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L37158 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
ABGB §477;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerde des H in H, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom 18. September 1995, Zl. BHDO II 4151-0008-95, betreffend Nachbareinwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1. B in D, 2. Stadt Hohenems, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- sowie der zweitmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
Die erstmitbeteiligte Partei suchte mit Eingabe vom 14. November 1994 um Erteilung der Baubewilligung für einen Um- und Zubau auf dem Grundstück Nr. 1895/1, KG H, an. Das bestehende Zweifamilienwohnhaus sollte durch Aufstockung und Ausbau in ein Mehrfamilienwohnhaus mit fünf Wohneinheiten umgewandelt werden. Anläßlich der mündlichen Verhandlung erhob der Beschwerdeführer, der Eigentümer der angrenzenden Liegenschaft Gp 1895/2 ist, Einwendungen betreffend den Zufahrtsweg, der angesichts des durch den Ausbau des Wohnhauses verursachten erhöhten Verkehrsaufkommens ungenügend und ungeeignet sei. Bei der einstigen Teilung der gegenständlichen Grundstücke und Errichtung der Weganlage hätte das Grundstück der erstmitbeteiligten Partei lediglich für eine Art Einfamilienhaus als Baufläche zur Verfügung stehen sollen. Für den Beschwerdeführer entstünde aufgrund des zu erwartenden erhöhten Verkehrsaufkommens eine unzumutbare Belastung, die auch gesundheitsschädliche Auswirkungen befürchten ließe. Darüber hinaus verwies der Beschwerdeführer auf die ihm seinerzeit erteilten Auflagen betreffend die Anpassung der Giebelrichtung gegenüber den übrigen Bauten. Bei dem Bauvorhaben der erstmitbeteiligten Partei seien keine diesbezüglichen Auflagen erteilt worden, wodurch die ortsbildnerische Gestaltung gestört werde. Die Errichtung einer Fünferwohnanlage widerspreche der ursprünglichen Bauflächenwidmung und es müsse außerdem auch überprüft werden, ob öffentliche Interessen des Landschafts- und Ortsbildes der Erteilung einer Baubewilligung nicht entgegenstünden. Darüber hinaus machte der Beschwerdeführer auch Abstandsverletzungen geltend. Abschließend wies der Beschwerdeführer auf den Umstand hin, daß an den angrenzenden Gießenbach dermaßen nahe herangebaut würde, daß dadurch die in den ursprünglichen Widmungsplänen vorgesehenen Grünflächen, die sowohl der Reinigung des Baches als auch Spaziergängen dienten, nicht mehr frei blieben.
Mit Bescheid vom 26. April 1995 wurde der erstmitbeteiligten Partei die Bewilligung zur Durchführung des von ihr geplanten Bauvorhabens erteilt. Die vom Beschwerdeführer erhobenen Einwendungen wurden zum Teil als unzulässig zurückgewiesen und, soweit sie sich auf das Privatrecht stützten, auf den Zivilrechtsweg verwiesen. In ihrer Begründung führt die Behörde betreffend die Frage der Eignung der Zufahrt im wesentlichen aus, daß der Umbau eines Zweifamilienwohnhausobjektes in ein Fünffamilienwohnhaus und das damit verbundene erhöhte Verkehrsaufkommen vertretbar erscheine. PKWs und LKWs könnten ohne Befahren des Nachbargrundstückes das Baugrundstück erreichen und es sei nicht mit Auswirkungen zu rechnen.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer Verfahrensmängel, unvollständige und unrichtige Tatsachenfeststellung sowie unrichtige rechtliche Beurteilung geltend. Die Behörde sei verpflichtet gewesen, ein verkehrstechnisches Gutachten einzuholen, aus welchem die Richtigkeit des Standpunktes des Beschwerdeführers im Hinblick auf den Zufahrtsweg unzweifelhaft hervorgegangen wäre. Der Beschwerdeführer wiederholte sein Vorbringen betreffend die ortsbildnerische Gestaltung, wonach der erstmitbeteiligten Partei Auflagen hätten erteilt werden müssen. Insgesamt sei die Behörde in ihrem Bescheid "lapidar" über die Einwendungen des Beschwerdeführers hinweggegangen und hätte keinerlei Feststellungen getroffen, die geeignet gewesen wären, den Einwendungen Rechnung zu tragen. Betreffend den Zufahrtsweg ergänzte der Beschwerdeführer, daß dieser in Form einer Dienstbarkeit errichtet sei, welche bei Kauf und Teilung des gesamten Grundstückes mit der erstmitbeteiligten Partei vereinbart worden sei. Durch das zu erwartende erhöhte Verkehrsaufkommen und die dafür ungeeignete Zufahrt ergäbe sich eine unzulässige Erweiterung dieser dem Bauwerber eingeräumten Dienstbarkeit. Die erstmitbeteiligte Partei müsse zunächst die Zustimmung der Nachbarn einholen. Auch in der Berufung wies der Beschwerdeführer auf die zu befürchtenden Auswirkungen hin, welche sich seiner Ansicht nach aus dem geplanten Eingriff der erstmitbeteiligten Partei in die 6 m Abstandszone des Gießenbaches ergäben, und machte darüber hinaus die Verletzung von Abstandsvorschriften geltend.
Die Berufungskommission holte in Ergänzung des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens ein verkehrstechnisches Gutachten zur Beurteilung der Frage des zu erwartenden erhöhten Verkehrsaufkommens und der Eignung des verfahrensgegenständlichen Zufahrtsweges ein. In ihrem Schreiben an den Sachverständigen wies die Berufungskommission auf ein auf dem Grundstück Nr. 1891/1 geplantes Bauvorhaben mit 27 Wohneinheiten, welches ebenfalls über den gegenständlichen Zufahrtsweg erschlossen werden sollte, hin. Das in der Phase des Berufungsverfahrens befindliche Verfahren sei jedoch getrennt von diesem zweiten Verfahren zu beachten. Der Amtssachverständige stellte fest, daß die Verkehrsfrequenz bzw. das Verkehrsaufkommen in einem Ausmaße erhöht werde, welches für die Beurteilung dieser Verbindungsstraße mit dem öffentlichen Verkehrsnetz im Sinne der Fragestellung gänzlich unerheblich sei. In den Spitzenstunden ergäben sich rund drei zusätzliche Bewegungen, wobei die Anliegerwege in der Regel durch gleichgerichtete Verkehrsspitzen beansprucht würden und sich die Begegnungssituationen nicht zwangsläufig häuften. Die durch das Bauvorhaben bewirkten Verkehrsarten und Verkehrsfrequenzen könnten auf dem in Rede stehenden Weg ohne Auswirkungen auf die Nachbargrundstücke abgewickelt werden. Zum Abschluß bemerkte der Amtssachverständige, es sei davon auszugehen, daß mit diesem Gutachten auch das Auslangen im Bewilligungsverfahren der angesprochenen beabsichtigten Bebauung des Grundstückes Nr. 1891/1 gefunden werde, da auch die geplanten 27 zusätzlichen Wohneinheiten im Hinblick auf die Verkehrssteigerung zahlenmäßig in der möglichen Verkehrsleistung des Weges noch unterzubringen sei und sich durch die Errichtung einer solchen Wohnhausanlage keine durch den vorhandenen Weg nicht bewältigbare Verkehrsart ergebe.
Auf der Grundlage dieses Gutachtens wies die Berufungsbehörde die Berufung in bezug auf die Zufahrt ab. Hinsichtlich der Einwendungen betreffend die Erweiterung des Dienstbarkeitsrechtes wurde der Beschwerdeführer gemäß § 30 Abs. 2 Vorarlberger Baugesetz auf den ordentlichen Rechtsweg verwiesen. § 4 Abs. 2 Vorarlberger Baugesetz verlange, daß jedes Baugrundstück eine rechtlich gesicherte Verbindung mit einer öffentlichen Verkehrsfläche haben müsse. Aus den diesbezüglichen Ausführungen im verkehrstechnischen Gutachten ließe sich zweifelsfrei die Erfüllung dieser Voraussetzung ableiten. Im Falle der Heranbauung an den Gießenbach sei durch Erteilung von Auflagen sichergestellt worden, daß durch das Bauvorhaben keine Gefährdung - etwa durch Hochwasser - der angrenzenden Grundstücke verursacht werde. Unter Hinweis auf die Vorschriften des § 30 Abs. 1 Vorarlberger Baugesetz führte die Berufungsbehörde weiters aus, daß dem Nachbarn kein subjektiv-öffentliches Recht auf die Einforderung von Maßnahmen zur ortsbildnerischen Gestaltung zustünde. Die vom Beschwerdeführer gerügten Abstände seien an jeder Stelle eingehalten worden.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung rügte der Beschwerdeführer zunächst die Mangelhaftigkeit des Verfahrens, die u.a. auch darin bestünde, daß es die Behörde unterlassen habe, den Konnex zwischen dem gegenständlichen Verfahren und den im verkehrstechnischen Gutachten zur Sprache kommenden "27 Wohneinheiten", d.h. einer bislang im Verfahren unbekannten Errichtung einer Wohnhausanlage, herzustellen. Daraus ergebe sich auch eine Aktenwidrigkeit, da der Sachverständige offensichtlich von einer für das Verfahren falschen Grundlage ausginge. Im übrigen wiederholte der Beschwerdeführer in seiner Vorstellung die bereits in der Berufung gemachten Einwendungen bezüglich der ortsbildnerischen Maßnahmen, des unzulässigen Eingriffes in die 6 m Zone zum Gießenbach sowie betreffend den in Form eines Dienstbarkeitsrechtes bestehenden Zufahrtsweg.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung des Beschwerdeführers als unbegründet ab. Im wesentlichen wiederholte die belangte Behörde in ihrer Begründung die Ausführungen der Berufungsbehörde zur Frage der Eignung des Zufahrtsweges als "rechtlich gesicherte Verbindung" im Sinne des § 4 Vorarlberger Baugesetz sowie betreffend die durch den Eingriff in die 6 m Zone drohende Überschwemmungsgefahr durch den Gießenbach. Hinsichtlich aller anderen Einwendungen wurden dem Beschwerdeführer die Bestimmungen des § 30 Vorarlberger Baugesetz über die subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte entgegengehalten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete, ebenso wie die zweitmitbeteiligte Partei, eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrte.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zur Mangelhaftigkeit des Verfahrens führt der Beschwerdeführer aus, das verkehrstechnische Gutachten sei aktenwidrig und verstoße gegen Verfahrensvorschriften, da es hinsichtlich der auf Grundstück Nr. 1891/1 geplanten 27 Wohneinheiten unschlüssig sei. Ein Konnex der
27 Wohneinheiten zum gegenständlichen Bauvorhaben, der nur vom Amtssachverständigen hergestellt werden könne, sei bislang nicht erfolgt bzw. unzulässigerweise von der Berufungsbehörde hergestellt worden.
Dem ist zunächst entgegenzuhalten, daß die Frage der Erhöhung der Verkehrsbelastung durch die Errichtung von Bauten entsprechend der Rechtsprechung zu § 30 Abs. 1 lit. a iVm § 4 Abs. 1 und 2 Vlbg. Baugesetz, LGBl. Nr. 33/1976 idgF, keine den Nachbarn eingeräumten subjektiven Rechte berührt (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 18. Februar 1982, Zl. 82/06/0003, Slg. Nr. 11 419/A, sowie vom 16. Oktober 1986, Zl. 86/06/0046). Dem Nachbarn kommt (auch) nach dem Vlbg. Baugesetz kein subjektives Recht dahingehend zu, daß sich die Verkehrsverhältnisse auf den Zufahrtsstraßen nicht ändern (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom 20. März 1984, Zl. 83/05/0177).
Wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift richtig festgestellt hat, reichen nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Verfahrensrechte der Nachbarn nur soweit, als ihnen subjektiv-öffentliche Rechte eingeräumt sind (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 26. April 1988, Zl. 88/05/0003, und vom 28. November 1991, Zlen. 90/06/0172, 0174). Die Ausführungen zur Verletzung von Verfahrensvorschriften im Zusammenhang mit der Frage der Zufahrt gehen daher ins Leere.
Eine Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erblickt der Beschwerdeführer weiters darin, daß die Dienstbarkeit bezüglich der Zufahrt der erstmitbeteiligten Partei entgegen der Annahme der belangten Behörde nicht grundbücherlich eingetragen sei.
Soweit das Beschwerdevorbringen dahingehend zu verstehen sein sollte, daß die Baubehörde zu einer anderen Entscheidung hätte kommen müssen, je nachdem, ob die Dienstbarkeit einverleibt ist oder nicht, so fehlt im Gesetz für eine derartige Rechtsfolge jeglicher Anhaltspunkt. Im übrigen kann auch dieser Einwand nur als die Berufung auf § 4 Abs. 2 Vlbg. Baugesetz verstanden werden, welcher jedoch auch insoweit dem Beschwerdeführer kein subjektives Recht vermittelt.
Wie die belangte Behörde zu Recht festgestellt hat, begründet die Vorschrift des § 4 Vorarlberger Baugesetz kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung nur insoweit subjektiv-öffentliche Rechte, als mit Auswirkungen auf Nachbargrundstücke zu rechnen ist. Derartige Auswirkungen hat der Verwaltungsgerichtshof bei behaupteter mangelhafter Verbindung mit einer öffentlichen Verkehrsfläche nicht angenommen (vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse vom 9. Juni 1994, Zl. 94/06/0058, und vom 30. Mai 1996, Zl. 93/06/0155). Was die vom Beschwerdeführer angenommene "Ausweitung des vereinbarten Dienstbarkeitsrechts" anlangt, ist darauf zu verweisen, daß einer baurechtlichen Bewilligung, auch wenn sie, wie im vorliegenden Fall, nur nach Beurteilung einer zivilrechtlichen Vorfrage (hier: ob und in welchem Umfang die Dienstbarkeit besteht) ergehen kann, keine Wirkung auf die zivilrechtlichen Verhältnisse zwischen den Beteiligten haben kann. Die gegenständliche Dienstbarkeit hat somit durch die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Baubewilligung keine inhaltliche Veränderung erfahren (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 16. Oktober 1986, Zl. 86/06/0046). Wie die belangte Behörde richtig festgestellt hat, sind gemäß § 30 Abs. 2 Vlbg. BauG Einwendungen der Parteien, mit denen eine Verletzung anderer als im Abs. 1 genannter öffentlich-rechtlicher Vorschriften behauptet wird, als unzulässig zurückzuweisen und Einwendungen, die sich auf das Privatrecht stützen, auf den Rechtsweg zu verweisen. Die Frage, ob der Servitutsweg auch nach Errichtung des Projektes noch vertragskonform genutzt wird, ist eine Frage der Interpretation des Dienstbarkeitsvertrages. Dem Beschwerdeführer sind auch durch die gegenständliche Entscheidung im baurechtlichen Verfahren seine zivilrechtlichen Abwehrmöglichkeiten nicht genommen.
Da die behaupteten Rechtsverletzungen somit nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Baurecht NachbarEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995060216.X00Im RIS seit
11.07.2001