Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AuslBG §4 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Höß und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde der G in S, vertreten durch MMag. Dr. P, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Salzburg vom 29. Dezember 1994, Zl. III 6702 B/1375876, betreffend Nichterteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Arbeitsmarktservice hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin beantragte am 5. November 1994 die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für die bosnische Staatsangehörige S für die berufliche Tätigkeit "Haushälterin und Pflegearbeiten". Mit schriftlicher Eingabe vom 9. November 1994 (eingelangt bei der regionalen Geschäftsstelle Salzburg am 11. November 1994) ergänzte sie ihren Antrag dahingehend, sie sei aufgrund der Folgen eines Autounfalls (demzufolge sie am 9. August 1993 schwere Wirbelverletzungen erlitten habe) an den Rollstuhl "gebunden" und nicht mehr in der Lage, den Haushalt alleine zu führen. Mit der beantragten Ausländerin bestünden keine sprachlichen Verständigungsschwierigkeiten; sie kenne die beantragte Ausländerin persönlich. Da Pflegearbeiten (wie Duschen, Baden, Anziehen, Eincremen) auch im Intimbereich zu verrichten seien, benötige sie eine Vertrauensperson.
Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle Salzburg vom 16. November 1994 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin gemäß § 4 Abs. 1 und Abs. 6 AuslBG abgelehnt.
Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung. Sie brachte darin vor, daß die Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. d (AuslBG) vorlägen. Die Anstellung der beantragten Ausländerin erfolge überwiegend im Bereich der (regelmäßigen) Gesundheitspflege. Die Tätigkeit als Haushälterin - die möglicherweise auch eine andere Person verrichten könne - trete demgegenüber in den Hintergrund. Trotz entsprechender Bemühungen habe sie keine andere Person finden können. Sollte ein Vermittlungsverfahren eingeleitet werden, wäre sie damit einverstanden; sie würde auch eine beim Arbeitsamt vorgemerkte Person, die für die Tätigkeit "qualifiziert und vertrauenswürdig ist", anstellen. Die Pflege im Intimbereich erfordere jedoch eine besondere Vertrauensbasis.
Die Berufung der Beschwerdeführerin wurde der belangten Behörde mit einem Schreiben der Landesgeschäftsstelle Salzburg der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt vom 20. Dezember 1994 mit folgendem Inhalt vorgelegt:
"Es wird hiermit bestätigt, daß Sie aufgrund Ihrer Behinderung bei der Verrichtung verschiedener Hausarbeiten auf die Hilfe einer Pflegeperson angewiesen sind.
Diese Arbeiten werden - laut unseren Aktenunterlagen - derzeit von Frau S durchgeführt, welche auch zur Teilversicherung in der Unfallversicherung angemeldet werden soll."
Am 6. Dezember 1994 richtete die belangte Behörde eine schriftliche "Verständigung vom Ergebnis des Ermittlungsverfahrens" mit folgendem Inhalt an die Beschwerdeführerin:
"Die bosnische Staatsbürgerin S ging bisher im Inland noch keiner bewilligten Beschäftigung nach. Eine besondere Ausbildung zur Pflegerin liegt nicht vor.
Für die vorgesehene Tätigkeit als Haushälterin stehen Ersatzkräfte aus dem Stand der Arbeitslosen zur Verfügung. Es wurde jedoch bisher kein entsprechender Vermittlungsauftrag für die Zuweisung von Ersatzkräften errichtet. Weiters wurde im Antragsformular ein Bruttomonatsgehalt von S 8.000,-- angeboten. Der Landesgeschäftsstelle ist jedoch nicht bekannt, ob die beantragte Ausländerin daneben noch Kost und Quartier erhält. Um diesbezügliche Mitteilung wird gebeten. Ein Vermittlungsauftrag für die Zuweisung von Ersatzkräften kann unter der Telefonnummer 8883/180 bei Frau P erteilt werden.
Sie haben ab Erhalt dieser Verständigung eine Frist von sieben Tagen, um schriftlich eine Stellungnahme dazu abzugeben und die erwünschten Sachverhaltsergänzungen anzubringen. Ansonsten wird der geschilderte Sachverhalt der Entscheidung zugrundegelegt."
Ob bzw. wann diese Verständigung der Beschwerdeführerin ordnungsgemäß (rechtswirksam) zugestellt wurde, ist nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten nicht erkennbar; nach der Aktenlage liegt kein Zustellnachweis vor, sondern die Sendung wurde lediglich mit dem Vermerk "nicht behoben" an die belangte Behörde zurückgesendet.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 29. Dezember 1994 wurde die Berufung der Beschwerdeführerin "gemäß § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsgesetz (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 und 6 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG), BGBl. Nr. 218/1975 in der geltenden Fassung abgewiesen". Zur Begründung wurde (nach Darlegung der maßgeblichen Rechtslage und des Verfahrensganges) im wesentlichen ausgeführt, die mit Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales für das Bundesland Salzburg festgesetzte Landeshöchstzahl (17.000) sei deutlich überschritten. Die beantragte Ausländerin sei bisher im Inland keiner bewilligten Beschäftigung nachgegangen. Der Nachweis einer besonderen Ausbildung zur Pflegerin sei nicht vorgelegt worden. Die Beschwerdeführerin habe auch das behauptete Vertrauensverhältnis nicht glaubhaft machen können.
Die mit Verständigung vom 7. Dezember 1994 (richtig: 6. Dezember 1994) geforderten Aufklärungen bzw. einen entsprechenden Vermittlungsauftrag habe die Beschwerdeführerin nicht erteilt. Für die vorgesehene Tätigkeit als "Haushälterin" würden Ersatzkräfte aus dem "Stand der Arbeitslosen" zur Verfügung stehen. Eine Zuweisung von Ersatzkräften sei aber wegen des fehlenden Vermittlungsauftrages nicht möglich gewesen. Da schon die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 AuslBG nicht erfüllt seien, habe auf die besonders wichtigen Gründe gemäß § 4 Abs. 6 Z. 2 AuslBG nicht mehr eingegangen werden müssen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für die beantragte Ausländerin verletzt. In Ausführung dieses Beschwerdepunktes bringt sie vor, die Annahme der belangten Behörde, sie habe das behauptete Vertrauensverhältnis nicht glaubhaft gemacht, sei unrichtig. Ebenso unrichtig sei die Darstellung, daß sie keinen Vermittlungsauftrag erteilt habe. Sie habe der Vermittlung von Ersatzkräften in ihrer Berufung ausdrücklich zugestimmt. Ein Vermittlungsversuch sei aber nicht unternommen worden. Der bloße Hinweis auf vorgemerkte Ersatzkräfte sei nicht ausreichend, da keine konkreten Ersatzkräfte angeboten worden seien. Die Behörde hätte zunächst klären müssen, ob taugliche Ersatzkräfte vorhanden seien. Sie sei auf die Beschäftigung einer "Pflegerin und Haushälterin" angewiesen.
Mit diesem Vorbringen ist die Beschwerdeführerin im Ergebnis im Recht.
Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid im Spruch auf § 4 Abs. 1 und § 4 Abs. 6 AuslBG gestützt. Im Beschwerdefall erübrigen sich Erwägungen zur Berechtigung der Ablehnung des Antrages der Beschwerdeführerin im erschwerten Verfahren nach § 4 Abs. 6 AuslBG, weil darauf - außer mit allgemeinen Ausführungen zur Gesetzeslage und zum Vorliegen der Anwendungsvoraussetzungen - in der Begründung des angefochtenen Bescheides (der auch ausdrücklich auf die Ablehnung des Antrages gemäß § 4 Abs. 1 AuslBG hinweist) nicht weiter eingegangen wird. Es kommt daher entscheidend nur darauf an, ob die belangte Behörde mit Recht davon ausgehen konnte, daß der Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung aus § 4 Abs. 1 AuslBG abzuleitende Gründe entgegenstehen (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1994, Zl. 93/09/0426, und vom 7. September 1995, Zl. 93/09/0472).
Nach § 4 Abs. 1 AuslBG ist die Beschäftigungsbewilligung, soweit im folgenden nicht anderes bestimmt ist, zu erteilen, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt und wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 4 Abs. 1 AuslBG muß aufgrund eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens, das von Amts wegen unter Beteiligung des Antragstellers durchzuführen ist, vorerst festgestellt werden, für welche Beschäftigung diese Bewilligung konkret beantragt wurde und ob die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes - unter Beachtung der Regelung des § 4b AuslBG - diese konkrete Beschäftigung (des für sie in Aussicht genommenen Ausländers) zuläßt. Es ist das Recht jedes Arbeitgebers, sofern er damit nicht gegen zwingendes Recht verstößt, die Anforderungen festzusetzen, die er an eine von ihm zu beschäftigende Person stellt. Finden diese Anforderungen in objektiven Notwendigkeiten eine Grundlage, dann gehören sie zu den gesetzlich zulässigen Bedingungen der Beschäftigung, die bei einer Prüfung nach § 4 Abs. 1 AuslBG zugrundezulegen sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Juni 1995, Zl. 93/09/0451).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darf bei der Auslegung des § 4 Abs. 1 AuslBG nicht außer acht gelassen werden, daß die vom Gesetzgeber angesprochenen wichtigen öffentlichen und gesamtwirtschaftlichen Interessen erst dann zum Tragen kommen, wenn feststeht, für welche Beschäftigung konkret die Bewilligung beantragt wurde und ob die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes diese konkrete Beschäftigung zuläßt. Das wird aber immer dann der Fall sein, wenn nicht feststeht, daß für die Beschäftigung wenigstens ein bestimmter Inländer oder im gegebenen Zusammenhang ein einem Inländer gleichgestellter oder begünstigt zu behandelnder Ausländer zur Verfügung steht, der bereit und fähig ist, diese Beschäftigung zu den gestellten (gesetzlich zulässigen) Bedingungen auszuüben. Diese Beweisführung erübrigt sich jedoch dann, wenn seitens des Arbeitgebers die Stellung jeder Ersatzkraft von vornherein abgelehnt wird (vgl. insoweit für viele das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 1993, Zl. 93/09/0022).
Gemäß § 58 Abs. 2 des nach Art. II Abs. 2 lit. D Z. 41 EGVG anwendbaren AVG sind Bescheide zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen wird. In der Begründung sind gemäß § 60 AVG die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.
Diesen dargelegten Anforderungen entspricht jedoch weder das von der belangten Behörde abgeführte Verfahren noch die Begründung des angefochtenen Bescheides.
Die belangte Behörde geht im Beschwerdefall davon aus, daß eine Zuweisung von Ersatzkräften für die Tätigkeit als Haushälterin deshalb nicht möglich gewesen sei, weil die Beschwerdeführerin keinen entsprechenden Vermittlungsauftrag erteilt habe. Dabei geht die Behörde jedoch daran vorbei, daß eine Arbeitskraft für eine auf den Bereich einer Haushälterin eingeschränkte Tätigkeit von der Beschwerdeführerin gar nicht beantragt wurde. Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin ist vielmehr deutlich zu entnehmen, daß die benötigte Arbeitskraft ÜBERWIEGEND im Bereich der (regelmäßigen) Gesundheitspflege und in nur geringerem Umfang im Bereich als Haushälterin zum Einsatz kommen soll. Die Aufforderung der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin möge einen Vermittlungsauftrag für die Zuweisung einer Haushälterin erteilen, entspricht daher weder dem Arbeitskräftebedarf der Beschwerdeführerin noch dem nach den Umständen des konkreten Einzelfalles gestellten Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung.
Dazu kommt, daß aus einer Nichterteilung dieses (nach den Umständen verfehlten) Vermittlungsauftrages auch deshalb gegenüber der Beschwerdeführerin ein Versagungsgrund (im Sinne des § 4 Abs. 1 AuslBG) nicht abgeleitet werden durfte, weil nach der Aktenlage eine ordnungsgemäße Zustellung der in Rede stehenden behördlichen Aufforderung (vom 6. Dezember 1994) an die Beschwerdeführerin den vorgelegten Verwaltungsakten nicht entnommen werden kann.
Demnach steht aber weder fest, daß die Beschwerdeführerin die Stellung jeder Ersatzkraft von vornherein unbegründet abgelehnt hat, noch wurde von der belangten Behörde begründet dargelegt, daß zur Deckung des von der Beschwerdeführerin konkret geltend gemachten Arbeitskräftebedarfes (nämlich eine überwiegend im Bereich der Gesundheitspflege und nur untergeordnet im Bereich der Führung des Haushaltes tätige Arbeitskraft) taugliche Ersatzkräfte vorhanden sind.
Insoweit in der (nicht ordnungsgemäß zugestellten) behördlichen Verständigung vom 6. Dezember 1994 der Beschwerdeführerin unter anderem auch vorgehalten wurde, daß hinsichtlich der von ihr beantragten Ausländerin "eine besondere Ausbildung zur Pflegerin nicht vorliegt", und davon ausgehend im angefochtenen Bescheid gleichlautende Sachverhaltsfeststellungen getroffen wurden, belastete die belangte Behörde zudem ihr Ermittlungsverfahren bzw. den angefochtenen Bescheid auch dahingehend mit einem wesentlichen Verfahrens(Begründungs-)mangel, als damit nicht schlüssig und nachvollziehbar dargetan bzw. der Beschwerdeführerin vorgehalten wurde, welchen konkreten Qualifikationsnachweis sie hinsichtlich der von ihr beantragten Ausländerin zu erbringen gehabt hätte bzw. inwieweit (und unter Anwendung welcher konkreten Rechtslage) für den zu besetzenden Arbeitsplatz ein gesetzlich zwingendes Erfordernis bestehe (vgl. hiezu sinngemäß etwa das hg. Erkenntnis vom 7. September 1995, Zl. 93/09/0472).
Da somit nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde bei Vermeidung der dargelegten Verfahrensmängel zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG i.V.m. § 41 AMSG und der Verordnung
BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, da neben dem pauschalierten Schriftsatzaufwand ein Anspruch auf Ersatz der Umsatzsteuer nicht zuerkannt werden kann und der notwendige Stempelgebührenaufwand für den beigebrachten angefochtenen Bescheid (Beilagengebühr) überhöht verzeichnet wurde.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995090040.X00Im RIS seit
20.11.2000