TE Vwgh Erkenntnis 1996/8/27 96/05/0055

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Veröffentlicht am 27.08.1996
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §63 Abs5;
AVG §71 Abs1;
ZustG §16 Abs2;
ZustG §22 Abs1;
ZustG §7;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Pallitsch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde des Ing. Rudolf P in S, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 15. Dezember 1995, Zl. MD-VfR - B XI - 20/95, betreffend Antrag auf Zustellung eines Bescheides und auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in einer Bauangelegenheit, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, vom 21. März 1995 wurde dem Beschwerdeführer als Miteigentümer des Grundstückes Nr. .584, S-Straße 195, inneliegend der Liegenschaft EZ 435, KG X, gemäß § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien aufgetragen, binnen zwölf Monaten nach Rechtskraft dieses Bescheides das ohne baubehördliche Bewilligung erweiterte bzw. umgebaute Gasthaus im Gesamtausmaß von ca. 400 m2 zu beseitigen. Im die Zustellung dieses Bescheides dokumentierenden Rückschein (Form 4 der Zustellformularverordnung zu § 22 des Zustellgesetzes) ist als Datum der Übernahme der 23. März 1995 und die Übernahme durch den "Empfänger" beurkundet. Die Unterschrift des Empfängers ist unleserlich.

Mit Eingabe vom 21. Juli 1995 beantragte der Beschwerdeführer 1. die Zustellung des Bescheides vom 21. März 1995, 2. die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand,

3. die aufschiebende Wirkung und erhob gleichzeitig 4. Berufung gegen den vorgenannten Bescheid. Hiezu führte der Beschwerdeführer u.a. aus, anläßlich einer mündlichen Streitverhandlung beim Landesgericht für ZRS Wien am 7. Juli 1995 sei seinem Rechtsvertreter eine Kopie des Bescheides des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, vom 21. März 1995 überreicht worden. Erstmals habe er von der Existenz dieses Bescheides in der Folge im Berichtsbrief seines Anwaltes über diese Verhandlung erfahren. Der Bescheid sei ihm niemals zugekommen. Die Unterschrift auf dem Zustellnachweis stamme nicht von ihm. Möglicherweise habe sein Sohn, der den gleichen Vornamen habe, diese Unterschrift geleistet. Sein Sohn könne sich jedoch nicht erinnern, diesen Bescheid übernommen zu haben. Der ganze Vorgang sei nur so erklärbar, daß sein Sohn tatsächlich ein Schriftstück, welches an den Beschwerdeführer gerichtet gewesen sei, übernommen habe, in der Folge dieses jedoch versehentlich nicht zur Post des Beschwerdeführers gelegt habe. Eine Ersatzzustellung sei nicht zulässig gewesen, da sein Sohn weder mit ihm im gemeinsamen Haushalt wohne noch sein Arbeitnehmer oder Arbeitgeber sei.

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, vom 9. August 1995 wurde unter Spruchpunkt I.) der Antrag des Beschwerdeführers auf Zustellung des Bescheides vom 21. März 1995 abgewiesen, und unter Spruchpunkt II.) der Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist betreffend den Bescheid vom 21. März 1995 gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG abgewiesen. Laut Zustellschein sei der Bescheid vom 21. März 1995 dem Beschwerdeführer am 23. März 1995 zugestellt worden; der Beschwerdeführer habe keinen Anspruch auf neuerliche Zustellung dieses Bescheides. Der vom Beschwerdeführer in seinem Antrag behauptete Sachverhalt stelle kein unvorhergesehenes Ereignis dar. Auf dem Zustellschein sei der Vermerk "Empfänger" angekreuzt. Die Unterschrift auf dem Zustellschein sei im Vergleich zur vorgelegten Vollmacht als diejenige des Beschwerdeführers erkennbar. Der Beschwerdeführer habe somit das am 23. März 1995 zugestellte Schriftstück übernommen. Ein Fremdverschulden sei daher nicht erkennbar.

In der dagegen erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer aus, daß die Unterschrift auf dem Rückschein, welcher die Zustellung des Schriftstückes vom 23. März 1995 beurkunde, von seinem Sohn und nicht von ihm stamme. Hätte die Behörde erster Instanz - wie bereits in der Eingabe vom 21. Juli 1995 beantragt - ihn und seinen Sohn zur Erfoschung der tatsächlichen Umstände über die Zustellung des Bescheides vom 21. März 1995 einvernommen, hätte festgestellt werden können, daß der Beschwerdeführer nicht unterschrieben habe. Ebenso hätte sich herausgestellt, daß der Beschwerdeführer erst durch die Übersendung einer Kopie des Bescheides durch seinen Vertreter Kenntnis von der Existenz desselben erhalten habe. Der vom Sohn des Beschwerdeführers übernommene Bescheid sei nicht weitergeleitet worden. Die Unterlassung der Weiterleitung des Schriftstückes durch seinen Sohn stehe mit seiner bisherigen Zuverlässigkeit im krassen Gegensatz und sei ein minderer Grad des Versehens, der entschuldbar sei und eine Wiedereinsetzung nicht hindere.

Mit Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 15. Dezember 1995 wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, vom 9. August 1995 als unbegründet abgewiesen. In der Begründung wird hiezu ausgeführt, der Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, vom 21. März 1995 sei auf Grund einer Beweisaufnahme in der Verhandlung am 25. Jänner 1995 erlassen worden. Bei dieser Verhandlung sei der Beschwerdeführer durch seinen Sohn Rudolf P jun. vertreten gewesen. Von diesem sei auch das Verhandlungsergebnis zur Kenntnis genommen worden. Die Vertretung sei auf Grund einer Vollmacht vom 20. Jänner 1995, die "bis 2. März 1995 ausgestellt war", erfolgt. Die Zustellung habe daher an Herrn Ing. Rudolf P (Beschwerdeführer), an der in der Zustellungverfügung ausgewiesenen Adresse, zu erfolgen gehabt. Die Zustellung sei mittels RSb-Briefs (nicht zu eigenen Handen) erfolgt; eine Zustellung zu eigenen Handen sei nach den gesetzlichen Vorschriften in diesem Fall nicht vorgesehen. Eine Ersatzzustellung sei daher möglich und auch rechtswirksam gewesen. Selbst wenn die Behörde davon ausginge, daß der Bescheid vom Sohn des Beschwerdeführers übernommen worden sei - ein Vergleich der Unterschrift auf dem Rückschein mit der Unterschrift auf dem Verhandlungsprotokoll ergebe keinerlei Ähnlichkeiten der Unterschriften, während ein Vergleich der Unterschrift des Beschwerdeführers auf der zitierten Vollmacht für die Verhandlung am 25. Jänner 1995 mit der Unterschrift auf dem Rückschein eine fast völlige Deckungsgleichheit ergebe (der Vergleich dieser beiden Unterschriften erscheine für die Behörde glaubwürdiger als der Vergleich mit einer Unterschrift aus dem Jahre 1984) - sei die Zustellung ordnungsgemäß erfolgt. Selbst wenn man den weiteren Ausführungen Glauben schenke, daß das Kuvert vom Sohn des Beschwerdeführers irrtümlich geöffnet worden sei - obwohl ausdrücklich an Rudolf P sen. gerichtet, wobei nicht übersehen werden dürfe, daß Herr Rudolf P jun. nach den Ausführungen in der Berufung an einer anderen Anschrift gemeldet sei -, so könne von keinem geringen Verschulden ausgegangen werden, falls der Bescheid nicht weitergegeben worden sei. Aus dem Verfahren erweise sich einwandfrei, daß Rudolf P jun. infolge seiner zeitweisen Vertretung seines Vaters in der Rechtssache voll informiert gewesen und in der Lage gewesen sei, die Wichtigkeit des Schriftstückes zu erkennen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich seinem gesamten Vorbringen zufolge in dem Recht auf Zustellung des Bescheides des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, vom 21. März 1995 und in dem Recht auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Berufung gegen den Bescheid der Magistratsabteilung 37 vom 21. März 1995, verletzt. Er macht Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 21 AVG sind Zustellungen nach dem ZustG vorzunehmen. Wenn wichtige Gründe hiefür vorliegen, ist eine schriftliche Ausfertigung gemäß § 22 AVG mit Zustellnachweis zuzustellen. Bei Vorliegen besonders wichtiger Gründe oder wenn es gesetzlich vorgesehen ist, ist die Zustellung zu eigenen Handen des Empfängers zu bewirken.

In der der gegenständlichen Beschwerde zugrundeliegenden Verwaltungsangelegenheit (Bauauftrag gemäß § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien) ist eine Zustellung von Bescheiden zu eigenen Handen nicht vorgesehen. Die Baubehörde erster Instanz durfte daher zulässigerweise die Zustellung ihres Bescheides vom 21. März 1995 mittels Ersatzzustellung gemäß § 16 ZustG anordnen.

Gemäß § 16 Abs. 2 ZustG kann Ersatzempfänger jede erwachsene Person sein, die an derselben Abgabestelle wie der Empfänger wohnt oder Arbeitnehmer oder Arbeitgeber des Empfängers ist und die - außer wenn sie mit dem Empfänger im gemeinsamen Haushalt lebt - zur Annahme bereit ist.

Gemäß § 22 Abs. 1 ZustG ist die Zustellung vom Zusteller auf dem Zustellnachweis (Zustellschein, Rückschein) zu beurkunden. Der Gegenbeweis ist jedoch zulässig (siehe insbesondere die Ausführungen im hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 96/05/0054, auf welches zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 42 Abs. 3 VwGG verwiesen wird).

Während die Baubehörde erster Instanz in ihrem Bescheid vom 9. August 1995 - ohne die für den Beweis des Gegenteils des im Zustellnachweis vom 23. März 1995 Beurkundeten vom Beschwerdeführer angebotenen Beweise aufzunehmen - noch davon ausging, daß der Beschwerdeführer ihren Bescheid vom 21. März 1995 eigenhändig übernommen hat, vermeint die belangte Behörde, es dahingestellt lassen zu können, ob eine Zustellung dieses Bescheides zu eigenen Handen oder durch eine Ersatzzustellung erfolgt ist.

Schon damit belastete die belangte Behörde ihren Bescheid jedoch mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Da eine Ersatzzustellung nur unter den im § 16 Abs. 2 ZustG normierten Voraussetzungen zulässig ist (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 96/05/0054) und der Beschwerdeführer diese Voraussetzungen in bezug auf seinen Sohn ausdrücklich bestritten hat, bedarf es zur Klärung der Frage der rechtswirksamen Zustellung des Bescheides des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, vom 21. März 1995 noch entsprechender Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens und konkreter Feststellungen darüber, wer diesen Bescheid am 23. März 1995 übernommen hat. Sollte - wie vom Beschwerdeführer behauptet - eine Ersatzzustellung unzulässigerweise erfolgt sein, bedarf es auch ergänzender Erhebungen darüber, ob und bejahendenfalls wann und in welcher Form dem Beschwerdeführer dieser Bescheid tatsächlich zugekommen ist, um beurteilen zu können, ob allenfalls eine Heilung von Zustellmängeln gemäß § 7 ZustG eingetreten ist. Entscheidend ist hiebei, daß der Bescheid dem Beschwerdeführer tatsächlich zugekommen ist und er nicht etwa nur von seinem Inhalt Kenntnis erlangt hat. Erst nach Klärung dieser Fragen läßt sich abschließend beurteilen, ob der Anspruch des Beschwerdeführers auf Zustellung des Bescheides der Baubehörde erster Instanz vom 21. März 1995 zu Recht besteht. Damit untrennbar verbunden ist das Schicksal des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Berufung gegen diesen Bescheid. Ist nämlich eine Berufungsfrist - mangels wirksamer Erlassung des Bescheides infolge nicht ordnungsgemäßer Zustellung - nicht in Gang gesetzt worden, fehlt es gemäß § 71 Abs. 1 AVG an einer wesentlichen Voraussetzung für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 22. Dezember 1987, Zl. 84/07/0292).

Schon aus diesen Gründen war daher der angefochtene

Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft den bereits im Schriftsatzaufwand enthaltenen Aufwand für die Umsatzsteuer und nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand.

Im Hinblick auf die Erledigung des Beschwerdeverfahrens erübrigte sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Rechtliche Beurteilung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996050055.X00

Im RIS seit

24.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

01.02.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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