TE Vfgh Beschluss 2021/12/15 V245/2021

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Veröffentlicht am 15.12.2021
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Index

82/02 Gesundheitsrecht allgemein

Norm

B-VG Art139 Abs1 Z3
COVID-19-MaßnahmenG §1, §7
2. COVID-19-MaßnahmenV BGBl II 278/2021 idF BGBl II 394/2021 §4 Abs1a
Wr COVID-19-MaßnahmenbegleitV LGBl 33/2021 idF LGBl 48/2021 §1
VfGG §7 Abs2, §57 Abs1

Leitsatz

Zurückweisung eines Antrags auf Aufhebung einer Bestimmung der 2. COVID-19-MaßnahmenV betreffend die Verpflichtung zum Tragen einer FFP2-Maske an näher bestimmten Orten bei Nichtvorliegen eines Impf- oder Genesungsnachweises oder eines Absonderungsbescheids; unmittelbare Betroffenheit der Rechtssphäre des Antragstellers in Wien auf Grund der – nicht angefochtenen – Wr COVID-19-MaßnahmenbegleitV; keine Darlegung der Betroffenheit des Antragstellers in anderen Bundesländern

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Antrag

Gestützt auf Art139 Abs1 Z3 B-VG begehrt der Antragsteller der Verfassungsgerichtshof möge §4 Abs1a der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Maßnahmen, die zur Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19 ergriffen werden, BGBl II 278/2021, idF BGBl II 396/2021; in eventu in §4 Abs1a leg cit die Wortfolgen "(…) die über keinen Nachweis gemäß §1 Abs2 Z2, 3 oder 5 verfügen (…) Der Kunde hat diesen Nachweis für die Dauer des Aufenthalts bereitzuhalten.", als gesetzwidrig aufheben.

II. Rechtslage

1. §7 des Bundesgesetzes betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (COVID-19-Maßnahmengesetz – COVID-19-MG), BGBl I 12/2020, idF BGBl I 90/2021 lautete:

"Zuständigkeiten

§7. (1) Verordnungen nach diesem Bundesgesetz sind vom für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesminister zu erlassen.

(2) Verordnungen nach diesem Bundesgesetz können vom Landeshauptmann erlassen werden, wenn keine Verordnung gemäß Abs1 erlassen wurde oder zusätzliche Maßnahmen zu einer Verordnung gemäß Abs1 festgelegt werden. Verordnungen gemäß §6 bedürfen der Zustimmung des für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesministers.

(3) Verordnungen nach diesem Bundesgesetz können von der Bezirksverwaltungsbehörde erlassen werden, wenn keine Verordnungen gemäß Abs1 oder 2 erlassen wurden oder zusätzliche Maßnahmen zu Verordnungen nach Abs1 oder 2 festgelegt werden. Verordnungen gemäß §6 bedürfen der Zustimmung des Landeshauptmanns.

(4) In einer Verordnung gemäß Abs1 bis 3 kann entsprechend der jeweiligen epidemiologischen Situation regional differenziert werden.

(5) Durch Verordnung gemäß Abs1 können Verordnungen gemäß Abs2 und 3 oder Teile davon aufgehoben werden. Durch Verordnung gemäß Abs2 können Verordnungen gemäß Abs3 oder Teile davon aufgehoben werden.

(6) Verordnungen gemäß Abs2 und 3 sind vor deren Inkrafttreten dem für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesminister mitzuteilen."

2. Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Maßnahmen, die zur Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19 ergriffen werden (2. COVID-19-Maßnahmenverordnung – 2. COVID-19-MV), BGBl II 278/2021, idF BGBl II 394/2021 lauteten (die mit dem Eventualantrag angefochtenen Wortfolgen sind hervorgehoben):

"Allgemeine Bestimmungen

§1. (1) Als Maske im Sinne dieser Verordnung gilt eine Atemschutzmaske der Schutzklasse FFP2 (FFP2-Maske) ohne Ausatemventil oder eine Maske mit mindestens gleichwertig genormtem Standard.

(2) Als Nachweis über eine geringe epidemiologische Gefahr im Sinne dieser Verordnung gilt:

1. ein Nachweis

a) über ein negatives Ergebnis eines SARS-CoV-2-Antigentests zur Eigenanwendung, der in einem behördlichen Datenverarbeitungssystem erfasst wird und dessen Abnahme nicht mehr als 24 Stunden zurückliegen darf,

b) einer befugten Stelle über ein negatives Ergebnis eines Antigentests auf SARS-CoV-2, dessen Abnahme nicht mehr als 24 Stunden zurückliegen darf,

c) einer befugten Stelle über ein negatives Ergebnis eines molekularbiologischen Tests auf SARS-CoV-2, dessen Abnahme nicht mehr als 72 Stunden zurückliegen darf,

d) gemäß §4 Z1 der COVID-19-Schulverordnung 2021/22 (C-SchVO 2021/22), BGBl II Nr 374/2021 (Corona-Testpass),

2. ein Nachweis über eine mit einem zentral zugelassenen Impfstoff gegen COVID-19 erfolgte

a) Zweitimpfung, wobei diese nicht länger als 360 Tage zurückliegen darf und zwischen der Erst- und Zweitimpfung mindestens 14 Tage verstrichen sein müssen, oder

b) Impfung ab dem 22. Tag nach der Impfung bei Impfstoffen, bei denen nur eine Impfung vorgesehen ist, wobei diese nicht länger als 270 Tage zurückliegen darf, oder

c) Impfung, sofern mindestens 21 Tage vor der Impfung ein positiver molekularbiologischer Test auf SARS-CoV-2 bzw vor der Impfung ein Nachweis über neutralisierende Antikörper vorlag, wobei die Impfung nicht länger als 360 Tage zurückliegen darf, oder

d) weitere Impfung, wobei diese nicht länger als 360 Tage zurückliegen darf und zwischen dieser und einer Impfung im Sinne der lita, b oder c mindestens 120 Tage verstrichen sein müssen,

3. ein Genesungsnachweis über eine in den letzten 180 Tagen überstandene Infektion mit SARS-CoV-2 oder eine ärztliche Bestätigung über eine in den letzten 180 Tagen überstandene Infektion mit SARS-CoV-2, die molekularbiologisch bestätigt wurde,

4. ein Nachweis über neutralisierende Antikörper, der nicht älter als 90 Tage ist,

5. ein Absonderungsbescheid, wenn dieser für eine in den letzten 180 Tagen vor der vorgesehenen Testung nachweislich mit SARS-CoV-2 infizierte Person ausgestellt wurde.

Kann ein Nachweis nicht vorgelegt werden, ist ausnahmsweise ein SARS-CoV-2-Antigentest zur Eigenanwendung unter Aufsicht des Betreibers einer Betriebsstätte gemäß den §§4 bis 6, einer nicht öffentlichen Sportstätte gemäß §7, einer Freizeiteinrichtung gemäß §8, eines Alten- und Pflegeheims oder einer stationären Wohneinrichtung der Behindertenhilfe (§10), einer Krankenanstalt, Kuranstalt oder eines sonstigen Ortes, an dem eine Gesundheitsdienstleistung erbracht wird (§11) oder des für eine Zusammenkunft Verantwortlichen (§§12 bis 16) durchzuführen. Das negative Testergebnis ist für die Dauer des Aufenthalts bereitzuhalten.

[…]

Kundenbereiche

§4. (1) Beim Betreten und Befahren des Kundenbereichs

1. von öffentlichen Apotheken,

2. von Betriebsstätten des Lebensmitteleinzelhandels (einschließlich Verkaufsstätten von Lebensmittelproduzenten sowie Tankstellen mit angeschlossenen Verkaufsstellen von Lebensmitteln),

3. von Banken und

4. von Postgeschäftsstellen iSd §3 Z7 PMG sowie von Postdiensteanbietern einschließlich deren Postpartner

haben Kunden in geschlossenen Räumen eine Maske zu tragen.

(1a) Beim Betreten und Befahren sonstiger Kundenbereiche sowie der Verbindungsbauwerke baulich verbundener Betriebsstätten (zB Einkaufszentren, Markthallen) haben Kunden, die über keinen Nachweis gemäß §1 Abs2 Z2, 3 oder 5 verfügen, in geschlossenen Räumen eine Maske zu tragen. Der Kunde hat diesen Nachweis für die Dauer des Aufenthalts bereitzuhalten.

(2) Abs1 ist sinngemäß anzuwenden auf Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichte bei Parteienverkehr.

(3) Der Betreiber von Betriebsstätten zur Inanspruchnahme von körpernahen Dienstleistungen darf Kunden nur einlassen, wenn diese einen Nachweis gemäß §1 Abs2 vorweisen. Der Kunde hat diesen Nachweis für die Dauer des Aufenthalts bereitzuhalten."

3. §1 der Verordnung des Landeshauptmannes von Wien über begleitende Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (Wiener COVID-19-Maßnahmenbegleitverordnung 2021), LGBl 33/2021, idF LGBl 48/2021 lautete auszugsweise:

"Artikel I

Betreten und Befahren von bestimmten Orten und Betriebsstätten sowie Benützen von Verkehrsmitteln

§1. […]

(3) Zusätzlich zu §4 Abs1a der 2. COVID-19-Maßnahmenverordnung haben Kunden beim Betreten, Befahren und Verweilen in Kundenbereichen von Betriebsstätten in geschlossenen Räumen sowie in Verbindungsbauwerken baulich verbundener Betriebsstätten (zB Einkaufszentren, Markthallen) eine Atemschutzmaske der Schutzklasse FFP2 (FFP2-Maske) ohne Ausatemventil oder eine Maske mit mindestens gleichwertig genormtem Standard zu tragen.

(4) Abs3 gilt auch für

1. Museen, Kunsthallen und kulturelle Ausstellungshäuser sowie

2. Bibliotheken, Büchereien und Archive.

Besucher von Theatern, Kinos, Varietees, Kabaretts, Konzertsälen- und Arenen sowie von Einrichtungen zur Religionsausübung haben in geschlossenen Räumen eine den Mund- und Nasenbereich abdeckende und eng anliegende mechanische Schutzvorrichtung zu tragen. Dies gilt nicht für Zusammenkünfte gemäß Abs6.

[…]"

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Der Antragsteller bringt zusammengefasst Folgendes vor:

1.1. Er verfüge über keinen der in §1 Abs2 Z2, 3 und 5 2. COVID-19-MV angeführten Nachweise. In Österreich bestehe keine Impfpflicht und der Antragsteller habe sich auf Grund seines Rechtes auf Privatautonomie dafür entschieden, sich vorerst nicht gegen SARS-CoV-2 impfen zu lassen. Er habe auch eine COVID-19-Infektion überstanden, erfülle aber nicht die Tatbestände des §1 Abs2 Z3 oder 5 leg cit. Der Antragsteller mache jedoch regelmäßig einen PCR-Test und "sei stets negativ gewesen".

1.2. Durch die angefochtene Bestimmung sei der Antragsteller verpflichtet – im Gegensatz zu jenen Personen, die über die angeführten Nachweise verfügten – für Dritte sichtbar eine FFP2-Maske zu tragen. Dadurch werde es Dritten ermöglicht, Rückschlüsse auf den Impfstatus des Antragstellers zu ziehen. Auf Grund der "politisch aufgeheizten Stimmung und der Polemiken" gegenüber Personen, die sich (noch) keiner Impfung unterzogen hätten, fürchte der Antragsteller, dass er vermehrten Anfeindungen ausgesetzt werde, obwohl er nie mit einer Infektion außer Haus gehen würde. Überdies werde der Antragsteller durch die Pflicht seinen Impfstatus offenzulegen in seinen Grund- und Menschenrechten verletzt.

1.3. Seine Antragslegitimation begründet der Antragsteller damit, dass er durch diese Norm direkt betroffen sei. Er werde ausschließlich auf Grund der Tatsache, dass er nicht geimpft oder (in der in der Verordnung anerkannten Form) genesen sei, der Pflicht zum Tragen einer FFP2-Maske unterworfen, ungeachtet der Frage, ob er aus epidemiologischer Sicht infektiös sei.

1.3.1. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sei es einem Normunterworfenen nicht zumutbar, einen Strafbescheid zu provozieren, um durch eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof die Gesetz- oder Verordnungswidrigkeit eines Strafbescheides geltend zu machen. Aktuell sei auch kein Strafverfahren anhängig.

1.3.2. Die bekämpfte Bestimmung sei zum Zeitpunkt der Antragstellung auch noch in Kraft. Die Norm greife direkt und unmittelbar in die Rechtssphäre des Antragstellers ein. Auf Grund der Pflicht, eine FFP2-Maske zu tragen und dadurch den Status als nicht geimpfte Person offenzulegen, befürchte der Antragsteller Anfeindungen. Dadurch werde er psychisch belastet und es sei nicht absehbar, inwiefern durch "diese rechtswidrige Verordnung Folgeschäden bei ihm auftreten, die ihn allenfalls zu Regressen berechtigen könnte[n]." Daher müsse das Normenprüfungsverfahren auch dann durchgeführt werden, wenn der Bundesminister die angefochtene Bestimmung zum Zeitpunkt der Prüfung durch den Verfassungsgerichtshof bereits aufgehoben oder abgeändert habe. "Aufgrund des gravierenden Eingriffs soll die Frage, ob es auch in Zukunft zulässig sein soll, dass Menschen in Österreich verpflichtet werden können durch nach außen erkennbare Zeichen (wie hier die FFP2 Maske) ungewollt aber verpflichtend Auskunft über den höchstpersönlichen Gesundheitsstatus, wie etwa de[n] Impfstatus, gegenüber Dritten sichtbar zu machen, auch dann zur Normprüfung führen, wenn die bekämpfte Verordnung nicht mehr in Kraft sein sollte."

1.4. In der Sache rügt der Antragsteller eine Verletzung in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG, Art7 B-VG) sowie auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art8 EMRK).

2. Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (im Folgenden: BMSGPK) hat eine Äußerung erstattet, in der er die Zurückweisung des Antrages, in eventu dessen Abweisung begehrt.

2.1. Der BMSGPK verneint die Zulässigkeit des Antrages mit der Begründung, der Anfechtungsumfang sei zu weit gefasst und der Antragsteller habe es unterlassen, seine unmittelbare Betroffenheit hinreichend konkret darzulegen. Der Antragsteller habe insbesondere nicht dargelegt, inwieweit er im Antragszeitpunkt konkret beabsichtigt habe, Kundenbereiche von Betriebsstätten im Sinne des §4 Abs1a 2. COVID-19-MV zu betreten. Dies sei im Hinblick auf den Wohnort des Antragstellers in Wien von Bedeutung. So habe der Wiener Landeshauptmann von der in §7 Abs2 COVID-19-MG normierten Möglichkeit Gebrauch gemacht, ergänzend strengere Regelungen zur 2. COVID-19-MV des BMSGPK festzulegen. Bereits §1 Abs3 der mit 16. September 2021 in Kraft getretenen Wiener COVID-19-Öffnungsbegleitverordnung 2021, LGBl 33/2021, idF LGBl 45/2021 habe bestimmt, dass zusätzlich zu §4 Abs1a 2. COVID-19-MV jene Kunden, die über einen Nachweis gemäß Abs2 Z2, 3 oder 5 leg cit verfügten, beim Betreten von Kundenbereichen iSd §4 Abs1a einen Mund-Nasenschutz zu tragen hätten. Am 1. Oktober 2021 – und somit am Tag der Antragstellung – sei die Wiener COVID-19-Maßnahmenbegleitverordnung 2021, LGBl 33/2021, idF LGBl 48/2021 in Kraft getreten, mit der ergänzend zu §4 Abs1a 2. COVID-19-MV normiert worden sei, dass alle Kunden, sohin auch jene, die über einen Nachweis gemäß §1 Abs2 Z2, 3 oder 5 leg cit verfügten, beim Betreten von Kundenbereichen von Betriebsstätten iSd §4 Abs1a leg cit zum Tragen einer Maske verpflichtet seien. Der Antragsteller habe es daher verabsäumt, die seit 1. Oktober 2021 in Wien für jedermann beim Betreten von Kundenbereichen von Betriebsstätten iSd §4 Abs1a leg cit bestehende Verpflichtung zum Tragen einer [FFP2-]Maske in seinen Darlegungen zu berücksichtigen. Überdies habe es der Antragsteller unterlassen darzulegen, inwiefern er in einem anderen Bundesland konkret beabsichtigt hätte, Kundenbereiche von Betriebsstätten iSd §4 Abs1a 2. COVID-19-MV zu betreten.

2.2. Auch in der Sache tritt der BMSGPK dem Antrag entgegen.

IV. Zulässigkeit

1. Der Antrag ist nicht zulässig.

1.1. Gemäß Art139 Abs1 Z3 B?VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg 8058/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, dass die Verordnung in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie – im Fall ihrer Gesetzwidrigkeit – verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art139 Abs1 Z3 B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl zB VfSlg 8594/1979, 15.527/1999, 16.425/2002 und 16.426/2002).

1.2. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 13.944/1994, 15.234/1998, 15.947/2000).

1.3. Nach §57 Abs1 letzter Satz VfGG muss der Antrag, eine Verordnung als gesetzwidrig aufzuheben, darlegen, inwieweit die angefochtenen Verordnungsregelungen unmittelbar und aktuell in die Rechtssphäre des Antragstellers eingreifen. Bei der Prüfung der aktuellen Betroffenheit hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu untersuchen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art139 Abs1 Z3 B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl zB VfSlg 10.353/1985, 14.227/1995, 15.306/1998, 16.890/2003, 18.357/2008, 19.919/2014, 19.971/2015). Anträge, die dem Erfordernis des §57 Abs1 VfGG nicht entsprechen, sind nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs (vgl VfSlg 14.320/1995, 14.526/1996, 15.977/2000, 18.235/2007) nicht im Sinne von §18 VfGG verbesserungsfähig, sondern als unzulässig zurückzuweisen (vgl etwa VfSlg 12.797/1991, 13.717/1994, 17.111/2004, 18.187/2007, 19.505/2011, 19.721/2012).

1.4. Diesem Erfordernis gemäß §57 Abs1 VfGG wird der Antrag nicht gerecht:

1.4.1. Der Antragsteller bringt lediglich pauschal vor, er werde durch den angefochtenen §4 Abs1a 2. COVID-19-MV – im Unterschied zu Personen, die über einen Nachweis gemäß §1 Abs2 Z2, 3 oder 5 2. COVID-19-MV verfügen – dazu verpflichtet, für Dritte sichtbar eine FFP2-Maske zu tragen und damit seinen Impfstatus offenzulegen.

1.4.2. Mit diesem allgemein gehaltenen Vorbringen zur Betroffenheit ist es dem Antragsteller jedoch nicht gelungen, seine unmittelbare und aktuelle Betroffenheit für ein Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof konkret darzulegen. So besteht das Erfordernis solcher Darlegungen selbst dann, wenn bestimmte Annahmen im Hinblick auf die maßgebliche Situation naheliegen mögen (vgl VfSlg 14.309/1995, 14.817/1997, 19.613/2011; VfGH jeweils 21.9.2020, V365/2020 und V375/2020; jeweils 1.10.2020, V405/2020 und G271/2020 ua; 23.2.2021, V533/2020; 29.9.2021, V601/2020).

1.4.3. Der Antragsteller, der seinen Wohnsitz in Wien hat, übersieht insbesondere, dass der Landeshauptmann von Wien von seiner Kompetenz zur Erlassung ergänzender Maßnahmen gemäß §7 Abs2 COVID-19-MG (idF BGBl I 90/2021) Gebrauch gemacht hat. §1 Abs3 Wiener COVID-19-Maßnahmenbegleitverordnung 2021 idF LGBl 48/2021 – der am 1. Oktober 2021 in Kraft getreten ist – regelte, dass ergänzend zu §4 Abs1a 2. COVID-19-MV (alle) Kunden beim Betreten, Befahren und Verweilen in Kundenbereichen von Betriebsstätten in geschlossenen Räumen sowie in Verbindungsbauwerken baulich verbundener Betriebsstätten (zB Einkaufszentren, Markthallen) eine FFP2-Maske zu tragen haben. An seinem Wohnort kann der Antragsteller daher nur von den in Wien auf Grund des – nicht angefochtenen – §1 Abs3 Wiener COVID-19-Maßnahmenbegleitverordnung idF LGBl 48/2021 geltenden zusätzlichen Beschränkungen unmittelbar in seiner Rechtssphäre betroffen sein. Darüber hinaus hat der Antragsteller nicht dargetan, inwieweit er konkret beabsichtigte, in einem anderen Bundesland als Wien Kundenbereiche bestimmter Betriebsstätten zu betreten.

1.4.4. Da es sich bei diesem Mangel um kein behebbares Formgebrechen, sondern um ein Prozesshindernis handelt, erweist sich der Antrag schon aus diesem Grund als unzulässig.

V. Ergebnis

1. Der Antrag ist zurückzuweisen.

2. Dies konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

COVID (Corona), VfGH / Prüfungsgegenstand, VfGH / Individualantrag, VfGH / Formerfordernisse

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2021:V245.2021

Zuletzt aktualisiert am

02.05.2022
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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