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001 Verwaltungsrecht allgemeinNorm
ADV §32Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Lehofer, Mag. Nedwed, Mag. Samm und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Baden gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 13. September 2021, Zl. LVwG-AV-930/001-2021, betreffend Ausstellung eines Waffenpasses (Mitbeteiligter: M T in A, vertreten durch die Hopmeier Wagner Kirnbauer Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Rathausstraße 15), zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Erkenntnis wird dahin abgeändert, dass die Beschwerde des Mitbeteiligten gegen den Bescheid der belangten Behörde abgewiesen wird.
Begründung
1 Die Bezirkshauptmannschaft Baden, die belangte Behörde des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht und nunmehrige Revisionswerberin (iF auch: BH), wies mit Bescheid vom 5. Mai 2021 den Antrag des Mitbeteiligten auf Ausstellung eines Waffenpasses gemäß §§ 10, 21 Abs. 2 und 22 Abs. 2 WaffG iVm § 6 der 2. Waffengesetz-Durchführungsverordnung ab.
2 In der Begründung dieses Bescheids legte die BH zunächst die vom Mitbeteiligten geltend gemachten Gründe für seinen Antrag dar:
Dieser habe ausgeführt, als Mitglied des Jagdkommandos des Österreichischen Bundesheeres „Antiterrorspezialist“ zu sein und aufgrund dieser Tätigkeit Schusswaffen der Kategorie B zu seinem persönlichen Schutz zu benötigen.
In einem (im Bescheid wiedergegebenen) Schriftsatz vom 23. Februar 2021 habe der Mitbeteiligte - unter Hinweis auf Medienberichte und eine Bestätigung des Kommandanten des Jagdkommandos - ergänzend vorgebracht, es bestehe eine „besondere Gefahr“ für ihn: Im Ausland seien seine Daten „in unzureichend bzw. zum Teil gar nicht gesicherten Netzwerken und Systemen verarbeitet“; es würden „regelmäßig Server und Systeme von Regierungsbehörden im In- und Ausland gehackt“. Zudem sei es „ohne besondere Schwierigkeiten möglich, den Mitbeteiligten im Inland auszuspähen“, weil die Standorte des Jagdkommandos (zwei Kasernen) allgemein bekannt seien bzw. durch Internetrecherche herausgefunden werden könnten.
Ohne Waffenpass müsse der Mitbeteiligte bei einer Aktivierung - wie zur Unterstützung des Antiterroreinsatzes in Wien am 2. November 2020 - „unbewaffnet von zu Hause in die Kaserne kommen“.
Unter Bezugnahme auf Medienberichte brachte der Mitbeteiligte weiter vor, der „Verfassungsschutz“ in Österreich „funktionier[e] nicht“, zudem bestehe die Gefahr, dass „Foreign Terrorist Fighters“ in Österreich Anschläge begehen könnten. Eine „richtige waffen- und polizeirechtliche Einordnung von Gefährdungslagen“ bestätige das Recht auf Ausstellung eines Waffenpasses.
Mit Hinweis auf näher genannte Entscheidungen von Verwaltungsgerichten zu vergleichbaren Fällen einer positiven Ermessensentscheidung für Mitglieder des Jagdkommandos machte er insbesondere geltend, „die nicht bloß abstrakte Möglichkeit, Opfer eines Racheakts einer kriminellen oder terroristischen Organisation zu werden“, komme einem Bedarf iSd § 22 Abs. 2 WaffG sehr nahe.
Es würde zur Sicherheit der Allgemeinheit in Österreich beitragen, wenn die „bestmöglich qualifizierten Exekutivbeamten des Landes, nämlich die Antiterrorspezialisten des Jagdkommandos“, auch außer Dienst bewaffnet sein dürften und Waffenpässe erhalten würden. Es liege daher in der Intention des Gesetzgebers, dem Mitbeteiligten jedenfalls im Rahmen einer Ermessungsentscheidung gemäß § 21 Abs. 2 2. Satz WaffG den beantragten Waffenpass auszustellen.
3 Dem hielt die BH (nach einleitender Wiedergabe der maßgebenden Grundsätze für die Ausstellung eines Waffenpasses) zusammengefasst Folgendes entgegen:
Der Mitbeteiligte habe mit seinem Vorbringen keine konkreten Umstände dargelegt, aufgrund derer abgeleitet werden könnte, er sei im Vergleich zur restlichen Bevölkerung zwangsweise in einem höheren Ausmaß gefährdet. Bei den vorgebrachten möglichen Racheakten handle es sich um bloße Befürchtungen, die zudem einerseits ein Ausfindigmachen der Identität und des Aufenthaltsorts und andererseits die Einschleusung eines „Schläfers“ in das Umfeld des Mitbeteiligten voraussetzen würden. Darin liege keine konkrete Gefährdung. Auch das vorgelegte Schreiben des Dienstvorgesetzten des Mitbeteiligten enthalte keinerlei auf seine Person bezogene Ausführungen und könne damit eine besondere Gefahr nicht darlegen.
Der Mitbeteiligte sei in seiner Funktion als Angehöriger des Jagdkommandos keiner der in § 22 Abs. 2 Z 2 bis 4 WaffG genannten Personengruppen, für die ein waffenrechtlicher Bedarf jedenfalls als gegeben anzunehmen sei, zuzuordnen.
Insbesondere sei er kein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes iSd § 22 Abs. 2 Z 2 WaffG iVm § 5 Abs. 2 SPG. Darunter würden nach § 5 Abs. 2 SPG Angehörige des Wachkörpers Bundespolizei, Angehörige der Gemeindewachkörper, Angehörige des rechtskundigen Dienstes bei Sicherheitsbehörden, wenn diese Organe zur Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt ermächtigt seien und sonstige Angehörige der Landespolizeidirektionen und des Bundesministeriums für Inneres, wenn diese Organe die Grundausbildung für den Exekutivdienst (Polizeigrundausbildung) absolviert hätten und zur Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt ermächtigt seien, fallen. Diese Aufzählung sei abschließend (Hinweis auf VwGH 17.10.2017, Ra 2017/01/0309).
Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes seien nach der Richtlinien-Verordnung BGBl. 1993/266 - sofern verhältnismäßig und nach den Umständen des Einzelfalls zumutbar - verpflichtet, auch außerhalb ihres Dienstes einzuschreiten, wenn dies zur Abwehr einer Gefahr für das Leben, die Gesundheit, die Freiheit von Menschen oder für fremdes Eigentum in großem Ausmaß notwendig sei. Keine andere Berufsgruppe habe eine derartige Verpflichtung, die nach den Intentionen des Gesetzgebers (Hinweis auf RV 1345 BlgNR, 25. GP, zur Novelle BGBl. I Nr. 120/2016) der Grund dafür gewesen sei, für Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes „jedenfalls“ einen waffenrechtlichen Bedarf als gegeben anzunehmen. Eine derartige Verpflichtung bestehe für Angehörige des Jagdkommandos nicht, sodass eine analoge Anwendung bereits aus diesem Grund nicht in Frage komme und eine planwidrige Gesetzeslücke nicht erkennbar sei.
Der Mitbeteiligte falle auch nicht unter die Personengruppen „Angehörige der Militärpolizei“ oder „Angehörige der Justizwache“, für die seit der Novelle BGBl. I Nr. 97/2018 gleichfalls „jedenfalls“ ein Bedarf nach einem Waffenpass anzunehmen sei. In den Gesetzesmaterialien (Erläuterungen in der Regierungsvorlage, 379 BlgNR, 26. GP) werde die Neuregelung damit begründet, dass dieser Personenkreis aufgrund und im Rahmen der beruflichen Tätigkeit sowie beruflichen Nähe zu Personen mit erhöhtem Gewaltpotenzial besonderen Gefahren ausgesetzt sei, denen mit Waffengewalt zweckmäßig begegnet werden könne bzw. in einer mit den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes vergleichbaren Situation seien. Im Unterschied zu Antiterrorspezialisten des Jagdkommandos bestehe bei Angehörigen der Militärpolizei und der Justizwache, ebenso wie bei Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in der Regel ein gewisser örtlicher und personeller Zusammenhang bzw. ein Bezug zwischen dem beruflichen und dem privaten Umfeld und fänden deren Amtshandlungen in der Öffentlichkeit bzw. mit Kenntnis eines mitunter großen Personenkreises statt. Die für diese Personengruppen bestehende Gefahr durch allfällige Vergeltungsaktionen der von ihnen beamtshandelten Personen sei daher eine viel unmittelbarere, als dies bei Angehörigen des Jagdkommandos der Fall sei. Die genannten Berufsgruppen könnten darüber hinaus aufgrund des Umstandes, dass deren Gesicht im Dienst nicht verdeckt sei und auch ihre Identität den für sie allenfalls gefährlichen Personen in den meisten Fällen bekannt sei, nicht mit international tätigen Antiterrorspezialisten, deren Identität - nach dem Vorbringen des Mitbeteiligten - durch das Österreichische Bundesheer geschützt werde und die verdeckt bzw. geheim agierten, verglichen werden.
Bei Würdigung aller Umstände bestehe kein Bedarf des Mitbeteiligten zum Führen von Schusswaffen der Kategorie B.
4 Da ein waffenrechtlicher Bedarf nicht bestehe, liege die Ausstellung eines Waffenpasses im Ermessen der Behörde.
Zur Ermessensentscheidung führte die belangte Behörde einleitend aus, nach § 10 WaffG seien bei der Anwendung einer im WaffG enthaltenen Ermessensbestimmung private Rechte und Interessen nur insoweit zu berücksichtigen, als dies ohne unverhältnismäßige Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses, das an der Abwehr der mit dem Gebrauch von Waffen verbundenen Gefahr bestehe, möglich sei. Die Ermessensübung sei restriktiv zu handzuhaben, eine bloße Zweckmäßigkeit komme einem Bedarf iSd § 22 Abs. 2 WaffG nicht nahe.
Ein vom Mitbeteiligten ins Treffen geführter „Beitrag zur Erhöhung der allgemeinen Sicherheit“ durch Bewaffnung von Antiterrorspezialisten des Jagdkommandos auch außer Dienst könne allenfalls eine bloße Zweckmäßigkeit begründen, die aber keinesfalls einem Bedarf iSd § 22 Abs. 2 WaffG nahekomme. Aus den allgemeinen Ausführungen zur Bewaffnung von Zivilisten im Antiterrorkampf sei für den Standpunkt des Mitbeteiligten nichts zu gewinnen. Weitere Anhaltspunkte für eine behördliche Ermessensübung zu Gunsten des Mitbeteiligten würden sich aus dem Akteninhalt nicht ergeben. Aus den vom Mitbeteiligten vorgelegten bzw. zitierten Medienberichten seien keine stichhaltigen Aussagen für den konkreten Einzelfall abzuleiten.
Da der Mitbeteiligte nicht glaubhaft machen habe können, außerhalb von Wohn- oder Betriebsräumen oder eingefriedeten Liegenschaften besonderen Gefahren ausgesetzt zu seien, denen am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden könne, und auch sonst keine Tatsachen bekannt seien, die die Ausstellung eines Waffenpasses rechtfertigen würden, müsse das öffentliche Interesse an der Abwehr der mit dem Gebrauch von Schusswaffen verbundenen Gefahren vor das private Interesse des Mitbeteiligten gestellt werden, weil das Mitsichführen von Schusswaffen auch durch eine verlässliche Person mit Gefahren verbunden sei. Es habe daher auch nicht im Rahmen einer Ermessensentscheidung ein Waffenpass ausgestellt werden können.
5 Der Mitbeteiligte erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde, wobei er einleitend geltend machte, die von ihm dargelegten Umstände begründeten einen Bedarf iSd § 22 Abs. 2 WaffG; zudem seien die Voraussetzungen für eine positive, dem Antrag stattgebende Ermessensübung gegeben.
Er führte dazu (zusammengefasst) Folgendes aus: Das Jagdkommando - als militärische Eliteeinheit des österreichischen Bundesheeres - sei im Rahmen militärischer Spezialeinsätze im In- und Ausland tätig, seine Angehörigen seien speziell ausgewählt, ausgebildet und ausgerüstet. Wegen des Einsatzes gegen hochgefährliche Gegner, die zur Abschreckung auch Racheaktionen gegen die eingesetzten Soldaten und deren Angehörigen durchführten, komme dem Schutz der Person besondere Bedeutung zu, weshalb es auch nötig sei, ihre Identität geheimzuhalten; dennoch sei nicht auszuschließen, dass von Extremisten eine konkrete Gefährdung für Leib und Leben der Soldaten ausgehe.
Ausgehend von einer richtigen waffenrechtlichen Einordnung von Gefährdungslagen begründe eine „allgemeine Gefahrenlage“ für jede in Österreich lebende Person nicht nur das Recht auf Erlangung einer Waffenbesitzkarte, sondern - bei Fehlen eines entgegenstehenden öffentlichen Interesses - auch das Recht auf Ausstellung eines Waffenpasses im Wege einer Ermessensentscheidung.
Bei - wie im Revisionsfall bestehenden - besonderen Gefahren außerhalb von Wohn- oder Betriebsräumen begründe der dann bestehende Bedarf iSd § 22 Abs. 2 Z 1 WaffG das Recht auf Ausstellung eines Waffenpasses; dies sei im Revisionsfall gegeben. Eine konkrete unmittelbar drohende Gefährdung sei dafür hingegen nicht erforderlich; eine solche sei vielmehr als akute Notwehrlage anzusehen und es sei dann „Bewachung“ iSd § 48 SPG vorzunehmen.
6 Unter Hinweis auf Medienberichte - u.a. unter Zitierung einer „Sicherheitspolitischen Jahresvorschau 2021“ - machte der Mitbeteiligte geltend, die Sicherheitslage in Österreich und in Europa verschlechtere sich kontinuierlich, wobei Österreich davon stärker betroffen sei als andere Staaten.
7 Ihm müsse schon aufgrund eines Größenschlusses ein Waffenpass ausgestellt werden, weil es die Sicherheitslage erheblich verbessern würde, wenn nicht nur für Polizisten ein Waffenpass ausgestellt werde, sondern auch für Angehörige des Jagdkommandos, die über eine wesentlich bessere Ausbildung verfügten.
An die Beurteilung des Bedarfs sei kein überspitzter Maßstab anzulegen. Mögliche Racheakte und die nicht gewährleistete Datensicherheit begründeten deshalb - ebenso wie der notwendige Weg zum Dienst bei einer Aktivierung in Österreich (der ansonsten unbewaffnet angetreten werden müsste) - einen Bedarf iSd § 22 Abs. 2 Z 1 WaffG.
Da auch das Jagdkommando militärpolizeiliche und sicherheitspolizeiliche Tätigkeiten ausübe, sei es - zumindest im Wege der Analogie - unter die Militärpolizei nach § 22 Abs. 2 Z 3 WaffG bzw. unter die Justizwache nach § 22 Abs. 2 Z 4 WaffG zu subsumieren, zumal die aus den Erläuterungen zur Novelle BGBl. I Nr. 97/2018 ersichtliche Begründung, die dort Genannten seien aufgrund und im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit sowie beruflichen Nähe zu Personen mit erhöhtem Gewaltpotenzial besonderen Gefahren ausgesetzt, auch auf den Mitbeteiligten - als aus dem Auslandseinsatz heimgekehrten Antiterrorspezialisten des Jagdkommandos - zutreffe. Die erforderliche Wahrung des Gleichheitssatzes stütze diese Auffassung zudem.
Das Führen einer Dienstwaffe außerhalb des Dienstes sei für Militärangehörige rechtlich nicht zulässig und zudem praktisch - wegen der Abmessungen der Dienstwaffe - nicht möglich.
Insbesondere die „spätere Evaluierung“ des Terroranschlags in Wien vom 2. November 2020 belege wie auch näher genannte Vorfälle in anderen Staaten, dass die Bewaffnung „qualifizierter Bürger“ die öffentliche Sicherheit erhöhen würde.
8 Im Rahmen einer Ermessensübung nach § 21 Abs. 2 2. Satz WaffG „[spreche] einfach nichts dagegen, dass die Antiterrorspezialisten des Jagdkommandos Waffenpässe erhalten.“
9 Mit dem nun in Revision gezogenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde Folge und dem Antrag des Mitbeteiligten auf Ausstellung eines Waffenpasses für zwei Schusswaffen der Kategorie B statt; die ordentliche Revision wurde nicht zugelassen.
10 Dem legte das Verwaltungsgericht (zusammengefasst) Folgendes zu Grunde:
Der Mitbeteiligte sei Berufssoldat und seit rund 10 Jahren Angehöriger des Jagdkommandos, einer Spezialeinheit des Österreichischen Bundesheeres. Zu seiner Tätigkeit „als Antiterrorspezialist“ gehörten auch beträchtlich lange Auslandseinsätze; zuletzt sei er im Jahr 2020 für die Dauer von rund vier Monaten beruflich in Afghanistan gewesen.
Im Zuge dieses Aufenthaltes sei seine überwiegende berufliche Aufgabe gewesen, gemeinsam mit Soldaten anderer Nationen afghanische Soldaten zu schulen und auszubilden. Wegen des letzten beruflichen Aufenthaltes in Afghanistan sei der Mitbeteiligte auch in Österreich „ein lohnendes Ziel für allfällige Anschläge der nunmehr in Afghanistan herrschenden Taliban bzw. den damit in Konkurrenz stehenden terroristischen Ablegern der Bewegung des IS“.
Im Hinblick auf den „notorisch und durch Medienberichte bestärkten“ Umstand, dass den Taliban auch Daten der Angehörigen der ausbildenden Armeen bekannt geworden seien, „im Lichte der gesamtheitlichen Entwicklung“ und in Verbindung mit „Versuchen, Anschläge auf ausländische Soldaten zu verüben oder solche zumindest zu planen“, müsse davon ausgegangen werden, dass „auch in Österreich mit einem erhöhten Gefährdungsmoment [für den Mitbeteiligten] gerechnet werden“ müsse. Es sei ein Leichtes, „zumindest die Dienstadresse, die persönliche Erreichbarkeit vor Ort, auszuspähen und allfällige Tathandlungen extremistischer Art zu setzen“.
Vergeltungs- und Racheaktionen der nunmehr herrschenden Taliban gegen in Afghanistan tätige, nunmehr im Heimatland oder in anderen Staaten weilende Soldaten würden durchgeführt, um einen erhöhten Aufmerksamkeitswert länderübergreifend zu erlangen. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass solche Aktionen, denen in Afghanistan ein tschechischer Soldat und ein amerikanischer Militärangehöriger zum Opfer gefallen seien, regional auf Afghanistan beschränkt blieben.
Zwar sei in früheren vergleichbaren Verfahren vor dem Verwaltungsgericht auf Basis dessen, dass es zwischen den österreichischen Ausbildnern und den Angehörigen der afghanischen Armee keinen regelmäßigen persönlichen Kontakt gegeben habe, insoweit eine Form einer „persönlichen Abschottung der Identität“ angenommen worden. Dies sei aber durch die rasante politische Entwicklung und die Machtübernahme der Taliban überholt, weil im Zusammenhang mit dem überstürzten Rückzug bzw. dem Überlaufen der Soldaten der afghanischen Armee mit Sicherheit davon auszugehen sei, dass Datensätze, die die Identität der ausbildenden fremden Soldaten beinhalten, in die Hände der Taliban gelangt seien.
11 Das Verwaltungsgericht traf schließlich nähere Feststellungen zum Ausbildungsstand des Mitbeteiligten im Umgang mit Schusswaffen. Dieser absolviere - unter erhöhter Belastung - ein intensives und regelmäßiges Training im Umgang mit Schusswaffen in verschiedenen Einsatzspektren, insbesondere auch bei Szenarien zu Geiselbefreiungen.
12 Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht fallbezogen zusammengefasst Folgendes aus:
Dem Mitbeteiligten sei es - trotz wahrgenommener Gelegenheit im Rahmen der ihn treffenden Mitwirkungspflicht - nicht gelungen nachzuweisen, dass in seiner Person, in seinem beruflichen Aufgabenbereich, ein Bedarf zum Führen genehmigungspflichtiger Schusswaffen gegeben sei.
Er habe nämlich weder dargelegt noch behauptet, bis dato jemals Ziel einer besonderen Bedrohung gewesen zu sein und damit nicht in substanzieller Weise dartun können, woraus er eine besondere Gefahrenlage ableite, der am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden könne.
13 Hingegen erweise sich die Beschwerde, was die Ermessensentscheidung nach § 21 Abs. 2 zweiter Satz WaffG anlange, als berechtigt:
Die Voraussetzung des § 6 der 2. WaffVO, wonach das der Behörde in § 21 Abs. 2 WaffG eingeräumte Ermessen nur im Rahmen privater Interessen geübt werden dürfe, die einem Bedarf iSd § 22 Abs. 2 WaffG nahekommen, liege im Fall des Mitbeteiligten zweifelsfrei vor. Dieser gehöre - als Mitglied einer militärischen Spezialeinheit - mit Sicherheit zu den am besten ausgebildeten, im Umgang mit Schusswaffen erfahrensten Spezialisten, die durch jahrelange Ausbildung darauf trainiert seien, mittels Schusswaffengebrauch insbesondere Notwehr- und Nothilfesituationen rasch und wirkungsvoll - ohne bedeutende Kollateralschäden - zu lösen. Gerade diese Personengruppe sei aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit sowie beruflichen Nähe zu Personen mit erhöhtem Gewaltpotential besonderen Gefahren auch im Inland ausgesetzt, denen mit Waffengewalt zweckmäßig begegnet werden könne.
Somit befinde sich der Mitbeteiligte „unter Bedachtnahme auf seine subjektive berufliche Situation, Ausbildung und seinen dienstlichen Aufgabenbereich auch im Ausland in einer mit dem in § 22 Abs. 2 Z 2 bis 4 WaffG aufgezählten Personenkreis durchaus vergleichbaren Situation“.
Dieser in § 22 Abs. 2 Z 2 bis 4 WaffG genannte Personenkreis - Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, Angehörige der Militärpolizei und Angehörige der Justizwache - verfüge allerdings keinesfalls über eine so „spezielle, wirkungsvolle, sachkundige Ausbildung und Übung im Umgang mit Waffen wie ein Antiterrorspezialist des Jagdkommandos“.
Diese Schlussfolgerung sei auch deshalb zwingend, weil der Verwaltungsgerichtshof „in seinem Erkenntnis vom 30. Juni 2021, Ra 2021/03/0114“, ausgeführt habe, es würden „keine zwingenden öffentlichen Interessen verletzt werden, wenn ein Antiterrorspezialist des Jagdkommandos Schusswaffen in der Öffentlichkeit führt“.
Es wäre somit - auch unter Berücksichtigung der authentischen Interpretation der Bestimmung des § 22 WaffG und der Absicht des Gesetzgebers - völlig lebensfremd, gerade diesen in Österreich bestausgebildeten Personen einen Waffenpass der Kategorie B zu versagen. Dies würde bedeuten, das der Behörde eingeräumte Ermessen „in gesetzlich unzulässiger Weise zu überhöhen“, das Erlangen eines waffenrechtlichen Dokumentes in unsachlicher Weise zu erschweren und somit verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte des Einzelnen - das Recht auf Freiheit und Sicherheit nach Art. 5 EMRK wie auch das Recht auf Leben nach Art. 2 EMRK - zu verletzen.
Wenn allen Polizisten, Angehörigen der Militärpolizei und der Justizwache („unsubstantiiert“) ein Waffenpass ex lege ohne Bedarfsprüfung zustehe, müsse - im Sinne eines „argumentum a minori ad maius“ - auch dem Mitbeteiligten als Antiterrorspezialist des Jagdkommandos ein Waffenpass zustehen.
„Die in manchen Entscheidungen geäußerte Ansicht“, gemäß § 6 der 2. WaffVO dürfe das in § 21 Abs. 2 WaffG eingeräumte Ermessen nur im Rahmen privater Interessen geübt werden, die einem Bedarf nahekämen, stelle „einen Widerspruch zu dem die Verordnung derogierenden § 10 WaffG dar“.
Überdies lasse sich ein dem Bedarf nahekommendes privates Interesses aus Art. 79 B-VG ableiten, wonach Bundesheerangehörige zu Assistenzleistung von Behörden herangezogen werden können, womit die Soldaten funktionell als Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes tätig würden (Hinweis auf VwGH 27.6.1997, 97/02/0105). Daraus sei ableitbar, dass es sich hiebei nicht mehr um „private“ Interessen handle.
Aufgrund der beruflichen Tätigkeit und der einschlägigen speziellen Ausbildung des Mitbeteiligten sei davon auszugehen, dass dieser bei einem gefährlichen Angriff auf seine Person oder im Rahmen der zu leistenden Nothilfe mit einer Waffe der Kategorie B so schusssicher umgehen könne, dass das öffentliche Interesse an der Abwehr der mit dem Gebrauch von Waffen verbundenen Gefahr keinesfalls beeinträchtigt würde; vielmehr könnte dadurch, ganz im Gegenteil, die öffentliche Sicherheit gewährleistet werden.
Die Vorgabe des § 10 WaffG 1996, wonach bei der Anwendung einer im WaffG enthaltenen Ermessensbestimmung private Rechte und Interessen nur insoweit zu berücksichtigen seien, als dies ohne unverhältnismäßige Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses, das an der Abwehr der mit dem Gebrauch von Waffen verbundenen Gefahr besteht, möglich sei, werde im vorliegenden Fall erfüllt.
Wenn sogar bei der Glaubhaftmachung des viel strengeren Begriffes des Bedarfes an der Ausstellung eines Waffenpasses kein überspitzter Beurteilungsmaßstab anzulegen sei (Hinweis auf VwGH 18.7.2002, 98/20/0563), müsse dies umso mehr für glaubhaft gemachte, nicht nur private Interessen gelten.
Es sei daher - im Sinne einer Ermessensübung nach § 21 Abs. 2 letzter Satz WaffG iVm § 6 2. WaffVO - dem Mitbeteiligten die Bewilligung zur Ausstellung eines Waffenpasses zu erteilen gewesen, wobei die Anzahl der Schusswaffen der Kategorie B mit zwei Stück festgesetzt werde (§ 23 Abs. 2 WaffG).
14 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision der BH, die zu ihrer Zulässigkeit und in der Sache (zusammengefasst) vorbringt, das angefochtene Erkenntnis weiche von der (näher zitierten) Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu den Grenzen des behördlichen Ermessens bei der Entscheidung über Anträge auf Ausstellung von Waffenpässen ab.
15 Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die Revision zurück- bzw. abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision erwogen:
16 Die Revision ist aus dem von ihr geltend gemachten Grund zulässig; sie ist auch begründet.
17 Der vorliegende Revisionsfall gleicht in den entscheidenden Gesichtspunkten jenem (ebenfalls den Antrag eines Angehörigen des Jagdkommandos auf Ausstellung eines Waffenpasses betreffenden), über den der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 16. November 2021, Ra 2021/03/0114, entschieden hat.
18 Auch im nun vorliegenden Fall hat die Behörde einen waffenrechtlichen Bedarf an der Ausstellung eines Waffenpasses verneint und eine für den Antragsteller negative Ermessensentscheidung nach § 21 Abs. 2 letzter Satz WaffG getroffen. Demgegenüber hat das Verwaltungsgericht zwar die Verneinung eines Bedarfs iSd § 22 Abs. 2 WaffG bestätigt, aber die Ermessensentscheidung der belangten Behörde dahin abgeändert, dass - als Ergebnis einer positiven Ermessensübung - dem Mitbeteiligten ein Waffenpass ausgestellt werde.
Dem tritt die Revision insofern entgegen, als sie geltend macht, die verwaltungsgerichtliche Entscheidung habe den Maßstab bei der Ermessensprüfung verfehlt, weil danach entscheidend sei, ob die geltend gemachten (privaten) Interessen einem Bedarf nahekämen. Hingegen vertritt der Mitbeteiligte in der Revisionsbeantwortung die Auffassung, es bestehe schon ein waffenrechtlicher Bedarf; zudem sei die verwaltungsgerichtliche Ermessensentscheidung zutreffend zu seinen Gunsten ausgegangen.
19 Vor diesem Hintergrund ist zunächst, was die maßgebliche Rechtslage hinsichtlich der Ausstellung eines Waffenpasses anlangt, gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das Erkenntnis vom 16. November 2021, Ra 2021/03/0114, zu verweisen. Folgendes ist hervorzuheben:
20 § 21 Abs. 2 erster Satz WaffG fordert (neben anderen, im Revisionsfall nicht strittigen Voraussetzungen) für die Ausstellung eines Waffenpasses den Nachweis eines Bedarfs zum Führen von Schusswaffen der Kategorie B; kann ein solcher Bedarf nicht nachgewiesen werden, liegt nach § 22 Abs. 2 zweiter Satz WaffG die Ausstellung eines Waffenpasses im Ermessen der Behörde.
21 Ein Bedarf im Sinne des § 21 Abs. 2 WaffG ist in den in § 22 Abs. 2 Z 1 bis 4 genannten Fällen „jedenfalls als gegeben anzunehmen“, also dann, wenn der Waffenpasswerber glaubhaft macht, dass er außerhalb von Wohn- oder Betriebsräumen oder seiner eingefriedeten Liegenschaften besonderen Gefahren ausgesetzt ist, denen am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden kann (Z 1) oder es sich bei ihm um ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder einen Angehörigen der Militärpolizei oder der Justizwache (Z 2 bis 4) handelt.
22 Nach der ständigen, gefestigten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist es allein Sache des Waffenpasswerbers, das Vorliegen eines Bedarfes zum Führen genehmigungspflichtiger Schusswaffen nachzuweisen und im Anwendungsbereich des § 22 Abs. 2 WaffG die dort geforderte besondere Gefahrenlage, der am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden kann, glaubhaft zu machen. Der Waffenpasswerber hat daher im Verwaltungsverfahren konkret und in substanzieller Weise im Einzelnen darzutun, woraus er für seine Person die geforderte besondere Gefahrenlage ableite, dass diese Gefahr für ihn gleichsam zwangsläufig erwachse und dass es sich hierbei um eine solche qualifizierte Gefahr handle, der am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden könne. Bloße Vermutungen und Befürchtungen einer möglichen Bedrohung reichen zur Dartuung einer Gefährdung nicht aus, solange sich Verdachtsgründe nicht derart verdichten, dass sich schlüssig eine konkrete Gefährdung ergibt. Es reicht also nicht aus, dass in bestimmten Situationen das Führen einer genehmigungspflichtigen Schusswaffe zweckmäßig sein kann, vielmehr ist zum einen glaubhaft zu machen, dass in derartigen Situationen eine solche Waffe geradezu erforderlich ist und dass auf andere Weise der Bedarf nicht befriedigt, das bedarfsbegründende Ziel nicht erreicht werden kann; zum anderen ist erforderlich, dass der Antragsteller selbst mit einer hohen Wahrscheinlichkeit in die bedarfsbegründende Situation kommt (vgl. z.B. VwGH 5.10.2021, Ra 2021/03/0089, VwGH 1.9.2021, Ra 2021/03/0141, VwGH 9.8.2021, Ra 2021/03/0127, VwGH 7.7.2021, Ra 2019/03/0059, je mwN).
23 Das Verwaltungsgericht hat, wie oben dargestellt, verneint, dass die danach maßgeblichen Voraussetzungen im Revisionsfall erfüllt wären.
24 Soweit der Mitbeteiligte dagegen (in der Revisionsbeantwortung) ins Treffen führt, auf ihn sei die Regelung des § 22 Abs. 2 Z 2 bis 4 WaffG zumindest analog anzuwenden, reicht gemäß § 43 Abs. 2 VwGG zur Begründung, dass dieses Vorbringen unbegründet ist, ein Verweis auf die Entscheidungsgründe von VwGH 16.11.2021, Ra 2021/03/0114 (vgl. insb. Rz. 47f und Rz. 66).
25 Ebensowenig zielführend ist das in der Revisionsbeantwortung (wie schon im verwaltungsbehördlichen und -gerichtlichen Verfahren) unter Hinweis auf § 32 ADV erstattete Vorbringen, ein Bedarf am Führen einer Schusswaffe der Kategorie B und damit ein Recht auf Ausstellung eines Waffenpasses sei schon deshalb gegeben, weil ansonsten der Weg zur Kaserne bzw. zum sonstigen Einsatzort im Fall einer Alarmierung unbewaffnet zurückgelegt werden müsste (als Berufssoldat dürfe der Mitbeteiligte - außerhalb des Dienstes - keine Dienstwaffen bei sich haben): § 32 ADV verpflichtet den Soldaten im Fall einer Alarmierung zum sofortigen Einrücken zur Truppe bzw. zur Meldung bei der nächsten militärischen Dienststelle; diese Bestimmung verpflichtet den Soldaten - anders als gegebenenfalls § 1 Abs. 3 der Richtlinien-Verordnung die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes - aber nicht dazu, außerhalb des Dienstes einzuschreiten (vgl. VwGH 31.1.2017, Ra 2016/03/0010).
26 Gleiches gilt für die Argumentation der Revisionsbeantwortung, aufgrund der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan verfügten diese nunmehr über „alle Daten“ betreffend die Identität der dort - wie der Mitbeteiligte - eingesetzten ausländischen Soldaten: Abgesehen davon, dass schon diese Prämisse spekulativ ist, wird damit nicht dargelegt, dass deshalb eine konkrete, signifikant erhöhte Gefahr eines zweckmäßigerweise mit Waffengewalt abzuwehrenden Angriffs gegen den Mitbeteiligten in Österreich außerhalb seine beruflichen Tätigkeit bestünde.
27 Das Verwaltungsgericht hat daher zu Recht das Vorliegen eines Bedarfs zum Führen von Schusswaffen der Kategorie B verneint, und war deshalb - wie schon die belangte Behörde - verpflichtet, noch gesondert zu prüfen, ob nicht im Wege des § 10 iVm § 21 Abs. 2 letzter Satz WaffG, also im Rahmen einer Ermessensentscheidung, ein Waffenpass auszustellen ist.
28 Hierfür sind nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs folgende Grundsätze maßgebend:
29 Ausgehend von § 10 WaffG, wonach bei der Anwendung der in diesem Bundesgesetz enthaltenen Ermessensbestimmungen private Rechte und Interessen nur insoweit zu berücksichtigen sind, als dies ohne unverhältnismäßige Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses, das an der Abwehr der mit dem Gebrauch von Waffen verbundenen Gefahr besteht, möglich ist, und von § 6 der 2. WaffV, wonach das der Behörde in § 21 Abs. 2 WaffG eingeräumte Ermessen nur im Rahmen privater Interessen geübt werden darf, die einem Bedarf (§ 22 Abs. 2 WaffG) nahekommen, ist im Rahmen dieser Ermessensentscheidung ein strenger Maßstab anzulegen, der sich aus dem hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interesse an der Abwehr der mit dem Gebrauch von Waffen verbundenen Gefahren ergibt. Dies verlangt konsequenterweise auch eine restriktive Handhabung der Ermessensbestimmung in § 21 Abs. 2 WaffG, sodass eine vom Antragsteller bloß geltend gemachte Zweckmäßigkeit einem Bedarf im Sinne des § 22 Abs. 2 WaffG nicht nahekommen kann und damit im Lichte des § 6 der 2. WaffV dann kein privates Interesse gegeben ist, welches die Ausstellung eines Waffenpasses rechtfertigen könnte; das Ermessen darf daher nur im Rahmen privater Interessen ausgeübt werden, die einem Bedarf nahe kommen. Es trifft daher - entgegen der vom Mitbeteiligten vertretenen Auffassung zur „richtigen waffenrechtlichen Einordnung von Gefährdungslagen“ - nicht zu, dass eine positive Ermessensentscheidung allein daran anknüpft, dass der Antragsteller verlässlich ist, das 21. Lebensjahr vollendet hat und dass keine Tatsachen die Annahme rechtfertigen, er werde einen verfassungsgefährdenden Angriff gemäß § 6 Abs. 2 Polizeiliches Staatsschutzgesetz begehen (ständige Judikatur, vgl. VwGH 1.9.2021, Ra 2021/03/0141, VwGH 9.8.2021, Ra 2021/03/0127, VwGH 7.7.2021, Ra 2019/03/0059, je mwN).
30 Vor dem Hintergrund der schon von Verfassung wegen (vgl. Art. 130 Abs. 3 B-VG) vorgegebenen Zuständigkeitsverteilung zwischen Behörde und Verwaltungsgericht, wonach Rechtswidrigkeit nicht vorliegt, soweit das Gesetz der Verwaltungsbehörde Ermessen einräumt und sie dieses im Sinne des Gesetzes geübt hat, hatte das Verwaltungsgericht im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht die Richtigkeit der behördlichen Ermessensübung zu prüfen, sondern nur, ob die belangte Behörde alle für die Entscheidung wesentlichen tatsächlichen Umstände unter Einhaltung der maßgebenden Verfahrensvorschriften ermittelt und berücksichtigt hat oder ob sie die Grenzen des ihr gesetzlich eingeräumten Ermessensbereichs überschritten bzw. ihr Ermessen missbräuchlich ausgeübt hat (vgl. - neben VwGH Ra 2021/03/0114 - VwGH 7.7.2021, Ra 2019/03/0059, VwGH 26.4.2016, Ro 2014/03/0084, VwGH 1.3.2016, Ra 2015/11/0106, VwGH 24.5.2012, 2011/03/0076).
31 Die belangte Behörde hat ihrer Ermessensentscheidung - nach dem oben unter Rz. 29 Gesagten zutreffend - zu Grunde gelegt, dass entsprechend § 10 WaffG bei der erforderlichen Abwägung private Rechte und Interessen nur insoweit zu berücksichtigen sind, als dies ohne unverhältnismäßige Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses, das an der Abwehr der mit dem Gebrauch von Waffen verbundenen Gefahr besteht, möglich ist, dass die Ermessensübung restriktiv zu handzuhaben ist und dass eine bloße Zweckmäßigkeit einem Bedarf iSd § 22 Abs. 2 WaffG nicht nahe kommt. Ihre für den Mitbeteiligten negative Ermessensentscheidung war im Wesentlichen davon geleitet, dass die vom Mitbeteiligten geltend gemachten Gründe einem Bedarf iSd § 22 Abs. 2 WaffG nicht nahe kämen: Seine berufliche Tätigkeit begründe keine erhöhte Gefährdung der persönlichen Sicherheit außerhalb des Dienstes. Auch die von ihm geltend gemachte Erhöhung der allgemeinen Sicherheit durch Bewaffnung von Antiterrorspezialisten des Jagdkommandos auch außer Dienst könne allenfalls eine bloße Zweckmäßigkeit begründen, die aber keinesfalls einem Bedarf iSd § 22 Abs. 2 WaffG nahekomme und deshalb eine positive Ermessensentscheidung nicht begründen könne.
32 Damit wurden von der belangten Behörde die entscheidenden Gesichtspunkte für die getroffene Ermessensentscheidung aufgezeigt.
33 Dass die behördliche Ermessensentscheidung Mängel aufgewiesen hätte, die das Verwaltungsgericht berechtigt (und verpflichtet) hätten, in eine eigene Ermessensentscheidung einzutreten, wurde in der Beschwerde des Mitbeteiligten nicht dargelegt. Schon deshalb hat es seine Entscheidung mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.
34 Im Übrigen ist - neuerlich - auf das Erkenntnis vom 16. November 2021, Ra 2021/03/0114, zu verweisen, in dem der Verwaltungsgerichtshof in einem mit dem nunmehrigen Revisionsfall vergleichbaren Fall eines Angehörigen des Jagdkommandos die für den Antragsteller positive Ermessensentscheidung eines Verwaltungsgericht als nicht dem Gesetz entsprechend beurteilt hat: Solange keine konkrete, signifikant erhöhte Gefahr eines Angriffs gegen ein Mitglied des Jagdkommandos außerhalb dessen beruflicher Tätigkeit dargelegt wird und nur theoretische Bedrohungs- oder Gefährdungsszenarien angesprochen werden, die nicht darlegen, dass sich die Situation des betreffenden Antragstellers von der anderer Angehöriger des Jagdkommandos abhebt, kann ein einem Bedarf nahekommendes privates Interesse eines Jagdkommandoangehörigen am Führen einer Schusswaffe nicht begründet werden.
35 In diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof zudem ausgeführt, dass mit Blick auf Ausbildung und Erfahrung der Jagdkommandoangehörigen das Risiko einer allenfalls unsachgemäßen Handhabung der Waffe allenfalls gering sein möge. Damit wurde im Übrigen, anders als vom Verwaltungsgericht vermeint, im Beschluss vom 30. Juni 2021, Ra 2021/03/0114, über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung auch begründet, warum nicht zu erkennen sei, dass einer gegebenenfalls (nämlich für den Fall, dass der Revision Folge zu geben wäre) nur kurzfristig aufrechten Bewilligung, Schusswaffen der Kategorie B führen zu dürfen, für die Dauer des Hauptverfahrens zwingende öffentliche Interessen iSd § 30 Abs. 2 VwGG entgegenstünden.
Gleichzeitig hat der Verwaltungsgerichtshof aber auch festgehalten, dass bei Einschreiten eines nicht im Dienst befindlichen, aber (privat) eine Schusswaffe führenden Angehörigen des Jagdkommandos in den vom Antragsteller geltend gemachten Situationen eines gefährlichen terroristischen Angriffs ein weiteres, zusätzliches (und im Rahmen der Ermessensübung zu gewichtendes) Gefahrenelement hinzukäme: Ein derart gleichfalls von der Schusswaffe Gebrauchmachender wäre für rechtmäßig einschreitende Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes nicht (sofort) als Angehöriger des Jagdkommandos zu erkennen, was zumindest die Gefahr von Missverständnissen bzw. Verwechslungen mit sich brächte.
Ausgehend davon erweist sich im Übrigen auch der Hinweis des Verwaltungsgerichts auf Art. 79 Abs. 2 B-VG als nicht zielführend, zumal diese verfassungsrechtliche Bestimmung eine Inanspruchnahme der Mitwirkung des Bundesheeres durch die „gesetzmäßige zivile Gewalt“ voraussetzt, wodurch sich ein solcher Fall grundlegend von der dem Verwaltungsgericht offenbar vorschwebenden Situation unterscheidet und diese derart ein öffentliches Interesse an der Ausstellung eines Waffenpasses für eine Einzelperson nicht zu begründen vermag. Dabei ist auch zu bedenken, dass im Rahmen eines an das Bundesheer gerichteten Ersuchens im Grunde des Art. 79 Abs. 2 B-VG Vorsorge für die Hintanhaltung der genannten Verwechslungsgefahr getroffen werden kann.
Der österreichische Gesetzgeber hat sich mit den restriktiven Regelungen im WaffG dafür entschieden, dass nur bei Nachweis der gesetzlichen Voraussetzungen ein Waffenpass ausgestellt wird und damit für Private die Möglichkeit besteht, im öffentlichen Raum eine Schusswaffe zu führen. Entgegen der Auffassung des Mitbeteiligten ist also nicht für alle „qualifizierten Bürger“ - offenbar gemeint alle Menschen, die verlässlich sind und mit einer Schusswaffe gut umgehen können - im Rahmen der Ermessensentscheidung ein Waffenpass auszustellen.
36 Nach dem Gesagten hat das Verwaltungsgericht, indem es in Abweichung von den Leitlinien der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs eine positive Ermessensentscheidung getroffen und der Beschwerde stattgegeben hat, das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, sodass der Revision Folge zu geben war.
37 Gemäß § 42 Abs. 4 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof in der Sache selbst entscheiden, wenn sie entscheidungsreif ist und die Entscheidung in der Sache selbst im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit und Kostenersparnis liegt. Ein solcher Fall liegt - auch - hier vor:
38 Auf Basis des oben wiedergegebenen Vorbringens des Mitbeteiligten, dessen Sache allein es war, als Waffenpasswerber jene Umstände nachzuweisen, auf die er seinen Antrag gegründet wissen wollte (vgl. VwGH 11.10.2021, Ra 2021/03/0165), kann nach dem Gesagten weder ein Bedarf iSd § 22 Abs. 2 WaffG bejaht werden noch ist die negative Ermessensentscheidung iSd § 21 Abs. 2 letzter Satz WaffG der belangten Behörde zu korrigieren.
39 Das angefochtene Erkenntnis war daher dahin abzuändern, dass die Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde abgewiesen wird.
40 Von der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof war gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abzusehen, weil das Verwaltungsgericht, ein Tribunal im Sinne der EMRK bzw. ein Gericht im Sinne des Art. 47 GRC, eine mündliche Verhandlung durchgeführt hat.
Wien, am 10. Februar 2022
Schlagworte
Ermessen VwRallg8European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021030291.L00Im RIS seit
07.03.2022Zuletzt aktualisiert am
22.03.2022