TE Vwgh Erkenntnis 1996/8/29 95/09/0014

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Veröffentlicht am 29.08.1996
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG §4 Abs1;
AVG §45 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Höß und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des Dr. T in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 29. November 1994, Zl. IIc/6702 B, betreffend Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Arbeitsmarktservice hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stellte am 1. August 1994 den Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für die "jugoslawische" Staatsangehörige S. als Hausbesorgerin. Dieser Antrag war mit dem Zusatz versehen, die beantragte Arbeitskraft werde als dringender Ersatz für die am 30. September 1994 in Alterspension tretende Vorgängerin benötigt.

Mit Bescheid vom 8. August 1994 gab die Behörde erster Instanz dem Antrag gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG keine Folge. Der Regionalbeirat habe im gegenständlichen Verfahren die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung nicht befürwortet. Darüber hinaus habe das "Ermittlungsverfahren" ergeben, daß keine der im § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 AuslBG vorgesehenen Voraussetzungen vorliege.

In der Berufung machte der Beschwerdeführer geltend, daß tatsächlich kein Ermittlungsverfahren durchgeführt worden sei, bzw. sollte ein derartiges durchgeführt worden sein, sei ihm keine Gelegenheit gegeben worden, dazu Stellung zu nehmen. Bei ordnungsgemäßer Durchführung eines Ermittlungsverfahrens hätte die Behörde zu dem Ergebnis kommen müssen, daß S. als Ersatz für die bisherige Hausbesorgerin dienen solle. Es lägen daher die Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. c AuslBG vor. Auch stelle der Hausbesorgerposten eine besondere Vertrauensstellung dar und Frau S. sei dem Beschwerdeführer seit mehreren Jahren als zuverlässige Person bekannt. Die Familie von S. sei seit vielen Jahren in Österreich voll integriert, habe zwei Kinder und der Ehemann von S. sei im Besitze eines Befreiungsscheines. Es sprächen also auch soziale Gründe für die Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung.

Einen in den Verwaltungsakten aufliegenden Vordruck vom 6. September 1994 beantwortete der Beschwerdeführer durch Ankreuzen der Rubrik: "Ich ersuche um die Zuweisung von Arbeitskräften, die ich ANSTELLE des (der) beantragten Ausländers/in beschäftigen möchte und lege den ausgefüllten Vermittlungsauftrag bei".

Nach den Aktenunterlagen wurden in der Folge vom Arbeitsamt vier Personen (Frau G, Herr B, Frau P und Frau R) aufgefordert, beim Beschwerdeführer zum Stellenangebot vorstellig zu werden. Diese Vorstellung fand jeweils am 21. Oktober 1994 statt. Eine Einstellung erfolgte jedoch aus verschiedenen Gründen nicht und auf den formularmäßigen Rückmeldungen des Beschwerdeführers an das Arbeitsamt war von den Rubriken "weitere Vorstellungen erwünscht", "keine weiteren Vorstellungen erwünscht", "Rückruf durch die Betreuerin erwünscht" und "Sonstiges: ..." die Alternative "keine weiteren Vorstellungen erwünscht" angekreuzt.

Mit Schriftsatz vom 28. Oktober 1994 bedankte sich der Beschwerdeführer für die Zuweisung von Arbeitskräften und gab dazu bekannt, daß "leider" keiner der Kandidaten für die vorgesehenen Arbeiten in Frage gekommen wäre. Insbesondere die vom Hausbesorger zu erbringende Schneeräumung mache es erforderlich, daß diese in der Nähe des Hauses wohne. S. sei im Hause selbst wohnhaft, sodaß sie nicht nur die Schneeräumung prompt ausführen, sondern darüber hinaus auch der einem Hausbesorger obliegenden Beaufsichtigungspflicht nachkommen könne.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 29. November 1994 gab die belangte Behörde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG i. V.m. § 4 Abs. 6 und § 4 Abs. 1 sowie § 13a AuslBG keine Folge.

In der Begründung zitierte die belangte Behörde die einschlägigen Rechtsvorschriften und führte dazu aus, die im Zuge des Berufungsverfahrens durchgeführte Überprüfung der Lage auf dem verfahrensgegenständlichen Teilarbeitsmarkt habe ergeben, daß derzeit Ersatzarbeitskräfte, die für die konkret beantragte Beschäftigung geeignet seien, zur Vermittlung vorgemerkt seien und zur Deckung des Arbeitskräftebedarfes zur Verfügung stünden. Angesichts dieser Situation sei die Möglichkeit einer Ersatzstellung für die beantragte ausländische Arbeitskraft angeboten worden. Es sei vom Beschwerdeführer zwar ein Vermittlungsauftrag erteilt, jedoch keine einzige der zugewiesenen Personen eingestellt worden. Auf den retournierten Vorstellungskarten betreffend G, B, P und R sei bekanntgegeben worden, daß der Beschwerdeführer keine weiteren Vorstellungen bzw. Zuweisungen wünsche. Der Beschwerdeführer habe "damit unbestritten kundgetan, daß die Vermittlung weiterer Ersatzkräfte nicht gewünscht werde". Ein derartiger vorzeitiger Abbruch eines bereits begonnenen Ersatzkraftstellungsverfahrens stelle im Ergebnis eine unbegründete Ablehnung von Ersatzkräften dar, welche eine weitere Prüfung entbehrlich mache, ob für die Beschäftigung ein bestimmter Inländer oder bevorzugt zu behandelnder Ausländer zur Verfügung stehe. Konkrete weitere Zuweisungen geeigneter Bewerber, die nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Antragstellers erfolgen könnten, hätten demnach zu unterbleiben gehabt. Durch das Desinteresse an der weiteren Ersatzkraftstellung habe sich der Beschwerdeführer die Möglichkeit genommen, sich von der Eignung der restlichen zur Verfügung stehenden Ersatzkräfte zu überzeugen. Nach der gegebenen "Sach- und Rechtslage" könne i.S.d. § 4 Abs. 1 AuslBG keine andere Entscheidung herbeigeführt werden und die Tatbestände des § 4 Abs. 6 Z. 2 AuslBG seien wegen Nichterfüllung der Erteilungsvoraussetzungen nach § 4 Abs. 1 AuslBG nicht weiter zu prüfen gewesen.

In der Beschwerde werden Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Zur Gegenschrift hat der Beschwerdeführer eine Gegenäußerung erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid im Spruch zwar auf § 4 Abs. 1 und § 4 Abs. 6 AuslBG gestützt, nimmt in ihrer Begründung allerdings nur mehr auf im § 4 Abs. 1 AuslBG gelegene Gründe für ihre Entscheidung Bezug, sodaß die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides auch nur unter diesem Versagungsgrund zu prüfen war.

Nach § 4 Abs. 1 AuslBG ist die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung an zwei Voraussetzungen geknüpft, nämlich

1. daran, daß die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt und

2. wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen.

Bei Fehlen auch nur eines dieser beiden Tatbestandselemente ist den Arbeitsämtern die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung verwehrt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. April 1993, Zl. 93/09/0039) darf bei der Auslegung des § 4 Abs. 1 AuslBG nicht außer acht gelassen werden, daß die vom Gesetzgeber angesprochenen wichtigen öffentlichen und gesamtwirtschaftlichen Interessen erst dann zum Tragen kommen, wenn feststeht, für welche Beschäftigung konkret die Bewilligung beantragt wurde und ob die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes diese konkrete Beschäftigung zuläßt. Das wird aber immer dann der Fall sein, wenn nicht feststeht, daß für die Beschäftigung wenigstens ein bestimmter Inländer oder im gegebenen Zusammenhang ein einem Inländer gleichgestellter oder begünstigt zu behandelnder Ausländer zur Verfügung steht, der bereit und fähig ist, diese Beschäftigung zu den gestellten (gesetzlich zulässigen) Bedingungen auszuüben.

Diese Beweisführung erübrigt sich dann, wenn seitens des Arbeitgebers die Stellung jeder Ersatzkraft von vornherein abgelehnt wird (vgl. in diesem Sinne die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. April 1987, Zl. 87/09/0012, vom 25. November 1987, Zl. 87/09/0164, u.v.a.).

Im Beschwerdefall ging die belangte Behörde von einer derartig unberechtigten Ablehnung des (weiteren) Ersatzkraftstellungsverfahrens seitens des Beschwerdeführers aus. Zu Recht wird dazu in der Beschwerde geltend gemacht, die belangte Behörde hätte ohne Gewährung eines Parteiengehörs allein aus dem Ankreuzen der Rubrik "keine weiteren Vorstellungen erwünscht" in den Rückmeldungen über die Vorstellung der zugewiesenen Arbeitskräfte nicht annehmen dürfen, der Beschwerdeführer habe damit jegliche weitere Vorstellung von vorgemerkten Arbeitskräften abgelehnt. Ein derartiger Vorhalt wäre umsomehr notwendig gewesen, weil für den Beschwerdeführer nach Durchführung des erfolglosen Ersatzkräftestellungsverfahrens keineswegs in eindeutiger Weise erkennbar war, daß überhaupt (noch) nach Ansicht der Behörde geeignete Ersatzkräfte zur Verfügung stehen (siehe dazu auch die resümierende Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 28. Oktober 1994).

Die belangte Behörde hat somit Verfahrensvorschriften außer acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können, sodaß der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben war. In der Gegenschrift können Begründungselemente zu einer allenfalls unbegründeten Beendigung des Ersatzkraftstellungsverfahrens (Hinweis auf ein angeblich am 28. Oktober 1994 diesbezüglich geführtes Telefongespräch) nicht nachgeholt werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff (insbesondere § 59 Abs. 1) VwGG i.V.m. der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete Diverses Parteiengehör Rechtliche Würdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995090014.X00

Im RIS seit

27.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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