TE Vwgh Erkenntnis 1996/9/3 96/04/0052

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Veröffentlicht am 03.09.1996
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;
50/02 Sonstiges Gewerberecht;

Norm

GewO 1973 §370 Abs2 idF 1993/029;
GewO 1973 §370 Abs2;
GewRNov 1992 Art4 Abs1;
VStG §9 Abs1;
VStG §9 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde des C in W, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 4. Jänner 1995, Zl. UVS-04/11/01042/94, betreffend Übertretung der GewO 1994, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 4. Jänner 1995 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, als handelsrechtlicher Geschäftsführer der "F-Gesellschaft m.b.H." und somit als zur Vertretung nach außen Berufener im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG zu verantworten zu haben, daß diese Gesellschaft mit dem Sitz in W in dem Betrieb in W, L-Gasse 49, in der Zeit vom 17. Mai 1993 bis 17. Juli 1993

1)

mittels Werbeprospekt (Flugblatt) einem größeren Kreis von Personen Lesebrillen (Lesebehelfe), die über optische Gläser verfügten und somit Korrektionsbrillen seien, angeboten und somit das Gewerbe eines Augenoptikers gemäß § 94 lit. f Z. 65 GewO 1973 ausgeübt habe, ohne im Besitz einer entsprechenden Gewerbeberechtigung zu sein;

2)

mittels Werbeprospekt (Flugplatt) den Versandhandel mit Korrektionsbrillen an Letztverbraucher ausgeübt habe, obwohl Heilbehelfe vom Versandhandel ausgeschlossen seien.

Er habe dadurch zu 1) eine Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit § 1 Abs. 4 GewO 1973 und zu 2) eine Verwaltungsübertretung nach § 367 Z. 14 in Verbindung mit § 50 Abs. 2 GewO 1973 begangen, weshalb über ihn zu 1) gemäß § 366 Abs. 1 Einleitungssatz GewO 1973 und zu 2) gemäß § 367 Einleitungssatz GewO 1973 Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt wurden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht verletzt, auf Grund des gegebenen Sachverhaltes und des Verfahrensverlaufes nicht bestraft zu werden. In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes macht der Beschwerdeführer aus im einzelnen dargestellten Gründen im wesentlichen geltend, einerseits handle es sich bei den von ihm vertriebenen Brillen nicht um Korrektionsbrillen und auch nicht um Heilbehelfe und andererseits sei Verjährung eingetreten; allenfalls läge wegen eines dem Beschwerdeführer unterlaufenen Rechtsirrtums ein Schuldausschließungsgrund vor.

Die Beschwerde erweist sich bereits auf Grund folgender Erwägungen als berechtigt:

Gemäß § 9 Abs. 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder Personengemeinschaften ohne Rechtspersönlichkeit, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beautragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

Zufolge § 9 Abs. 1 GewO 1973 in der Fassung der Gewerberechtsnovelle 1992 können juristische Personen im Rahmen ihres Wirkungsbereiches und Personengesellschaften des Handelsrechtes (Offene Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften) sowie eingetragene Erwerbsgesellschaften (Offene Erwerbsgesellschaften und Kommandit-Erwerbsgesellschaften) Gewerbe ausüben, müssen jedoch einen Geschäftsführer oder Pächter (§§ 39 und 40) bestellt haben.

Nach § 370 Abs. 2 leg. cit. sind Geldstrafen gegen den Geschäftsführer zu verhängen, wenn die Bestellung eines Geschäftsführers angezeigt oder genehmigt wurde.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargelegt hat, ist nach dem diesbezüglich eindeutigen Wortlaut des § 9 Abs. 1 VStG diese Bestimmung subsidiär nur dann anzuwenden, wenn über die strafrechtliche Verantwortlichkeit für Handlungen juristischer Personen oder Personengemeinschaften ohne Rechtspersönlichkeit in den im Einzelfall anzuwendenden besonderen Verwaltungsvorschriften nichts bestimmt wird.

Im Hinblick auf die Spezialnorm des § 370 Abs. 2 GewO 1973 ist nur dann, wenn zur Tatzeit für eine derartige juristische Person oder Personengemeinschaft ein Geschäftsführer nach den Bestimmungen der GewO 1973 nicht bestellt war, das zur Vertretung nach außen berufene Organ der juristischen Person oder der Personengemeinschaft nach § 9 VStG für die Einhaltung gewerberechtlicher Vorschriften verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Februar 1992, Zl. 91/04/0271).

Der dem Beschwerdeführer im angefochtenen Bescheid zur Last gelegte Tatzeitraum liegt teils vor, teils nach dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Gewerberechtsnovelle 1992, sodaß im vorliegenden Fall die Gewerbeordnung teils in ihrer Fassung vor deren Inkrafttreten, teils in der Fassung der Gewerberechtsnovelle 1992 anzuwenden ist. Es ist daher festzuhalten, daß die oben dargestellte Rechtslage durch die Gewerberechtsnovelle 1992 keine für den vorliegenden Fall relevante Änderung erfahren hat.

Mit Rücksicht auf diese Rechtslage, die zufolge der zwingenden Bestimmung des § 9 Abs. 1 GewO 1973 die Annahme nahelegt, daß im Tatzeitraum für die F-Gesellschaft m.b.H. ein gewerberechtlicher Geschäftsführer bestellt war, hätte die belangte Behörde den Beschwerdeführer nicht in seiner Eigenschaft als handelsrechtlicher Geschäftsführer nach § 9 VStG in Anspruch nehmen dürfen, ohne zu klären, ob nicht ein gewerberechtlicher Geschäftsführer bestellt ist.

Daß der Beschwerdeführer möglicherweise, wie sich aus einer Bemerkung in der Beschwerde ergibt, im Tatzeitraum nicht nur handelsrechtlicher, sondern auch gewerberechtlicher Geschäftsführer der in Rede stehenden Gesellschaft war, könnte nichts daran ändern, daß die belangte Behörde den Beschwerdeführer in rechtswidriger Weise in seiner Eigenschaft als handelsrechtlicher Geschäftsführer in Anspruch nahm (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 25. Februar 1992, Zl. 91/04/0271).

Da die belangte Behörde solcherart die Rechtslage verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid schon aus diesem Grund mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Er war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG schon aus diesem Grund aufzuheben, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen gewesen wäre.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996040052.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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