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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §66 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde des S in P, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in Z, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom 12. Februar 1996, Zl. UVS-4/375/3-1996, betreffend Übertretung der GewO, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom 12. Februar 1996 wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Zell am See vom 22. August 1995, betreffend Übertretung der GewO abgewiesen und das Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, daß der Spruch wie folgt zu lauten hat:
"Herr S, geboren am 21.4.19xx, hat als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit das gemäß § 9 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ der "P Ges.m.b.H.", seit 5.1.1995 "H-P Ges.m.b.H.", zu verantworten, daß von dieser Gesellschaft trotz der aufgrund des Ausscheides der vormaligen Geschäftsführerin, Frau B mit Wirkung vom 30. Juni 1993 gemäß § 9 GewO bestehenden Verpflichtung zur Bestellung eines Geschäftsführers oder Pächters das Gastgewerbe in der Betriebsart Hotel-Pension seit 31.12.1993, das heißt seit dem Ablauf von 6 Monaten nach dem Ausscheiden der vormaligen Geschäftsführerin, bis zum 25.8.1995 (Datum der Erlassung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses) am Standort P, ausgeübt wurde, ohne die Anzeige gemäß § 39 Abs. 4 GewO über die Bestellung eines den § 39 Abs. 2 GewO entsprechenden Geschäftsführers erstattet zu haben, obwohl das Recht der Gesellschaft zur weiteren Ausübung dieser Gewerbeberechtigung 6 Monate nach dem Ausscheiden der vormaligen Geschäftsführerin geendet hat.
Dadurch übertretene Verwaltungsvorschrift:
§ 367 Zif. 1 GewO i.V.m. § 9 und 39 Abs. 4 GewO 1994; verhängte Geldstrafe gemäß § 367 Z. 1 GewO 1994: S 3.000,--
Ersatzfreiheitsstrafe: 72 Stunden."
Hiezu wurde im wesentlichen ausgeführt, dem Beschwerdeführer sei mit dem genannten Straferkenntnis vorgeworfen worden, er habe es als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Firma P Ges.m.b.H. zu verantworten, daß diese Firma seit zumindest 31. Dezember 1993 auf dem Standort P, das Gastgewerbe in der Betriebsart "Hotel-Pension" betreibe, obwohl hiefür die gewerbebehördliche Berechtigung gefehlt habe und nach wie vor fehle. Gemäß § 9 Abs. 2 der GewO dürfe ein Gewerbe bis zur Bestellung eines neuen Geschäftsführers längstens jedoch während sechs Monate weiter ausgeübt werden. Nach Ausscheiden der letzten gewerberechtlichen Geschäftsführerin Frau B am 30. Juni 1993 hätte demnach die "P Ges.m.b.H." das Gastgewerbe längstens bis 30. Dezember 1993 ausüben dürfen. Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens stehe fest, daß der Beschwerdeführer die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung begangen habe. Die Korrektur des Spruches sei nicht nur zulässig, sondern auch rechtlich geboten gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer erachtet sich - seinem gesamten Vorbringen zufolge -durch den angefochtenen Bescheid im Recht verletzt, der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung nicht schuldig erkannt und dafür auch nicht bestraft zu werden. In Ausführung dieses Beschwerdepunktes wendet er gegen den angefochtenen Bescheid im wesentlichen ein, die vorgenommene Spruchkorrektur sei unzulässig.
Die Beschwerde erweist sich aus folgenden Gründen als berechtigt:
Gemäß § 66 Abs. 4 AVG i.V.m. § 24 VStG hat die Berufungsbehörde, soferne die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid in jeder Richtung abzuändern.
Die Ermächtigung der Berufungsbehörde zur Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides besteht nur im Rahmen der Sache; sie ist also durch die von der Erstbehörde als erwiesene Tat beschränkt.
Im vorliegenden Fall entsprach der erstinstanzliche Vorwurf der Tatbegehung "seit zumindest 31.12.1993" mangels Angabe des Tatzeitendes in einer kalendermäßig eindeutig umschriebenen Art zwar nicht der Anordnung des § 44a Abs. 1 Z. 1 VStG. Gleichwohl wird aus dieser Formulierung deutlich, daß die Erstbehörde dem Beschwerdeführer einen Tatzeitraum zur Last legte, der, beginnend mit 31. Dezember 1993 bis zur Schöpfung des Straferkenntnisses (das ist im Falle der schriftlichen Bescheiderlassung der Zeitpunkt der Unterfertigung durch den Genehmigenden) also bis zum Bescheiddatum (das ist der 22. August 1995) währte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. April 1996, Zl. 96/04/0053).
Die "Sache" im dargelegten Sinn umfaßte daher den Tatzeitraum vom 31. Dezember 1993 bis zum 22. August 1995; dies unabhängig davon, daß die Bestrafung wegen eines fortgesetzten Deliktes auch erst allenfalls später bekanntgewordene Einzeltathandlungen bis zum Zeitpunkt der Fällung (Zustellung) des Straferkenntnisses erfaßt. Denn aus dem im Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses bestimmten Tatzeitraum ergibt sich unabhängig von der mit der Bestrafung verbundenen weiteren (Erfassung-)Wirkung, daß Abspruchgegenstand und somit auch "Sache" i.S.d. § 66 Abs. 4 AVG ausschließlich die Tatbegehung in diesem Zeitraum war (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 1980, Zl. 2801/79, VwSlg. 10186 A).
Obwohl es der belangten behörde daher verwehrt war, die als erwiesen angenommene Tatzeit über den Zeitpunkt der Schöpfung des Bescheides der Erstbehörde hinaus festzustellen, hat sie den Beschwerdeführer mit dem angefochtenen Bescheid eine Tatzeit zur Last gelegt, die (beginnend mit 31. Dezember 1993) bis zum 25. August 1995 währte. Solcherart hat sie in Verkennung der Rechtslage ihre Ermächtigung zur Entscheidung in der Sache gemäß § 66 Abs. 4 AVG überschritten und den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet. Dieser war daher - ohne auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Stempelgebühren betreffende Mehrbegehren war mangels Erforderlichkeit zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung abzuweisen.
Schlagworte
"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatzeit Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Verwaltungsstrafrecht Spruch der BerufungsbehördeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996040080.X00Im RIS seit
20.11.2000