TE Vwgh Beschluss 2022/1/31 Ra 2020/04/0125

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Veröffentlicht am 31.01.2022
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §45 Abs2
AVG §52
VwGVG 2014 §17

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie die Hofrätin Mag. Hainz-Sator und den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, über die Revision des J T in N, vertreten durch Dr. Stephan Opperer, Rechtsanwalt in 6410 Telfs, Eduard-Wallnöfer-Platz 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 13. August 2020, Zl. LVwG-2020/22/1615-1, betreffend Nachsicht vom Ausschluss von der Gewerbeausübung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Landeshauptstadt Innsbruck), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        1.1. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Innsbruck wurde dem Revisionswerber gemäß § 26 Abs. 1 GewO 1994 die beantragte Nachsicht vom Ausschluss von der Ausübung des Gewerbes „Karosseriebau- und Karosserielackiertechniker verbunden mit Fahrzeugtechnik“ an einem näher bezeichneten Standort in Innsbruck wegen gerichtlicher Verurteilungen (§ 13 Abs. 1 GewO 1994) verweigert.

2        1.2. Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Landesverwaltungsgericht Tirol (im Folgenden: Verwaltungsgericht) mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 13. August 2020 als unbegründet ab und sprach aus, dass die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

3        Das Verwaltungsgericht stellte fest, dass der Revisionswerber mit Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 14. Februar 2019 wegen einer Reihe näher bezeichneter Vergehen (schwerer Betrug, falsche Beweisaussage, Körperverletzung, gefährliche Drohung und Nötigung) zu einer Geldstrafe in der Höhe von EUR 10.500,-- verurteilt worden sei.

4        In seinen rechtlichen Erwägungen führt das Verwaltungsgericht unter anderem aus, dass vom Revisionswerber ein strafbares Verhalten in Ausnützung einer Gelegenheit gesetzt worden sei, das ihm der Beruf geboten habe. Das vom Revisionswerber ausgeübte Spenglergewerbe schaffe in Hinblick auf die leichte Austauschbarkeit von Kraftfahrzeugbestandteilen bevorzugte Möglichkeiten zur Begehung von Betrugs- und Diebstahlshandlungen sowohl gegen Kunden als auch gegen Versicherungsanstalten.

5        Der Revisionswerber habe im Zeitraum von 2009 bis 2017 wiederholt gerichtlich strafbare Handlungen begangen, weshalb bei der Beurteilung seines Persönlichkeitsbildes nicht die Prognose abgegeben werden könne, es bestehe keinerlei Befürchtung, dass er nicht wieder gerichtlich strafbare Handlungen unter den Möglichkeiten, die ihm die Ausübung der Gewerbetätigkeit biete, begehen werde. Die Wohlverhaltenszeit seit der letzten Straftat am 2. August 2017 sei dafür viel zu kurz.

6        Da die Nachsicht gemäß § 26 Abs. 1 GewO 1994 erst dann zu erteilen sei, wenn die in dieser Bestimmung genannte Befürchtung gar nicht bestehe, sei die bekämpfte Entscheidung der belangten Behörde in Hinblick auf die der Verurteilung durch das Landesgericht Innsbruck zu Grunde liegenden Straftaten im Einklang mit § 26 Abs. 1 GewO 1994 ergangen. Das beschriebene negative Persönlichkeitsbild des Revisionswerbers bzw. die negative „Zukunftsprognose“ fände durch Einsichtnahme in die Verwaltungsstrafvormerkungen ihre Bestätigungen. Allein bei der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck lägen 14 Verwaltungsstrafvormerkungen aus dem Straßenverkehr vor. Daneben fänden sich Eintragungen wegen Übertretungen unter anderem nach dem Maß- und Eichgesetz und der GewO 1994. Auch daran zeige sich, dass der Revisionswerber offenkundig nicht vollends bereit sei, sich normkonform zu verhalten.

7        Daran könne auch die vorgelegte „kriminologische“ Stellungnahme des Privatgutachters DDr. K D vom 22. Juni 2020 nichts ändern. Die dort getroffenen Aussagen seien äußerst vage und mit zahlreichen unbestimmten Begriffen wie „eher wahrscheinlich positiv“ oder „möglicherweise“ behaftet. Die Stellungnahme enthalte auch zahlreiche unzulässige, nicht der Sache dienende rechtliche Ausführungen. Auch die Befundung sei äußerst vage, weil sie auf eine Veräußerung des Unternehmens Bezug nehme, die noch gar nicht stattgefunden habe. Entscheidend sei jedoch, dass die vorgelegte Stellungnahme die gegenständlich interessierende Frage nicht beantworte. Es sei nämlich nicht von entscheidender Relevanz, ob die „Kriminalprognose“ aus aktueller Sicht „eher wahrscheinlich positiv“ zu beurteilen sei oder nicht. Vielmehr komme es allein darauf an, ob nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes zu befürchten sei. Diese „Zukunftsprognose“ falle beim Revisionswerber deutlich negativ aus, weshalb spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei.

8        2. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9        Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

10       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11       3. In der vorliegenden Revision wird dazu ausgeführt, dass diese im Besonderen deswegen zulässig sei, weil es sich um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung handle, „wenn die Behörde entgegen den Ausführungen eines beeideten Sachverständigen Feststellungen trifft und rechtsunrichtig entscheidet.“

12       4. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt klargestellt hat, ist die Würdigung eines Sachverständigengutachtens Teil der Beweiswürdigung. Ob ein Verwaltungsgericht einem Gutachten folgt oder nicht, stellt eine Frage der Beweiswürdigung und nicht eine Frage der rechtlichen Beurteilung dar. Der Verwaltungsgerichtshof ist als Rechtsinstanz tätig und zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Auch kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt. In Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 29.11.2017, Ra 2015/04/0014, mwN).

13       Mit der nicht weiter begründeten Rüge, wonach das Verwaltungsgericht der vom Revisionswerber im verwaltungsbehördlichen Verfahren vorgelegten „kriminologischen“ Stellungnahme eines Privatgutachters nicht gefolgt sei und „rechtsunrichtig“ entschieden hätte, vermag die Revision nicht darzutun, inwiefern die beweiswürdigenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts hier in einer vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden unvertretbaren Weise vorgenommen worden wären.

14       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 31. Jänner 2022

Schlagworte

Beweiswürdigung Wertung der Beweismittel Gutachten Beweiswürdigung der Behörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020040125.L00

Im RIS seit

04.03.2022

Zuletzt aktualisiert am

14.03.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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