TE Vwgh Erkenntnis 1996/9/3 95/04/0197

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Veröffentlicht am 03.09.1996
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §10 Abs1;
AVG §37;
AVG §56;
AVG §59 Abs1;
AVG §63 Abs1;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte Dr. Gruber und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde des M in K, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 31. Juli 1995, Zl. Senat-WU-94-154, betreffend Zurückweisung einer Berufung i. A. Übertretung des Maß- und Eichgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung vom 14. Juni 1994, wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma "P-Vertriebsges.m.b.H." in K, A-Straße 17-23, zu verantworten zu haben, daß am 6. Februar 1992 "in der Filiale dieser Firma in L, K-Straße 2, ein eichpflichtiges Meßgerät (elektronische Waage der Marke Sartorius, Type X-1493), bereitgehalten wurde, obwohl es nicht geeicht war". Er habe dadurch gemäß § 10 Abs. 2 i. V.m. § 63 Abs. 1 Maß- und Eichgesetz eine Verwaltungsübertretung begangen.

Mit Schriftsatz vom 29. Juni 1994 wurde eine Berufung mit folgendem Wortlaut erhoben:

"Einschreiter:       P-Vertriebsges.m.b.H.

                     A-Straße 17-23

                     K

vertreten durch:     .....

Vollmacht erteilt

wegen:               Verwaltungsstrafverfahren

BERUFUNG

In umseits rubrizierter Verwaltungsstrafsache erhebe ich gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wien Umgebung vom 14.06.1994, GZ.: 3-8514-93

BERUFUNG.

Das angefochtene Straferkenntnis wird zur Gänze bestritten.

Es ist die unzuständige Behörde eingeschritten. ....

...

Weiters ist nicht ersichtlich, warum gerade mich ein Verschulden treffen soll, da ich ja kein Diplomingenieur bin und deshalb eine Eichung einer Waage nicht überprüfen kann, sondern sich die Firma auf die Angaben des Lieferanten verlassen muß.

...

Weiters ist die mir aufgetragene Strafe zu hoch. Es wurde nicht berücksichtigt, daß ich für meine Frau, sowie für ein minderjähriges Kind sorgepflichtig bin.

Beweis: beiliegender Dienstvertrag vom 01.04.1992

Aus all diesen Gründen stelle ich daher den

ANTRAG,

das oben angefochtene Straferkenntnis zur Gänze aufzuheben.

Wien, 29.06.1994 P-Vertriebsges.m.b.H."

Mit Bescheid vom 31. Juli 1995 wies der Unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich die Berufung als unzulässig zurück. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, in der gegenständlichen Berufung sei als Einschreiter die P-Vertriebsges.m.b.H. angegeben und es finde sich die Anführung dieser Gesellschaft auch am Ende des Schriftsatzes. Da sich im gesamten Schriftsatz auch nicht der Name des Beschuldigten befinde, sei diese Berufung unzweifelhaft der als Einschreiter bezeichneten P-Vertriebsges.m.b.H. zuzurechnen. Diese Gesellschaft habe jedoch in dem gegenständlichen, gegen den Beschwerdeführer geführten Verwaltungsstrafverfahren, keine Parteistellung, sodaß die Berufung der P-Vertriebsges.m.b.H. als unzulässig zurückzuweisen gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete - ebenso wie der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten - eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Vorweg ist zu bemerken, daß der Spruch des vorliegenden Bescheides nicht isoliert betrachtet, sondern im Zusammenhang mit seiner Begründung ausgelegt werden muß. Daraus ergibt sich eindeutig der Bescheidwille der belangten Behörde, die vorliegende Berufung nicht dem Beschwerdeführer, sondern der genannten Gesellschaft m.b.H. zuzurechnen und aus diesem Grund zurückzuweisen. Das bedeutet aber, daß der Spruch des angefochtenen Bescheides auch die Entscheidung darüber enthält, daß die Berufung vom 29. Juni 1994 nicht dem Beschwerdeführer zuzurechnen ist. Dadurch konnte der Beschwerdeführer in einem subjektiven öffentlichen Recht verletzt werden (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19. Dezember 1984, Slg.NF Nr. 11.625/A).

Der Beschwerdeführer bringt vor, die Annahme der belangten Behörde, die Berufung sei nicht dem Beschwerdeführer, sondern der P-Vertriebsgesellschaft m.b.H. zuzurechnen, sei aktenwidrig, weil er mit Eingabe vom 22. Oktober 1993 mitgeteilt habe, daß die Verantwortlichen der Firma M für diese etwaige Verwaltungsübertretung zu haften hätten. Überdies sei die Berufung vom 29. Juni 1994 in Ich-Form ausgeführt und hätte die Behörde allein schon daraus erkennen können, daß tatsächlich der Beschwerdeführer als Einschreiter gemeint gewesen sei. Es widerspreche der allgemeinen Lebenserfahrung und den Denkgrundsätzen, daß eine Gesellschaft für eine Frau sowie ein minderjähriges Kind sorgepflichtig sei. Die Behörde hätte daher bei ordnungsgemäßer Durchführung eines Ermittlungs- bzw. Verwaltungsverfahrens von selbst zur Erkenntnis kommen müssen, daß die Berufung richtigerweise vom Beschwerdeführer gekommen sei. Bei Einhaltung der Verfahrensvorschriften hätte bei Zweifel "die Behörde im Zuge der amtswegigen Berichtigung bzw. zur Wahrheitsfindung die Berufung an mich zur Verbesserung zurückstellen müssen".

Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Ergebnis im Recht:

Für die Annahme, daß die gegenständliche Berufung der P-Vertriebsgesellschaft m.b.H. zuzurechnen sei, spricht, daß in der Berufung als Einschreiterin diese Gesellschaft ausdrücklich genannt wird und auch am Ende des Schriftsatzes angeführt ist. Gegen diese Annahme spricht allerdings, daß die Berufung in der "Ich-Form" abgefaßt ist und zahlreiche persönliche Angaben zur Person des Beschwerdeführers enthält. Weiters spricht für die Annahme, der Beschwerdeführer habe die Berufung im eigenen Namen eingebracht, daß sich das erstinstanzliche Straferkenntnis gegen ihn persönlich gerichtet hat, und nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. Dezember 1982, Zl. 11/2675/79) im Strafverfahren gegen das satzungsgemäß zur Vertretung nach außen berufene Organ einer Gesellschaft, der Gesellschaft keine Parteistellung zukommt. Allerdings lassen diese Umstände ihrerseits auch noch nicht den zwingenden Schluß dahingehend zu, daß die Berufung vom Beschwerdeführer im eigenen Namen erhoben worden sei (vgl. das oben zitierte hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1984).

Im Sinne der im zitierten hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1984 dargelegten Grundsätze, mußte die belangte Behörde sohin Zweifel daran hegen, wem die vorliegende Berufung zuzurechnen ist. Dieser Zweifel war zwar nicht, wie der Beschwerdeführer meint, im Wege eines Auftrages zur Behebung von Formgebrechen gemäß § 13 Abs. 3 AVG auszuräumen. Wohl aber war im vorliegenden Fall die Bestimmung des § 37 AVG anzuwenden, wonach den Parteien im Ermittlungsverfahren Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben ist. Die Behörde ist vielmehr verpflichtet, in einem Zweifelsfall wie dem vorliegenden sich Klarheit darüber zu verschaffen, wer Rechtsmittelwerber ist. Dabei handelt es sich nicht um die Nachholung einer an sich befristeten Prozeßhandlung, sondern um die Klärung des Inhaltes einer zwar rechtzeitigen, jedoch undeutlichen Prozeßhandlung (vgl. nochmals das zitierte hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1984).

Da die belangte Behörde dies unterließ, hat sie Verfahrensvorschriften außer acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben, ohne daß es eines weiteren Eingehens auf das Beschwerdevorbringen bedurfte.

Die Kostenentscheidung gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Grundsätzliches zur Rechtmäßigkeit und zur Rechtsverletzungsmöglichkeit Inhalt des Spruches Anführung des Bescheidadressaten Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Grundsätzliches zur Parteistellung vor dem VwGH Allgemein Vertretungsbefugter juristische Person

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995040197.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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