TE Vwgh Erkenntnis 1996/8/29 95/06/0252

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.08.1996
beobachten
merken

Index

L80008 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan
Vorarlberg;
L82000 Bauordnung;

Norm

BauRallg;
RPG Vlbg 1973 §23 Abs1;
RPG Vlbg 1973 §37 Abs4;
RPG Vlbg 1973 §38;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 29. Dezember 1994, Zl. VIIa-410.434, betreffend Versagung einer Baubewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Vorarlberg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Ansuchen vom 7. Jänner 1994 hat der Beschwerdeführer bei der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch die Erteilung der Baubewilligung für die Aufstellung einer Werkshalle für eine Hackschnitzelproduktion sowie die Erteilung der Betriebsanlagengenehmigung auf dem Grundstück Nr. 1222, KG W, beantragt. Über dieses Bauvorhaben fand am 17. Februar 1994 die bau- und gewerbebehördliche Verhandlung an Ort und Stelle statt, mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom 24. Mai 1994 wurden die beantragte Baubewilligung und die gewerbebehördliche Genehmigung versagt. Die Versagung der Baubewilligung wurde damit begründet, daß die Zufahrtsstraße zum Grundstück eine Breite von nur 3 m aufweise und ein problemloses Begegnen, z.B. Ausweichen, nicht möglich sei. Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer Berufung erhoben, in der er betreffend die Versagung der Baubewilligung ausführte, daß angesichts der konkreten Verhältnisse die Straße vollkommen ausreichend sei.

Am 29. September 1994 hat die Gemeindevertretung von Weiler für sämtliche unverbauten und als "Baufläche-Betriebsgebiet" gewidmeten Grundstücke in einem näher bezeichneten Gebiet, wozu auch das Grundstück des Beschwerdeführers gehört, eine Bausperre erlassen, die am 2. Oktober 1994 in Kraft trat. Diese Verordnung wurde von der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch als Aufsichtsbehörde als gesetzwidrig aufgehoben. Die Gemeindevertretung von Weiler erließ am 9. November 1994 eine neuerliche Bausperre für dasselbe Gebiet. Diese Verordnung wurde aufsichtsbehördlich genehmigt.

Mit Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 29. Dezember 1994 wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom 24. Mai 1994, soweit sie die baubehördliche Bewilligung betraf, abgewiesen. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, es sei nunmehr eine Bausperre in Kraft getreten, die zu berücksichtigen sei. Eine Baubewilligung dürfe auch bei Vorliegen einer Bausperre erteilt werden, wenn das geplante Bauvorhaben den Zweck der Bausperre nicht beeinträchtige. In der der Bausperren(verordnung) vom 9. November 1994 angeschlossenen Darstellung sei unter Punkt 7 ausgeführt, daß die Gemeinde beabsichtige, eine neue Straße von der Landesstraße durch den nördlichen Teil des Betriebsgebietes bis zur Wiesenstraße zu errichten, den südlichen Teil des Betriebsgebietes einer betrieblichen Nutzung zuzuführen und in der Folge den nördlichen Teil des Betriebsgebietes durch ein Umlegungsverfahren die Grundstücke nach der Form, Größe und Lage baureif zu machen. Aufgrund der Vielzahl der Grundstücksnummern und deren Eigentümer werde das Umlegungsverfahren einen derzeit nicht absehbaren Zeitraum in Anspruch nehmen. Durch die geplante Errichtung der neuen Straße werde für weitere Grundstücke die Möglichkeit der Anbindung an die öffentliche Verkehrsfläche geschaffen. Die überwiegende Zahl der Grundstücke erfülle nicht die Anforderungen des § 13 RPG und erscheinen für die Bebauung nicht geeignet. Um eine drohende Fehlentwicklung zu vermeiden, erscheine es unumgänglich, eine sofortige Bausperre zu erlassen. Das Raumplanungsgesetz ermögliche der Gemeinde die Erlassung diesbezüglicher notwendiger Verordnungen und scheine in diesem Fall zielführend.

Das im Eigentum des Beschwerdeführers stehende Grundstück Nr. 1222 liege im nördlichen Teil des Betriebsgebietes und grenze mit der südlichen Grundstücksseite an die Wiesenstraße. Es sei zutreffend, daß die projektierte Straße nicht über jedes Grundstück verlaufe, das von der Bausperre betroffen sei. Zweck der Bausperre sei doch nicht allein der Bau der neuen Straße, sondern die Änderung des Flächenwidmungsplanes hinsichtlich des als "Baufläche-Betriebsgebiet" gewidmeten, aber nicht baureifen Gebietes in "Bauerwartungsfläche-Betriebsgebiet". Da die mangelnde Baureife des Gebietes neben der fehlenden Erschließung auch in der ungünstigen Form und Größe vieler Grundstücke im nördlichen Teil des Betriebsgebietes begründet sei, sei in weiterer Folge auch ein Umlegungsverfahren geplant. Wenn der Beschwerdeführer vorbringe, die Bausperre sei nicht präjudiziell für das gegenständliche Vorhaben, so könne dem nicht gefolgt werden. Eine Bebauung des nahezu im Zentrum des von der Bausperre umfaßten Gebietes liegenden Grundstückes würde zwar das Planungsvorhaben der Gemeinde nicht verhindern, dies insbesondere auch im Hinblick darauf, daß das Gebiet in der Zukunft wieder als Betriebsgebiet gewidmet werden solle, es würde jedoch den Zweck der Bausperre, nämlich die Gesamtgestaltung des Gebietes erschweren.

Die Behandlung der gegen diesen Bescheid eingebrachten Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 25. September 1995, B 885/95-8, abgelehnt. Zur Begründung wurde in bezug auf die Gesetzwidrigkeit der Bausperreverordnung ausgeführt, daß dieses Vorbringen vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu Bausperreverordnungen mit Rücksicht auf die von der Gemeinde Weiler belegte Absicht zur Änderung eines Teiles des Flächenwidmungsplanes die behauptete Verletzung in einem Recht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm als so wenig wahrscheinlich erkennen lasse, daß die Beschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe.

Mit einem weiteren Beschluß vom 4. Dezember 1995 hat der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten.

In der über Auftrag des Verwaltungsgerichtshofs ergänzten Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Bedenken, die der Beschwerdeführer gegen die Gesetzmäßigkeit der Bausperreverordnung der Gemeinde Weiler vom 9. November 1994 hegt, hat er bereits an den Verfassungsgerichtshof herangetragen; dieser hat diese Bedenken nicht geteilt. In der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof werden keine weiteren Gesichtspunkte dargelegt, auch der Verwaltungsgerichtshof hegt von sich aus keine Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der Bausperreverordnung, weil jedenfalls die Umgestaltung des Flächenwidmungsplanes unter Berücksichtigung der zu errichtenden Landesstraße, die durch den nördlichen Teil des Betriebsgebietes führen soll, im Sinne des § 23 Abs. 1 des Vorarlberger Raumplanungsgesetzes ein hinreichender Grund für die Erlassung einer Bausperre ist.

Gemäß § 23 Abs. 1 RPG hat die Gemeindevertretung durch Verordnung für ein bestimmtes Gebiet eine Bausperre zu erlassen, wenn dies zur Erlassung oder Änderung des Flächenwidmungsplanes erforderlich ist.

Gemäß § 23 Abs. 2 leg. cit. hat eine Bausperre die Wirkung, daß Baubewilligungen nach dem Baugesetz, Bewilligungen nach dem Landschaftsschutzgesetz und Bewilligungen zur Teilung von Grundstücken nach § 34 nur zulässig sind, wenn das geplante Vorhaben den Zweck der Bausperre nicht beeinträchtigt.

Das Gebiet, das zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung als "Baufläche-Betriebsgebiet" gewidmet war, soll nach den Aussagen der Gemeinde als "Bauerwartungsfläche-Betriebsgebiet" gewidmet werden. Gemäß § 15 Abs. 1 RPG dürfen als Bauerwartungsflächen nur Flächen festgelegt werden, die sich aufgrund der natürlichen Verhältnisse für die Bebauung eignen und voraussichtich nach 15 Jahren nach dem Inkrafttreten des Flächenwidmungsplanes für einen Zeitraum von höchstens weiteren 15 Jahren als Bauflächen benötigt werden. Flächen, die gemäß § 13 Abs. 2 als Bauflächen nicht geeignet sind, dürfen nicht als Bauerwartungsflächen gewidmet werden.

Es ist unbestritten, daß die projektierte Straße nicht über das zu bebauende Grundstück verlaufen wird. Die mangelnde Baureife des Gebietes ist der Begründung des angefochtenen Bescheides zufolge neben der fehlenden Erschließung auch in der ungünstigen Form und Größe vieler Grundstücke im nördlichen Teil des Betriebsgebietes begründet, weshalb in weiterer Folge auch ein Umlegungsverfahren geplant sei. Das zu bebauende Grundstück liegt, wie auch aus dem angefochtenen Bescheid hervorgeht, nahezu im Zentrum des von der Bausperre umfaßten Gebietes. Es kann dahingestellt bleiben, ob das Bauvorhaben auf einem straßenmäßig erschlossenen Grundstück mit den Ausmaßen von ca. 110 m x 26 m ein Umlegungsverfahren hindert, das wegen der ungünstigen Form und Größe vieler Grundstücke geplant ist, da das Umlegungsverfahren jedenfalls zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch nicht eingeleitet war. Gemäß § 38 RPG treten nämlich Rechtswirkungen erst nach Einleitung des Umlegungsverfahrens ein, somit nach der Erlassung einer Verordnung nach § 37 Abs. 4 RPG. Vorher entfaltet ein geplantes Umlegungsverfahren noch keine Rechtswirkungen. Das "beabsichtigte" Umlegungsverfahren konnte daher kein rechtliches Hindernis für die Erteilung der beantragten Baubewilligung sein. Das geplante Umlegungsverfahren konnte aber auch kein im Sinne des § 23 Abs. 1 RPG zulässiger Grund für die Bausperreverordnung sein, weil die genannte Bestimmung eine Verordnung zur Sicherung eines Umlegungsverfahrens nicht zuläßt.

Zweck der Bausperre ist es, das Bauflächen-Betriebsgebiet in Bauerwartungsfläche-Betriebsgebiet umzuwidmen. Dem vorgelegten Verwaltungsakt kann kein Hinweis dafür entnommen werden, inwiefern die Verwirklichung des vom Beschwerdeführer eingereichten Bauprojektes die Realisierung der geplanten Flächenwidmung "Bauerwartungsfläche-Betriebsgebiet" vereiteln oder erschweren würde. Das geplante Projekt ist mit der Widmung Bauerwartungsfläche-Betriebsgebiet typenmäßig vereinbar, besondere Gründe, weshalb das eingereichte Projekt den Zweck der Bausperre beeinträchtigen würde, sind im Verwaltungsverfahren nicht hervorgekommen. Der von der belangten Behörde in ihrer Bescheidbegründung zitierte Punkt 7 der der Bausperreverordnung angeschlossenen Darstellung vom 31. März 1994 ist lediglich die Rechtfertigung für die Erlassung der Bausperreverordnung; aus dieser Darstellung ist aber kein Hinweis zu gewinnen, weshalb das konkrete Projekt den Zweck der Bausperre beeinträchtigen sollte. Da die belangte Behörde nach der Aktenlage sohin zu Unrecht davon ausging, daß das Bauvorhaben den Zweck der Bausperre beeinträchtigen würde, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995060252.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten