TE Vwgh Erkenntnis 1996/9/3 96/08/0188

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Veröffentlicht am 03.09.1996
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
82/02 Gesundheitsrecht allgemein;

Norm

AVG §56;
AVG §67a Abs2;
ChemV;
VStG §51 Abs1;
VStG §51c;
VStG §9 Abs2;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Novak und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der P-Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 11. Mai 1993, Zl. UVS-06/26/00392/92, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Verwaltungsstrafsache nach der Chemikalienverordnung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Magistrat der Stadt Wien richtete am 24. August 1992 folgendes Schreiben an die beschwerdeführende Gesellschaft, nachdem in deren Unternehmen vier Produkte als nicht entsprechend den Bestimmungen der Chemikalienverordnung BGBl. Nr. 208/1989 bezeichnet beanstandet worden waren:

"Verwaltungsstrafrechtlicher Verantwortlicher

Aufforderung gemäß § 9 Abs. 2 VStG

Sehr geehrte Damen und Herren

...

Sie werden ersucht, binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Schreibens die - im Sinne der zitierten Bestimmungen - verantwortliche Person (Name, Geburtsdatum und Wohnadresse) für folgenden Sachverhalt bekanntzugeben, widrigenfalls die zur Vertretung nach außen Berufenen verwaltungsstrafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden, nämlich R, C, J.

Siehe Kopie des Verhandlungsprotokolles vom 3. Juni 1992.

Es wird darauf hingewiesen, daß die Bestellung des verantwortlichen Beauftragten nur dann rechtswirksam ist, wenn dessen Zustimmungserklärung vor dem 2. Juni 1992 (Tatzeitpunkt) abgegeben wurde."

Die beschwerdeführende Partei erhob dagegen Berufung und beantragte die Aufhebung dieses als Bescheid gewerteten Schreibens.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diese Berufung (durch ein Einzelmitglied) gemäß § 66 Abs. 4 iVm § 51 Abs. 1 VStG mangels Berufungslegitimation der beschwerdeführenden Partei zurück. Diese könne als juristische Person nicht Beschuldigte eines Verwaltungsstrafverfahrens sein.

In ihrer an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht die beschwerdeführende Partei Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde geltend und beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Entgegen der Behauptung der Beschwerde ist der angefochtene Bescheid nicht mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde behaftet, weil diese durch ein Einzelmitglied statt gemäß § 67a AVG durch eine aus drei Mitgliedern bestehende Kammer entschieden hat. § 51c VStG geht nämlich als lex specialis dem § 67a Abs. 2 AVG vor. Da mit dem als Bescheid bekämpften Schreiben vom 24. August 1992 weder eine Freiheitsstrafe noch eine S 10.000,-- übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war die Zuständigkeit des Einzelmitgliedes gegeben (vgl. das Erkenntnis vom 31. März 1993, VwSlg. Nr. 13.808/A).

2. Nach dem gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren geltenden § 66 Abs. 4 AVG sind unzulässige Berufungen von der Berufungsbehörde zurückzuweisen. Eine unzulässige Berufung liegt unter anderem dann vor, wenn der bekämpften unterinstanzlichen Erledigung die Bescheidqualität fehlt (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, referierte Rechtsprechung zu § 66 Abs. 4 AVG, E 10 bis 16).

Nach § 58 Abs. 1 AVG ist jeder Bescheid ausdrücklich als solcher zu bezeichnen. Das Fehlen dieser ausdrücklichen Bezeichnung ist für den Bescheidcharakter einer behördlichen Erledigung nur dann nicht wesentlich, wenn ihr Inhalt, also ihr Wortlaut und ihre sprachliche Gestaltung, keinen Zweifel darüber aufkommen lassen, daß die Behörde normativ, also entweder rechtsgestaltend oder rechtsfeststellend, entschieden hat. Läßt der Inhalt einer Erledigung darüber Zweifel entstehen, ist die ausdrückliche Bezeichnung für den Bescheidcharakter essentiell (vgl. die bei Hauer-Leukauf, aaO wiedergegebene ständige Rechtsprechung zu § 58 Abs. 1 AVG, E 3 bis 5).

Bei der unter Berufung auf § 9 VStG ergangenen Erledigung vom 24. August 1992 handelt es sich entgegen der Ansicht der beschwerdeführenden Partei (und offenbar auch der belangten Behörde) nicht um einen Bescheid. Diese Erledigung ist nicht als Bescheid bezeichnet. Ihrem Inhalt nach ist sie auch nicht etwa ein behördlicher Auftrag nach § 9 Abs. 2 erster Satz VStG zur Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten. Vielmehr wird lediglich um Auskunft ersucht, ob für das Unternehmen der beschwerdeführenden Partei ein verantwortlicher Beauftragter im Sinne des Gesetzes bestellt wurde, und darauf hingewiesen, daß bei Nichtbeantwortung des Ersuchens das Strafverfahren - wie gesetzlich vorgesehen - gegen die zur Vertretung nach außen berufenen Organe der Gesellschaft geführt werde. Einen rechtsgestaltenden oder rechtsfeststellenden Inhalt im Sinne eines bescheidmäßigen Abspruchs weist dieses Schreiben nicht auf. Es ist daher nicht als Bescheid anzusehen. Im Hinblick darauf entspricht die Zurückweisung der Berufung im Ergebnis dem Gesetz.

Aus dem oben Gesagten folgt weiters, daß die Behörde erster Instanz die beschwerdeführende Partei im Gegensatz zu der in der Beschwerde geäußerten Ansicht nicht "als Normadressatin im Strafverfahren behandelt" hat.

Wenngleich es in der Begründung des angefochtenen Bescheides heißt, es handle sich beim gegenständlichen Schreiben der Erstbehörde weder um eine Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG noch um eine sonstige allenfalls in die Zuständigkeit eines unabhängigen Senates fallende Angelegenheit, so hat die belangte Behörde doch entgegen der in der Beschwerde geäußerten Ansicht ihre Zuständigkeit als Berufungsbehörde zur Entscheidung über die an sie gerichtete Berufung tatsächlich wahrgenommen. Ihre Zuständigkeit reichte allerdings nur soweit, die Berufung als unzulässig zurückzuweisen; eine Entscheidung in der Sache selbst kam mangels eines erstinstanzlichen Bescheides nicht in Betracht.

3. Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

4. Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Bescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996080188.X00

Im RIS seit

25.01.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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