TE Vwgh Beschluss 2022/2/10 Ra 2021/03/0321

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Veröffentlicht am 10.02.2022
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
27/04 Sonstige Rechtspflege
90/01 Straßenverkehrsordnung

Norm

B-VG Art133 Abs4
SDG 1975 §10 Abs1 Z3
SDG 1975 §2 Abs2 Z1 lite
SDG 1975 §6 Abs2
StVO 1960 §52 lita Z10a
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Mag. Samm und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des G S in E, vertreten durch Pallauf Meißnitzer Staindl & Partner, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Petersbrunnstraße 13, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Oktober 2021, W170 2242429-1/14E, betreffend Abweisung eines Antrags auf Eintragung nach dem SDG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Präsident des Landesgerichtes Salzburg), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht - durch Bestätigung eines entsprechenden Bescheids der belangten Behörde - den Antrag des Revisionswerbers auf Eintragung in die Liste der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen für die Fachgebiete 84.60 „Alt- und Gebrauchtwarenhandel (Schätzung von Gebrauchtgegenständen, Wohnungsinhalt; ausgenommen Kunstgegenstände, Antiquitäten und andere Wertsachen)“, 88.13 „Feuerversicherung (nur Ursachenfeststellung und Schadensbewertung)“ und 88.21 „Leitungswasserschadenversicherung (nur Ursachenfeststellung und Schadensbewertung)“ gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 2 Abs. 2 SDG ab; die ordentliche Revision erklärte es für nicht zulässig.

2        Dem legte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen Folgendes zu Grunde:

Der Revisionswerber sei seit 29. August 1995, zuletzt befristet bis zum Ende des Jahres 2018, in die Liste der (jetzt) allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen für die im Spruch seiner Entscheidung genannten Fachgebiete eingetragen gewesen.

Ein Rezertifizierungsantrag des Revisionswerbers sei mit Bescheid der belangten Behörde vom 15. März 2019 abgewiesen worden; eine entsprechende Beschwerde des Revisionswerbers sei mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 7. August 2019 als verspätet zurückgewiesen worden.

Ein weiterer Antrag des Revisionswerbers auf Eintragung für die genannten Fachgebiete sei mit dem - in Rechtskraft erwachsenen - Bescheid der belangten Behörde vom 14. November 2019 abgewiesen worden.

Der Revisionswerber habe am 13. Dezember 2019 unter Hinweis auf die Stellung als allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger einen Erhebungsbericht an die G Versicherung erstattet, obwohl er zu diesem Zeitpunkt nicht in die Liste der gerichtlich beeideten und allgemein zertifizierten Sachverständigen eingetragen gewesen sei. Zudem habe er am 31. Mai 2017 unter Hinweis auf die Stellung als allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger eine Zeitwertberechnung hinsichtlich einer Gemeindewohnung an die Gemeinde G erstattet, obwohl er niemals für ein Fachgebiet der Gruppen 94 „Immobilien“ in die entsprechende Liste eingetragen gewesen sei.

Der Revisionswerber sei außerdem zwölf Mal wegen näher genannter Verwaltungsübertretungen im Zeitraum von Oktober 2016 bis November 2020 rechtskräftig bestraft worden, davon siebenmal wegen Geschwindigkeitsübertretungen, viermal wegen Nichterteilung einer Lenkerauskunft sowie einmal wegen Nichtbeachtens des Rotlichts.

3        Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht nach Darlegung der für die Eintragung in die Sachverständigenliste maßgebenden Rechtslage fallbezogen (zusammengefasst) aus, in Zusammenschau der getroffenen Feststellungen liege die Verlässlichkeit des Revisionswerbers derzeit nicht vor:

Der Revisionswerber sei zwölfmal (davon siebenmal wegen Geschwindigkeitsübertretungen) rechtskräftig mit Strafverfügung (nicht etwa mittels Anonymverfügung) bestraft worden.

Aus der Rechtfertigung des Revisionswerbers, nicht er, sondern Familienangehörige hätten die meisten Verwaltungsübertretungen begangen, sei wegen der Rechtskraft (und damit Bindungswirkung entfaltenden) der gegen ihn gerichteten verwaltungsstrafrechtlichen Bescheide nichts zu gewinnen.

Bei den geringfügigen Geschwindigkeitsüberschreitungen handle es sich zwar für sich genommen um Übertretungen im Bagatellbereich, die gerade noch nicht den „leisesten Zweifel an seiner Gesetzestreue, Korrektheit, Sorgfalt, Charakterstärke“ (iS näher zitierter Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes) entstehen ließen. In der Zusammenschau mit der Missachtung des Rotlichts und vor allem mit dem viermaligen Nichterteilen einer Lenkerauskunft sei dies aber anders zu werten: So seien drei dieser Verwaltungsübertretungen binnen weniger Monate begangen worden, eine davon am 25. Jänner 2018, obwohl der Revisionswerber wegen desselben Deliktes schon am 12. Jänner 2018 bestraft worden sei. Daher liege im Lichte der vorliegenden Verwaltungsübertretungen (schon für sich gesehen) ein Sachverhalt vor, der Zweifel an der Gesetzestreue, Korrektheit und Sorgfalt des Revisionswerbers hervorrufe und somit seiner Vertrauenswürdigkeit im Weg stehe.

4        Dies gelte auch für die Erstattung des Erhebungsberichtes vom 13. Dezember 2019 unter fälschlichem Hinweis auf die Stellung als allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger an die G Versicherung.

Dass der Revisionswerber diesbezüglich angegeben habe, er habe geglaubt, sich in einem „offenen Verfahren“ zu befinden, sei weder nachvollziehbar noch relevant. Ihm habe - im Lichte der Zurückweisung seiner Beschwerde wegen Verspätung - klar sein müssen, dass er nun nicht mehr in die Liste eingetragen sei. Sein „offener Antrag“ vom 25. September 2019 allein könne bei einer Person, die seit 1995 allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger gewesen sei, nicht den Eindruck erwecken, dass er diese Bezeichnung weiter führen dürfe.

Nicht entscheidend sei, ob dieser fälschliche Hinweis auf die Stellung als Sachverständiger für die G Versicherung relevant gewesen sei, weil gemäß § 14b Abs. 2 SDG allein das Führen gegenständlicher Bezeichnung eine Verwaltungsübertretung darstelle.

Schon dieser Vorfall allein lasse somit Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit des Revisionswerbers entstehen, selbst wenn es sich bei der Angabe dieser Bezeichnung um ein Versehen gehandelt habe. Mit Ende seiner Eintragung in die Liste hätte der Revisionswerber seine Vorlagen, die diese Bezeichnung enthalten hätten, ändern müssen bzw. deren Änderung in seinem Büro beauftragen und kontrollieren müssen.

5        Bezüglich des Vorfalls vom 31. Mai 2017 führte das Verwaltungsgericht aus, auch wenn keine Zweifel bestünden, dass der Revisionswerber befähigt gewesen sei, die Zeitwertberechnung gegenüber der Gemeinde K zu erstatten, sei er doch nicht für die entsprechenden Fachgebiete eingetragen gewesen. Sein Hinweis auf die Eintragung sei daher unzulässig gewesen, zumal Zweck der Eintragung unterschiedlicher Fachgebiete bzw. deren Einteilung sei, dass die Parteien eines Verfahrens auf den ersten Blick einschätzen könnten, ob die Befähigung des Sachverständigen hinterfragt werden müsse oder nicht.

Zuletzt sei darauf hinzuweisen, dass der Revisionswerber so wenig sorgfältig gewesen sei, dass er sogar in seinem eigenen, für sein berufliches Fortkommen sehr bedeutenden Rezertifizierungsverfahren seine Beschwerde verspätet zur Post gegeben habe. Zwar würde auch dieser Umstand alleine nicht reichen, seine Sorgfalt „wegfallen zu lassen“, er passe aber ins Bild und runde dieses ab.

Die Verlässlichkeit des Revisionswerbers sei daher zu verneinen.

6        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende - außerordentliche - Revision.

7        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10       Die demnach für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision allein maßgebende Zulässigkeitsbegründung der Revision macht Folgendes geltend:

Es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Fragen, wann ein „gravierendes Fehlverhalten“ angenommen werden könne, „welches Gewicht“ der zugrundeliegenden Verwaltungsdelikte es dafür bedürfe, ob bereits einzelne Verwaltungsübertretungen geeignet seien, eine Vertrauensunwürdigkeit zu begründen, ob bei Beurteilung des Unrechtsgehalts auf individuelle Umstände, insbesondere die individuelle Schuld, abzustellen sei, ob sich aus den jeweiligen Delikten eine „konkrete Auswirkung auf die Verlässlichkeit des Sachverständigen“ ableiten lasse und inwiefern bei geringfügigen Geschwindigkeitsüberschreitungen bzw. einmaliger Missachtung des Rotlichts und Nichterteilung einer Lenkerauskunft die jährlich zurückgelegte Kilometerleistung zu berücksichtigen sei. Weiters dazu, auf welche Kriterien bei einer Prognoseentscheidung abzustellen sei, inwiefern zu berücksichtigen sei, dass Verwaltungsdelikte bereits geraume Zeit zurückliegen, inwiefern bei der Prüfung der Vertrauenswürdigkeit das Verhalten von Mitarbeitern zu berücksichtigen sei, ob bereits die einmalige Erstattung eines außergerichtlichen Erhebungsberichtes unter versehentlichem Hinweis auf die Stellung eines Sachverständigen an eine Versicherung den Entfall der Vertrauenswürdigkeit rechtfertige, ob Handlungen Dritter, welche ohne Wissen des Betroffenen erfolgt seien, unberücksichtigt zu bleiben hätten, inwiefern bei der Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit den (aus der Erwerbsfreiheit verfassungsrechtlich gebotenen) Verhältnismäßigkeitsgrundsätzen Rechnung zu tragen sei und ob bei Sachverständigen ein strengerer Maßstab anzulegen sei, als bei Richtern oder Rechtsanwälten.

Weiters fehle Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, inwiefern die „Intensität“ von Verwaltungsübertretung eine Rolle spiele, zur erforderlichen Anzahl der Verwaltungsübertretungen, die Vertrauensunwürdigkeit begründeten, und zur verfassungskonformen Auslegung von § 2 Abs. 2 lit. e SDG iSd Art. 6 StGG.

Außerdem widerspreche das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes höchstgerichtlicher Judikatur, weil dem zeitlichen Kriterium (die überwiegende Anzahl der festgestellten Verwaltungsübertretungen liege mehrere Jahre zurück) entgegen VwGH 11.10.2017, Ro 2017/03/0024, nicht ausreichend Rechnung getragen worden sei, und weil § 2 Abs. 2 Z 1 lit. e SDG insofern unvertretbar ausgelegt worden sei, als dem Revisionswerber keine gravierenden Verwaltungsübertretungen zur Last gelegt worden seien und er die angelasteten Handlungen (fast ausschließlich) nicht selbst gesetzt habe.

11       Mit diesem Vorbringen wird nicht dargelegt, dass der Verwaltungsgerichtshof bei Entscheidung über die vorliegende Revision eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen hätte.

12       Hinsichtlich der für die Entscheidung über einen Antrag auf Eintragung in die Liste der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen nach dem SDG maßgebenden Rechtslage wird einleitend gemäß § 43 Abs. 2 und 9 VwGG auf den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Jänner 2020, Ra 2020/03/0005, verwiesen.

Zudem ist Folgendes hervorzuheben:

13       Nach § 2 Abs. 2 Z 1 SDG ist - u.a. - die „Vertrauenswürdigkeit“ des Bewerbers Eintragungsvoraussetzung (lit. e).

14       Die Frage der Vertrauenswürdigkeit eines Sachverständigen im Sinn des § 2 Abs. 2 Z 1 lit. e SDG betrifft nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs seine persönlichen Eigenschaften. Es kommt darauf an, ob jemand in einem solchen Maße vertrauenswürdig ist, wie es die rechtssuchende Bevölkerung von jemandem erwarten darf, der in die Liste der Sachverständigen eingetragen ist. In Ansehung der bedeutsamen Funktion, die dem Sachverständigen bei der Wahrheitsfindung im gerichtlichen und behördlichen Verfahren obliegt, darf daher nicht der leiseste Zweifel an seiner Gesetzestreue, Korrektheit, Sorgfalt, Charakterstärke sowie an seinem Pflichtbewusstsein bestehen; bei dieser Beurteilung ist ein strenger Maßstab anzulegen; auch ein einmaliges – gravierendes - Fehlverhalten kann Vertrauensunwürdigkeit begründen. Unmaßgeblich ist, in welchen Bereichen die Ursachen für den Verlust der Vertrauenswürdigkeit gelegen sind, weil es nur darauf ankommt, ob das erforderliche Maß an Vertrauenswürdigkeit dem Sachverständigen überhaupt zukommt oder nicht. Es kann daher auch ein Verhalten, das nicht im Zusammenhang mit der Sachverständigentätigkeit steht, Vertrauensunwürdigkeit begründen (vgl. VwGH 2.9.2019, Ra 2019/03/0105, 3.6.2019, Ra 2019/03/0060, 19.12.2018, Ra 2018/03/0122, 23.2.2018, Ro 2017/03/0025, 11.10.2017, Ro 2017/03/0024, 28.6.2017, Ra 2017/03/0066, je mwN). Umso mehr können mit der Tätigkeit eines Sachverständigen unmittelbar zusammenhängende Pflichtverletzungen - wie sie auch im Revisionsfall dem Revisionswerber angelastet wurden - Zweifel an der verlässlichen Berufsausübung des Sachverständigen und damit seiner Vertrauenswürdigkeit begründen.

15       Ausgehend davon, dass die Abweisung eines Eintragungs- bzw. Rezertifizierungsantrags - ebenso wie der Entzug der Sachverständigeneigenschaft - eine Maßnahme ist, die das klaglose Funktionieren der Rechtspflege sicherstellen soll und nicht eine Bestrafung des Sachverständigen darstellt, haben bei Entscheidung der Frage, ob beim Sachverständigen die Vertrauenswürdigkeit weggefallen ist, subjektive Momente, wie etwa Entschuldigungsgründe, außer Betracht zu bleiben (vgl. - neben VwGH Ra 2020/03/0005 - VwGH 23.3.1999, 96/19/1229; 30.5.1996, 95/19/0017, je mwN).

16       Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass eine Vielzahl zur Last gelegter Verwaltungsübertretungen (insbesondere betreffend die Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit gemäß § 52 lit a Z 10a StVO) innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums, die Schlussfolgerung zulässt, an der Gesetzestreue des Sachverständigen und damit an seiner Vertrauenswürdigkeit nach § 2 Abs. 2 Z 1 lit. e SDG zu zweifeln (vgl. z.B. VwGH 28.6.2017, Ra 2017/03/0066, mwN).

17       Das gilt ebenfalls für die Erstellung eines Gutachtens unter Berufung auf die Eigenschaft als allgemein beeideter gerichtlicher Sachverständiger außerhalb des Gebietes, für welches der Sachverständige bestellt ist (vgl. VwGH 23.3.1999, 96/19/1229, mwN).

18       Ob die Vertrauenswürdigkeit zu bejahen ist, kann letztlich nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden, wobei auch auf die Dauer des Zeitraums, der seit den die Vertrauenswürdigkeit in Zweifel ziehenden Vorfällen verstrichenen ist, insoweit Bedacht zu nehmen ist, als länger zurückliegendem Fehlverhalten geringeres Gewicht zukommt als „aktuellen“ Verstößen (vgl. VwGH 3.6.2019, Ra 2019/03/0060, mwN).

19       Das Verwaltungsgericht hat dem Revisionswerber im Wesentlichen angelastet, zwölf Verwaltungsübertretungen, u.a. einmaliges Missachten des Rotlichts, viermaliges Nichterteilen der Lenkerauskunft, siebenmaliges Überschreiten der Höchstgeschwindigkeit, begangen zu haben.

Zudem habe er unter (fälschlicher) Berufung auf seine Stellung als allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger am 13. Dezember 2019 einen Erhebungsbericht bzw. am 31. Mai 2017 eine Zeitwertberechnung für eine Wohnung (obwohl er für die Fachgebiete der Gruppe 94 „Immobilien“ nie eingetragen gewesen ist) erstattet.

Die Verwaltungsübertretungen hätten im Zeitraum von Oktober 2016 bis November 2020 stattgefunden; drei dieser Verwaltungsübertretungen (Nichterteilen der Lenkerauskunft) seien binnen weniger Monate, eine davon am 25. Jänner 2018, obwohl der Revisionswerber wegen desselben Deliktes schon am 12. Jänner 2018 bestraft worden war, begangen worden.

Das Bild würde zudem dadurch abgerundet, dass der Revisionswerber nicht einmal in seinem eigenen Rezertifizierungsverfahren ausreichende Sorgfalt habe walten lassen, um die Frist für die Beschwerdeerhebung zu wahren.

20       Diese Beurteilung durch das Verwaltungsgericht verlässt - entgegen der Revision - die von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs gezogenen Leitlinien zur Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit eines Sachverständigen nach § 2 Abs. 2 Z 1 lit. e SDG nicht. Mit den dargestellten rechtlichen Vorgaben des Verwaltungsgerichtshofs lässt sich auch der vorliegende Revisionsfall lösen, ohne dass es weiterer höchstgerichtlicher Leitlinien bedürfte.

Soweit die Revision auf dem Revisionswerber „nicht zurechenbares Verhalten Dritter“ Bezug nimmt (angeblich durch Familienangehörige begangene Verwaltungsübertretungen bzw. durch Mitarbeiter gesetztes Fehlverhalten), negiert sie einerseits die Konsequenzen der Bindung an rechtskräftige verwaltungsbehördliche Verurteilungen, andererseits lässt dieses Vorbringen offen, inwiefern dieses Verhalten Dritter auch bei Einhaltung gebotener Kontrollmaßnahmen durch den Revisionswerber nicht zu verhindern gewesen wäre.

21       In der Revision werden demnach keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 10. Februar 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021030321.L00

Im RIS seit

07.03.2022

Zuletzt aktualisiert am

22.03.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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