Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §66 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerde der K in R, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in F, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom 8. Mai 1996, Zl. II-2513/92, betreffend Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: Gemeinde K, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Auf Grund der Beschwerde und der dieser angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:
Die Beschwerdeführerin hat mit Eingabe vom 12. Februar 1992 bei der mitbeteiligten Gemeinde um die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung eines Pferdestalles mit Jauchegrube und ein Mistlager auf dem Grundstück Nr. 4122/1, GP K, angesucht.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 7. Oktober 1992 wurde die beantragte Baubewilligung erteilt.
Die von Nachbarn dagegen erhobenen Berufungen wurden mit Bescheid der Gemeindevertretung der mitbeteiligten Gemeinde vom 18. November 1992 abgewiesen.
Den dagegen erhobenen Vorstellungen von Nachbarn gab die Bezirkshauptmannschaft Feldkirch mit Bescheid vom 25. März 1993 keine Folge.
Auf Grund der dagegen von Nachbarn eingebrachten Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof wurde dieser Vorstellungsbescheid mit Erkenntnis vom 17. März 1994, Zl. 93/06/0096, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. In diesem Erkenntnis stellte der Verwaltungsgerichtshof fest, daß ein Pferdestall nicht den sozialen Bedürfnissen der im Wohngebiet lebenden Bevölkerung diene. Die Pferdehaltung stelle auch nicht eine im Wohngebiet übliche Haustierhaltung dar. Sie diene vielmehr in der Regel sportlichen, allenfalls auch landwirtschaftlichen Zwecken. Ein Pferdestall der vorliegenden Art sei daher schon nach seinem Typus im Wohngebiet nicht zulässig. Da gemäß § 14 Abs. 3 Vbg. Raumplanungsgesetz auch für Wohngebiete geeignete Bauwerke und sonstige Anlagen nur errichtet werden dürfen, wenn (überdies) ihre ordnungsgemäße Benützung keine Gefahren und Belästigungen für die Einwohner mit sich bringe, genössen die Nachbarn im Wohngebiet im Hinblick auf das Projekt der Beschwerdeführerin (welches zufolge seiner Widmungswidrigkeit jedenfalls nicht als ortsüblich angesehen werden könne) gemäß § 6 Abs. 10 Vbg. Baugesetz einen Belästigungsschutz. Im Falle von Belästigungen durch Lärm oder üble Gerüche sei daher durch Festsetzung größerer Abstandsflächen sicherzustellen, daß eine im Wohngebiet unzulässige Belästigung unterbleibe. Es seien nicht die Geruchsemissionen der Pferde im Verhältnis zu anderen Haustieren maßgebend, sondern "die Frage, ob und welche Geruchsemissionen von einem Pferdestall auf dem Nachbargrundstück im Verhältnis zu jenem Zustand, bei dem sich ein solcher Pferdestall auf dem Nachbargrundstück nicht befindet, ausgehen bzw. ob durch Festlegung größerer Abstände Geruchs- oder Lärmbelästigungen auf dem Nachbargrundstück vermieden werden" könnten. Bei der Beurteilung solcher Belästigungen sei zwar ein objektiver Maßstab in dem Sinne anzulegen, daß vom Empfinden eines Durchschnittsmenschen auszugehen sei, es sei jedoch im Hinblick auf die diesbezüglichen Ausführungen der belangten Behörde darauf hingewiesen, daß Stallgeruch und der Geruch von Mistlegen bzw. Jauchegruben schon nach allgemeiner Erfahrung nicht nur "subjektiv", sondern auch objektiv Belästigungen darstellten, die Nachbarn im Wohngebiet im Sinne des § 14 Abs. 3 Vbg. Raumplanungsgesetz nicht hinnehmen müßten. Sollte das fortgesetzte Verfahren eine Geruchs- und Lärmbelästigung der damaligen beschwerdeführenden Nachbarn in dem von ihnen behaupteten Sinne ergeben und durch Festlegung größerer Abstände im Sinne des § 6 Abs. 10 Vbg. Baugesetz nicht vermieden werden können, käme den Nachbarn ein Rechtsanspruch auf die Versagung der Baubewilligung zu.
In der Folge wurde der Berufungsbescheid von der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zurückverwiesen.
Die Gemeindevertretung der mitbeteiligten Partei hob mit Bescheid vom 22. Dezember 1994 unter Zitierung des § 66 Abs. 4 AVG den erstinstanzlichen Bescheid des Bürgermeisters vom 7. Oktober 1992 auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Bürgermeister. In der Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, daß nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. März 1994 die Errichtung eines Pferdestalles im Wohngebiet weder kulturellen noch wirtschaftlichen noch sozialen Bedürfnissen der Einwohner des Gebietes diene und daher von vornherein im Wohngebiet nicht zulässig sei. Stallgeruch und der Geruch von Mistlegen bzw. Jauchegruben stellten nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes schon nach allgemeiner Erfahrung nicht nur "subjektiv", sondern auch objektiv Belästigungen dar, die Nachbarn im Wohngebiet im Sinne des § 14 Abs. 3 Raumplanungsgesetz nicht hinnehmen müßten. Da die Gemeindevertretung bei ihrer neuerlichen Entscheidung an die Rechtsansicht der Aufsichtsbehörde gebunden sei, sei wie im Spruch zu entscheiden gewesen. Dieser Bescheid der Gemeindevertretung der mitbeteiligten Partei wurde von der Beschwerdeführerin nicht bekämpft.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Partei vom 3. Februar 1995 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin abgewiesen (Spruchpunkt I) und gemäß § 41 Abs. 3 Vbg. Baugesetz die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes aufgetragen (Spruchpunkt II). In der Begründung zu diesem Bescheid wurde auf die im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. März 1994 geäußerte Rechtsauffassung hingewiesen, daß die Errichtung eines Pferdestalles im Wohngebiet von vornherein nicht zulässig sei, sowie Stallgeruch und der Geruch von Mistlegen bzw. Jauchegruben schon nach allgemeiner Erfahrung objektiv Belästigungen darstellten, die Nachbarn im Wohngebiet nicht hinnehmen müßten. Wegen Widerspruches mit der Flächenwidmung sei die Errichtung des Pferdestalles nicht zu bewilligen. Mangels Baukonsenses sei gemäß § 41 Abs. 3 Vbg. Baugesetz die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes zu verfügen.
Die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin wurde mit Bescheid der Gemeindevertretung der mitbeteiligten Partei vom 19. Juni 1995 abgewiesen.
Der dagegen erhobenen Vorstellung der Beschwerdeführerin wurde mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge gegeben. Die belangte Behörde führte im wesentlichen aus, daß sie zunächst mit Ersatzbescheid vom 16. August 1994 der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes Rechnung getragen und die im fortgesetzten Verfahren zu beachtende Vorgangsweise erläutert habe. Im fortgesetzten Verfahren habe die Gemeindevertretung der mitbeteiligten Partei bei ihrer Entscheidung über die Berufungen der Nachbarn diesen nicht allein wegen Widerspruches des Bauvorhabens mit dem Flächenwidmungsplan Folge geben dürfen, sondern hätte, dem Verwaltungsgerichtshof folgend, hinsichtlich des Vorliegens von Belästigungen im Sinne des § 6 Abs. 10 Vbg. Baugesetz unter Heranziehung eines Sachverständigen geprüft werden müssen, ob und welche Emissionen von einem Pferdestall auf dem Nachbargrundstück im Verhältnis zu jenem Zustand ausgehen, bei dem sich ein Pferdestall auf dem Nachbargrundstück nicht befinde, bzw. ob durch Festlegung größerer Abstände die als Ursache der Belästigungen in Betracht kommenden Emissionen hätten vermieden werden können. Der Berufungsbescheid der Gemeindevertretung der mitbeteiligten Partei vom 22. Dezember 1994 erscheine widersprüchlich und rechtswidrig. Ein Sachverständigengutachten sei nicht eingeholt worden. In der Begründung des Berufungsbescheides vom 22. Dezember 1994 werde in keiner Weise festgehalten, daß die Sachverhaltsermittlungen der Behörde erster Instanz mangelhaft gewesen seien, und weder im Spruch noch in der Begründung des Bescheides werde auf die Notwendigkeit der Durchführung bzw. Wiederholung einer mündlichen Verhandlung hingewiesen. Es werde lediglich ausgeführt, daß die Errichtung eines Pferdestalles im Wohngebiet von vornherein nicht zulässig sei und Nachbarn Stallgeruch sowie Geruch von Mistlegen bzw. Jauchegruben als objektive Belästigungen im Wohngebiet nicht hinnehmen müßten. Die Beschwerdeführerin habe diesen Berufungsbescheid vom 22. Dezember 1994 nicht angefochten. Er sei somit in Rechtskraft erwachsen. Mit rechtskräftiger Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung sei das Verfahren in den Stand vor der Erlassung des "aufhebenden" Bescheides getreten. Während im Berufungsverfahren die Prüfungsbefugnis der belangten Behörde durch das beschränkte Mitspracherecht der berufenden Nachbarn eingeschränkt sei, erlange die Erstbehörde mit der Zurückverweisung der Angelegenheit an sie wiederum die volle Entscheidungsbefugnis über den Bauantrag der Beschwerdeführerin. Die Erstbehörde sei an die die rechtskräftige Aufhebung des Bescheides tragenden Gründe gebunden. Im aufhebenden und zurückverweisenden Berufungsbescheid vom 22. Dezember 1994 sei weder ein Auftrag zur neuerlichen Verhandlung erteilt, noch seien "die die Aufhebung tragende Gründe genannt, die der Bürgermeister in seinem Bescheid vom 3. Februar 1995 nicht beachtet" hätte. Bei der Zurückverweisung des Verfahrens könne die erstinstanzliche Behörde auch Gründe für die Versagung der Baubewilligung wahrnehmen, die sie im ersten Rechtsgang - verfehlterweise - nicht aufgegriffen habe und die die Berufungsbehörde auf Grund der eingeschränkten Entscheidungsbefugnis nicht hätte aufgreifen dürfen. Im vorliegenden Fall liege dieser Versagungsgrund des Widerspruches des Bauvorhabens mit dem Flächenwidmungsplan, der das genannte Grundstück als Baufläche-Wohngebiet ausweise, vor. Die Versagung der Baubewilligung wegen Widerspruches mit der Flächenwidmung sei auch dann zulässig, wenn bereits eine mündliche Verhandlung durchgeführt worden sei. Eine Verletzung in subjektiv-öffentlichen Rechten sei auch dadurch nicht entstanden, daß die Entscheidung auf § 31 Abs. 2
Vbg. Baugesetz, statt auf § 31 Abs. 5 i.V.m. Abs. 3 Vbg. Baugesetz gestützt worden sei.
In der dagegen erhobenen Beschwerde wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Die Beschwerdeführerin erachtet sich u.a. in ihrem Recht auf gesetzmäßige Entscheidung über ihren Antrag auf Erteilung der Baubewilligung verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann die Berufungsbehörde den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz verweisen, wenn der der Berufungsbehörde vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, daß die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.
Die die Aufhebung eines erstinstanzlichen Bescheides gemäß § 66 Abs. 2 AVG tragenden Gründe entfalten im fortgesetzten Verwaltungsverfahren Bindungswirkung (vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse vom 15. Juni 1982, Zl. 3158/79, Slg. Nr. 10757/A - nur der Rechtssatz veröffentlicht -, und vom 26. März 1987, Zl. 86/08/0177). Ein Berufungsbescheid, der sich - wie im vorliegenden Fall - zwar auf § 66 Abs. 4 AVG stützt, den erstinstanzlichen Bescheid aber aufhebt, stellt eine Entscheidung gemäß § 66 Abs. 2 AVG dar.
Der Bescheid der Gemeindevertretung vom 22. Dezember 1994 wurde - wie auch von der Beschwerdeführerin unbestritten - nicht bekämpft.
Durch die Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides gemäß § 66 Abs. 2 AVG trat das Verfahren in die Lage zurück, wie sie vor Erlassung des aufgehobenen Bescheides bestand (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Mai 1984, Zl. 84/07/0012). Der Behörde erster Instanz stand in diesem Stadium wiederum eine volle Entscheidungsbefugnis zu und daher durfte sie, allein gestützt auf den auch vom Verwaltungsgerichtshof in dem Erkenntnis Zl. 93/06/0096 angeführten Grund der Unvereinbarkeit eines Pferdestalles mit der Widmung "Wohngebiet", das Bauansuchen ohne Rechtsirrtum abweisen. Es liegt darin auch ein Verstoß gegen die sich aus dem aufhebenden Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes ergebende Bindungswirkung, da der Verwaltungsgerichtshof in dem angeführten Erkenntnis gleichfalls von der Unvereinbarkeit eines Pferdestalles mit der Widmung "Wohngebiet" ausging und nur auf Grund der eingeschränkten Überprüfungsbefugnis der Berufungsbehörde im Lichte des § 6 Abs. 10 Vbg. Baugesetz weiters die Einholung von Gutachten zur Beurteilung des Belästigungsschutzes nach dieser Bestimmung für den beschwerdeführenden Nachbarn für erforderlich erachtete.
Ungeachtet der Frage, ob die Heranziehung des § 31 Abs. 2 Vbg. Baugesetz für die Abweisung des Bauansuchens im Hinblick auf die bereits im 1. Rechtsgang abgehaltene mündliche Verhandlung rechtmäßig war, wurde die Beschwerdeführerin dadurch jedenfalls nicht in Rechten verletzt.
Abschließend ist anzumerken, daß die Beschwerdeführerin nicht im Recht ist, wenn sie meint, daß sie durch den aufhebenden Bescheid der Gemeindevertretung vom 22. Dezember 1994 in keinen Rechten verletzt worden sei und sie deshalb diesen Bescheid nicht bekämpft habe. Dieser Bescheid berührte sie jedenfalls im Recht auf Sachentscheidung durch die Berufungsbehörde und in dem Recht auf eingeschränkte Überprüfung der in erster Instanz erteilten Baubewilligung ausschließlich im Hinblick auf die rechtzeitig erhobenen Einwendungen von Nachbarn.
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Bei diesem Ergebnis erübrigte sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Schlagworte
Inhalt der Berufungsentscheidung Kassation Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der BehördeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996060161.X00Im RIS seit
20.11.2000