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50/01 Gewerbeordnung;Norm
GewO 1994 §356 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde des Dipl. Ing. M und der Dr. AK, beide in G, beide vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 28. Oktober 1994, Zl. 312.236/2-III/A/2a/93, betreffend die Zurückweisung von Berufungen in einem Verfahren nach § 79 GewO 1994 (mitbeteiligte Partei: X-Ges.m.b.H. in G, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in G), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 28. Oktober 1994 wurden u.a. die Berufungen der Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 12. August 1993, betreffend die Zurückweisung u.a. der Berufungen der Beschwerdeführer gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 6. Oktober 1992 über die Vorschreibung zusätzlicher Auflagen gemäß § 79 GewO 1973 an die mitbeteiligte Partei, gemäß § 79 i. V.m. § 356 Abs. 4 GewO 1994 abgewiesen. Hiezu wurde im wesentlichen ausgeführt, die Beschwerdeführer hätten in dem - mit näher dargelegtem Bescheid abgeschlossenen - gewerbebehördlichen Genehmigungsverfahren betreffend die Betriebsanlage der mitbeteiligten Partei mangels Erhebung von Eiwendungen Parteistellung nicht erlangt, sodaß ihnen auch im Verfahren zur Vorschreibung zusätzlicher Auflagen nach § 79 GewO 1994 Parteistellung nicht zukomme. Daran vermöge auch das Vorbringen, anstelle eines Verfahrens nach § 79 GewO 1994 wäre richtigerweise ein Verfahren nach § 81 GewO 1994 durchzuführen gewesen, nichts zu ändern, weil Gegenstand der Überprüfung der Berufungsbehörde nur jene Sache sein könne, die den Gegenstand des bei ihr angefochtenen Bescheides bilde, im vorliegenden Fall daher die Vorschreibung zusätzlicher Auflagen nach § 79 GewO 1994.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG abgetretene Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Auch die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführer erachten sich durch den angefochtenen Bescheid einerseits im Recht auf Beiziehung als Partei im Verfahren nach § 79 GewO 1994 und andererseits im Recht verletzt, "daß die Gewerbebehörde anstelle eines Verfahrens gemäß § 81 Gewerbeordnung unter Anwendung der materiell-rechtlichen Bestimmungen dieses Verfahrens, ein Verfahren rechtswidrigerweise gemäß § 79 Gewerbeordnung durchgeführt hat, sodaß den Beschwerdeführern nicht die Rechtswohltat der Anwendung der materiell-rechtlichen Bestimmungen eines Genehmigungsverfahrens zuteil wurde". Sie bringen in Ausführung dieses Beschwerdepunktes im wesentlichen vor, es ergebe sich aus dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 24. November 1989, daß die in Rede stehende Betriebsanlage im Jahre 1988 geändert, diese Änderung spätestens im Jänner 1989 beendet und die Anlage in Betrieb genommen worden sei. Daß es sich dabei um eine wesentliche Änderung gehandelt habe, zeige auch die Tatsache, daß die mitbeteiligte Partei einen Antrag auf Änderung der Betriebsanlage gestellt und stets von einer Erneuerung der Anlage zur Gänze ausgegangen sei. Spätestens ab dem Jänner 1989 habe es somit an einem konsensgemäßen Betrieb der fraglichen Anlage in ihrem für den Betrieb wesentlichen Anlagenteil gefehlt. Dies habe zur Folge gehabt, daß im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 6. Oktober 1992, die ursprünglich erteilten Genehmigungen mangels konsensgemäßen Betriebes durch mehr als drei Jahre im Grunde des damals geltenden § 80 Abs. 1 GewO 1973 bereits erloschen gewesen seien. Der Bescheid vom 6. Oktober 1992 hätte daher schon aus diesem Grunde nicht erlassen werden dürfen. Auf der Basis der von den Beschwerdeführern getätigten Einwendungen und im Hinblick auf die Unzulänglichkeit der von der Gewerbebehörde bescheidmäßig vorgeschriebenen Auflagen seien die Beschwerdeführer weiters dadurch beschwert, daß die Gewerbebehörde nicht durch die Vorschreibung der erforderlichen und dem Stand der Wissenschaften entsprechenden Auflagen ihrer Verpflichtung nachgekommen sei, die von den Beschwerdeführern konkret geltend gemachten Verletzungen der gemäß § 74 Abs. 2 Z. 1 und 2 GewO 1994 geschützten Interessen hintanzuhalten. Der ärztliche Amtssachverständige habe die konkreten durch ärztliche Aussagen untermauerten Krankheitssymptome der Nachbarn, wie z.B. Erbrechen und Kopfweh nicht beurteilt, jedoch schließe bereits selbst das abschließend eingeholte ärztliche Gutachten Gesundheitsgefährdungen der Nachbarn insbesondere auch der Beschwerdeführer, nicht aus. Der ärztliche Amtssachverständige gehe sogar soweit, daß "aus ärztlicher Sicht auf die daraus für die Nachbarschaft möglichen Gesundheitsgefährdungen und Geruchsbelastungen hingewiesen werden" müsse. Die belangte Behörde habe sohin sachverhaltswidrig und aktenwidrig entschieden und insbesondere die Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unterlassen, insbesondere i.V.m. dem Ignorieren der Parteienvorbrigen und dem leichtfertigen Abgehen vom tatsächlichen Inhalt der Akten und dem Außerachtlassen des konkret vorliegenden Sachverhaltes. Damit seien die Beschwerdeführer auch in ihrem Recht auf Durchführung eines ordnungsgemäßen Verfahrens verletzt, wie sie insbesondere auch materiell-rechtlich in ihrem Recht auf Wahrung ihrer Schutzinteressen gemäß § 74 GewO 1994 durch die Gewerbebehörde verletzt worden seien. Das Verfahren leide weiters daran, daß trotz des Antrages der mitbeteiligten Partei auf gewerbebehördliche Genehmigung der Änderung ihrer Betriebsanlage und trotz eines zunächst auch eingeleiteten Genehmigungsverfahrens die Gewerbebehörde plötzlich unter Ausschaltung der Beschwerdeführer als Nachbarn von einem Genehmigungsverfahren in einem Auftragsverfahren gemäß § 79 GewO 1994 übergewechselt sei. Schließlich sei die Auffassung der belangten Behörde, im Verfahren zur Vorschreibung zusätzlicher Auflagen komme Parteistellung nur jenen Personen zu, die bereits im Verfahren zur Genehmigung der Betriebsanlage und zur Genehmigung der Betriebsanlage durch rechtzeitige Erhebung von Einwendungen i.S.d. § 74 GewO 1994 Parteistellung erlangt hätten, unzutreffend. Die Auffassung der belangten Behörde entspreche auch keiner der in der Literatur vertretenen Auffassungen, sodaß von einer gleichheitswidrigen Interpretation der Parteistellung der Beschwerdeführer durch die belangte Behörde ausgegangen werden müsse. Bei richtiger Auslegung könne die Bestimmung des § 356 Abs. 4 GewO 1994 nur dahin verstanden werden, daß im Verfahren nach § 79 GewO 1994 die Nachbarn ihre Parteienrechte gleichermaßen zu wahren hätten wie in einem Betriebsanlagengenehmigungsverfahren, d.h. daß ein Nachbar, um seine Parteirechte im weiteren Verfahren zu wahren, in der im Verfahren nach § 79 GewO 1994 anzuberaumenden Augenscheinverhandlung Einwendungen erheben müsse.
Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, eine zur Aufhebung führende Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun:
Gemäß § 79 Abs. 1 GewO 1994 hat die Behörde, wenn sich nach Genehmigung der Anlage ergibt, daß die gemäß § 74 Abs. 2 wahrzunehmenden Interessen trotz Einhaltung der im Genehmigungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen nicht hinreichend geschützt sind, die nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zur Erreichung dieses Schutzes erforderlichen anderen oder zusätzlichen Auflagen (§ 77 Abs. 1) vorzuschreiben. Die Behörde hat solche Auflagen nicht vorzuschreiben, wenn sie unverhältnismäßig sind, vor allem, wenn der mit der Erfüllung der Auflagen verbundene Aufwand außer Verhältnis zu dem mit den Auflagen angestrebten Erfolg steht. Dabei sind insbesondere Art, Menge und Gefährlichkeit der von der Anlage ausgehenden Emissionen und der von ihr verursachten Immissionen sowie die Nutzungsdauer und die technischen Besonderheiten der Anlage zu berücksichtigen.
Gemäß § 79 Abs. 2 GewO 1994 sind Auflagen i.S.d. Abs. 1 zugunsten von Personen, die erst nach Genehmigung der Betriebsanlage Nachbarn i.S.d. § 75 Abs. 2 und 3 geworden sind, nur soweit vorzuschreiben, als diese zur Vermeidung einer Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit dieser Personen notwendig sind. Auflagen i.S.d. Abs. 1 zur Vermeidung einer über die unmittelbare Nachbarschaft hinausreichenden beträchtlichen Belastung durch Luftschadstoffe, Lärm- oder gefährliche Abfälle sind, sofern sie nicht unter den ersten Satz fallen, zugunsten solcher Personen nur dann vorzuschreiben, wenn diese Auflagen i.S.d. Abs. 1 verhältnismäßig sind.
Im Verfahren betreffend die Vorschreibung anderer oder zusätzlicher Auflagen (§ 79) haben gemäß § 356 Abs. 4 GewO 1994 die im Abs. 3 genannten Nachbarn Parteistellung.
Gemäß § 356 Abs. 3 GewO 1994 sind im Verfahren aufgrund eines Ansuchens um Genehmigung der Errichtung und des Betriebes einer Betriebsanlage oder um Genehmigung der Änderung einer genehmigten Betriebsanlage nur jene Nachbarn Parteien, die spätestens bei der Augenscheinsverhandlung Einwendungen gegen die Anlage i.S.d. § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 erheben und zwar vom Zeitpunkt ihrer Einwendungen an. (Die Regelung des zweiten Satzes dieser Bestimmung ist im vorliegenden Zusammenhang nicht relevant.)
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt dargelegt hat (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1995, Zl. 95/04/0164, und die dort zitierte Vorjudikatur), ergibt sich aus dem Wortlaut des § 356 Abs. 4 GewO 1994, welcher auf den Abs. 3 dieser Gesetzesstelle hinweist, daß die Parteistellung des Nachbarn u.a. im Verfahren nach § 79 davon abhängt, daß ihm bereits im Verfahren betreffend die Genehmigung der Betriebsanlage (oder Genehmigung der Änderung einer genhmigten Betriebsanalge) Parteistellung zukam.
Da den Beschwerdeführern in den Verfahren zur Genehmigung der in Rede stehenden Betriebsanlage Parteistellung aber unbestrittenermaßen nicht zukam, war ihre Parteistellung im beschwerdegegenständlichen Verfahren über die Vorschreibung zusätzlicher Auflagen (§ 79 GewO 1994) somit ausgeschlossen.
Soweit die Beschwerdeführer weiters vorbringen, es sei rechtswidrigerweise ein Verfahren nach § 79 statt nach § 81 GewO 1994 durchgeführt worden und es seien die gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 wahrzunehmenden Interessen nicht hinreichend geschützt, sind sie darauf zu verweisen, daß dem Verwaltungsgerichtshof eine Überprüfung dieser Behauptung im Hinblick auf die fehlende Parteistellung der Beschwerdeführer im durchgeführten Verfahren nach § 79 GewO 1994 verwehrt ist. Ob die Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung von ihrer - unbestrittenermaßen in Anspruch genommenen - Ermächtigung gemäß § 79 GewO 1973 zu Recht und in hinreichendem Maße Gebrauch gemacht hat, muß daher im vorliegenden Fall, in dem es ausschließlich um die Parteistellung der Beschwerdeführer in eben diesem Verfahren geht, dahinstehen.
Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996040010.X00Im RIS seit
20.11.2000