Index
10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
VStG §27 Abs1Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie die Hofräte Dr. Lehofer, Mag. Nedwed, Mag. Samm und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der B GmbH in W, vertreten durch die Neger/Ulm Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Parkstraße 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 10. Mai 2021, Zl. LVwG 41.29-1193/2021-2, betreffend Ansprüche nach dem Epidemiegesetz 1950 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Weiz), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 21. Jänner 2021 wurde der Antrag der Revisionswerberin auf Vergütung ihres Verdienstentgangs nach § 32 Epidemiegesetz 1950 (EpiG) abgewiesen, weil keine Betriebsbeschränkung oder Betriebssperre im Sinne des § 20 EpiG, weder bescheidmäßig noch per Verordnung, vorgelegen sei.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerberin als unbegründet ab und erklärte eine Revision dagegen für nicht zulässig.
3 In der Begründung hielt das Verwaltungsgericht fest, dass die Revisionswerberin „beim Magistrat Graz“ am 19. Mai 2020 einen Antrag auf Vergütung des für den Zeitraum vom 16. März 2020 bis 30. April 2020 erlittenen Verdienstentgangs gemäß § 32 EpiG gestellt habe, welcher der belangten Behörde mit E-Mail vom 24. Mai 2020 zuständigkeitshalber weitergeleitet worden sei, weil sich der Firmensitz des Unternehmens in deren Sprengel befinde.
Feststellungen zum Gegenstand oder Standort des Betriebs, auf den sich der Vergütungsantrag der Revisionswerberin bezieht, enthält das Erkenntnis nicht.
Die Abweisung der Beschwerde begründete das Verwaltungsgericht damit, dass ein Anspruch auf Vergütung des Verdienstentgangs nach § 32 EpiG auf Grund einer Behinderung des Erwerbs der Revisionswerberin voraussetze, dass entweder ein gemäß § 20 EpiG im Betrieb beschränktes oder gesperrtes Unternehmen vorliege (§ 32 Abs. 1 Z 5 EpiG) oder ein Unternehmen in einer Ortschaft betrieben werde, über welches gemäß § 24 EpiG Verkehrsbeschränkungen verhängt worden seien. Keine dieser Voraussetzungen liege vor, sodass für die Revisionswerberin kein solcher Anspruch bestehe.
4 Gegen dieses Erkenntnis hat die Revisionswerberin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben, der deren Behandlung mit Beschluss vom 24. Juni 2021, E 2394/2021-5, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zu Entscheidung abgetreten hat.
5 Daraufhin wurde die vorliegende außerordentliche Revision eingebracht, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, das Verwaltungsgericht hätte nicht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung absehen dürfen und es habe die örtliche Zuständigkeit der belangten Behörde implizit bejaht, obwohl diese nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs nicht vorgelegen sei.
6 Nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof wurde keine Revisionsbeantwortung erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
7 Die Revision ist im Hinblick auf das zur Zuständigkeit der belangten Behörde erstattete Vorbringen zulässig und auch begründet.
8 Der Anspruch auf Vergütung des Verdienstentgangs gemäß § 32 EpiG ist sowohl gemäß dem bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung in Geltung stehenden § 33 EpiG als auch nach der mit BGBl. I Nr. 62/2020 mit Wirkung vom 8. Juli 2020 eingefügten Sonderbestimmung für die Dauer der Pandemie mit SARS-CoV-2 nach § 49 Abs. 1 EpiG bei der Bezirksverwaltungsbehörde, in deren Bereich die betreffenden Maßnahmen getroffen wurden, geltend zu machen.
9 Nach der gefestigten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist die Bestimmung des § 3 AVG ausgehend von ihrer Subsidiarität angesichts der ausdrücklichen Regelung des § 33 bzw. § 49 EpiG hinsichtlich der Zuständigkeit für Ansprüche nach § 32 EpiG nicht anwendbar. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der nach § 32 EpiG geltend gemachte Anspruch zu Recht besteht, sondern lediglich darauf, ob ein Anspruch nach dieser Bestimmung behauptet wird. Gemäß § 33 bzw. § 49 EpiG ist zur Entscheidung über auf § 32 EpiG gestützte Ansprüche jene Bezirksverwaltungsbehörde zuständig, in deren Bereich „diese Maßnahmen getroffen wurden“, in deren örtlichen Wirkungsbereich die betreffende Maßnahme also faktisch umgesetzt wird, während es nicht darauf ankommt, wo der Sitz eines Unternehmens liegt oder die Behörde, welche die betreffende Maßnahme erlassen hat, ihren Sitz hat (VwGH 22.4.2021, Ra 2021/09/0005; 9.6.2021, Ro 2021/03/0004; 28.10.2021, Ro 2021/09/0029).
10 Die Revisionswerberin bringt vor, dass sie Liegenschaften an Dritte vermiete, in welcher die Mieter ihre Geschäftstätigkeit betrieben. Auf Grund näher dargestellter Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 hätten diese ihre Handelsbetriebe nicht führen können und hätten daher keine oder nur eingeschränkte Mietzinse und Betriebskosten bezahlt. Darin liege der geltend gemachte Verdienstentgang. Die „vom Betriebsverbot erfasste Betriebsstätte“ befinde sich in Graz. Die Revisionswerberin habe ihren Antrag daher sowohl an den Bürgermeister der Stadt Graz als auch (in weiterer Folge) an die für ihren Sitz örtlich zuständige belangte Behörde gerichtet.
11 Nach § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung zu überprüfen.
12 Hat eine unzuständige Behörde entschieden, so hat das mit Beschwerde angerufene Verwaltungsgericht diese Unzuständigkeit wahrzunehmen und die Entscheidung zu beheben. Eine anstelle dessen erfolgte Entscheidung des Verwaltungsgerichtes in der Sache belastet diese mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes (VwGH 10.6.2015, Ra 2015/11/0005, 0006). Die Wahrnehmung der Unzuständigkeit der belangten Behörde hat unabhängig davon zu erfolgen, ob der Rechtsmittelwerber dies im Verfahren eingewendet oder in der Beschwerde releviert hat (vgl. VwGH 25.5.2016, Ra 2015/06/0095).
13 Das Verwaltungsgericht hat ausgehend von der von ihm erkennbar geteilten, jedoch unzutreffenden Rechtsansicht, dass sich die örtliche Zuständigkeit für die Entscheidung über den Antrag der Revisionswerberin nach deren Sitz richte, keine Feststellungen zur Lage jenes Ortes getroffen, an dem sich die behördlichen Maßnahmen ausgewirkt haben, auf die der Vergütungsanspruch gestützt wird. Es hat damit sein Erkenntnis in der - von ihm amtswegig zu prüfenden - Frage der Zuständigkeit der belangten Behörde mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
14 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben, ohne dass auf das weitere Revisionsvorbringen einzugehen war.
15 Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 10. Februar 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021030281.L00Im RIS seit
07.03.2022Zuletzt aktualisiert am
26.04.2022