TE Vwgh Beschluss 2022/2/3 Ra 2020/17/0095

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Veröffentlicht am 03.02.2022
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/07 Verwaltungsgerichtshof
29/09 Auslieferung Rechtshilfe in Strafsachen
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §62 Abs4
RHStRÜbk Eur Geltungsbereich
RHStRÜbk Eur 2005 Art5 Abs3
VStG §24
VwGG §25a Abs4a
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §29 Abs2a Z2
VwGVG 2014 §29 Abs4
VwGVG 2014 §38
VwRallg
ZustG §11 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer und die Hofrätin Mag. Dr. Zehetner sowie den Hofrat Dr. Terlitza als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des M D in U, vertreten durch Dr. Patrick Ruth und MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das am 2. Oktober 2018 mündlich verkündete und mit Datum vom 22. Mai 2020 in gekürzter Form ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien, VGW-002/066/13350/2017, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 2. August 2017 wurde der Revisionswerber als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung nach außen Berufener der U s.r.o. der Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 erstes Tatbild Glücksspielgesetz - GSpG schuldig erkannt. Es wurde über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 10.000,-- (samt Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt. Die Kosten des Strafverfahrens wurden mit EUR 1.000,-- bestimmt. Weiters wurde die Haftung nach § 9 Abs. 7 VStG der U s.r.o. für die verhängte Geldstrafe und die Verfahrenskosten zur ungeteilten Hand ausgesprochen.

2        Der Revisionswerber erhob dagegen Beschwerde.

3        Mit E-Mail vom 10. September 2018 teilte der damalige Rechtsvertreter des Revisionswerbers dem Verwaltungsgericht Wien (Verwaltungsgericht) die Vollmachtsauflösung mit. Weitere Zustellungen mögen an den Revisionswerber vorgenommen werden.

4        Am Schluss der am 2. Oktober 2018 vor dem Verwaltungsgericht durchgeführten mündlichen Verhandlung verkündete der Verhandlungsleiter das Erkenntnis, wonach u.a. die Beschwerde des Revisionswerbers unter Modifikation des Spruches des Straferkenntnisses abgewiesen werde (Spruchpunkt II.) und der Revisionswerber einen näher bestimmten Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten habe (Spruchpunkt III.). Weiters sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei (Spruchpunkt IV.).

5        Mit Schreiben vom 3. Oktober 2018 übermittelte das Verwaltungsgericht dem Revisionswerber das in die tschechische und slowakische Sprache übersetzte Verhandlungsprotokoll vom 2. Oktober 2018, welches auch die Wiedergabe des mündlich verkündeten Erkenntnisses und eine Belehrung nach § 29 Abs. 2a VwGVG enthält.

6        In der Folge übermittelte das Verwaltungsgericht dem Revisionswerber die mit 22. Mai 2020 datierte „gekürzte Ausfertigung gemäß § 29 Abs. 5 iVm § 50 Abs. 2 VwGVG“ des am 2. Oktober 2018 mündlich verkündeten Erkenntnisses.

7        Dagegen wendet sich die vorliegende Revision.

8        Die Revision macht zu ihrer Zulässigkeit geltend, der Revisionswerber spreche kein Deutsch. Als tschechischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Tschechien müssten ihm daher nach „Art. 5 Abs. 3 RÜK-EU“ sämtliche Schriftstücke in die Sprache des Mitgliedstaates, in dessen Hoheitsgebiet sich der Empfänger aufhalte, übersetzt werden, andernfalls diese Urkunde als nicht zugestellt gelte.

Gemäß § 11 Abs. 1 Zustellgesetz sind Zustellungen im Ausland nach den bestehenden internationalen Vereinbarungen oder allenfalls auf dem Weg, den die Gesetze oder sonstigen Rechtsvorschriften des Staates, in dem zugestellt werden soll, oder die internationale Übung zulassen, erforderlichenfalls unter Mitwirkung der österreichischen Vertretungsbehörden, vorzunehmen.

Art. 5 Abs. 3 des „Übereinkommen - gemäß Artikel 34 des Vertrags über die Europäische Union vom Rat erstellt - über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union samt Erklärungen“ (ABl. C 197 vom 12. Juli 2000) lautet:

„(3) Wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß der Zustellungsempfänger der Sprache, in der die Urkunde abgefaßt ist, unkundig ist, so ist die Urkunde - oder zumindest deren wesentlicher Inhalt - in die Sprache oder in eine der Sprachen des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet der Empfänger sich aufhält, zu übersetzen. Ist der Behörde, die die Verfahrensurkunde ausgestellt hat, bekannt, daß der Empfänger nur einer anderen Sprache kundig ist, so ist die Urkunde - oder zumindest deren wesentlicher Inhalt - in diese andere Sprache zu übersetzen.“

9        Dieses Abkommen ist nach Ratifizierung und Kundmachung in BGBl. III Nr. 65/2005 in Österreich am 3. Juli 2005 in Kraft getreten. Das Übereinkommen wurde auch durch die Tschechische Republik ratifiziert (vgl. dazu die Kundmachung BGBl. III Nr. 28/2008 und VwGH 1.3.2016, Ra 2015/11/0097, mwN).

10       Daraus ergibt sich, dass bei Vorliegen von Anhaltspunkten dafür, dass die Zustellungsempfänger der deutschen Sprache unkundig ist, die Verfahrensurkunde - oder zumindest deren wesentlichen Inhalt - in die Sprache des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet der Empfänger sich aufhält, zu übersetzen ist. Wird dies unterlassen, ist die Zustellung der Verfahrensurkunde nicht rechtswirksam. Eine Heilung dieses Zustellmangels kommt in einem solchen Fall nicht in Betracht (vgl. etwa VwGH 17.6.2019, Ra 2019/02/0029, mwN). Dies gilt auch für die Zustellung von Verfahrensurkunden von Verwaltungsgerichten (vgl. in diesem Zusammenhang etwa VwGH 1.3.2016, Ra 2015/11/0097).

11       Im Revisionsfall hat das Verwaltungsgericht das Vorliegen solcher Anhaltspunkte offenbar bejaht und dem Revisionswerber die Niederschrift über die mündliche Verhandlung unstrittig in tschechischer und in slowakischer Sprachfassung übermittelt.

12       Der Revisionswerber bestreitet aber, dass damit den Erfordernissen des § 11 Abs. 1 Zustellgesetz iVm Art. 5 Abs. 3 des genannten Übereinkommens entsprochen worden sei, mit dem Vorbringen, die Übersetzung sei mangelhaft gewesen, denn dieses „Schreiben [vom 3. Oktober 2018] bezieht sich in seiner tschechischen Übersetzung auf eine Beschwerde einer ‚Ma De‘ und wurde zugestellt an einen ‚Mu Di‘; der Revisionswerber heißt auch nicht Mu Di und hatte er auch nicht in der Vergangenheit diesen Namen getragen. Der Revisionswerber hat sich nicht, und musste er sich auch zu Recht nicht als Adressat eines ausländischen Schreibens angesprochen fühlen“.

13       Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in den Fällen, in denen sich die Verwaltungsbehörde bzw. nunmehr das Verwaltungsgericht bloß in der Bezeichnung des Adressaten seiner Entscheidung vergreift, aber aus der gesamten Erledigung offenkundig ist, wer gemeint war, die fehlerhafte Bezeichnung nicht schadet; in einem solchen Fall liegt ein berichtigungsfähiger Fehler vor, bei dem, solange eine Berichtigung nicht erfolgt ist, durch Auslegung der Entscheidung zu klären ist, an wen sie gerichtet ist (vgl. VwGH 25.2.2019, Ro 2017/08/0035, mwN).

14       Im vorliegenden Revisionsfall kann es bereits angesichts des Umstandes, dass es sich um eine Erledigung in einem vom Revisionswerber angestrengten und durch seine Geschäftszahl eindeutig bezeichneten Beschwerdeverfahren handelt, und aufgrund des gesamten Inhalts des Schreibens vom 3. Oktober 2018 sowie der umfangreichen Beilagen (darunter auch die Niederschrift von der mündlichen Verhandlung samt dabei verkündetem Erkenntnis) keinen Zweifel daran geben, dass diese Sendung an den Revisionswerber adressiert war.

15       Dass die Zustellung der Sendung vom 3. Oktober 2018 nicht rechtswirksam erfolgt wäre, wird im Zulässigkeitsvorbringen der Revision somit nicht aufgezeigt.

16       Daraus ergibt sich aber, dass die zweiwöchige Frist nach § 29 Abs. 5 VwGVG mit der Zustellung der auch in die tschechische Sprache übersetzten Niederschrift an den Revisionswerber zu laufen begonnen hatte. Dass der Revisionswerber innerhalb dieser Frist einen Antrag auf Zustellung einer schriftlichen Ausfertigung im Sinne des § 29 Abs. 2b VwGVG gestellt hätte, ist nicht ersichtlich (vgl. diesbezüglich auch den „Hinweis“ in der vom Revisionswerber vorgelegten gekürzten Ausfertigung vom 22. Mai 2020).

17       Ein Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 VwGVG stellt aber eine Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Revisionserhebung gegen ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts dar (vgl. VwGH 3.3.2020, Ra 2020/04/0015, mwN).

18       Die Revision erweist sich somit mangels eines rechtswirksamen Antrags auf Ausfertigung iSd § 25a Abs. 4a VwGG als unzulässig und war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren durch Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 3. Februar 2022

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1 Verwaltungsrecht Internationales Rechtsbeziehungen zum Ausland VwRallg12

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020170095.L00

Im RIS seit

07.03.2022

Zuletzt aktualisiert am

14.03.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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