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10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
RStDG §57Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag des Mag. Dr. F, vertreten durch Mag. Dr. Hanno Zanier, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 27/DG, der gegen den Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom 3. August 2021, DS/001/2020, betreffend Zurückweisung von Anträgen im Disziplinarverfahren nach dem Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz (RStDG), erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:
Spruch
Gemäß § 30 Abs. 2 und 3 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.
Begründung
1 Mit Beschluss vom 5. Februar 2021 leitete das Bundesfinanzgericht als Disziplinargericht für Richterinnen und Richter des Bundesverwaltungerichts (BFG - im Weiteren: Disziplinargericht) gegen den Revisionswerber, einen Richter des Bundesverwaltungsgerichts, wegen des Verdachts der Verletzung der allgemeinen richterlichen Pflichten nach § 57 RStDG aufgrund näher konkretisierter Verhaltensweisen die Disziplinaruntersuchung ein. Die dagegen vom Revisionswerber erhobene Revision wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Dezember 2021, Ro 2021/09/0008-12, zurückgewiesen, weil damit keine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt wurde.
2 Im Rahmen seiner Stellungnahme vom 25. November 2020 zur übermittelten Disziplinaranzeige und Nachtragsanzeige stellte der Revisionswerber unter anderem einen Antrag, das Disziplinarverfahren ohne weiteres Verfahren nicht einzuleiten bzw. einzustellen. Am 31. Mai 2021 stellte der Revisionswerber betreffend diese Anträge einen Fristsetzungsantrag. Dieser wurde zu Fr 2021/09/0006 am Verwaltungsgerichtshof protokolliert.
3 Mit undatierten Schriftsatz, eingelangt per email am 27. Juli 2021, erstattete der Revisionswerber an das Disziplinargericht eine Stellungnahme zum „Zwischenbericht“ im Rahmen der Disziplinaruntersuchung verbunden mit dem Antrag, „das Disziplinargericht möge unverzüglich - die Einleitung der Disziplinaruntersuchung gemäß § 123 Abs. 4 RStDG ablehnen in eventu/bzw. - das Disziplinarverfahren gemäß § 130 Abs. 1 RStDG einstellen“.
4 Das Disziplinargericht wies mit Beschluss vom 3. August 2021 den Antrag vom 27. Juli 2021 auf Ablehnung der Einleitung der Disziplinaruntersuchung gemäß § 123 Abs. 4 RStDG (Spruchpunkt I.) und den Eventualantrag auf Einstellung des Disziplinarverfahrens (Spruchpunkt II.) jeweils zurück. Das Disziplinargericht traf in diesem Beschluss keinen Ausspruch gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hinsichtlich der Zulässigkeit einer Revision und führte im Rahmen der im Beschluss enthaltenen Rechtsmittelbelehrung aus, dass es sich bei dem gegenständlichen Beschluss um eine verfahrensleitende Verfügung handle, gegen die kein Rechtsmittel zulässig sei.
5 Der Revisionswerber erhob gegen diesen Beschluss eine Revision verbunden mit einem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.
6 Das Disziplinargericht wies mit „Vorentscheidung“ vom 6. Oktober 2021 die Revision als unzulässig zurück (Spruchpunkt I.) und gab dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht statt (Spruchpunkt II.).
7 Dagegen brachte der Revisionswerber einen Vorlageantrag gemäß § 30b VwGG ein, der dem Verwaltungsgerichtshof samt der Revision verbunden mit dem Antrag auf aufschiebende Wirkung und den Verfahrensakten vorgelegt wurde.
8 Die Zuständigkeit zur Entscheidung über einen Antrag, einer Revision aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, regelt § 30 VwGG. Ein Unterschied zwischen ordentlicher und außerordentlicher Revision wird in dieser Bestimmung nicht getroffen (vgl. VwGH 25.4.2017, Ra 2017/16/0039).
9 Gemäß § 30 Abs. 2 erster Satz VwGG hat bis zur Vorlage der Revision das Verwaltungsgericht, ab Vorlage der Revision der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und der Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. Nach Vorlage der Revision ist der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 30 Abs. 3 VwGG berechtigt, eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtes über die Zuerkennung aufschiebender Wirkung abzuändern, wenn er die Voraussetzungen anderes beurteilt.
10 Der Revisionswerber macht in seinem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zusammengefasst geltend, dass der angefochtene Beschluss einem „Vollzug“ im Sinn einer Umsetzung in die Wirklichkeit insoweit zugänglich sei, als er es dem Disziplinargericht ermögliche, die gleichlautenden Anträge des Revisionswerbers vom 25. November 2020 wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, um sich der Entscheidungspflicht zu entledigen und um damit dem Fristsetzungsantrag des Revisionswerbers vom 31. Mai 2021 die Grundlage zu entziehen. Der unverhältnismäßige Nachteil sei im drohenden Wegfall der Entscheidungspflicht des Disziplinargerichts zu sehen, der zur Einstellung des Fristsetzungsverfahrens führen würde.
11 Voraussetzung für die Stattgabe eines Antrags auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist zunächst, dass die bekämpfte Entscheidung einem - zumindest mittelbaren - „Vollzug“ zugänglich ist. Unter „Vollzug“ eines Erkenntnisses bzw. eines Beschlusses ist seine Umsetzung in die Wirklichkeit zu verstehen und zwar sowohl im Sinne der Herstellung der dem Entscheidungsinhalt entsprechenden materiellen Rechtslage als auch des dieser Rechtslage entsprechenden faktischen Zustandes. „Vollzugstauglichkeit“ liegt bereits dann vor, wenn die bekämpfte Entscheidung einen Rechtsverlust herbeizuführen vermag (vgl. VwGH 11.3.2021, Ra 2019/13/0111, mwN).
12 Bei einer zurückweisenden Entscheidung hängt die „Vollzugstauglichkeit“ in diesem Sinne davon ab, ob damit Wirkungen verbunden sind, die durch die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung überhaupt in Schwebe gehalten werden können (vgl. VwGH 9.7.2020, Ra 2020/10/0064, mwN). Diese Voraussetzung kann etwa im Falle einer Beschwerdezurückweisung vorliegen, wenn der vom Revisionswerber mit Beschwerde an das Verwaltungsgericht bekämpfte Bescheid einem Vollzug im Sinne des § 30 Abs. 2 erster Satz VwGG zugänglich ist (vgl. VwGH 23.7.2020, Ra 2020/07/0045, mwN).
13 Vollzugstauglichkeit fehlt bei der Zurückweisung von Ansuchen hingegen dann, wenn an die Anhängigkeit des Verfahrens über den keine für den Antragsteller günstigen Rechtsfolgen geknüpft sind (vgl. VwGH 9.7.2020, Ra 2020/10/0064, mwN).
14 Fallbezogen kann dahingestellt bleiben, ob der angefochtene Zurückweisungsbeschluss überhaupt vollzugstauglich im Sinn der dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist und der vom Revisionswerber lediglich pauschal behauptete bestehende Zusammenhang zwischen den Anträgen vom 25. November 2020 und 27. Juli 2021 besteht. Der zur Begründung des Antrags angezogene Fristsetzungsantrag wurde nämlich bereits mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Dezember 2021, Fr 2021/09/0006-5, zurückgewiesen, weil dieser zu einem Zeitpunkt gestellt wurde, in dem aufgrund der Erlassung des Einleitungsbeschlusses vom 5. Februar 2021 keine Säumnis des Disziplinargerichts in Bezug auf die Erledigung der Anträge vom 25. November 2020 bestand.
15 Dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung war daher nicht stattzugeben.
Wien, am 20. Jänner 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RO2021090032.J00Im RIS seit
09.03.2022Zuletzt aktualisiert am
22.03.2022