punkt I. 1 des Bescheides verlangen Sie Herr Bürgermeister die KOSTEN- UND LASTENFREIE Abtretung des Weges entlang des Mauerbaches zu Gunsten der Gemeinde
Es handelt sich dabei um eine Fläche von ca. 200m2 und einen Wert von ca. S 200.000,--. Und damit, so muß ich Ihnen ganz offen sagen bin ich ganz und gar nicht einverstanden.
Sie und Ihr Gemeinderat haben unser Grundstück damit an allen vier Seiten wesentlich beschnitten und damit die ursprünglich nutzbare Fläche um sage und schreibe 24,3% (das ist fast ein VIERTEL) reduziert.
Entlang der Straße mußten wir ca. 250m2 Grund abtreten. Dies ist bereits geschehen.
Auf der Westseite haben Sie uns einen 8m breiten Grüngürtel verordnet. Damit ist eine Fläche von ca. 600m2 für uns nicht mehr nutzbar.
Auf der Ostseite verlangen Sie mit dem Baubescheid vom 25.1.92 Nr. 5822/91/HO-92 die kosten- und lastenfreie Abtretung eines Umkehrplatzes und einer Einmündung in eine noch herzustellende Straße. Abermals ein Verlust von 50m2.
Somit bisher (ohne Weg entlang des Mauerbaches) eine Fläche von 900m2 oder in Geldwert S. 1 800.000,--.
Erwähnen möchte ich noch, daß sie zusätzlich noch die Verbauungsdichte verringert haben, die Baufluchtlinie zu unseren Lasten verändert haben und auch noch eine Einfahrtssperre entlang der Straße verhängt haben
Nun aber zurück zum "Glanzstück" Ihres Belastungspaketes:
Bei all den zahlreichen Besprechungen haben Sie mir und Herrn Dipl.Ing. R.... immer mitgeteilt, daß die strichlierte Linie entlang des Baches im Flächenwidmungsplan den Kanal darstellt. Dieser Kanal müsse von uns freigehalten werden bzw. müssen wir für die freie Zufahrt sorgen.
Diese Zusagen haben Sie von uns mündlich und schriftlich bekommen. Wir haben auch über die Möglichkeit eines Nutzungsrechtes für einen Weg gesprochen und die mündlichen Vereinbarungen in unserem Schreiben vom 24.4.91 schriftlich bestätigt.
Und nun wischen Sie alle Verhandlungsergebnisse vom Tisch und verlangen eine kostenlose Abtretung.
Bitte beantworten Sie mir in diesem Zusammenhang die folgenden Fragen:
1.
Warum endet meine Einspruchsfrist 3 Tage früher als die der Anrainer?
2.
Warum glauben Sie diesen Weg, der ausschließlich im Interesse der im Gemeinderat sitzenden Anrainer liegt nur mit einer kosten- und gebührenfreien Abtretung verwirklichen zu können? Warum setzen wir unsere Gespräche bezüglich eines Nutzungsrechtes für die Gemeinde nicht fort?
3.
Durch die oben beschriebenen Aktionen wurde der Wert unseres Grundes wesentlich vermindert. Dieses Grundstück dient jedoch als Sicherheit für die Bank die den Bau der Halle finanziert. Die Bank hat daher angekündigt die Leasingrate erhöhen zu müssen oder weitere Sicherheiten zu verlangen. Wird mir die Gemeinde diese Bürgschaft abgeben? Werden Sie die Erhöhung der Leasingraten tragen?
4.
Ein Kostengutachten unseres Architekten zeigt, daß die Befestigung des Wegen entlang des Baches mit
ca. S 7 350.000,-- zu veranschlagen ist.
Hat die Gemeinde soviel Geld? Werden die Wähler damit einverstanden sein dieses Geld für einige wenige Gemeinderatsmitglieder auszugeben?
5.
Haben Sie schon an das Sicherheitsrisiko gedacht?
6.
Wissen Sie eigentlich, daß in einem Abstand von 10-20 Metern genau entlang des Baches eine Forststraße führt.
Diese Straße wird schon jetzt von den Anrainern benützt. Ist es sinnvoll zwei Wege nebeneinander zu führen?
7.
Wie wollen Sie das Gebäude der Firma B und die Wohnhäuser beim Kindergarten entfernen? Beide Gebäude befinden sich auf dem geplanten Weg
8.
Warum wird mein Projekt laufend behindert und mit den größten Auflagen belegt die möglich sind?
Warum schauen Sie diesem Unrecht tatenlos zu?
Wollen Sie nicht, daß behinderte Menschen in Ihrer Gemeinde
Arbeit finden?
9.
Ich habe vier Kinder. Drei davon mit unterschiedlichen Behinderungen. Vor einem Jahr habe ich meine kleine Verena in Mauerbach begraben müssen nachdem wir zwei Jahre um dieses Kind gekämpft haben. Glauben Sie wirklich, daß Sie mich nach diesen Schicksalsschlägen brechen können und zur Aufgabe bewegen können?
Bitte schauen Sie diesem Unrecht nicht länger zu und versammeln Sie die vernünftigen Gemeinderäte um sich, damit wir bezüglich des Weges eine gangbare Lösung ohne Abtretung, Enteignung etc. finden.
Mit freundlichen Grüßen"
(Es folgt die Unterschrift des Vertreters der Erstmitbeteiligten)
Gegen den angeführten Bescheid des Bürgermeisters der Beschwerdeführerin vom 22. Jänner 1992 wurde auch von den Zweitmitbeteiligten Berufung erhoben.
Mit Bescheid des Gemeinderates der Beschwerdeführerin vom 10. Dezember 1993 wurde die Berufung des Erstmitbeteiligten gemäß § 63 Abs. 3 AVG als unzulässig zurückgewiesen, da das Schreiben vom 6. Februar 1992 nicht als Berufung oder sonst als Rechtsmittel bezeichnet worden sei und auch keinen Berufungsantrag enthalte. Die erstmitbeteiligte Partei schreibe nur, daß sie mit der Auflage 1. nicht einverstanden sei. Auch der erstmitbeteiligten Partei müsse die Qualifikation des Schreibens vom 6. Februar 1992 als Berufung nicht klar gewesen sein, habe sie doch mit Schreiben vom 2. April 1992 um Bestätigung der Rechtskraft angesucht und mit Schreiben vom 1. Juni 1993 das Schreiben vom 6. Februar 1992 als "Teileinspruch" gegen die Auflagen Punkte 1., 2., 3., 4., 5. und 7. bezeichnet, obwohl die Punkte 2., 3., 4., 5. und 7. in dem Schreiben vom 6. Februar 1992 überhaupt nicht erwähnt worden seien. Es werde auch noch darauf hingewiesen, daß es nach der Judikatur und Lehre den Begriff eines Teileinspruches und einer Teilrechtskraft nicht gäbe. Der Gemeinderat komme also zu dem Schluß, daß nicht einmal die erstmitbeteiligte Partei gewußt habe, was sie mit ihrem Schreiben vom 6. Februar 1992 wollte. Daher könne dieses nicht als Berufung angesehen werden und sei wegen Fehlens eines Berufungsantrages wegen Unzulässigkeit zurückzuweisen.
Im nichtöffentlichen Teil des Protokolls über die Gemeinderatssitzung vom 25. November 1993 ist unter Punkt 15 - Bauangelegenheiten folgendes festgehalten:
"Der Bürgermeister verläßt wegen Befangenheit den Sitzungssaal und übergibt den Vorsitz Herrn Vzbgm.Komm.Rat Ing. G....
P Mag. Alexander/Fa. Bilderrahmen P, 3001 Mauerbach, vertreten durch RA Dr. G, W.
Schreiben vom 6.02.1992, welches lt. Schreiben vom 1.06. 1993 und laut Aussprache vom 1.10.1993 vom Einschreiter als Berufung bzw. als Teilberufung angesehen wird.
ANTRAG, die vom Einschreiter als Berufung gegen den Bescheid der Baubehörde I. Instanz vom 22.01.1992, Zl. 5822/91/HO-92, angesehenen Schreiben, gemäß § 63 Abs. 3 AVG
1950, als unzulässig zurückzuweisen.
Der Antrag wird einstimmig beschlossen."
Der dagegen erhobenen Vorstellung der erstmitbeteiligten Partei wurde mit dem angefochtenen Bescheid Folge gegeben, der Berufungsbescheid behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der Beschwerdeführerin verwiesen. Aus dem Auszug aus dem Sitzungsprotokoll der Gemeinderatssitzung vom 25. November 1993 gehe hervor, daß im Punkt 15 lediglich der Beschluß gefaßt worden sei, das von der erstmitbeteiligten Partei als Berufung angesehene Schreiben gemäß § 63 Abs. 3 AVG als unzulässig zurückzuweisen. Die Begründung des Berufungsbescheides sei nicht Gegenstand der Beschlußfassung gewesen. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes werde ein Beschwerdeführer dadurch in seinen Rechten verletzt und habe die Gemeindeaufsichtsbehörde diese inhaltliche Rechtswidrigkeit, auch wenn sie nicht geltend gemacht worden sei, wahrzunehmen. Weiters sei die Berufung zu Unrecht als unzulässig zurückgewiesen worden. Es sei dem Schriftsatz vom 6. Februar 1992 zweifelsfrei zu entnehmen, daß sich die erstmitbeteiligte Partei gegen die unentgeltliche Straßenabtretungsverpflichtung gewendet habe. Der Berufungsantrag sei, auch wenn er teilweise an der Sache vorbeigehe, als begründet zu beurteilen. Es sei nicht erforderlich, daß eine Berufung als solche ausdrücklich bezeichnet werde, sofern sich nur erkennen lasse, was eine Partei bekämpfe und womit sie ihren Standpunkt vertreten zu können glaube. Der Verwaltungsgerichtshof habe jedenfalls wiederholt ausgesprochen, daß dem Geist des AVG ein übertriebener Formalismus fremd sei. Es sei daher im Lichte dieser Judikatur die vorliegende Berufung zu Unrecht als unzulässig zurückgewiesen worden, sodaß der Gemeinderat neuerlich über die Berufung - inhaltlich - zu entscheiden haben werde. In der Folge führt die belangte Behörde in der Form eines Hinweises auch noch ihre Auffassung aus, daß für die beabsichtigte Abtretung des Grundstücksteiles für die neue Straße gemäß § 13 Abs. 3 Nö Bauordnung 1976 eine Entschädigung zu leisten sei. Weiters würden die Auflagepunkte 3., 4., 5. und 7. ersatzlos zu beheben sein, da der Bürgermeister der Beschwerdeführerin dafür nicht zuständig sei, fielen doch die Belange der Straßenpolizei in die Kompetenz der Bezirkshauptmannschaft. Der Auflagepunkt 8. stelle überdies eine nichtvollstreckbare und daher unzulässige Auflage dar, welche ebenfalls aufzuheben sein werde. Schließlich werde noch bemerkt, daß die Rechtsansicht des Gemeinderates, es wäre eine Teilrechtskraft nicht möglich, im Gesetz und in der Judikatur keine Deckung finde.
In der dagegen erhobenen Beschwerde wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat einen Teil der Verwaltungsakten vorgelegt (da die Akten im übrigen aus Anlaß eines Beschwerdeverfahrens der Zweitmitbeteiligten dem Verfassungsgerichtshof vorgelegt worden seien) und - wie die mitbeteiligten Parteien - eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin macht zunächst geltend, daß die Begründung des Berufungsbescheides von der Beschlußfassung des Gemeinderates vom 25. November 1993 gedeckt sei. Die Auffassung der belangten Behörde sei unrichtig und gehe offenbar darauf zurück, daß die belangte Behörde nur in den Protokollauszug über die Gemeinderatssitzung vom 25. November 1993 Einsicht genommen habe, in dem die Beschlüsse der Tagesordnung des nichtöffentlichen Teiles (u.a. Punkt 15, der die vorliegende Bausache betraf) lediglich wiedergegeben worden seien, nicht aber in das Protokoll über den nicht-öffentlichen Teil dieser Gemeinderatssitzung. Im Protokoll über den nichtöffentlichen Teil der Gemeinderatssitzung werde der Vortrag des Vorsitzenden, des Vizebürgermeisters, über den Gegenstand, der Vortrag und Antrag des Gemeinderates Dr. J. und die Beschlußfassung wiedergegeben. Diesem Protokoll sei somit zu entnehmen, daß den Mitgliedern des Gemeinderates aufgrund eines vorliegenden Bescheidentwurfes die Bescheidbegründung vorgetragen und gemeinsam mit dem Spruch des Bescheides beschlossen worden sei.
Das Protokoll des nicht öffentlichen Teiles der Gemeinderatssitzung vom 25. November 1993 lautet betreffend Punkt 15 wie folgt:
"Der Bürgermeister verläßt wegen Befangenheit den Sitzungssaal und übergibt den Vorsitz Herrn Vzbgm.Komm.Rat Ing.G.
P Mag.Alexander/Fa.BILDERRAHMEN P, 3001 Mauerbach, vertreten durch RA Dr. G, W. Schreiben vom 06.02.1992, welches lt.Schreiben vom 1.06.1993 und laut Aussprache vom 01.10.1993 vom Einschreiter als Berufung bzw. als Teilberufung angesehen wird.
Herr Vzbgm.Komm.Rat G teilt dazu mit, daß aus den Unterlagen nicht zu erkennen war, daß eine Berufung erfolgt ist, denn mit Schreiben vom 02.04.1002 hat der Einschreiter den zuständigen Sachbearbeiter, Herrn A. um die "Bestätigung der Rechtskraft auf dem Baubescheid ..." ersucht.
Der Vorsitzende erteilt Herrn Gr. Dr. ... das Wort.
Herr GR Dr. ... stellt den Antrag, die vom Einschreiter als
Berufung gegen den Bescheid der Baubehörde I. Instanz vom 22.01.1992, Zl.5822/91/HO-9, angesehenen Schreiben, gemäß § 63 Abs 3 AVG 1950, als unzulässig zurückzuweisen. Den Mitgliedern des Gemeinderates wird aufgrund eines vorliegenden Bescheidentwurfes die wesentlichen Teile der Bescheidbegründung erläutert.
Der ANTRAG wird einstimmig beschlossen."
Auch wenn aus dem Protokoll nicht ersichtlich ist, wie der vorgelegte und referierte Bescheidentwurf inhaltlich lautete (da der Bescheidentwurf nicht dem Protokoll angeheftet wurde), ist mangels irgendwelcher gegenteiliger Anhaltspunkte davon auszugehen, daß der Bescheidentwurf, über den abgestimmt wurde, dem an die Mitbeteiligten ergangenen Intimationsbescheid des Bürgermeisters der Beschwerdeführerin vom 10. Dezember 1993 entspricht. Die belangte Behörde war daher zu Unrecht der Auffassung, daß die Begründung des verfahrensgegenständlichen Berufungsbescheides nicht einmal in den Grundsätzen der Beschlußfassung des Gemeinderates unterzogen wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. März 1984, Zl. 83/05/0137). Wie vielmehr das Protokoll des nicht öffentlichen Teiles der Gemeinderatssitzung zeigt, war auch die Begründung des Bescheides über die Berufung des Erstmitbeteiligten vom 6. Februar 1992 Gegenstand der Beratung und Abstimmung der Gemeinderatssitzung vom 25. November 1993. Der Umstand, daß das Protokoll der nicht öffentlichen Sitzung der belangten Behörde im Rahmen des vorgelegten Verwaltungsaktes offensichtlich nicht zur Verfügung stand, ändert an diesem Ergebnis nichts. Dieser tragende Aufhebungsgrund des angefochtenen Bescheides erweist sich somit als inhaltlich rechtswidrig.
Weiters wendet sich die beschwerdeführende Gemeinde gegen die Auffassung der belangten Behörde, das verfahrensgegenständliche Schreiben der erstmitbeteiligten Partei vom 6. Februar 1992 stelle eine Berufung im Sinne des § 63 Abs. 3 AVG dar. Es sei zwar der Bescheid des Bürgermeisters der Beschwerdeführerin im Schreiben vom 6. Februar 1992 bezeichnet. Aus dem Schreiben könne jedoch kein Berufungsantrag abgeleitet werden (so z.B. aus der Wendung "aber auch jetzt versucht mir die Gemeinde Mauerbach zu schaden, so gut sie kann" oder wenn die verfügte Abtretungsverpflichtung für den entlang des Mauerbaches führenden Weg als "Glanzstück des Belastungspaketes" der Gemeinde angeführt werde, das angeblich entgegen den vorherigen Gesprächen und Verhandlungsergebnissen vorgeschrieben worden sei). Die in der Folge gestellten neun Fragen bezögen sich nur teilweise auf den angeführten Bescheid des Bürgermeisters und würden im wesentlichen behaupten, daß die erstmitbeteiligte Partei wirtschaftlich, aber auch privat benachteiligt worden sei und werde. Diese Fragen enthielten keinen Berufungsantrag, geschweige denn einen begründeten Berufungsantrag. Auch aus dem Schlußsatz ("Bitte schauen Sie diesem Unrecht nicht länger zu und versammeln sie die vernünftigen Gemeinderäte um sich, damit wir bezüglich des Weges eine gangbare Lösung ohne Abtretung, Enteignung etc. finden.") könne ein begründeter Berufungsantrag nicht erschlossen werden. Es sei dies offenbar ein Appell an den Bürgermeister und die Gemeinderäte gewesen, einen Weg zu suchen, die als Belastungen angesehenen Probleme der erstmitbeteiligten Partei zu verringern oder zu beseitigen. Im Hinblick auf die Frage 2 ("Warum setzen wir unsere Gespräche bezüglich eines Nutzungsrechtes für die Gemeinde nicht fort") und die Formulierung im Schlußsatz ("damit wir bezüglich des Weges eine gangbare Lösung ... finden") sei dieses Schreiben als Gesprächs- und Verhandlungswunsch bezüglich dieses Weges, nicht aber als Rechtsmittelanfechtung aufgefaßt worden. Auch aus dem Gesamtzusammenhang des Schreibens sei ein solcher Anfechtungswille der erstmitbeteiligten Partei nicht zu erschließen gewesen. Dazu komme, daß diesem Schreiben der erstmitbeteiligten Partei zwei Briefe vom 11. Februar und vom 2. April 1992 nachfolgten, die die Auffassung der Berufungsbehörde bestätigten, daß die erstmitbeteiligte Partei den Bescheid des Bürgermeisters der Beschwerdeführerin vom 22. Jänner 1992 nicht anfechten wollte, sondern den Wunsch gehabt habe, daß er möglichst rasch rechtskräftig werde, um mit dem Bau des Betriebsgebäudes beginnen zu können. Im Brief vom 11. Februar 1992 führe die erstmitbeteiligte Partei im letzten Absatz aus: "Ich ersuche diesen Teileinspruch" (gemeint: die Berufung des Ehepaares R) "abzulehnen, damit auch die angesprochenen Punkte rechtskräftig werden. Bezüglich der sonstigen Punkte des Bescheides sind keine Einsprüche gekommen und gehe daher davon aus, daß diese in Rechtskraft erwachsen sind." Dieses Schreiben könne nur so verstanden werden, daß das Schreiben der erstmitbeteiligten Partei vom 6. Februar 1992 von dieser selbst nicht als Berufung beabsichtigt oder angesehen worden sei. Der Anfechtungs- bzw. Rechtsmittelwille der erstmitbeteiligten Partei sei erst entstanden, als sie nach Abhaltung der Verhandlung wegen Erteilung der Benützungsbewilligung am 29. April 1993 festgestellt habe, daß die Erteilung der Benützungsbewilligung infolge der nicht erfüllten Abtretungsverpflichtung vorläufig nicht möglich sei.
Zunächst ist festzustellen, daß gemäß der hg. Judikatur (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 28. März 1995, Zl. 94/05/0368) nur die die Aufhebung eines aufsichtsbehördlichen Bescheides tragenden Gründe für das fortgesetzte Verfahren bindend sind, sofern der aufsichtsbehördliche Bescheid unbekämpft bleibt oder eine dagegen an den Verwaltungsgerichtshof oder Verfassungsgerichtshof erhobene Beschwerde abgewiesen wird. Als die Aufhebung des Berufungsbescheides tragenden Gründe müssen im vorliegenden Fall die mangelnde Deckung der Begründung des Berufungsbescheides im Beschluß des Gemeinderates und die Auffassung, es liege kein begründeter Berufungsantrag vor, angesehen werden.
Gemäß § 63 Abs. 3 AVG hat die Berufung den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet, und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten. Die Berufung ist nur dann gesetzmäßig erhoben, wenn sie einen Berufungsantrag und eine Berufungsbegründung enthält. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das hg. Erkennntis vom 26. Mai 1992, Zl. 88/05/0191) ist § 63 Abs. 3 AVG im Geiste des Gesetzes nicht formalistisch auszulegen. Die Berufung müsse allerdings wenigstens erkennen lassen, was die Partei anstrebt und womit sie ihren Standpunkt vertreten zu können glaubt. Nach der hg. Judikatur (vgl. das Erkenntnis vom 10. Jänner 1990, Zl. 89/01/0339) liegt ein ausreichender Berufungsantrag vor, wenn einer Eingabe entnommen werden kann, daß der bezeichnete Bescheid angefochten wird, d.h., daß die Partei mit der Erledigung der erkennenden Behörde nicht einverstanden ist. Es ist zwar der Beschwerdeführerin zuzugeben, daß das verfahrensgegenständliche Schreiben der erstmitbeteiligten Partei vom 6. Februar 1992 in weiten Teilen keinen Ansatz für eine Deutung als Berufung bietet, dennoch muß die Passage auf Seite 2 ("Im Punkt I.1 des Bescheides verlangen Sie Herr Bürgermeister die KOSTEN- UND LASTENFREIE Abtretung des Weges entlang des Mauerbachs zugunsten der Gemeinde
Es handelt sich dabei um eine Fläche von ca. 200 m2 und einem Wert von ca. S 200.000,-- und damit, SO MUSS ICH IHNEN GANZ OFFEN SAGEN, BIN ICH GANZ UND GAR NICHT EINVERSTANDEN.") als Berufungsantrag im Sinne der angeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes beurteilt werden. In den dieser Passage folgenden Absätzen auf Seite 2, in denen die erstmitbeteiligte Partei auf die verschiedenen, bereits angeordneten und erfolgten Abtretungen verweist, findet sich auch eine ausreichende Begründung dieses Berufungsantrages. Auch der unklare Schlußsatz, daß "eine gangbare Lösung ohne Abtretung, Enteignung etc." gefunden werden solle, kann an dieser Beurteilung nichts ändern. Auch dieser Satz läßt sich dahin deuten, daß eine Änderung der in Punkt I.1. des erstinstanzlichen Bescheides angeordneten kosten- und lastenfreien Abtretung beantragt wird. Da die Auflage Pkt. I.1 im Sinne der hg. Judikatur (vgl. das Erkenntnis vom 3. Juli 1986, Zl. 81/08/0153) als nicht trennbarer Teil der Baubewilligung anzusehen ist, muß der erstinstanzliche Bescheid als zur Gänze angefochten angesehen werden (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 27. April 1976, Slg. Nr. 9041/A, vom 15. September 1987, Zl. 87/04/0038, vom 29. November 1988, Zl. 88/11/0015, und vom 28. Februar 1989, Zl. 88/04/0171).
Insoweit die belangte Behörde ihre Auffassung zu der Frage dargelegt hat, ob gemäß § 13 Nö Bauordnung 1976 im vorliegenden Fall eine Grundabtretung mit oder ohne Entschädigung anzuordnen sei, handelt es sich nicht um die Aufhebung des Berufungsbescheides tragende Gründe. Die beschwerdeführende Gemeinde ist an diese Ausführungen der belangten Behörde somit nicht gebunden und kann daher dadurch auch nicht in Rechten verletzt sein.
Angesichts des Umstandes, daß die Bindungswirkung jedes tragenden Aufhebungsgrundes für sich nur durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides beseitigt werden kann, der angefochtenen Bescheid aber nur EINEN Spruch auf Aufhebung des Berufungsbescheides im Hinblick auf die zwei Aufhebungsgründe enthält und somit nicht trennbar ist, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren betreffend Stempelgebühren war abzuweisen, da Gemeinden gemäß § 2 Z. 2 Gebührengesetz im Rahmen ihres öffentlich-rechtlichen Wirkungskreises von Stempelgebühren befreit sind.
Schlagworte
Intimation Zurechnung von BescheidenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995050186.X00Im RIS seit
20.11.2000