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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §6 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Höß und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, in der Beschwerdesache des Ing. B in K, vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in G, gegen den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Kunst wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Angelegenheit nach dem Denkmalschutzgesetz, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
it Bescheid des Bundesdenkmalamtes vom 13. Juli 1993 wurde - unter anderem auch gegenüber dem Beschwerdeführer - festgestellt, daß die Erhaltung der römerzeitlichen Siedlung (vicus) von Kalsdorf, Gemeinde Kalsdorf bei Graz, Gerichtsbezirk Graz, politischer Bezirk Graz-Umgebung, auf den (im Spruch dieses Bescheides) im einzelnen konkret bezeichneten Parzellen bzw. Liegenschaften gemäß §§ 1 und 3 des Bundesgesetzes vom 25. September 1923, BGBl. Nr. 533 (Denkmalschutzgesetz), in der Fassung der Bundesgesetze BGBl. Nr. 92/1959, 167/1978 und 473/1990 im öffentlichen Interesse gelegen ist.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 30. Juli 1993 Berufung.
Mit der vorliegenden, am 25. Juli 1996 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Verletzung der Entscheidungspflicht durch den Bundesminister für "Wissenschaft und Forschung" geltend, weil der genannte Bundesminister (belangte Behörde) als oberste Instanz "bis heute nicht über die Berufung vom 30.7.1993 entschieden hat".
Der Beschwerdeführer ist damit nicht (mehr) im Recht.
Zur Erhebung einer Säumnisbeschwerde gemäß Art. 132 B-VG ist berechtigt, wer im Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt war. Gemäß § 27 VwGG (idF. BGBl. Nr. 470/1995) kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerde) nach Art. 132 B-VG erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, oder der unabhängige Verwaltungssenat, der nach Erschöpfung des Instanzenzuges, sei es durch Berufung oder im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten, wenn aber das das einzelne Gebiet der Verwaltung regelnde Gesetz für den Übergang der Entscheidungspflicht eine längere Frist vorsieht, nicht binnen dieser in der Sache entschieden hat.
Im Zeitpunkt der Einbringung der gegen einen Bescheid des Bundesdenkmalamtes erhobenen Berufung war zur Entscheidung darüber gemäß § 13 Abs. 2 Denkmalschutzgesetz (im Zusammenhalt mit dem damals in Geltung stehenden Teil 2 der Anlage zu § 2 des Bundesministeriengesetzes 1986, dem zufolge das Sachgebiet "Angelegenheiten des Denkmalschutzes" dem Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung ressortmäßig zugewiesen war) der Bundesminister für Wissenschaft und Forschung zuständig.
Mit dem am 30. Dezember 1994 im Bundesgesetzblatt (BGBl. Nr. 1105/1994) kundgemachten Bundesgesetz, mit dem unter anderem das Bundesministeriengesetz 1986 geändert wird, ist die genannte Zuständigkeit des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung (nunmehr: Wissenschaft, Forschung und Kunst) jedoch erloschen und zufolge Art. I Z. 16 (unter Abschnitt M Z. 2 des Teiles 2 der genannten Anlage) auf den Bundesminister für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten übergegangen. Zufolge § 16a leg. cit. - wonach im Falle von nach diesem Bundesgesetz vorgesehenen Änderungen im Wirkungsbereich der Bundesministerien, die Zuständigkeitsvorschriften in besonderen Bundesgesetzen als entsprechend geändert gelten - ist daher gemäß § 13 Abs. 2 Denkmalschutzgesetz in der nunmehrigen Fassung BGBl. Nr. 1105/1994 die Entscheidungspflicht hinsichtlich der Berufung des Beschwerdeführers (ab 30. Dezember 1994) auf den Bundesminister für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten übergegangen.
Gemäß § 6 Abs. 1 AVG hat die Behörde ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen; langen bei ihr Anbringen ein, zu deren Behandlung sie nicht zuständig ist, so hat sie diese ohne unnötigen Aufschub auf Gefahr des Einschreiters an die zuständige Stelle weiterzuleiten oder den Einschreiter an diese zu weisen.
Nach übereinstimmender Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ist für die Beurteilung der Zuständigkeit im Sinn des § 6 AVG der Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides maßgebend, sofern das Gesetz nicht anderes bestimmt. Änderungen der Zuständigkeitsvorschriften sind daher stets, und zwar auch nach Anhängigmachung einer Verwaltungssache, zu berücksichtigen, zumal es im Verwaltungsverfahren - anders als bei den ordentlichen Gerichten nach § 29 JN - keine perpetuatio fori gibt. Bei einer solchen Änderung ist das Verfahren von der nunmehr zuständigen Behörde weiterzuführen. Dies gilt auch für Veränderungen betreffend die Zuständigkeit von Berufungsbehörden (vgl. dazu den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Mai 1991, Slg. N. F. Nr. 13.443/A, mit weiterführenden Nachweisen).
Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage bedeutet dies für den Beschwerdefall, daß - mangels einer entsprechenden Übergangsbestimmung - der Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Kunst (belangte Behörde) hinsichtlich des bei ihm ab August 1993 anhängig gewordenen Berufungsverfahrens ab dem 30. Dezember 1994 nicht mehr zuständige Berufungsbehörde ist. Dem zufolge Gesetzesänderung unzuständig gewordenen Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Kunst (belangte Behörde) ist demnach die Möglichkeit eröffnet, mit formloser Verfügung im Sinn des § 6 Abs. 1 AVG vorzugehen.
Ist solcherart die Zuständigkeit der belangten Behörde zur Entscheidung über ein Parteibegehren (hier: Berufung) aber weggefallen, so ist auch deren Entscheidungspflicht untergegangen. Die vom Beschwerdeführer angenommene Entscheidungspflicht besteht daher nicht (mehr) und konnte demnach von der belangten Behörde auch nicht verletzt werden (vgl. dazu auch den hg. Beschluß vom 12. Dezember 1995, Zl. 95/09/0235).
Die vorliegende Säumnisbeschwerde war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG wegen des Mangels der Berechtigung zu ihrer Erhebung in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluß zurückzuweisen (vgl. die hg. Beschlüsse vom 22. Jänner 1969, Slg. N. F. Nr. 7492/A, vom 30. Oktober 1978, Zl. 2025/77, und vom 21. Mai 1991, Slg. N. F. Nr. 13.443/A).
Schlagworte
Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und Beweise Verletzung der Entscheidungspflicht Diverses Zurückweisung - Einstellung Wahrnehmung der Zuständigkeit von Amts wegen sachliche ZuständigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996090235.X00Im RIS seit
07.03.2001