TE Vwgh Beschluss 2022/1/28 Ra 2022/04/0002

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.01.2022
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
97 Öffentliches Auftragswesen

Norm

BVergG 2018 §149 Abs2 Z3
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger, Hofrätin Mag. Hainz-Sator und den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, über die Revision der Bewerber- bzw Teilnehmergemeinschaft H, H, D gmbh in F, vertreten durch die Thurnher Wittwer Pfefferkorn & Partner Rechtsanwälte GmbH in 6850 Dornbirn, Messestraße 11, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 5. November 2021, Zl. LVwG-314-7/2021-S1, betreffend vergaberechtliches Nachprüfungsverfahren (mitbeteiligte Partei: M GmbH & Co KG), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        1. Aus dem hier angefochtenen Erkenntnis ergibt sich zusammengefasst folgender unstrittiger Sachverhalt:

2        Die Mitbeteiligte führte in einem nicht offenen, einstufigen Realisierungswettbewerb im Oberschwellenbereich die „Objektplanung Architektur“ für die Erweiterung und den Umbau der Volksschule G.-Markt durch. Der Auftragswert für die wettbewerbsgegenständlichen Architekturleistungen hätte - inklusive Übernahme der Bauleitung - ca. 1,5 Millionen Euro betragen. Die Preisgeldsumme betrug netto 80.000 Euro.

3        Gemäß den Ausschreibungsunterlagen sollten aus einer zunächst unbeschränkten Anzahl von Teilnehmern kommissionell ausgewählte Wettbewerbsteilnehmer zur Abgabe einer Wettbewerbsarbeit aufgefordert werden. Die Gewinner des Wettbewerbes sollten unter Wahrung der Anonymität von einem unabhängigen Preisgericht ermittelt werden. Mit dem Gewinner des Wettbewerbs sollte ein Verhandlungsverfahren zur Vergabe der ausgelobten Dienstleistungen geführt werden. Unter anderem enthielten die Ausschreibungsunterlagen genaue Vorgaben für die Größe der Außenanlagen wie etwa für die Pausenfläche, den Hartplatz und den Rasenplatz.

4        Insgesamt 18 Teilnehmer haben Wettbewerbsarbeiten abgegeben. Die Revisionswerberin hat sich an dem Wettbewerb mit einem fristgerechten Teilnahmeantrag beteiligt.

5        Die eingereichten Wettbewerbsarbeiten wurden einer Vorprüfung durch einen Fachmann unterzogen und in der Folge fand am 23. Februar 2021 die Preisgerichtssitzung statt. Nach insgesamt drei Wertungsdurchgängen wurde vom Preisgericht der Beschluss gefasst, dem Projekt Nr. 17 den dritten, dem Beitrag der Revisionswerberin den zweiten und dem Projekt Nr. 9 den ersten Preis zuzuerkennen. Das Preisgeld für den ersten Preis betrug 25.000 Euro, das Preisgeld für den zweiten Preis 20.000 Euro.

6        Mit E-Mail vom 11. März 2021 wurde den Wettbewerbsteilnehmern der Beschluss des Preisgerichts übermittelt. Die Revisionswerberin hat gegen diese Mitteilung einen erfolgreichen Nachprüfungsantrag eingebracht, weshalb der entsprechende Beschluss über die Zuweisung der Preisgelder mit Erkenntnis vom 21. Mai 2021 des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg für nichtig erklärt wurde. In diesem Zusammenhang wurde vom erkennenden Verwaltungsgericht begründend ausgeführt, dass die Mitbeteiligte durch die Beantwortung entsprechender Fragen im Zuge des Vergabeverfahrens die erforderlichen Ausmaße bei den Sportplätzen als Muss-Kriterium definiert habe. Das Siegerprojekt habe den geforderten Muss-Kriterien in Bezug auf die Sportplätze jedoch nicht entsprochen.

7        Nach Nichtigerklärung der Siegerermittlung wurden von der Mitbeteiligten sämtliche Wettbewerbsarbeiten in Hinblick auf die Kriterien der Ausmaße der Außenanlagen neuerlich geprüft und mit Schreiben vom 11. August 2021 folgende Mitteilung an sämtliche Teilnehmer gerichtet:

„Im gegenständlichen Vergabeverfahren wurde die Entscheidung der Ausloberin über die Zuweisung der Preisgelder von der Zweitplatzierten Bietergemeinschaft beim Landesverwaltungsgericht Vorarlberg erfolgreich bekämpft. Das Gericht stellte in der Entscheidung fest, dass die Vorgaben bei den Sportplätzen und der Pausenfläche Muss-Kriterien darstellen, die zwingend einzuhalten sind, weshalb das erstgereihte Projekt auszuscheiden ist (Anlage 1 - Seite 22 bis 24).

Im Sinne der Gleichbehandlung gilt dies - bis auf das zweitgereihte Projekt - für alle eingereichten Projekte, sodass auch das von Ihnen eingereichte Projekt nach entsprechender genauer Nachprüfung wegen Nichteinhaltung der Vorgaben bei den Sportplätzen und der Pausenfläche gemäß § 141 Abs. 1 Z 7 BVergG auszuscheiden ist und hiermit die Ausscheidung erklärt wird.

Die Nachprüfung aller Projekte ergab, dass bis auf ein Projekt alle Projekte auszuscheiden sind. Damit sind die Voraussetzungen für einen Widerruf des Vergabeverfahrens gemäß § 149 Abs. 2 Z 2 BVergG gegeben. Die [...] - als Ausloberin des Architekturwettbewerbes - beabsichtigt daher, nach Rechtskraft der erfolgten Ausscheidungsentscheidungen das Vergabeverfahren zu widerrufen.“

8        Daraufhin hat die Revisionswerberin den verfahrensgegenständlichen Nachprüfungsantrag mit dem Antrag auf Nichtigerklärung der Widerrufsentscheidung eingebracht.

9        2. Mit dem hier angefochtenen Erkenntnis vom 5. November 2021 wies das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg (Verwaltungsgericht) den Antrag auf Nichtigerklärung der Widerrufsentscheidung ab. Ebenso wurde der Antrag auf Ersatz der Gebühren für den Antrag auf einstweilige Verfügung als unbegründet abgewiesen. Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht für unzulässig.

10       Ausgehend von den oben zusammengefasst wiedergegebenen Sachverhaltsfeststellungen folgerte das Verwaltungsgericht in rechtlicher Hinsicht, Hauptmerkmal eines Wettbewerbs sei das Tätigwerden eines Preisgerichts. Dieses sei in der Beurteilung der Wettbewerbsarbeiten weitgehend frei, jedoch sei diese Freiheit durch die in den Auslobungsunterlagen und durch die in der Fragebeantwortung festgelegten Vorgaben beschränkt. Im Sinne der Gleichbehandlung aller Wettbewerbsteilnehmer und des fairen Wettbewerbs seien der Auftraggeber und das Preisgericht gehalten, die inhaltlichen Mindestvorgaben in der Ausschreibung ihrer Entscheidung zu Grunde zu legen. Die Ausloberin habe in Punkt 4.3 der bestandsfesten Auslobung die erforderlichen Längen-, Breiten- und Flächenmaße des Hartplatzes und des Rasenplatzes angeführt. Darüber hinaus sei in der nachfolgenden Fragebeantwortung explizit auf den Größen der geforderten Flächen der Sportplätze beharrt worden, weshalb davon auszugehen sei, dass die erforderlichen Ausmaße bei den Sportplätzen als Muss-Kriterien definiert worden seien und die Einhaltung der vorgegebenen Ausmaße ein zwingendes inhaltliches Erfordernis an eine beurteilbare Wettbewerbsarbeit darstellen würde. Das Preisgericht habe bei seiner Beurteilung der Wettbewerbsarbeiten die vorgegebenen Muss-Kriterien betreffend die Außenanlagen zu beachten. Die Berücksichtigung von Wettbewerbsarbeiten, die diese Kriterien nicht erfüllen würden, verletze den Grundsatz der Gleichbehandlung der Wettbewerbsteilnehmer. Wie sich aus der Vorprüfung ergeben habe, hätten bis auf das Projekt der Revisionswerberin sämtliche Projekte die geforderten Muss-Kriterien bei den Sportplätzen nicht erfüllt, bzw. habe das Projekt Nr. 13 die geforderten Flächen zwar eingehalten, jedoch seien Teile dieses Projektes außerhalb des vorgegebenen Planungsperimeters gelegen gewesen.

11       Zum erfolgten Widerruf sei festzuhalten, dass an einen solchen kein strenger Maßstab anzulegen sei. Voraussetzung für die Zulässigkeit des Widerrufs sei das Vorliegen eines oder mehrerer „sachlicher Gründe“. Ob ein sachlicher Grund vorliege, sei objektiv zu beurteilen. Es sei zu fragen, ob der Widerruf für einen besonnenen Auftraggeber in der konkreten Situation eine sinnvolle Handlungsalternative und ein taugliches Mittel zur Problemlösung darstelle. Dabei sei kein strenger Maßstab anzulegen. Ein Architekturwettbewerb habe den Zweck, mehrere Lösungsvorschläge für eine architektonische Aufgabe einzuholen, diese miteinander zu vergleichen und den besten Vorschlag auszuwählen. Ein Wettbewerb könne diesen Zweck nur dann erfüllen, wenn das Preisgericht aus mehreren Lösungsvorschlägen auswählen könne. Die Wettbewerbsarbeiten seien nur miteinander vergleichbar, wenn ihnen dieselben Vorgaben und Rahmenbedingungen zu Grunde liegen würden. Im vorliegenden Verfahren seien die Wettbewerbsarbeiten nicht vergleichbar, weil lediglich eine Wettbewerbsarbeit, diejenige der Revisionswerberin, die in der Auslobung geforderten Muss-Kriterien vollständig erfülle. Das Preisgericht müsste dieses Projekt zum Wettbewerbssieger erklären, ohne dass ein Vergleich mit den anderen Wettbewerbsarbeiten möglich wäre. Unter diesen Umständen könne der Wettbewerb seinen Zweck nicht erfüllen. Damit liege ein sachlicher Grund im Sinne des § 149 Abs. 2 Z 3 BVergG 2018 für den Widerruf vor. Der Widerruf des Wettbewerbs sei trotz der früheren Entscheidung des Preisgerichts zulässig gewesen, weil diese ursprüngliche Entscheidung über die Zuweisung der Preisgelder mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 21. Mai 2021 aufgehoben worden sei. Eine neuerliche Entscheidung über die Zuweisung der Preise hätte wie oben dargelegt lediglich unter Berücksichtigung eines einzigen Wettbewerbsbeitrags stattfinden müssen, sodass die Grundlage für eine neuerliche Entscheidung über die Zuweisung der Preise gefehlt habe. Eine bloß unzutreffend begründete Widerrufsentscheidung - im gegenständlichen Fall die Erwähnung der Rechtskraft der ausscheidenden Entscheidungen - reiche für eine Nichtigerklärung nicht aus. Der Widerruf habe zurecht erfolgen dürfen.

12       3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

13       Diese bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit vor, die Revisionswerberin habe sich zentral darauf gestützt, dass der Widerruf eines Vergabeverfahrens nach § 149 Abs. 2 BVergG 2018, der nach tatsächlicher Durchführung eines breiten Wettbewerbs erfolgen solle, das gesetzliche Ermessen unzulässig überschreite und damit unsachlich, willkürlich und rechtsmissbräuchlich und daher im Ergebnis rechtswidrig sei. Dies insbesondere weil es fallbezogen nicht um eine klassische Auftragsvergabe gehe, sondern „nur“ um die Zuweisung einer Wettbewerbsplatzierung und des damit verbundenen Preisgeldes. Insbesondere habe das Preisgericht die eingereichten Projekte einer neunstündigen Prüfung unterzogen und nach intensiver Diskussion und Abwägung der Stärken und Schwächen den Beitrag der Revisionswerberin mit dem zweiten Preis ausgezeichnet. Daher verkenne das Verwaltungsgericht, dass im vorliegenden Fall nach dem vergaberechtlichen Wettbewerbsprinzip der mit der Ausschreibung angestrebte breite Wettbewerb tatsächlich stattgefunden habe.

14       4. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

15       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

16       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

17       Fallbezogen ist die entscheidende Rechtsfrage, ob der Widerruf der Ausschreibung durch die Mitbeteiligte durch einen sachlichen Grund im Sinne des § 149 Abs. 2 Z 3 BVergG 2018 gerechtfertigt war. Dies ist dann der Fall, wenn ein Grund von solchem Gewicht vorlag, der einen besonnenen Auftraggeber veranlasst hätte, von der Fortführung des Vergabeverfahrens abzusehen (vgl. etwa VwGH 29.10.2008, 2005/04/0277, zur Vorgängerbestimmung des § 105 Abs. 2 Z 3 BVergG 2002, mit weiteren Nachweisen). Ob ein sachlicher Grund besteht, muss jeweils unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles beurteilt werden und stellt dementsprechend vor dem Hintergrund der einschlägigen Rechtsprechung nur dann eine die Zulässigkeit der Revision begründende grundsätzliche Rechtsfrage dar, wenn dem Verwaltungsgericht bei der Beurteilung dieser einzelfallbezogenen Umstände eine zu korrigierende Fehlbeurteilung unterlaufen ist. Der Frage, ob die besonderen Umstände des Einzelfalles auch eine andere Entscheidung gerechtfertigt hätten, kommt in der Regel keine grundsätzliche Bedeutung zu. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung in einer die Leitlinien der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht beachtenden und derart die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, nicht vertretbaren Weise vorgenommen worden wären (vgl. VwGH 11.1.2021, Ro 2019/01/0015, VwGH 27.11.2019, Ra 2019/16/0179, mit jeweils weiteren Nachweisen).

18       Inwiefern die detaillierte und wohl abgewogene Begründung des Verwaltungsgerichts, dass fallbezogen ein den Widerruf ausreichend rechtfertigender sachlicher Grund im Sinne des BVergG des § 149 Abs. 2 Z 3 BVergG 2018 vorliege, unvertretbar sei, vermag die Revision nicht darzutun. Mit ihrem Hinweis auf den ohnehin breit durchgeführten Wettbewerb, der den Widerruf rechtswidrig erscheinen lasse, blendet diese aus, dass die diesem Nachprüfungsverfahren vorangegangene Entscheidung des Preisgerichts auf Grund des von ihr eingebrachten Nachprüfungsantrages aufgehoben worden war und aus diesem Grund eine neuerliche Entscheidung des Preisgerichtes auf Basis der verbleibenden Projekte (bzw. fallbezogen auf Basis eines einzigen verbleibenden Projektes) hätte getroffen werden müssen.

19       In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 28. Jänner 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022040002.L00

Im RIS seit

04.03.2022

Zuletzt aktualisiert am

14.03.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten