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10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
RStDG §101Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag des Mag. Dr. F, vertreten durch Mag.Dr. Hanno Zanier, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 27/DG, der gegen die Entscheidung des Personalsenats des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. März 2021, 2021.0.010.014, betreffend Festsetzung der Gesamtbeurteilung nach dem Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz, erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:
Spruch
Gemäß § 30 Abs. 3 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.
Begründung
1 Mit der angefochtenen Entscheidung wurde die Gesamtbeurteilung der Dienstbeschreibung des Revisionswerbers für das Kalenderjahr 2020 nach § 54 Abs. 3 Z 2 Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz (RStDG) mit „sehr gut“ festgesetzt. Zu den einzelnen Beurteilungskriterien nach § 54 Abs. 1 RStDG wurde wie folgt ausgeführt:
„1. Umfang und Aktualität der fachlichen Kenntnisse, insbesondere der zur Amtsführung notwendigen Vorschriften:
Fachliche Kenntnisse sind in Umfang und Aktualität in hohem Maß gegeben.
2. die Fähigkeiten und die Auffassung:
Fähigkeiten und Auffassungsgabe sind in hohem Maß gegeben.
3. der Fleiß, die Ausdauer, Gewissenhaftigkeit, Verlässlichkeit, Entschlusskraft und Zielstrebigkeit:
jeweils im hohem Maß gegeben.
4. die sozialen Fähigkeiten (§ 14 Abs. 2), die Kommunikationsfähigkeit und die Eignung für den Parteienverkehr:
Liegen im durchschnittlichem Maß vor.
5. die Ausdrucksfähigkeit (schriftlich und mündlich) in der deutschen Sprache und, sofern es für den Dienst erforderlich ist, die Kenntnis von Fremdsprachen:
Sind in höchstem Maß gegeben.
6. das sonstige Verhalten im Dienst, insbesondere das Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Mitarbeitern und Parteien, sowie das Verhalten außerhalb des Dienstes, sondern Rückwirkungen auf den Dienst eintreten:
Gutes Verhalten im Dienst.
7. der Erfolg der Verwendung:
Überdurchschnittlich.“
2 Mit Schriftsatz vom 22. April 2021 erhob der Revisionswerber dagegen die ordentliche Revision verbunden mit dem Antrag, der Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Diesen begründete er zusammengefasst damit, dass seine Dienstbeschreibungen seit dem Jahr 2016 durchgehend auf „ausgezeichnet“ gelautet hätten. Die Herabsetzung sei offenkundig erfolgt, um ein Präjudiz für das gegen den Revisionswerber anhängige Disziplinarverfahren zu schaffen und seine Bestrafung zu ermöglichen. Der Revisionswerber habe auch die Vorwürfe des Personalsenats, beispielsweise einer „vergleichsweisen hohen Behebungsquote vor den Höchstgerichten“ und dem Vorwurf „mangelnder Entschlusskraft“ mit dem Hinweis auf seine, im langjährigen Durchschnitt konstant hohen Erledigungszahlen entkräften können. Der Personalsenat greife „völlig bedenkenlos und ohne jegliche sachliche Rechtsfertigung in den Kernbereich der richterlichen Unabhängigkeit sein.“
3 Der Personalsenat des Bundesverwaltungsgerichts wies mit Beschluss vom 9. Juni 2021 die ordentliche Revision gemäß § 30a Abs. 1 VwGG (Spruchpunkt I.) sowie den Antrag, der Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen (Spruchpunkt II.), jeweils als unzulässig zurück. Dies wird mit einem vom Personalsenat des Bundesverwaltungsgerichts angenommenen Rechtsmittelausschluss gegen die Gesamtbeurteilung begründet.
4 Der Revisionswerber brachte daraufhin einen Antrag gemäß § 30b Abs. 1 VwGG ein, die Revision dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung vorzulegen, der dem Verwaltungsgerichtshof samt der Revision und den Verfahrensakten vorgelegt wurde.
5 Mit Schriftsatz vom 14. September 2021 ergänzte der Revisionswerber sein Vorbringen zum Antrag auf aufschiebende Wirkung dahingehend, dass erst die angefochtene, lediglich auf „sehr gut“ lautende Gesamtbeurteilung ermögliche, ihm eine aus einer „Gesamtheit“ an Einzelhandlungen resultierende Dienstpflichtverletzung vorzuwerfen. Insofern sei die angefochtene Gesamtbeurteilung auch einem Vollzug zugänglich. Dazu komme, dass das berufliche Fortkommen nicht nur erschwert, sondern regelrecht verhindert werde, zumal ihm der Personalsenat unter anderem die Eignung für das Richteramt abspreche und seine Person ohne psychologische bzw. ohne psychiatrische Expertise pathologisiere.
6 Die Zuständigkeit zur Entscheidung über einen Antrag, einer Revision aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, regelt § 30 VwGG. Ein Unterschied zwischen ordentlicher und außerordentlichen Revision wird in dieser Bestimmung nicht getroffen (vgl. VwGH 25.4.2017, Ra 2017/16/0039).
7 Gemäß § 30 Abs. 2 erster Satz VwGG hat bis zur Vorlage der Revision das Verwaltungsgericht, ab Vorlage der Revision der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und der Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. Nach Vorlage der Revision kann der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 30 Abs. 3 VwGG Beschlüsse nach § 30 Abs. 2 VwGG von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei aufheben oder abändern, wenn er die Voraussetzungen der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung anders beurteilt oder wenn sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über die aufschiebende Wirkung der Revision maßgebend waren, wesentlich geändert haben. Entscheidungen betreffend die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung trifft gemäß § 14 Abs. 2 VwGG der Berichter.
8 Nach der ständigen Rechtsprechung ist im Verfahren über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht zu beurteilen (vgl. VwGH 10.8.2018, Ra 2018/03/0066 bis 0068, mwN). Selbst die mögliche Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung ist kein Grund für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Ist daher das in der Revision erstattete Vorbringen nach der Aktenlage nicht etwa von vornherein als zutreffend zu erkennen, ist bei der Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung jedenfalls zunächst von den Annahmen des Verwaltungsgerichts auszugehen. Unter den „Annahmen des Verwaltungsgerichts“ sind hiebei die Sachverhaltsfeststellungen im angefochtenen Erkenntnis zu verstehen, die nicht von vornherein als unschlüssig zu erkennen sind bzw. die ins Auge springende Mängel nicht erkennen lassen (vgl. aus der ständigen Judikatur etwa VwGH 7.9.2017, Ra 2017/10/0139, VwGH 1.8.2014, Ra 2014/07/0032, VwGH 4.6.2014, Ra 2014/01/0003, und VwGH 14.4.2014, Ra 2014/04/0004).
9 Es entspricht ferner der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, dass der Antragsteller bereits in seinem Aufschiebungsantrag zu konkretisieren hat, worin für ihn der unverhältnismäßige Nachteil liege, wobei der Verwaltungsgerichtshof an die Konkretisierungspflicht strenge Anforderungen stellt. Die Beurteilung, ob die geltend gemachten Nachteile die Schwelle der Unverhältnismäßigkeit erreichen, hängt entscheidend von den im Aufschiebungsantrag vorgebrachten konkreten Angaben über den eintretenden Nachteil ab (vgl. VwGH 30.8.2019, Ra 2019/10/0134, mwN).
10 Mit dem oben wiedergegebenen Vorbringen wird ein für den Revisionswerber unverhältnismäßiger Nachteil nicht hinreichend konkretisiert. Bloß abstrakte von konkreten Sachverhaltsumständen losgelöste (hypothetische) Möglichkeiten sind nicht als ausreichend anzusehen (vgl. VwGH 20.10.1987, AW 87/09/0024).
11 Es ist weiters darauf hinzuweisen, dass Gegenstand des Disziplinarrechts nach den §§ 101ff RStDG Pflichtverletzungen sind (vgl. Fellner/Nogratnig RStDG5 § 52). Eine disziplinarrechtliche Ahndung setzt unter anderem ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten voraus. Die Gesamtbeurteilung stellt demgegenüber ein Werturteil dar, wobei ein objektiver Maßstab anzulegen ist (vgl. jüngst in diesem Sinn VwGH 28.10.2021; Ro 2021/09/0007). Auf ein Verschulden des Revisionswerbers kommt es daher nicht an. Es handelt sich sohin um zwei getrennte Verfahren, wobei gemäß § 209 Z 5 RStDG in Disziplinarsachen eine wechselseitige Zuständigkeit zwischen dem Bundeverwaltungsgericht und dem Bundesfinanzgericht gegeben ist. Für die Dienstbeschreibung von Richtern des Bundesverwaltungsgerichts ist hingegen nach § 209 Z 3 RStDG der Personalsenat des Bundesverwaltungsgerichts zuständig. Die vom Revisionswerber vorgebrachte „Abhängigkeit“ des gegen ihn geführten Disziplinarverfahrens von dem gegenständlichen Kalkül der Gesamtbeurteilung lautend auf„sehr gut“ kann nicht ersehen werden, zumal selbst eine auf „ausgezeichnet“ lautende Gesamtbeurteilung der Einleitung eines Disziplinarverfahrens nicht entgegenstünde. Ob die in der Disziplinaranzeige aufgezeigten Verhaltensweisen des Revisionswerbers tatsächlich gesetzt wurden (und disziplinarrechtlich zu ahnden sind), ist im Disziplinarverfahren vor dem Bundesfinanzgericht als Disziplinargericht zu klären. Eine Bindungswirkung an die bekämpfte Gesamtbeurteilung besteht dabei nicht.
12 Im Übrigen vermag der Revisionswerber - unter Hinweis auf einzelne Passagen des Berichtes der für die Dienstbeschreibung bestellten Berichterstatterin - nicht nachvollziehbar darzulegen, inwiefern das Gesamtkalkül „sehr gut“, das dem Revisionswerber gemäß § 54 Abs. 3 Z 2 RStDG überdurchschnittliche Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen attestiert, einen offenkundigen Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit des Revisionswerbers darstellt.
13 Dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung war nach dem Gesagten schon deshalb nicht stattzugeben, weil der Revisionswerber den ihm entstehenden unverhältnismäßigen Nachteil nicht ausreichend konkretisiert hat.
Wien, am 2. Dezember 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RO2021090028.J00Im RIS seit
09.03.2022Zuletzt aktualisiert am
09.03.2022