TE Vwgh Erkenntnis 1996/8/29 94/09/0127

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.08.1996
beobachten
merken

Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

ABGB §863 impl;
AuslBG §19 Abs1;
AuslBG §4 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Höß und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des Dipl.Ing. P in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Wien vom 1. April 1994, Zl. IIc/6703 B, betreffend Sicherungsbescheinigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Arbeitsmarktservice hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Zivilingenieur für das Bauwesen, beantragte die Ausstellung einer Sicherungsbescheinigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für den slowakischen Staatsangehörigen Dipl.Ing. St. für die berufliche Tätigkeit als Konstrukteur. In einem Begleitschreiben zum Antrag auf Ausstellung der Sicherungsbescheinigung vom 14. Juli 1993 wies der Beschwerdeführer darauf hin, daß sich für "unsere Ingenieurgesellschaft" in zunehmendem Maße die Notwendigkeit ergebe, Projekte in den ehemaligen Ostblockländern zu verfolgen. Es werde daher ein qualifizierter Hochschulakademiker benötigt, der vor allem die Sprachen dieser Länder beherrsche, aber auch Sprachkenntnisse in der englischen und französischen Sprache habe, um den internationalen Anforderungen gerecht zu werden.

Mit Bescheid vom 28. Juli 1993 wies das zuständige Arbeitsamt den Antrag gemäß § 11 Abs. 2 Z. 1 i.V.m. § 4 Abs. 6 AuslBG ab. Der Vermittlungsausschuß habe im gegenständlichen Verfahren die Erteilung einer "Beschäftigungsbewilligung" nicht befürwortet. Darüber hinaus habe das "Ermittlungsverfahren" ergeben, daß keine der im § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 AuslBG vorgesehenen Voraussetzungen vorliege.

In der Berufung wies der Beschwerdeführer auf die Beauftragung mit der Planung und Durchführung von Bauvorhaben in Tschechien hin, die unter der Bedingung erfolgt sei, daß die Arbeiten unter Abstellung einer qualifizierten und insbesondere sprachkundigen Person erfolgten. Sämtliche erforderlichen Urkunden, insbesondere über die Sprachqualitäten des St., seien dem Arbeitsamt bereits vorgelegt worden. Es sei für seinen Betrieb unverzichtbar, St. in ein Angestelltenverhältnis aufzunehmen. Seines Erachtens sei amtsbekannt, daß ein österreichischer Zivilingenieur mit den sprachlichen Qualifikationen nicht verfügbar sei. Infolge der Größe des Projektes in Tschechien seien auch im Büro in Wien umfangreiche Planungs- und Koordinationsarbeiten notwendig, welche durch zwei inländische Mitarbeiter ausschließlich durchgeführt würden. Da der Auftrag in Tschechien mit der Entsendung eines entsprechend ausgebildeten und sprachlich qualifizierten Zivilingenieurs verknüpft sei und dieser Auftrag andernfalls anderweitig vergeben würde, sei die Beschäftigung von St. als Schlüsselkraft zur Erhaltung von Arbeitsplätzen inländischer Arbeitnehmer zu qualifizieren. Mit der Nichterteilung des Auftrages durch die tschechische Firma würde im Ziviltechnikerbüro auch ein erheblicher Verlust an Einnahmen eintreten und es könne nicht ausgeschlossen werden, daß bei Nichterlangung des Auftrages ein weiteres "Eindringen" in den tschechischen Auftragsmarkt unmöglich wäre und dies zu einer erheblichen wirtschaftlichen Schädigung seines Büros führen könnte.

Zusammen mit der Vorlage eines Vermittlungsauftrages vom 27. September 1993 teilte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 23. September 1993 mit, er verweise zum Vermittlungsauftrag insbesondere auf die für den Betrieb erforderlichen fachlichen Voraussetzungen, wie etwa Berufspraxis, perfekte Sprachkenntnisse in Deutsch und Tschechisch sowie Grundlagen der Sprachkenntnisse in Englisch, Französisch und Russisch. Unverzichtbar sei jedenfalls der Abschluß des technischen Studiums an einer anerkannten Universität und weiters müsse die Person wegen den Reiseerforderlichkeiten zwischen Tschechien und Österreich im Besitz eines privaten Pkw"s sein. Auch sei an der Baustelle in Tschechien eine genaue Präzisierung der täglichen Arbeitszeit nicht möglich und auch damit zu rechnen, daß Samstag- bzw. Wochenendtätigkeiten gegebenenfalls erforderlich seien. Die Aufgabe des einzustellenden Mitarbeiters wäre primär in der Herstellung eines Kontaktes mit den staatlichen Behörden von Tschechien, der Erwirkung der erforderlichen behördlichen Genehmigungen, sowie der Übersetzung der Ausschreibungen und Aufträge und der Koordination sämtlicher Baumaßnahmen vor Ort zu sehen. Da die Verfassung der Einreichpläne sowie die Konstruktionsplanung in Österreich erfolge, sei die Haupttätigkeit die eines Koordinators mit Schwerpunkt auf der entsprechenden fachlichen und sprachlichen Befähigung und weniger diejenige eines Konstrukteurs.

Über die Durchführung des Arbeitskräftevermittlungsverfahrens finden sich in den vorgelegten Verwaltungsakten die Unterlagen über die Bewerbung eines Herrn M, der nach seiner Vorstellung am 14. Oktober 1993 nicht eingestellt wurde und einer Frau D, die nach ihrer Vorstellung am 13. Oktober 1993 laut Rückmeldung auf dem Bewerbungsbogen "vorgemerkt" wurde. Weiters erliegt in den Akten eine mit Frau D aufgenommene Niederschrift vom 15. Oktober 1993 über die durchgeführte Bewerbung, in der sie niederschriftlich angab, "Vermittlungsgespräch mit Sekretärin, laut Auskunft der Sekretärin ist die ausgeschriebene Stelle schon besetzt, Unterlagen von Frau D verblieben in der Firma, wurde vorgemerkt für anderen Tätigkeitsbereich".

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde (ohne weitere Verfahrensschritte) der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG i.V.m. § 4 Abs. 1 AuslBG keine Folge (im Spruch des Bescheides ist dazu offensichtlich versehentlich von einem Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung und nicht einer Sicherungsbescheinigung die Rede). Nach Darstellung der Rechtslage wird bezogen auf die konkrete Antragstellung ausgeführt, derzeit sei eine Ersatzstellung durch bevorzugt zu vermittelnde Konstrukteure möglich. Es seien daher anstelle des beantragten Ausländers in der Vermittlungsvormerkung stehende Arbeitskräfte angeboten und in der Folge auch zugewiesen worden. Ein Bewerber sei für eine eventuelle Einstellung vorgemerkt worden. Stünden für die konkret angestrebte Tätigkeit genügend Arbeitskräfte zur Verfügung, seien die von § 4 Abs. 1 AuslBG geforderten rechtserheblichen Sachverhaltsvoraussetzungen nicht gegeben. Außerdem "wurde der Vorgemerkte von Ihnen dann doch nicht eingestellt mit der Begründung, daß die Stelle anderweitig besetzt wurde". Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes ließen daher eine Beschäftigung des St. nicht zu.

In der Beschwerde werden Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde (infolge Änderung der Behördenorganisation durch das Arbeitsmarktservicegesetz, BGBl. Nr. 313/1994, nunmehr die Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien) hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 11 Abs. 2 Z. 1 AuslBG darf eine Sicherungsbescheinigung nur erteilt werden, wenn u.a. die Voraussetzungen gemäß § 4 Abs. 1 AuslBG erfüllt sind. Nach dieser Gesetzesstelle ist die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung an zwei Voraussetzungen geknüpft, nämlich

1. daran, daß die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt und

2. wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interesssen nicht entgegenstehen.

Bei Fehlen auch eines dieser beiden Tatbestandselemente ist die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung verwehrt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. beispielsweise das Erkenntnis vom 21. April 1994, 93/09/0112) darf bei der Auslegung des § 4 Abs. 1 AuslBG nicht außer acht gelassen werden, daß die vom Gesetzgeber angesprochenen wichtigen öffentlichen und gesamtwirtschaftlichen Interessen erst dann zum Tragen kommen, wenn feststeht, für welche Beschäftigung konkret die Bewilligung beantragt wurde und ob die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes diese konkrete Beschäftigung zuläßt. Das wird immer dann der Fall sein, wenn nicht feststeht, daß für die Beschäftigung wenigstens ein bestimmter Inländer oder im gegebenen Zusammenhang ein einem Inländer gleichgestellter oder begünstigt zu behandelnder Ausländer (in der Reihenfolge nach § 4b AuslBG) zur Verfügung steht, der bereit und fähig ist, diese Beschäftigung zu den gestellten (gesetzlich zulässigen) Bedingungen auszuüben.

Die belangte Behörde hat ein Ersatzkräftestellungsverfahren durchgeführt und dazu mit einer zugewiesenen Person (Frau D) auch eine Niederschrift aufgenommen. Parteiengehör hat die belangte Behörde vor ihrer Entscheidung allerdings zur Frage der Nichteinstellung der zugewiesenen Personen bzw. dem Inhalt der niederschriftlichen Angaben von Frau D vom 15. Oktober 1993 (zu den dort offenbar wiedergegebenen Angaben einer "Sekretärin") entgegen der Vorschrift des § 45 Abs. 3 AVG nicht gewährt. Das in der Beschwerde enthaltene Vorbringen, wonach keine der insgesamt zugewiesenen (laut Beschwerde) vier Personen die Anforderungen an die zu besetzende Arbeitsstelle erfüllt habe (dem implizit zu entnehmen ist, daß der für St. vorgesehene Arbeitsplatz nach wie vor offen ist), ist daher als Hinweis auf eine wesentliche Verletzung von Verfahrensvorschriften zu werten, die es dem Verwaltungsgerichtshof auch nicht ermöglicht, eine abschließende Beurteilung dahin vorzunehmen, ob für die zu besetzende Arbeitsstelle eine geeignete (bevorzugt zu vermittelnde) Arbeitskraft vorhanden gewesen wäre bzw. ob deren Einstellung aus vom Beschwerdeführer zu vertretenden Gründen nicht erfolgt ist. Zum Begründungselement im angefochtenen Bescheid, "außerdem" sei der "Vorgemerkte" dann doch mit der Begründung nicht eingestellt worden, daß die Stelle anderweitig besetzt worden sei, ist überdies zu sagen, daß die Behörden, selbst wenn die Stelle bereits anderweitig besetzt sein sollte, nicht ohne Rückfrage beim Antragsteller davon ausgehen dürfen, daß er kein Interesse an der Beschäftigung des von ihm (namentlich) beantragten Ausländers hat. Es kann rechtens nicht auf eine stillschweigende Rücknahme des Antrages auf Erteilung der Beschäftigungsbewilligung oder Sicherungsbescheinigung geschlossen werden (vgl. dazu beispielsweise das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Oktober 1989, 89/09/0085). Da die belangte Behörde bei ihrer Bescheiderlassung somit offenbar auch die Rechtslage verkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die Entscheidung über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. § 41 AMSG und der gemäß ihrem Art. III Abs. 2 anzuwendenden Verordnung des Bundeskanzlers

BGBl. Nr. 416/1994. Für den zuerkannten Aufwandersatz hat das Arbeitsmarktservice als Rechtsträger im Sinne des § 47 Abs. 5 VwGG aufzukommen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Juni 1996, Zl. 95/09/0261).

Schlagworte

Rechtsgrundsätze Verzicht Widerruf VwRallg6/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1994090127.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten