TE Vwgh Erkenntnis 1996/8/29 95/09/0229

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Veröffentlicht am 29.08.1996
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG §4 Abs6 idF 1991/684;
AVG §37;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Höß, Dr. Fuchs, Dr. Blaschek und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des E als Inhaber des Unternehmens XY in K, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in F, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Vorarlberg vom 20. Dezember 1994, Zl. III-6702/1333134, betreffend Nichterteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Arbeitsmarktservice hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stellte am 19. August 1994 beim Arbeitsamt Feldkirch den Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für den türkischen Staatsangehörigen S C für die berufliche Tätigkeit als "Industriearbeiter".

Diesen Antrag wies das Arbeitsamt Feldkirch mit Bescheid vom 31. August 1994 gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG ab.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung. Er brachte darin unter anderem vor, sein Betrieb (der 51 Arbeitnehmer beschäftige) erhalte hauptsächlich Aufträge von der "öffentlichen Hand". Trotz Einrichtung eines Schichtbetriebes seien (infolge massiven Termindrucks) terminliche Schwierigkeiten zu befürchten. Die Besetzung des Arbeitsplatzes durch den beantragten Ausländer sei dringend geboten, um "den Betrieb aufrecht zu erhalten". Geeignete inländische Arbeitskräfte seien nicht zu bekommen. Inländische Arbeitssuchende seien zwei bis drei Tage nach Dienstantritt nicht mehr erschienen. Die Einstellung des beantragten Ausländers sei erforderlich, um den "betrieblichen Anforderungen gerecht zu werden und einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten". Indirekt diene die Beschäftigung des beantragten Ausländers der "Sicherung der inländischen Arbeitsplätze". Die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes lasse diese Beschäftigung zu; öffentliche bzw. gesamtwirtschaftliche Interessen würden "dafür sprechen bzw. nicht entgegenstehen".

Zu der (mit Schreiben der belangten Behörde vom 14. November 1994 erfolgten) schriftlichen Verständigung vom Ergebnis des Ermittlungsverfahrens brachte der Beschwerdeführer vor, der beantragte Ausländer werde als dringender Ersatz für den am 10. Oktober 1994 ausgetretenen Ausländer H A benötigt.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr angefochtenen Bescheid vom 20. Dezember 1994 gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 4 Abs. 6 AuslBG keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, die mit Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales für das Bundesland Vorarlberg festgesetzte Landeshöchstzahl für das Jahr 1994 (16.000) sei laut amtlicher Statistik mit Stichtag Ende November 1994 weit überschritten. Ausreichende bzw. wichtige Gründe über das Vorliegen der besonderen Voraussetzungen im Sinne von § 4 Abs. 6 AuslBG habe der Beschwerdeführer nicht vorgebracht bzw. nicht glaubhaft gemacht. Die Auftragserteilungen der "öffentlichen Hand" bzw. der vorgebrachte Termindruck sowie auch der behauptete Arbeitskräftemangel seien als ein nur einzelbetriebliches Interesse des Arbeitgebers zu werten. Ein Schlüsselkraftstatus könne dem beantragten Ausländer nicht zuerkannt werden, da der Beschwerdeführer eine konkrete unmittelbare Gefährdung von Arbeitsplätzen (mehrerer Inländer) weder behauptet noch nachgewiesen habe. Aufgrund der Lebenserfahrung könne auch nicht angenommen werden, daß die Beschäftigung eines Industriearbeiters ohne besondere Kenntnisse oder Ausbildung, dem eine außerordentliche Stellung im Betrieb nicht zukomme, in einem Betrieb mit 50 Arbeitnehmern zur Erhaltung von Arbeitsplätzen unbedingt erforderlich sei. Zu dem behaupteten dringenden Ersatz für den ausgeschiedenen H A sei zu erwidern, daß nach den gemäß § 26 Abs. 5 AuslBG erstatteten schriftlichen Meldungen am 12. Oktober 1994 der türkische Befreiungsscheininhaber Ö F und am 20. Oktober 1994 der Ausländer A S beim Beschwerdeführer beschäftigt worden seien. Der (am 10. Oktober 1994) ausgeschiedene Ausländer sei daher bereits durch Einstellung von Vorzugsausländern ersetzt worden. Die besonderen Voraussetzungen für die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung im Sinne des § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 AuslBG würden nicht vorliegen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende - nach Ablehnung durch den Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 29. Juni 1995, B 290/95-3, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetretene - Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof bringt der Beschwerdeführer in seinem ergänzenden Beschwerdeschriftsatz vor, er erachte sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf richtige Anwendung des AuslBG, auf ein gesetzmäßiges Verwaltungsverfahren und auf "sachliche Behandlung seines Beschäftigungsbewilligungsantrages" verletzt. In Ausführung des so bezeichneten Beschwerdepunktes bringt er zusammengefaßt vor, die belangte Behörde habe ihre Entscheidung "leichtfertig gefällt". Den im angefochtenen Bescheid angegebenen Gründen liege ein offenkundig unzureichendes Ermittlungsverfahren zugrunde. Bei Durchführung "eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens" hätte die belangte Behörde zu den im ergänzenden Schriftsatz im einzelnen wiedergegebenen Feststellungen gelangen müssen. Für die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung würden besonders berücksichtigungswürdige Gründe sprechen. Die Lebensgefährtin und nunmehrige Ehegattin des beantragten Ausländers habe im fraglichen Zeitraum ein Kind erwartet. Bei Nichterteilung der Beschäftigungsbewilligung wäre "u.U." zu befürchten, daß der Unterhalt des gemeinsamen Kindes von S C und U K gefährdet wäre. Bei dem beantragten Ausländer seien daher besonders berücksichtigungswürdige Gründe im Sinne des AuslBG vorgelegen. Aufgrund der besonderen persönlichen und familiären Beziehungen zu einer österreichischen Staatsangehörigen hätte der Zutritt zum österreichischen Arbeitsmarkt nicht verweigert werden dürfen. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte die belangte Behörde zu dem Ergebnis gelangen müssen, daß die vom Bundesminister für Arbeit und Soziales für das Jahr 1994 festgesetzte Landeshöchstzahl (für das Bundesland Vorarlberg) nicht überschritten sei. Zumindest hätte die belangte Behörde zu dem Ergebnis gelangen müssen, daß die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung keine Überschreitung der Bundeshöchstzahl herbeigeführt hätte.

Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid ausschließlich auf den Ablehnungsgrund nach § 4 Abs. 6 AuslBG gestützt. Der Beschwerdeführer hat das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anwendungen des erschwerten Verfahrens nach § 4 Abs. 6 leg. cit. nicht bestritten, allerdings auf die mit Verständigung der belangten Behörde vom 14. November 1994 im vorgehaltenen Ermittlungsergebnisse mit dem (in seiner Stellungnahme vom 24. November 1994 erstatteten) Vorbringen geantwortet, daß der beantragte Ausländer (S C) als dringender Ersatz für den am 10. Oktober 1994 ausgetretenen Ausländer H A benötigt werde. Er ist damit seiner Pflicht, Gründe vorzubringen, die für die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung im erschwerten Verfahren im Sinne des § 4 Abs. 6 AuslBG maßgebend sein könnten, nachgekommen. Damit bestand die Verpflichtung der belangten Behörde, sich mit den vorgebrachten Gründen auseinanderzusetzen (vgl. hiezu etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Juni 1994, Zl. 93/09/0339, und die dort angeführte Vorjudikatur).

Die belangte Behörde hat das genannte Vorbringen des Beschwerdeführers im angefochtenen Bescheid mit der Begründung als "ungeeignet" beurteilt, daß laut einer schriftlichen Meldung (im Sinne des § 26 Abs. 5 AuslBG der Arbeitsplatz des ausgeschiedenen Ausländers am 12. Oktober 1994 (durch den Befreiungsscheininhaber Ö F) und am 20. Oktober (durch den Ausländer A S) wieder besetzt worden sei. Diese - im vorgelegten Verwaltungsakt durch einen EDV-Ausdruck vom 22. Dezember 1995 dokumentierten - Ermittlungsergebnisse hat die belangte Behörde vor Erlassung ihres (nunmehr angefochtenen) Bescheides vom 20. Dezember 1994 jedoch dem Beschwerdeführer nicht zur Kenntnis gebracht bzw. zur Stellungnahme vorgehalten.

Ausgehend davon stellt das als Bestreitung der in Rede stehenden behördlichen Feststellung zu verstehende Vorbringen des Beschwerdeführers, der beantragte Ausländer wurde und werde als dringender Ersatz für H A benötigt bzw. der frei gewordene Arbeitsplatz sei nicht durch die im angefochtenen Bescheid genannten Ausländer besetzt worden, im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof keine unzulässige Neuerung dar (vgl. insoweit etwa die hg. Erkenntnisse vom 15. September 1994, Zl. 93/09/0319, und vom 15. Dezember 1994, Zl. 93/09/0336).

Da die vom Beschwerdeführer bekämpften Feststellungen - die für die Begründung der Ablehnung der Beschäftigungsbewilligung entscheidungswesentlich waren - somit nicht in einem (unter Wahrung des Parteiengehörs im Sinne von § 45 Abs. 3 AVG) rechtlich einwandfreien Verfahren getroffen wurden, steht noch nicht fest, ob der Arbeitsplatz des ausgeschiedenen Ausländers wieder besetzt wurde oder die beantragte Ersatzkraft (§ 4 Abs. 6 lit. c AuslBG) vom Beschwerdeführer dringend benötigt wird. Der Sachverhalt bedarf daher hinsichtlich des Ablehnungsgrundes nach § 4 Abs. 6 AuslBG noch in wesentlichen Punkten der Ergänzung in einem mängelfreien Verfahren.

Die belangte Behörde hat somit Verfahrensvorschriften außer acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 4 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit § 41 Abs. 1 AMSG und der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Für den zuerkannten Aufwandersatz hat das Arbeitsmarktservice als Rechtsträger im Sinne des § 47 Abs. 5 VwGG auszukommen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. Juni 1996, Zl. 95/09/0261).

Schlagworte

Parteiengehör Verletzung des Parteiengehörs Verfahrensmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995090229.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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