Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 8. Februar 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart des Rechtspraktikanten Mag. Jäger, BA, als Schriftführer in der Strafsache gegen * B* wegen Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 29. Juni 2021, GZ 13 Hv 40/20z-142, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * B* jeweils mehrerer Verbrechen der Notzucht nach § 201 Abs 1 StGB idF BGBl 1974/60 (A I und B) sowie der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB idF BGBl I 2001/130 (A II) und nach § 201 Abs 1 StGB idF BGBl I 2004/15 (A III), eines Verbrechens des „Beischlafs mit Unmündigen“ nach § 206 Abs 1, „Abs 3“ erster Fall StGB „idgF“ und mehrerer solcher Verbrechen nach § 206 Abs 1 StGB „idgF“ (C), mehrerer Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (D I und II), eines Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1, Abs 2 erster Fall StGB idF BGBl 1974/60 (D II), jeweils mehrerer Vergehen der Nötigung zur Unzucht nach § 204 Abs 1 StGB idF BGBl 1974/60 (E und F) sowie der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB idF BGBl 1989/242 und eines solchen Verbrechens nach § 202 Abs 1, Abs 2 zweiter Fall StGB idF BGBl 1989/242 (G I), mehrerer Verbrechen der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB idF BGBl I 2004/15 (G II), (richtig) mehrerer Vergehen des Quälens oder Vernachlässigens Unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen nach § 92 Abs 1 StGB idF BGBl 1974/60 (H) und eines Vergehens des Geldwuchers nach § 154 Abs 1 StGB idF BGBl 1974/60 (I) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er in N* und andernorts
(A) jeweils in einer Vielzahl von Angriffen
(I) von 1979 bis 30. Juni 1989 eine Person weiblichen Geschlechts mit Gewalt gegen ihre Person widerstandsunfähig gemacht und in diesem Zustand zum außerehelichen Beischlaf missbraucht,
(II) vom 1. Juli 1989 bis 1995/1996 und von 1997 bis zum 30. April 2004 außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB (idF BGBl 1989/242) eine Person mit Gewalt zur Vornahme oder Duldung des Beischlafs genötigt und
(III) vom 1. Mai 2004 bis zum Jahr 2005 eine Person mit Gewalt zur Vornahme oder Duldung des Beischlafs genötigt,
indem er die am 4. Dezember 1971 geborene * S* jeweils kräftig niederdrückte, sie festhielt und gegen ihren Willen den vaginalen Geschlechtsverkehr an ihr vollzog;
(B) im Jahr 1986 * R*, sohin eine Person weiblichen Geschlechts, mit Gewalt gegen ihre Person und durch eine gegen sie gerichtete Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) widerstandsunfähig zu machen und in diesem Zustand zum außerehelichen Beischlaf zu missbrauchen versucht (§ 15 StGB), indem er die Genannte mit dem Auto in ein abgelegenes Waldstück fuhr, dort begann, ihre Brust zu betasten und in ihre Hose zu greifen und ihr ankündigte, sie „umzubringen“ und ihr „eine aufzulegen und sie zu verscharren“, sollte sie sich weiterhin wehren, wobei es aufgrund der vehementen Gegenwehr der Genannten beim Versuch blieb;
(C) durch den bis zum 4. Dezember 1985 begangenen Teil der zu A beschriebenen Taten mit einer unmündigen Person den außerehelichen Beischlaf unternommen, wobei die Tat eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) der * S*, nämlich eine schwere und komplexe posttraumatische Belastungsstörung, zur Folge hatte;
(D) eine unmündige Person auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht missbraucht, und zwar
(I) von 1976 bis zum 4. Dezember 1985 in einer Vielzahl von Angriffen die am 4. Dezember 1971 geborene * S*, indem er sie jeweils auf die Brust und auf das Gesäß küsste und sie dazu veranlasste, ihn bis zum Samenerguss zu masturbieren sowie
(II) von 1986 bis zum 15. Dezember 1987 in sechs Angriffen die am 15. Dezember 1973 geborene * Z*, indem er jeweils ihre unbekleidete Brust und ihre Scheide betastete und einen Finger in diese einführte, wobei die Tat eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) der Genannten, nämlich eine schwere und komplexe posttraumatische Belastungsstörung, zur Folge hatte;
(E) außer den Fällen der §§ 201 bis 203 StGB (idF BGBl 1974/60) eine Person mit Gewalt oder durch gefährliche Drohung zur Unzucht genötigt, und zwar
(I) von 1976 bis zum 4. Dezember 1985 * S* „durch Festhalten und Niederdrücken und durch Drohungen“ (US 11) zur Duldung der zu D I beschriebenen Tathandlungen und
(II) von 1986 bis zum 15. Dezember 1987 * Z* dadurch (US 13 f), dass er sie mindestens ein Mal wöchentlich mit den Händen und mit Gegenständen wie Besenstielen, Schuhen oder Holzstöcken heftig schlug, zur Duldung der zu D II beschriebenen Tathandlungen;
(F) vom 5. Dezember 1985 bis zum 30. Juni 1989 außer den Fällen der §§ 201 bis 203 StGB (idF BGBl 1974/60) eine Person mit Gewalt oder durch gefährliche Drohung zur Unzucht genötigt, indem er * S*
(I) nach Versperren einer Tür festhielt, nach vorne drückte und „vaginal penetrierte“ sowie
(II) in einer Vielzahl von Angriffen (durch „Festhalten“ des ihm körperlich unterlegenen Opfers und die Ankündigung, er werde sie „ins Heim schicken“ und sie werde „ihre Familie nicht mehr sehen können“, wenn sie jemandem von den Übergriffen erzähle – US 11 iVm US 9) zwang, ihn bis zum Samenerguss zu masturbieren oder oral zu befriedigen;
(G) außer den Fällen des § 201 StGB eine Person, nämlich * S*, in einer Vielzahl von Angriffen mit Gewalt oder durch gefährliche Drohung zur Vornahme oder Duldung einer geschlechtlichen Handlung genötigt, indem er jeweils in der zu F II beschriebenen Weise verfuhr, und zwar
(I) vom 1. Juli 1989 bis zum 30. April 2004, dabei (nachdem das Opfer um das Jahr 1992 angekündigt hatte, von seinen Übergriffen zu „erzählen“) mehrmals auch mit der Ankündigung: „Wennst die Goschn aufmachst, schneid i da in Schädl o“ (US 11 iVm US 9), wobei * S* durch die Tat „längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzt oder in besonderer Weise erniedrigt“ wurde, sowie
(II) vom 1. Mai 2004 bis zum Jahr 2005;
(H) von 1986 bis zum 15. Dezember 1987 einem anderen, der seiner Fürsorge oder Obhut unterstand und der das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, nämlich seiner am 15. Dezember 1973 geborenen Nichte * Z*, die mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebte, in einer Vielzahl von Angriffen körperliche und seelische Qualen zugefügt, und zwar durch die zu D II und die zu E II beschriebenen Tathandlungen;
(I) am 4. April 2013 eine finanzielle Zwangslage des im Konkurs verfangenen * C* dadurch ausgebeutet, dass er sich für die Gewährung eines Darlehens von 5.000 Euro einen dazu in auffallendem Missverhältnis stehenden Vermögensvorteil in Gestalt von 5.980 Euro an Zinsen, (rück-)zahlbar in 60 Monatsraten zu je 183 Euro, versprechen (und durch Entgegennahme der Ratenzahlungen bis zum 13. Juli 2018 gewähren) ließ (US 16 f).
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4 sowie 9 [lit] a und [lit] b StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
[4] Die Verfahrensrüge (Z 4) kritisiert die Abweisung von Anträgen auf Ladung und Vernehmung mehrerer Personen als Zeugen. Sie versäumt bereits die zur prozessförmigen Darstellung des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes erforderliche (RIS-Justiz RS0124172) Bezeichnung der Fundstelle der behaupteten Anträge (sowie deren Abweisung) in den – äußerst umfangreichen – Akten.
[5] Die gegen den Schuldspruch I gerichtete Rechtsrüge (Z 9 lit a) bekämpft die rechtliche Annahme (US 4, 36) einer „Zwangslage“ im Sinn des § 154 Abs 1 StGB. Indem sie dabei nicht vom festgestellten Sachverhalt (US 16 f) ausgeht, sondern diesen beweiswürdigend bestreitet, verfehlt sie den Bezugspunkt der unternommenen Anfechtung (RIS-Justiz RS0099810).
[6] Gleiches gilt für das auf Z 9 lit b gestützte Vorbringen, soweit es der leugnenden Verantwortung des Angeklagten (zu Schuldspruch A bis H) mit – zudem nicht aus in der Hauptverhandlung Vorgekommenem (§ 258 Abs 1 StPO), sondern aus mit der Rechtsmittelschrift vorgelegten Urkunden („Heiratsurkunde“; „Versicherungsdatenauszug“) entwickelten – Alibibehauptungen zum Durchbruch zu verhelfen sucht.
[7] Dass – auf der Basis des Urteilssachverhalts – die Verjährung der Strafbarkeit (§ 57 StGB) aller vom Schuldspruch A bis H umfassten Taten bereits eingetreten wäre, wird ohne methodengerechte Ableitung aus dem Gesetz bloß behauptet (siehe aber RIS-Justiz RS0116565).
Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO sei hinzugefügt:
1. Zur Subsumtion:
[8] Der in § 61 Abs 1 zweiter Satz StGB angeordnete Günstigkeitsvergleich ist für jede Tat (im materiellen Sinn) gesondert vorzunehmen (RIS-Justiz RS0089011). Das Ergebnis dieser Prüfung ist entweder, dass – streng fallbezogen in einer konkreten Gesamtschau der möglichen Unrechtsfolgen (RIS-Justiz RS0119085 [insbesondere T1], RS0119545 [T1], RS0089014) – die Strafgesetze zur Tatzeit günstiger oder jene zum Urteilszeitpunkt zumindest gleichgünstig für den Täter sind (vgl RIS-Justiz RS0112939; zur Auslegung des Begriffs „Strafgesetze“ in § 61 StGB Ratz, WK-StPO § 288 Rz 36). Je nachdem ist die Subsumtion (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) der einzelnen Tat – in vollem Umfang (RIS-Justiz RS0091798) – entweder nach den Tatzeit- oder nach den Urteilszeitgesetzen vorzunehmen. Eine Mischung der verschiedenen Rechtsschichten ist insoweit also unzulässig (RIS-Justiz RS0119085 [T4, T5], RS0088953).
[9] Jedenfalls verfehlt ist demnach die Subsumtion vom Schuldspruch umfasster Taten nach § 201 Abs 1 StGB idF BGBl 1974/60 (A I) und – damit ideal konkurrierend – § 206 Abs 1 (einmal auch Abs 3 erster Fall) StGB idgF (C). Richtigerweise wären diese Taten – jeweils in Idealkonkurrenz – einem Verbrechen nach § 201 Abs 1 StGB idgF und einem Verbrechen nach § 206 Abs 1, Abs 3 erster Fall StGB idgF einerseits sowie mehreren Verbrechen nach § 201 Abs 1 idF BGBl 1974/60 und nach § 206 Abs 1 StGB idF BGBl 1974/60 andererseits zu unterstellen gewesen (vgl 11 Os 12/21f).
[10] In gleicher Weise wären die vom Schuldspruch D I und E I umfassten Taten auf der Basis der tatrichterlichen Feststellungen (US 8 f, 11) – jeweils ideal konkurrierend – § 207 Abs 1 StGB idgF und § 202 Abs 1 StGB idgF (anstelle von § 207 Abs 1 StGB idgF und § 204 Abs 1 StGB idF BGBl 1974/60) zu subsumieren gewesen. Dies wirkt sich nämlich – mit Blick auf die schon aus § 207 Abs 1 StGB resultierende (§ 28 StGB), unverändert gebliebene Strafdrohung von sechs Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe – fallkonkret insgesamt nicht ungünstiger aus als die Annahme des § 204 Abs 1 StGB und des § 207 Abs 1 StGB in der jeweils zur Tatzeit geltenden Fassung, mag auch der Strafsatz des § 202 Abs 1 StGB idgF für sich genommen strenger sein als jener des § 204 Abs 1 StGB idF BGBl 1974/60.
[11] Anderes gilt für jene vom Schuldspruch umfassten Taten, die das Erstgericht jeweils § 204 Abs 1 StGB idF BGBl 1974/60 (E II) und § 92 Abs 1 StGB idF BGBl 1974/60 (H) in Idealkonkurrenz teils mit § 207 Abs 1 StGB idgF, teils (nämlich einmal) mit § 207 Abs 1, Abs 2 erster Fall StGB idF BGBl 1974/60 (D II) unterstellte: Das (jeweils mit entsprechender Willensausrichtung – US 13) gewaltsam (E II) erzwungene Einführen eines Fingers in die Scheide des Opfers (D II, H) ist zwar nicht Beischlaf (im Sinn der zur Tatzeit geltenden §§ 201 Abs 1 und 202 Abs 1 StGB idF BGBl 1974/60), aber eine diesem gleichzusetzende geschlechtliche Handlung im Sinn des § 201 StGB idgF. Hiervon ausgehend erfüllt – auf der Basis des Urteilssachverhalts – jede dieser Taten (ua) § 201 Abs 1 StGB idgF, der eine Freiheitsstrafe von zwei bis zu zehn Jahren androht. Jene besondere Folge (§ 84 Abs 1 StGB), für welche all diese Taten (mit-)kausal waren (US 13 f; RIS-Justiz RS0120828, RS0128224), würde nach geltendem Recht die Qualifikation des § 201 Abs 2 erster Fall StGB (resp des § 206 Abs 3 erster Fall StGB; jeweils Freiheitsstrafe von fünf bis zu 15 Jahren) begründen. Dagegen bleibt es im Fall der Subsumtion dieser Taten nach Tatzeitrecht bei einer (aus § 207 Abs 1 StGB resultierenden) Strafdrohung von sechs Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe, resp einer (aus § 207 Abs 2 erster Fall StGB idF BGBl 1974/60 resultierenden) solchen von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe. Mit Ausnahme der Annahme mehrerer Verbrechen nach § 207 Abs 1 StGB idgF (richtig stattdessen: idF BGBl 1974/60) erweist sich die vom Erstgericht vorgenommene Unterstellung der betreffenden Taten als auf dieser Grundlage rechtsrichtig.
[12] Die vom Schuldspruch A II umfassten Taten wurden vom 1. Juli 1989 bis zum 30. April 2004 begangen (US 8 f, 11). Zur betreffenden Tatzeit galt der – durch BGBl I 2001/130 (Inkrafttreten am 1. Jänner 2002) nicht veränderte – § 201 Abs 2 StGB idF BGBl 1989/242. Diesem – nach dem Urteilssachverhalt erfüllten und gegenüber § 201 Abs 1 StGB idgF milderen – Strafsatz wären die betreffenden Taten jeweils zu subsumieren gewesen.
[13] Schließlich ist die rechtliche Unterstellung des vom Schuldspruch G I umfassten Sachverhalts (auch) nach § 202 Abs 2 zweiter Fall StGB idF BGBl 1989/242 auf der Basis der Feststellungen des angefochtenen Urteils verfehlt. Die unter Wiedergabe der verba legalia getroffene Urteilsaussage, durch die (oder eine der) betreffenden Taten sei * S* „auch längere Zeit in einen qualvollen Zustand versetzt und in besonderer Weise erniedrigt“ worden (US 9), stellt nämlich keinerlei Sachverhaltsbezug her (RIS-Justiz RS0119090).
[14] Da der Angeklagte – in concreto – durch keinen der aufgezeigten Subsumtionsfehler im Sinn des § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO benachteiligt ist (vgl Ratz, WK-StPO § 290 Rz 22 f), hat es mit diesem Hinweis sein Bewenden.
2. Zur Verjährung:
[15] Bei Tatmehrheit verjähren die einzelnen Taten – abgesehen vom Fall des § 58 Abs 2 StGB – grundsätzlich jeweils für sich. Es ist daher jede einzelne Tat (historisches Geschehen) anhand der im Urteil getroffenen Feststellungen einer (oder mehreren) strafbaren Handlung(en) (normativen Kategorien) zu unterstellen und auf dieser Basis zu beurteilen, ob Verjährung eingetreten ist. Dies ungeachtet dessen, dass ein und derselbe Erfolg, für den mehrere Taten kausal waren, bei gemeinsamer Beurteilung solcherart gleichartig oder ungleichartig realkonkurrierender strafbarer Handlungen infolge materieller Subsidiarität nur einmal (erneut RIS-Justiz RS0120828, RS0128224) qualifikationsbegründend angerechnet werden darf (was vorliegend auch geschehen ist – Schuldspruch C [§ 206 Abs 3 erster Fall StGB in Bezug auf das Opfer * S*] und D II [§ 207 Abs 2 erster Fall StGB idF BGBl 1974/60 in Bezug auf das Opfer * Z*]). Die Hemmung der Verjährung nach § 58 Abs 2 StGB wiederum bezieht sich nur auf die frühere Tat, während die später begangene unabhängig davon verjährt, dass der Täter zuvor ein mit strengerer Strafe bedrohtes Verhalten gesetzt hat, das aufgrund längerer Verjährungsfrist später verjährt (RIS-Justiz RS0128998 [T1, T2]; Marek in WK2 StGB § 57 Rz 12; § 58 Rz 6).
[16] Nach dem Urteilssachverhalt (US 10) waren alle vom Schuldspruch A umfassten Taten für die konstatierte schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) des Opfers * S* (mit-)kausal (vgl dazu RIS-Justiz RS0091997 [T2]).
[17] Hiervon ausgehend ist jede einzelne der Taten laut A I und A III nach dem auf die angesprochene besondere Folge abstellenden Qualifikationstatbestand des § 201 (Abs 2 erster Fall) StGB – sowohl in der zur jeweiligen Tatzeit (BGBl 1974/60; BGBl I 2004/15) als auch in der bei Urteilsfällung in erster Instanz geltenden Fassung – mit Freiheitsstrafe von fünf bis zu 15 Jahren bedroht. Für jene Teilmenge der Taten laut A I, die bis zur Vollendung des 14. Lebensjahrs des Opfers begangen wurde (Schuldspruch C), ergibt sich ebendiese Strafdrohung auch jeweils aus der – hier vom Erstgericht in Anschlag gebrachten – entsprechenden Erfolgsqualifikation des § 206 StGB (Abs 2 erster Fall idF BGBl 1974/60; Abs 3 erster Fall idgF). Für jede der betreffenden Taten beträgt die Verjährungsfrist daher 20 Jahre (§ 57 Abs 3 StGB).
[18] Die Verjährungsfrist für die vom Schuldspruch A II (wegen § 201 Abs 2 StGB idF [richtig] BGBl 1989/242) umfassten Taten beträgt zehn Jahre (§ 57 Abs 3 StGB). War doch – wie dargelegt – auch jede dieser Taten für die schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) der * S* mitursächlich und – davon ausgehend – nach § 201 Abs 3 erster Satz letzter Halbsatz StGB in der (insoweit maßgeblichen, fallkonkret günstigeren) Tatzeitfassung BGBl 1989/242 mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren bedroht.
[19] Die Verjährungsfrist für die vom Schuldspruch B umfasste, zum Nachteil der * R* begangene Tat (§ 201 Abs 1 StGB idF BGBl 1974/60, der eine Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren androhte) beträgt zehn Jahre (§ 57 Abs 3 StGB).
[20] Die Verjährungsfrist für die vom Schuldspruch D I und E I umfassten, zum Nachteil der * S* begangenen Taten (jeweils § 207 Abs 1 StGB und [richtig] § 202 Abs 1 StGB in Idealkonkurrenz) beträgt – infolge der aus § 207 Abs 1 StGB resultierenden Strafdrohung von sechs Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe – fünf Jahre (§ 57 Abs 3 StGB).
[21] Gleiches gilt für jede der vom Schuldspruch F (§ 204 Abs 1 StGB idF BGBl 1974/60), G I (richtig nur [siehe Punkt 1]: § 202 Abs 1 StGB idF BGBl 1989/242) und G II (§ 202 Abs 1 StGB idF BGBl I 2004/15) umfassten, zum Nachteil der * S* begangenen Taten angesichts der diesbezüglichen Strafdrohungen von bis zu drei Jahren (§ 204 Abs 1 StGB idF BGBl 1974/60; § 202 Abs 1 StGB idF BGBl 1989/242) und bis zu fünf Jahren (§ 202 Abs 1 StGB idF BGBl I 2004/15) Freiheitsstrafe.
[22] Für die vom Schuldspruch D II, E II und H umfassten Taten (jeweils § 207 Abs 1 StGB [richtig] idF BGBl 1974/60, § 204 Abs 1 StGB idF BGBl 1974/60 und § 92 Abs 1 StGB idF BGBl 1974/60 in Idealkonkurrenz) beträgt die Verjährungsfrist – mit Blick auf die besondere Folge (§ 84 Abs 1 StGB iVm § 207 Abs 2 erster Fall StGB idF BGBl 1974/60, der eine Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren androht), für deren Eintritt all diese, zum Nachteil der * Z* begangenen Taten (mit-)ursächlich waren (US 14) – jeweils zehn Jahre (§ 57 Abs 3 StGB).
[23] Auf der Basis des Urteilssachverhalts beging der Angeklagte (bis zum Jahr 2005) jeweils vor dem Ablauf der Verjährungsfrist (§ 57 Abs 3 StGB; § 58 Abs 2 StGB) für die vorangegangenen Taten (A bis H) weitere – auf der gleichen schädlichen Neigung (§ 71 StGB) beruhende – Taten (A bis H). Zur Zeit der Begehung der letzten dieser Taten konnte demnach die Verjährungsfrist für keine der vorangegangenen Taten bereits abgelaufen sein. Auf der Grundlage der Urteilsfeststellungen war die letzte dieser Taten zugleich die letzte vom Schuldspruch A III umfasste Tat. Sie wurde „zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt im Jahr 2005“ begangen (US 9 f). Ihre Strafbarkeit ist – mit Blick auf die dafür geltende Frist von 20 Jahren (§ 57 Abs 3 StGB; siehe oben) – noch keineswegs verjährt. Daraus folgt, dass die in § 58 Abs 2 StGB normierte Ablaufhemmung hinsichtlich der Verjährungsfristen für alle übrigen vom Schuldspruch A bis H umfassten Taten – schon unabhängig von der Anlaufhemmung nach § 58 Abs 3 Z 3 StGB (vgl Marek in WK2 StGB § 58 Rz 3, 30) – (weiterhin) fortbesteht.
[24] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
[25] Über die Berufung hat das – dabei an die aufgezeigten Subsumtionsfehler nicht zum Nachteil des Angeklagten gebundene (RIS-Justiz RS0118870) – Oberlandesgericht zu entscheiden (§ 285i StPO).
[26] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Textnummer
E134022European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2022:0110OS00125.21Y.0208.000Im RIS seit
09.03.2022Zuletzt aktualisiert am
09.03.2022