Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*, vertreten durch Dr. Johannes Schuster, Mag. Florian Plöckinger, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei E*, vertreten durch Dr. Walter Schuhmeister, Mag. Franz Haydn, Rechtsanwälte in Schwechat, wegen 20.548,66 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 7. September 2021, GZ 5 R 29/21b-51, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 9. Dezember 2020, GZ 65 Cg 7/19f-40, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 22. Jänner 2021, GZ 65 Cg 7/19f-44, teilweise abgeändert und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
Text
Entscheidungsgründe:
[1] Der Kläger bot Anfang 2018 mittels Inserat ein Kleingartenhaus (Superädifikat) zum Kauf an. Die Beklagte nahm daraufhin Kontakt zu ihm auf und einigte sich mit ihm Mitte Februar 2018 auf den Erwerb des Kleingartenhauses um einen Kaufpreis von 9.000 EUR. Gleichzeitig wurde vereinbart, dass der Kläger das damals auf einem anderen Grundstück aufgebaute Kleingartenhaus auf einem von der Beklagten erst zu pachtenden Grundstück um 5.000 EUR aufbauen solle. Der Kläger stellte der Beklagten in diesem Zusammenhang in Aussicht, dass sie dafür ein von ihm in einer Kleingartenanlage in Vösendorf gepachtetes Grundstück übernehmen könne.
[2] Nach Abschluss des Kaufvertrags mit der Beklagten baute der Kläger das Kleingartenhaus ab und lagerte es in einer von ihm schon seit dem Jahr 2015 im Rahmen des von ihm geführten Unternehmens gemieteten Lagerhalle ein. Diese Lagerhalle war dadurch überwiegend, nämlich zu 98 % ausgefüllt; abgesehen vom zerlegten Kleingartenhaus befanden sich dort nur eine Tischkreissäge, ein Regal und ein wenig Kleinmaterial. Weitere Teile des Hauses, insbesondere Inventar, brachte der Kläger in seiner Garage und im Haus seiner Mutter unter. Sein Keller war angefüllt mit Werkzeug, Schrauben und Materialien, weil die dafür an sich vorgesehene Lagerhalle vom Kaufgegenstand belegt war.
[3] Im Oktober 2018 teilte der Kläger der Beklagten mehrfach mit, dass er den Platz in seinem Lager benötige, das Haus also daraus entfernt werden müsse.
[4] Nachdem die Übernahme des Pachtvertrags – in dritter Instanz unstrittig aus allein in der Sphäre der Beklagten liegenden Gründen – gescheitert war, trat die Beklagte Anfang November 2018 vom Kaufvertrag zurück. Der Kläger erklärte mit Schreiben vom 22. November 2018 in Hinblick auf die Weigerung der Beklagten, das Kleingartenhaus zu übernehmen und den Kaufpreis dafür zu zahlen, seinerseits den Rücktritt vom Kaufvertrag. Ende November 2019 verkaufte er das Kleingartenhaus um keinen geringeren als den mit der Beklagten vereinbarten Kaufpreis an einen Dritten und baute es für diesen um 2.000 EUR auf. Erst dann konnte er die Teile des Hauses aus seinem Lager entfernen und jene Sachen dort einlagern, die er ursprünglich dort hätte lagern wollen. Für sein Lager zahlte der Kläger an monatlichem Mietzins im Zeitraum März bis Juni 2018 jeweils 459,90 EUR, im Zeitraum Juli 2018 bis Juni 2019 jeweils 468,18 EUR und von Juli bis November 2019 jeweils 475,67 EUR.
[5] Der Kläger begehrte von der Beklagten – soweit in dritter Instanz noch von Interesse – aus dem Titel des Nichterfüllungsschadens den Ersatz der ihm im Zeitraum März 2018 bis November 2019 entstandenen Lagerkosten.
[6] Die Beklagte wendete dagegen ein, sie schulde die Lagerkosten nicht, weil es sich dabei um Sowieso-Kosten gehandelt habe. Da der Kläger das Lager nämlich bereits zuvor gemietet gehabt habe, seien ihm durch die Einlagerung keine zusätzlichen Kosten entstanden.
[7] Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte (ua) zum (teilweisen) Ersatz der Einlagerungskosten in Höhe von 8.165,55 EUR. Teil des Nichterfüllungsschadens könnten auch Aufwendungen sein, die durch das schuldhafte Schuldnerhandeln sinnlos geworden seien (frustrierte Aufwendungen). Dem Kläger seien zwar keine zusätzlichen Lagerkosten entstanden und die Kosten der bereits zuvor angemieteten Lagerhalle seien nicht durch die Beklagte verursacht worden. Allerdings sei der Zweck dieser Lagerkosten vereitelt worden, wodurch diese wertlos geworden seien, weil die Halle dem Kläger für die Dauer der Einlagerung des Kleingartenhauses nicht für seine anderen Dinge zur Verfügung gestanden sei und er sie woanders unterbringen habe müssen. Dies sei vergleichbar einer Garagenmiete, die infolge Beschädigung eines Fahrzeugs nutzlos sei.
[8] Das Berufungsgericht änderte infolge Berufung der Beklagten das erstinstanzliche Urteil mit Teilurteil dahin ab, dass es (auch) das Begehren auf Ersatz der Lagerkosten zur Gänze abwies und die Kostenentscheidung dem Endurteil vorbehielt. Im Umfang der Entscheidung über einen weiteren Teil des Klagebegehrens hob es das Ersturteil auf und trug dem Erstgericht insoweit die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Gemäß § 921 Satz 1 ABGB habe der Schuldner den Nichterfüllungs- bzw Differenzschaden und damit alle Nachteile zu ersetzen, die dem Gläubiger durch die verschuldete Nichterfüllung entstanden seien. Der Schaden des Klägers durch die Einlagerung des zerlegten Hauses bestehe nicht in zusätzlichen Lagerkosten, sondern in der Einschränkung seiner Möglichkeit, die gemietete Lagerhalle für die Einlagerung eigener Sachen zu verwenden. Der vorübergehende Verlust oder die Einschränkung der Gebrauchsmöglichkeit sei allerdings nicht ersatzfähig. Dadurch, dass er das Lager nicht für die Lagerung der dort sonst eingelagerten Gegenstände verwenden habe können, seien dem Kläger mit den weiter anfallenden Lagermieten sogenannte „frustrierte Aufwendungen“ entstanden, weil diese durch die Verweigerung der Erfüllung des Rechtsgeschäfts durch die Beklagte zwar nicht selbst verursacht worden, dadurch für ihn aber nutzlos geworden seien. Der Ersatz solcher frustrierter Aufwendungen werde in der Rechtsprechung jedoch auf bestimmte, eng umgrenzte Fälle eingeschränkt, um nicht die Wertungen des Gesetzes zu umgehen, wonach ideelle Schäden nur in geringerem Maß zu ersetzen seien als Vermögensschäden. Wollte man dem Kläger einen Anspruch auf Ersatz der Lagerkosten zubilligen, drohte eine unabsehbare Haftungsausuferung, stünde es doch sonst jedem Verkäufer im Fall des Verzugs des Käufers mit der Abholung eines zwischenzeitig in gemieteten Räumlichkeiten aufbewahrten Kaufgegenstands offen, zumindest einen Teil der Mietentgelte als Schaden auf den Käufer zu überwälzen.
[9] Das Berufungsgericht ließ die Revision zu, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Ersatzfähigkeit frustrierter Aufwendungen für die Einlagerung von Kaufgegenständen im Rahmen des § 921 ABGB fehle.
Rechtliche Beurteilung
[10] Die Revision des Klägers ist zur Klarstellung zulässig, aber nicht berechtigt.
[11] 1. Dem Kläger ist dahin zuzustimmen, dass hier kein Fall sogenannter frustrierter Aufwendungen vorliegt.
[12] 1.1. „Frustriert“ sind nach der Rechtsprechung nämlich Aufwendungen, die durch das Schadensereignis zwar nicht selbst verursacht wurden, durch dieses aber nutzlos geworden sind (vgl RS0125779). Dies wurde etwa für die Stornogebühr für einen bereits gebuchten Urlaub bejaht, den eine Verletzte wegen der Folgen eines vom dortigen Beklagten schuldhaft verursachten Unfalls nicht antreten konnte (2 Ob 113/09w), für die Kosten eines aufgrund einer verschuldeten Reiseverzögerung entgangenen Urlaubstags (8 Ob 101/10a) und für infolge verschuldeter Unbenutzbarkeit eines Leasingfahrzeugs frustrierte Leasingkosten (4 Ob 209/17i). Allen diesen Fällen ist gemeinsam, dass der Geschädigte aufgrund eines ihm zugefügten Schadens Kosten aufwenden musste (Stornogebühr) bzw keinen Nutzen aus von ihm zu tragenden Kosten ziehen konnte (entgangener Urlaubstag, frustrierte Leasingkosten).
[13] 1.2. Im Gegensatz dazu waren die Lagerkosten schon deshalb nicht „frustriert“, weil der Kläger das von ihm gemietete Lager während der gesamten von seinem Begehren umfassten Zeit nicht nur nutzen konnte, sondern auch tatsächlich nutzte. Dass er durch die konkrete Nutzung – die Einlagerung des zerlegten Kleingartenhauses – daran gehindert war, andere Gegenstände im Lager aufzubewahren, macht die von ihm geleisteten Mietzinse noch nicht zu frustrierten Aufwendungen.
[14] 2. Für den Kläger ist allerdings im Ergebnis dennoch nichts zu gewinnen.
[15] 2.1. Gemäß § 921 ABGB lässt der Rücktritt vom Vertrag den Anspruch auf Ersatz des durch verschuldete Nichterfüllung verursachten Schadens unberührt. Diese Bestimmung gewährt dem Gläubiger nach dem Rücktritt einen auf das Erfüllungsinteresse gerichteten Schadenersatzanspruch. Der Schuldner muss – Verschulden vorausgesetzt – das positive Vertragsinteresse leisten (vgl RS0018463 [T1]). Der Gläubiger muss daher vermögensmäßig so gestellt werden, wie wenn der Schädiger ordnungsgemäß und vollständig geleistet hätte (vgl RS0018239 [T4]). Der wegen Nichterfüllung gebührende Schadenersatz umfasst neben dem Differenzanspruch auch Auslagen, die dem Zurücktretenden im Zusammenhang mit dem Rechtsgeschäft erwachsen sind (vgl RS0018279). Ein solcher Schadenersatzanspruch setzt allerdings selbstverständlich voraus, dass überhaupt ein Schaden eingetreten ist (vgl 4 Ob 47/02t = RS0018559 [T1]).
[16] 2.2. Hätte der Kläger für die aufgrund des Vertragsrücktritts erforderliche Einlagerung des zerlegten Kleingartenhauses bis zu dessen Verkauf an einen anderen Interessenten eigens eine (zusätzliche) Lagerhalle angemietet, wäre ihm der dadurch entstehende finanzielle Aufwand zweifellos als positiver Schaden zu ersetzen. Umgekehrt liegt es auf der Hand, dass er, hätte er die Teile beispielsweise im Keller seines Hauses, also ohne Auflaufen von (zusätzlichen) Lagerkosten, untergebracht, schon mangels eines ihm entstandenen Vermögensschadens keinen Anspruch auf Ersatz von (dann eben bloß fiktiven) Lagerkosten hätte.
[17] 2.3. Im konkreten Fall hat der Kläger das zerlegte Kaufobjekt zwar größtenteils in einem – allerdings schon Jahre zuvor für andere Zwecke – angemieteten Lager untergebracht. Zusätzliche (Lager-)Kosten sind ihm dadurch aber gerade nicht entstanden, weil er die dort ansonsten gelagerten Gegenstände stattdessen in seinem Keller aufbewahrte. Die Beantwortung der Frage, ob dem Kläger ein positiver Schaden in Gestalt von Lagerkosten entstanden ist, kann jedoch nicht davon abhängen, ob er entweder den Kaufgegenstand oder aber andere in seinem Eigentum stehende Gegenstände im gemieteten Lager bzw kostenfrei an anderen Orten aufbewahrt. Entscheidend ist vielmehr, ob ihm durch das Erfordernis der Einlagerung des Kleingartenhauses zusätzliche Lagerkosten entstanden sind. Dies ist hier aber zu verneinen.
[18] 2.4. Dem Einwand des Klägers, es lasse sich in solchen Fällen nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand erforschen, ob das Lager in der Zeit der Einlagerung des Kaufgegenstands ohne den Vertragsrücktritt die ganze Zeit weiter genutzt worden wäre, ist zu erwidern, dass er gar nicht behauptet hat, er hätte das Mietverhältnis bezüglich des Lagers ohne den Vertragsrücktritt damals beendet, sodass die aufgelaufenen Mietzinse nur wegen der notwendigen Einlagerung des Kleingartenhauses aufgelaufen seien. Die eingeklagten Lagerkosten sind auch gerade nicht nur wegen der notwendigen Einlagerung aufgelaufen, sondern wären dem Kläger auch ohne diesen Vorgang entstanden.
[19] 2.5. Das Berufungsgericht hat das auf Ersatz der Lagerkosten gerichtete Klagebegehren daher im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
[20] 3. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
Textnummer
E134016European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2021:0030OB00212.21D.1222.000Im RIS seit
08.03.2022Zuletzt aktualisiert am
08.03.2022