Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde
1.) des FP, 2.) der MP, beide in L, beide vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 19. Juni 1995, Zl. Ge -441545/23 - 1995/Sch/Th, betreffend Verfahren gemäß § 81 GewO 1994 (mitbeteiligte Partei: X-Gesellschaft m.b.H. in E, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in S), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und an die mitbeteiligte Partei S 12.980,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 19. Juni 1995 wurde der mitbeteiligten Partei über deren Antrag die gewerbebehördliche Genehmigung zur Änderung ihrer Betriebsanlage durch Errichtung und Betrieb eines Abstellplatzes für 13 betriebseigene Lastkraftwagen an einem näher bezeichneten Standort unter Vorschreibung einer Reihe von Auflagen gemäß § 81 Abs. 1 i.V.m. § 77 und § 74 ff und § 59 GewO 1994 erteilt. Zur Begründung führte der Landeshauptmann nach Darstellung des Verfahrensganges und des Inhaltes der maßgeblichen Rechtsvorschriften zusammengefaßt aus, die vorliegenden Ermittlungsergebnisse ließen erwarten, daß eine Gefährdung der Gesundheit der Nachbarn wie auch des Eigentums an Nachbargrundstücken durch die von der in Rede stehenden Betriebsanlage ausgehenden Immissionen vermieden werde und daß die Lärm- und Geruchsbelästigungen bei Errichtung einer Lärmschutzwand und bei Einhaltung der zusätzlich vorgeschriebenen Auflagen nicht als unzumutbar zu werten seien.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Auch die mitbeteiligte Partei beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachten sich die Beschwerdeführer in den aus der Gewerbeordnung erfließenden Nachbarrechten verletzt. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes machen sie eine Verletzung des Parteiengehörs mit dem Vorbringen geltend, die Augenscheinsverhandlung erster Instanz vom 18. Jänner 1994 sei vertagt; in der Folge dann aber ohne Durchführung einer neuerlichen mündlichen Verhandlung mit Verfahrensanordnung vom 25. Juli 1994 geschlossen worden. Das Areal der in Rede stehenden Betriebsanlage werde für wesentlich umfangreichere Tätigkeiten benützt, als in dem dem gegenständlichen Verfahren zugrundeliegenden Antrag dargestellt. Dies hätte die belangte Behörde bei Beurteilung der auf die Liegenschaft der Beschwerdeführer einwirkenden Immissionen berücksichtigen müssen. Die belangte Behörde habe in der Begründung ihres angefochtenen Bescheides auch den Inhalt des medizinischen Gutachtens vom 18. Mai 1995 nicht richtig und somit aktenwidrig wiedergegeben, sodaß sie auch in der Beurteilung der den Beschwerdeführern drohenden Gesundheitsgefährdung zu einem unrichtigen Ergebnis gelangt sei. Die von der in Rede stehenden Betriebsanlage ausgehenden Lärmimmissionen seien (in näher dargestellter Weise) nicht ordnungsgemäß festgestellt worden. Auch bei Ermittlung der von der Betriebsanlage ausgehenden Geruchs- und Abgasimmissionen seien der belangten Behörde Mängel unterlaufen. Schließlich habe die belangte Behörde in unzulässiger Weise für die Erfüllung einer Auflage eine Frist gesetzt.
Gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde (§§ 333, 334, 335) errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind, Z. 1: das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des Arbeitnehmerschutzgesetzes BGBl. Nr. 234/1972, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden. ...
Z. 2: Die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen, ...
Nach § 75 Abs. 2 GewO 1994 sind Nachbarn im Sinne dieses Bundesgesetzes alle Personen, die durch die Errichtung, den Bestand oder den Betrieb einer Betriebsanlage gefährdet oder belästigt oder deren Eigentum oder sonstige dingliche Rechte gefährdet werden könnten. Als Nachbarn gelten nicht Personen, die sich vorübergehend in der Nähe der Betriebsanlage aufhalten und nicht im Sinne des vorigen Satzes dinglich berechtigt sind.
...
Gemäß § 81 Abs. 1 GewO 1994 bedarf, wenn es zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 leg. cit. umschriebenen Interessen erforderlich ist, auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang in ständiger Rechtsprechung dargetan hat, haben die Eigentümer und sonstigen dinglich Berechtigten das im § 75 Abs. 2 zweiter Satz, erster Satzteil GewO 1994 normierte Erfordernis des nicht bloß vorübergehenden Aufenthaltes im Nahebereich der Betriebsanlage zwar nicht zu erfüllen; der Eigentümer oder sonstige dinglich Berechtigte kann aber den seine Person betreffenden Nachbarschutz nur bei Zutreffen der im § 75 Abs. 2 erster Satz, erster Satzteil, leg. cit. enthaltene Merkmale und daher jedenfalls nur unter Berufung auf Sachverhaltsumstände geltend machen, die den Eintritt einer - persönlichen - Gefährdung oder Belästigung in Hinsicht auf einen, wenn auch nur vorübergehenden Aufenthalt überhaupt möglich erscheinen lassen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 1995, Zl. 95/04/0116). Das bei Geltendmachung einer persönlichen Gefährdung oder Belästigung von den Nachbarn zu erfüllende Erfordernis des nicht bloß vorübergehenden Aufenthaltes, ist jedenfalls dann nicht gegeben, wenn ihr Aufenthalt nicht durch die Rechtsordnung gedeckt ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1991, Zl. 91/04/0004).
Im vorliegenden Fall ist die allein den Gegenstand des Beschwerdevorbringens bildende behauptete persönliche Gefährdung oder Belästigung der Beschwerdeführer durch die von der in Rede stehenden Betriebsanlage ausgehenden Immissionen nach den dem Verwaltungsgerichtshof vorliegenden Verfahrensergebnissen dadurch bedingt, daß die Beschwerdeführer auf ihrer, der Betriebsliegenschaft benachbarten Liegenschaft wohnen. In den Verwaltungsakten erliegt ein Schreiben des Bürgermeisters der Marktgemeinde L vom 22. Mai 1995, mit welchem dieser der belangten Behörde über deren Anfrage mitteilt, "daß mit Bescheid vom 27. Dezember 1983, Zl. Bau 600-9-51/1983, die Baubewilligung für das errichtete Wohnhaus der Familie P erteilt wurde. Eine Kollaudierungsverhandlung fand am 5. Juni 1992 statt. Die Benützungsbewilligung wurde jedoch nicht erteilt, da die Heizungsanlage nicht den gesetzlichen Vorschriften enspricht".
Der Verwaltungsgerichtshof hat daher mit Beschluß vom 23. April 1996 den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens mitgeteilt, daß er im Hinblick auf diese Mitteilung das Bedenken hege, der ständige Aufenthalt der Beschwerdeführer in ihrem Wohnhaus könnte sich als rechtswidrig erweisen. Ausgehend von der dargestellten Rechtslage würde dies bedeuten, daß die Beschwerdeführer schon mangels einer auf rechtmäßigem Verhalten basierenden persönlichen Gefährdung oder Belästigung nicht als im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 und 2 GewO 1994 gefährdet oder belästigt anzusehen wären, was zur Abweisung der Beschwerde zu führen hätte. Es wurde daher den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz VwGG Gelegenheit gegeben, zu dieser Frage innerhalb einer gesetzten Frist Stellung zu nehmen.
Die Beschwerdeführer brachten in ihrer daraufhin ergangenen Stellungnahme vor, es treffe zwar zu, daß im damaligen Zeitpunkt eine Benützungsbewilligung noch nicht ergangen sei, doch sei ihnen diese mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde L vom 26. Februar 1996 (Rechtskraftbestätigung vom 4. Juli 1996) erteilt worden. Zur Verzögerung sei es aus Gründen gekommen, die in den Verhältnissen der Gemeindeverwaltung der Gemeinde L ihre Ursache gehabt hätten.
Die belangte Behörde wies in ihrer Stellungnahme darauf hin, daß ihr der Bürgermeister der Marktgemeinde L mit Schreiben vom 30. Mai 1996 mitgeteilt habe, für das in Rede stehende Wohnhaus sei die Benützungsbewilligung mit Bescheid vom 26. Februar 1996 erteilt worden.
Auch die mitbeteiligte Partei bestätigte die Erlassung der Benützungsbewilligung für das in Rede stehende Wohnhaus erst mit Bescheid vom 26. Februar 1996 und wies darauf hin, daß somit zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides sowie auch des Einlangens der Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof eine solche Benützungsbewilligung fehlte, weshalb der Aufenthalt der Beschwerdeführer auf der gegenständlichen Liegenschaft während des gesamten Verfahrens nicht durch die Rechtsordnung gedeckt und somit rechtswidrig gewesen sei. Mangels einer auf rechtmäßigem Verhalten beruhenden persönlichen Gefährdung oder Belästigung der Beschwerdeführer zählten diese somit nicht zu dem von den Vorschriften der GewO 1994 geschützten Personenkreis.
Der Verwaltungsgerichtshof geht als Ergebnis dieses Anhörungsverfahrens in sachverhaltsmäßiger Hinsicht davon aus, daß die Benützungsbewilligung für das auf der Liegenschaft der Beschwerdeführer stehende Wohnhaus erst mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde L vom 26. Februar 1996 erteilt wurde. Daraus ergibt sich in rechtlicher Hinsicht, daß bis zur Erlassung dieses Bescheides und damit jedenfalls bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides der tatsächliche ständige Aufenthalt der Beschwerdeführer auf dieser Liegenschaft, wie sich aus § 42 Abs. 3 der Oö. Bauordnung ergibt, der Rechtsordnung widersprach. Daran vermag der von den Beschwerdeführern geltend gemachte Umstand, die tatsächlichen Voraussetzungen für die Erlassung der Benützungsbewilligung seien bereits zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt erfüllt gewesen und es sei nur aus in der Verwaltung der Gemeinde L liegenden Gründen zur verspäteten Erlassung der Benützungsbewilligung gekommen, nichts zu ändern. Damit aber können die Beschwerdeführer nach der oben dargestellten Rechtslage schon wegen des Fehlens eines auf rechtmäßigem Verhalten basierenden Aufenthaltes auf einer der in Rede stehenden Betriebsanlage benachbarten Liegenschaft den in § 74 Abs. 2 Z. 1 und 2 GewO 1994 normierten Nachbarschutz nicht für sich in Anspruch nehmen, sodaß sie auch durch den angefochtenen Bescheid nicht in dem als Beschwerdepunkt geltend gemachten Recht verletzt wurden.
Die Beschwerde war daher schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen, ohne daß es einer weiteren Erörterung des Beschwerdevorbringens bedurfte.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
BGBl. Nr. 416/1994. Das Schriftsatzaufwand betreffende Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei war im Hinblick auf die Pauschalierung des diesbezüglichen Aufwandersatzes in der genannten Verordnung abzuweisen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995040162.X00Im RIS seit
20.11.2000