TE Vwgh Erkenntnis 1996/8/29 94/09/0106

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Veröffentlicht am 29.08.1996
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
67 Versorgungsrecht;

Norm

AVG §52;
HVG §21 Abs1;
HVG §22;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Höß und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des P in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Schiedskommission beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales vom 24. Februar 1994, Zl. SchK.-OB.113-480314-006, betreffend Einstellung der Beschädigtenrente nach dem Heeresversorgungsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nach der Lage der Akten erlitt der im Jahr 1967 geborene Beschwerdeführer im Zuge der Ableistung seines ordentlichen Präsenzdienstes am 23. November 1987 beim Sprung von einem Panzer eine Meniskus- und Kreuzbandverletzung am rechten Kniegelenk. Der Beschwerdeführer bezog zuletzt (Berufungsentscheidung der belangten Behörde vom 28. Mai 1990, Zl. 113-480314-006) eine Beschädigtenrente nach § 21 HVG, wobei der Bemessung dieser Beschädigtenrente eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30 v.H. zugrundelag. Die medizinische Einschätzung der MdE nach § 21 Abs. 2 HVG (dafür maßgebend ein "Zustand nach Meniskusoperation am rechten Knie mit beginnender sekundärer Arthrose rechts" - Position laut Richtsatzverordnung III/j/418) von 20 v.H. wurde durch die berufskundliche Einschätzung nach § 22 HVG, für die der damals vom Beschwerdeführer ausgeübte Beruf eines Maschinenschlossers maßgebend war, auf 30 v.H. erhöht.

Nachdem der Beschwerdeführer Ende Juni 1992 die Fachmatura im Bereich Maschinenbau - Betriebstechnik erfolgreich abgelegt und in der Folge auch als Betriebstechniker (zunächst bei der Firma N., sodann bei der Firma C.) Beschäftigung gefunden hatte, nahm das zuständige Landesinvalidenamt eine Überprüfung der berufskundlichen Beurteilung nach § 22 HVG vor.

Mit Schreiben vom 12. Jänner 1993 forderte das Landesinvalidenamt die Firma C. auf, bekanntzugeben, welche Stellung der Beschwerdeführer im Betrieb einnehme, worin die diesem übertragenen Arbeiten bestünden und u.a. auch, wieviel Prozent der anfallenden Arbeitsverrichtungen "Stehen und Gehen" erforderten bzw. wieviel Prozent "Sitzen" als Arbeitshaltung zuließen. Über diese Anfrage gibt es in den Verwaltungsakten eine handschriftliche Gesprächsnotiz am 20. Jänner 1993 mit einer Vertreterin des Personalbüros der Firma C, der zu entnehmen ist, daß der Beschwerdeführer seit 19. Oktober 1992 als Betriebstechniker beschäftigt sei und die Stellung als technischer Assistent der Betriebs- und Produktionsleitung innehabe. Die Arbeiten bestünden in der Überprüfung der "Prüfmittel", technischen Betreuung der Mischhalle, Abfüllhalter, Lagerhalle, Werkstätten und Tanklager, Ablesen von Tankständen; es sei erforderlich auf 50 ca. 11 m hohe Tanks über Wendeltreppen zu gehen. Die Arbeit sei zu 85 % im "Stehen und Gehen", zu 15 % im "Sitzen" zu verrichten.

Das über die berufskundliche Beurteilung erstattete Amtsgutachten vom 8. Februar 1993 geht davon aus, daß ein Betriebstechniker in der Industrie in allen Abteilungen arbeite, die sich mit der Planung, Steuerung, Vorbereitung und Leitung der Produktion befaßten. Er sei in der Arbeitsvorbereitung, Arbeitsplatzbewertung, aber auch in der Betriebsleitung tätig. Er erarbeite Vorschläge für Rationalisierungen und Produktivitätssteigerungen. Im Handel ebenso wie in der Industrie sei der Betriebstechniker im Verkauf technischer Produkte und im technischen Einkauf tätig. Die vom Beschwerdeführer nunmehr ausgeübte Erwerbstätigkeit eines Betriebstechnikers (in einem Industriebetrieb) sei der beruflichen Vorbildung entsprechend und werde daher der berufskundlichen Beurteilung zugrundegelegt. Nach dem berufskundliche Erfahrungswissen, unter Berücksichtigung der Berufsbeschreibung des Arbeitsgebers des Beschwerdeführers und in entsprechender Auslegung des Berufslexikons der Arbeitsmarktverwaltung - unter Benützung des Anweisungsblattes - der österreichischen Berufskartei ergebe sich folgendes objektives - abstraktes - Berufsbild:

"Der Beruf eines BETRIEBSTECHNIKERS (in einem Industriebetrieb) erfordert geringe muskuläre Dauerleistung, Heben, Tragen und Schieben leichter Lasten, Stehen und Gehen, aber auch Sitzen (bei administrativen Arbeiten), Stiegensteigen, geringe, mittlere aber auch gute Arm- Hand- und Fingerbeweglichkeit und ebensolche Griffsicherheit bds. in Verbindung mit ruhiger und sicherer Handführung, mittlere bis volle Sehschärfe (mit Brille), beidseitiges Sehen, volles Gesichtsfeld, viel Naharbeit, gute Farbtüchtigkeit, durchschnittliche Gehörleistung, durchschnittliche sprachliche Verständigung, Arbeiten in geschlossenen, temperierten Räumen (Büro), aber auch Arbeiten im Freien bei jahreszeitlich wechselnden Witterungseinflüssen (Außendienst), seelisch-charakterliche Norm für den Umgang mit Menschen, Verantwortung und selbständiges Handeln, Verläßlichkeit, kein Auftreten von Fahrigkeit, normale Geduld und Ausdauer, gutes bis sehr gutes Konzentrationsvermögen, volle Arbeitszeit und eventuell auch Überstunden."

Zur "Berufseinschätzung" kommt das Gutachten zu der Beurteilung, daß bei Erfüllung der Berufsaufgaben keine körperliche Schwerarbeit anfalle, und daß durch das berufsbedingte Sitzen (bei administrativen Arbeiten), Stehen und Gehen und Gehen im Wechsel der Arbeitshaltungen keine "beruflichen Sonderverhältnisse" begründet würden. Die Annahme einer MdE gemäß § 22 HVG sei daher nicht möglich. Bei der nach der Berufsgeschichte billigerweise sozial zumutbaren Erwerbstätigkeit eines Betriebstechnikers (in einem Industrieunternehmen) komme es durch die Dienstbeschädigung nicht zur Beeinträchtigung der Erbringung einer überdurchschnittlichen Berufsanforderung.

Diese berufskundliche Beurteilung wurde dem erstinstanzlichen Bescheid vom 9. Februar 1993 zugrundegelegt, in dem, ausgehend nur mehr von der medizinischen Einstufung der MdE in Höhe von 20 v.H. (in dieser Einschätzung sei keine Änderung eingetreten), die Voraussetzungen für die weitere Gewährung der Beschädigtenrente als nicht mehr gegeben erachtet wurden.

In der Berufung vom 26. Februar 1993 wird zur medizinischen Einschätzung geltend gemacht, daß im Zustand der anerkannten Dienstbeschädigung eine Änderung eingetreten sei, und zwar habe sich in letzter Zeit eine Verschlechterung der Beweglichkeit des Kniegelenkes ergeben, da nunmehr eine Beuge- und Streckhemmung bestehe. Bei längerer Belastung käme es zu derartigen Schmerzen (Druck im Knie), daß der Fuß überhaupt nicht mehr belastet werden könne. Der Beschwerdeführer befinde sich deshalb in regelmäßiger orthopädischer Behandlung und es sei ihm ein Stützstrumpf verordnet worden, den er bei stärkerer Belastung tragen müsse, um die seitliche Stabilität des Kniegelenkes zu gewährleisten. Die Instabilität bestehe infolge der eingesetzten Kreuzbandplastik und es könne daher von einer folgenlos abgeheilten Kreuzbandläsion nicht mehr gesprochen werden. Den berufskundlichen Feststellungen sei entgegenzuhalten, daß aus der von der Firma C. eingeholten Dienstpostenbeschreibung eindeutig hervorgehe, daß die Arbeitsverrichtungen des Beschwerdeführers hauptsächlich (85 %) im Gehen und Stehen bei großteils manuellen Tätigkeiten durchzuführen seien und daher die Annahme von beruflichen Sonderverhältnissen sehr wohl begründet sei. Durch die Bewegungseinschränkung des Kniegelenkes würden die vorwiegend auszuübenden Tätigkeiten (Gehen und Stehen sowie Besteigen bis zu 11 m hohen Tanks über Wendeltreppen) empfindlich erschwert. Er beantrage daher die Beschädigtenrente entsprechend dem "tatsächlichen Leidenszustand" und unter Berücksichtigung des tatsächlich vorliegenden Berufsbildes zu gewähren.

Zu den Berufungsausführungen betreffend die medizinische Einschätzung wurde von der belangten Behörde ein Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. Z eingeholt. Dem Gutachten vom 1. September 1993 sind u.a. folgende Ausführungen zu entnehmen:

"Jetzige Beschwerden:

Knieschmerzen rechts, Bewegungseinschränkung und Unsicherheit wegen Instabilität und Schwellungen im Kniegelenk.

Status localis:

Operationsnarbe reizlos, Flexion und Streckung minimal in Endlage eingeschränkt, Seitenbänder lat. und med.fest in Streckstellung, kein Schubladenphänomen, geringe Krepitation tastbar,kein Erguß, bei Innenrotation und Außenrotation werden Schmerzen an den Seitenbändern angegeben, kein DP am Gelenkspalt.

Gang: Unauffällig und flüssig.

Diagnose:

1. Zustand nach Meniscusoperation rechtes Kniegelenk mit beg. Sek.-Arthrose.

g.Z.III/j/418.....20 %....1/1.....20%

Eine Stufe über unterem Rahmensatz, entsprechend der

funktionellen Einschränkung.

2. Operationsnarbe rechtes Kniegelenk.

IX/c/702,Tab.1.Z.li....o % ...1/1.....0 %"

Abschließend kommt der Sachverständige zur Beurteilung, daß derzeit "eine Bandfestigkeit der Seiten- und Kreuzbänder" bestehe. Gegenüber dem Vorgutachten (das ist nach der Aktenlage das Gutachten von Dr. K vom 27. November 1989, das in dem zum Berufungsbescheid vom 28. Mai 1990 führenden Verfahren eingeholt worden war) sei in der "Endeinschätzung des causalen Leidens" keine Änderung eingetreten. Eine maßgebliche Verschlechterung der Beweglichkeit sei nicht erfolgt.

Zusammen mit der berufskundlichen Beurteilung gemäß § 22 HVG, die gleichlautend dem oben wiedergegebenen Amtsgutachten vom 8. Februar 1993 war, wurde das Sachverständigengutachten Dris. Z dem Beschwerdeführer zur Stellungnahme übermittelt.

In der Stellungnahme vom 9. Dezember 1993 hielt der Beschwerdeführer dem Gutachten von Dr. Z entgegen, daß die Feststellung, eine MdE von 20 v.H. liege weiterhin vor, nicht gerechtfertigt erscheine. So werde einerseits im Gutachten ausgeführt, daß in bezug auf Flexion und Streckung des Kniegelenkes in Endlage eine Einschränkung gegeben sei, und andererseits die Feststellung getroffen, daß betreffend die Beweglichkeit eine Verschlechterung eingetreten sei. Wie im Berufungsschriftsatz ausgeführt, könne man von einer maßgeblichen Verschlechterung sprechen, da beim Beschwerdeführer bei längerer Belastung des rechten Beines große Schmerzzustände aufträten und er nicht in der Lage sei, das Bein zu belasten. Untermauert werde dies dadurch, daß er auf das Tragen eines speziellen Stützstrumpfes ("Genussycro") angewiesen sei, um die seitliche Stabilität des Kniegelenkes zu erlangen. Bei Ausübung seiner Tätigkeit als Betriebstechniker in der Firma C. sei er ab Wochenmitte gezwungen, diesen Strumpf zu benützen, weil er ansonsten nicht imstande wäre, seine Tätigkeit zur vollsten Zufriedenheit auszuüben. Diese Instabilität liege infolge der eingesetzten Kreuzbandplastik vor. Zu den Berufungseinwendungen werde im Gutachten Dris. Z nicht Stellung genommen. Außerdem sei im Frühjahr des kommenden Jahres eine Operation am rechten Kniegelenk geplant (Entfernung der eingesetzten Schraube). Zur berufskundlichen Beurteilung werde eingewendet, daß sehr wohl berufliche Sonderverhältnisse bestünden. Im Gutachten werde ausgeführt, daß auch die Berufsbeschreibung des Arbeitgebers bei der Beurteilung berücksichtigt worden sei; ob und inwieweit die eingeholte Dienstpostenbeschreibung der Firma C. bei der Beurteilung sowie Erstellung des abstrakten objektiven Berufsbildes Berücksichtigung gefunden habe, erscheine jedoch fraglich. Wie aus der Dienstpostenbeschreibung eindeutig hervorgehe, habe der Beschwerdeführer hauptsächlich Arbeiten im Gehen und Stehen (85 %) bei großteils manuellen Tätigkeiten durchzuführen. Seine Tätigkeit sei mit häufigem Stiegensteigen auf Wendeltreppen bei Tankablesungen (wobei die ca. 50 Tanks bis zu 11 m hoch seien) verbunden. Durch die Bewegungseinschränkung des Kniegelenkes würden die vorwiegend auszuübenden Tätigkeiten empfindlich erschwert. Der Beschwerdeführer beantrage daher den Sachverhalt einer neuerlichen Überprüfung zu unterziehen und durch Einholung der entsprechenden Gutachten zu ergänzen.

Ohne weitere Verfahrensschritte erging der nunmehr angefochtene Bescheid vom 24. Februar 1994, mit dem der Berufung keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid mit der Maßgabe bestätigt wurde, daß die Beschädigtenrente mit Ablauf des Monates, der auf die Zustellung des angefochtenen Bescheides folge, eingestellt werde. Zur medizinischen Beurteilung wird in der Begründung des angefochtenen Bescheides im wesentlichen das Sachverständigengutachten Dris. Z dargestellt und dazu festgestellt, das Gutachten des Sachverständigen sei als schlüssig erkannt und daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrundegelegt worden. Zur berufskundlichen Einschätzung wird das Amtssachverständigengutachten vom 8. Februar 1993 wiedergegeben. Abschließend wird angeführt, die vorgebrachten Einwendungen des Beschwerdeführers seien nicht geeignet, das auf ärztliches Fachwissen gegründete Sachverständigengutachten zu entkräften. Insbesondere sei zu entgegnen, daß die in "beiden Instanzen eingeholten medizinischen Sachverständigenbeweise" im Ergebnis übereinstimmten, sodaß keine Veranlassung bestehe, ein weiteres Gutachten einzuholen. Zu den Einwendungen gegen die Beurteilung gemäß § 22 HVG sei festzustellen, daß bei der berufskundlichen Beurteilung vom objektiven-abstrakten Berufsbild auszugehen sei, und nicht von den tatsächlichen Gegebenheiten am jeweiligen Arbeitsplatz.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Nach dem Beschwerdevorbringen erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht auf Weitergewährung der Beschädigtenrente verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 21 Abs. 1 HVG hat der Beschädigte Anspruch auf Beschädigtenrente, wenn seine Erwerbstätigkeit infolge der Dienstbeschädigung über drei Monate nach dem Eintritt der Gesundheitsschädigung (§ 2) hinaus um mindestens 25 v.H. vermindert ist; die Beschädigtenrente gebührt für die Dauer der MdE um mindestens 25 v.H. Unter MdE i.S.d. Bundesgesetzes ist die durch die Dienstbeschädigung bewirkte körperliche Beeinträchtigung im Hinblick auf das allgemeine Erwerbsleben zu verstehen. Nach dem Abs. 2 dieser Gesetzesstelle ist die MdE nach Richtsätzen einzuschätzen, die den wissenschaftlichen Erfahrungen entsprechen (siehe dazu die "Richtsatzverordnung" vom 9. Juni 1965, BGBl. Nr. 150).

Bei Feststellung des Grades der MdE ist gemäß § 22 HVG auch zu prüfen, ob sie bei Berücksichtigung der Tauglichkeit des Beschädigten zu einer Erwerbstätigkeit, die ihm nach seinem Beruf oder seiner Vorbildung billigerweise zugemutet werden kann, höher als nach § 21 einzuschätzen ist. In diesen Fällen ist die MdE unter Bedachtnahme auf die Erfahrungen auf dem Gebiete der Berufskunde einzuschätzen; die Verdienstverhältnisse haben dabei außer Betracht zu bleiben.

Im angefochtenen Bescheid erfolgte die Einschätzung der MdE nach § 21 HVG unter Anwendung der Richtsatzposition III/j/418, die mit "Schmerzhaftigkeit und mäßige Einschränkung der Bewegungsfähigkeit in mindestens einem großen oder mehreren Gelenken, mit oder ohne röngtenologisch nachweisbaren Veränderungen" umschrieben ist (Rahmensatz 20 bis 50 %; die vorhergehende Richtsatzposition III/j/417 sieht für "Schmerzhaftigkeit in einem oder mehreren Gelenken ohne Bewegungseinschränkung" einen Rahmensatz von 0 bis 10 % vor). Die belangte Behörde ist bei dieser Einschätzung dem Sachverständigengutachten des Dr. Z vom 1. September 1993 gefolgt. Wenn die Behörde in ihrer Entscheidung in freier Beweiswürdigung ein Sachverständigengutachten zugrundelegt, so ist dies im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden nachprüfenden Kontrolle daraufhin zu überprüfen, ob ein wesentlicher Verfahrensmangel vorliegt bzw. ob die Erwägungen den Denkgesetzen, somit dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen können (vgl. beispielsweise das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. März 1992, 91/09/0187).

In der Beschwerde wird vorgebracht, der angefochtene Bescheid sei mit einem wesentlichen Verfahrensmangel behaftet, weil in dem vom Sachverständigen Dr. Z eingeholten Gutachten weder auf die Einwendungen in der Berufung noch auf die Einwendungen in der Stellungnahme im Ermittlungsverfahren in irgendeiner Weise eingegangen worden sei.

Zu diesem Vorbringen ist zu sagen, daß im Gutachten vom 1. September 1993 unter "jetzige Beschwerden" durchaus jene Gesundheitsbeeinträchtigungen angesprochen sind (so etwa "Knieschmerzen rechts, Bewegungseinschränkung und Unsicherheit wegen Instablität"), die der Beschwerdeführer in der Berufung vorgebracht hat. Dem sodann im Gutachten abgeleiteten Befund und der gutachterlichen Einstufung der Dienstbeschädigung ist der Beschwerdeführer mit den neuerlichen Hinweisen auf seinen Leidenszustand nicht mehr medizinisch fundiert entgegengetreten. Wenn der Beschwerdeführer anführt, er benötige zur Erfüllung seiner beruflichen Aufgaben als Betriebstechniker das Tragen eines Stützstrumpfes, mag dies allenfalls auf berufliche Sonderverhältnisse hindeuten, kann aber eine "im Hinblick auf das allgemeine Erwerbsleben" erfolgte Einschätzung nach § 21 HVG nicht entkräften. Es ist auch nicht erkennbar, warum eine erst in Zukunft geplante Operation am rechten Kniegelenk (laut Stellungnahme vom 9. Dezember 1993 sollte diese im Frühjahr des nächsten Jahres erfolgen) auf die Einschätzung der MdE im angefochtenen Bescheid von Einfluß hätte sein können, zumal selbst in der Beschwerde nicht behauptet wird, daß diese Operation vor Erlassung des angefochtenen Bescheides vom 24. Februar 1994 (mit der Zustellung am 10. März 1994) erfolgt wäre (vgl. dazu beispielsweise das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. März 1993, 92/09/0324). Die Beurteilung des Gangbildes als "unauffällig und flüssig" im Gutachten vom 1. September 1993 wird allein nicht dadurch unschlüssig (bzw. laut Beschwerde "widersprüchlich"), weil der Beschwerdeführer nicht - gesondert - aufgefordert worden sei, vor dem Sachverständigen "zu gehen".

Die Beschwerde führt weiters aus, im übrigen seien die Aussagen des Gutachters selbst widersprüchlich, weil er einerseits im erstellten "Gutachten vom 25.4.1990" angebe, daß das rechte Kniegelenk völlig frei beweglich sei, im Gutachten vom 1. September 1993 jedoch zur Anschauung gelange, daß Flexion und Streckung in Endlage eingeschränkt seien, sodaß der Sachverständige offenbar doch von einer maßgeblichen Veränderung bzw. Verschlechterung ausgehe.

Im Einklang mit der Aktenlage verweist die belangte Behörde in der Gegenschrift dazu darauf, daß ein Gutachten Dris. Z vom 25. April 1990 nicht vorliegt. Soweit das im vorhergehenden Berufungsverfahren erstattete Gutachten von Dr. K vom 27. November 1989 gemeint sein sollte, in dem u.a. von einer freien Beweglichkeit in rechten Kniegelenk gesprochen wird, macht dies die nunmehrige Einstufung des Dr. Z vom 1. September 1993 noch nicht unschlüssig, zumal hier auch nur von einer "minimalen" Einschränkung der Beweglichkeit die Rede ist und die Richtsatzposition 418 ohnedies auf eine mäßige Einschränkung der Bewegungsfähigkeit Bedacht nimmt.

Im Recht ist der Beschwerdeführer allerdings mit seiner Verfahrensrüge zur Beurteilung seiner MdE unter dem Gesichtspunkt der berufskundlichen Einschätzung nach § 22 HVG.

Der belangten Behörde kann kein Vorwurf daraus gemacht werden, daß sie zur berufskundlichen Beurteilung das Gutachten eines Amtssachverständigen (und nicht, wie in der Beschwerde offenbar gerügt wird, eines - externen - Sachverständigen) heranzog (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Juni 1975, 1458/74). Der Beschwerdeführer hat auch nicht bestritten, daß für die berufskundliche Einschätzung das Berufsbild eines Betriebstechnikers als Maßstab für die Beurteilung seiner konkreten Tätigkeit heranzuziehen ist. Im Recht ist die belangte Behörde grundsätzlich mit ihrer Aussage, bei der berufskundlichen Beurteilung sei vom "objektiven-abstrakten" Bereufsbild auszugehen und nicht von den tatsächlichen Gegebenheiten am jeweiligen Arbeitsplatz. Zu beachten ist hiezu allerdings, daß im Beschwerdefall auch Feststellungen zu treffen gewesen wären, inwieweit das "Stehen und Gehen" bei der Tätigkeit eines Betriebstechnikers (in einem Industriebetrieb) im Rahmen des abstrakten Berufsbildes quantitativ zu gewichten ist (vgl. dazu etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. März 1974, 1098/72). Da es bei Vermeidung dieses Verfahrensmangels auch nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde in bezug auf die Gesamt-MdE zu einer anderen Einschätzung und dementsprechend auch in der Frage der Einstellung der Beschädigtenrente zu einer anderen Entscheidung hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der gemäß ihrem Art. III Abs. 2 anzuwendenden Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Gutachten Parteiengehör Parteieneinwendungen Gutachten rechtliche Beurteilung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1994090106.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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