Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. PD Dr. Rassi, MMag. Matzka und die Hofrätin Mag. Istjan, LL.M., als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, *, vertreten durch Mag. Matthias Strohmayer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei e* Limited, *, Vereinigtes Königreich, vertreten durch Dr. Armin Bammer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 845,46 EUR sA, über die ordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 29. April 2021, GZ 22 R 148/21a-15, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Schwechat vom 27. Jänner 2021, GZ 21 C 330/20t-9, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird abgeändert, sodass sie lautet:
„1. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 595,46 EUR samt 4 % Zinsen seit 30. 6. 2020 binnen 14 Tagen zu zahlen.
2. Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei weitere 250 EUR samt 4 % Zinsen seit 30. 6. 2020 zu zahlen, wird abgewiesen.“
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 772,22 EUR (darin enthalten 116,22 EUR USt und 74,90 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens und die mit 249,19 EUR bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 220,84 EUR (darin enthalten 36,81 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
[1] Das beklagte Luftfahrtunternehmen mit Sitz in Großbritannien schloss mit zwei Verbrauchern aus Österreich einen Vertrag über Hinflug von Wien nach Neapel am 10. 5. 2019 und Rückflug am 13. 5. 2019. Da der Flug überbucht war, verweigerte das ausführende Luftfahrtunternehmen den Verbrauchern beim Hinflug die Beförderung. Am angebotenen Ersatzflug am 11. 5. 2019 hatten die Verbraucher kein Interesse, weil die Aufenthaltsdauer für ihren Urlaub auf diese Weise von zweieinhalb Tagen auf nur einen vollen Tag reduziert worden wäre. Jeder von ihnen bekam deshalb die Flugscheinkosten von 139,40 EUR erstattet und erhielt 250 EUR als Ausgleichszahlung nach der EU-FluggastVO.
[2] Einer der Verbraucher hatte für den gemeinsamen Urlaub um 783 EUR ein Hotel und um 62,46 EUR einen Mietwagen gebucht. Diese Kosten konnten von den Vertragspartnern nicht mehr refundiert werden.
[3] Die Verbraucher haben ihre Ansprüche an den gemäß § 29 KSchG klagenden Verein abgetreten.
[4] Der Kläger begehrt 845,46 EUR an frustrierten Hotel- und Mietwagenkosten als Schadenersatz. Die Rechtswahl in den AGB sei ungültig, sodass österreichisches Recht anzuwenden sei. Die Ausgleichszahlung gebühre ausschließlich für die immateriellen Schäden der Verbraucher, die für alle Fluggäste praktisch identisch sei (Unannehmlichkeiten, Zeitverlust), nicht aber für individuelle Schäden wie frustrierte Reisekosten. Sie sei daher auf frustrierte Aufwendungen nicht anzurechnen.
[5] Die Beklagte bestritt. Nach dem laut AGB anwendbaren englischen und walisischen Recht seien die frustrierten Hotel- und Mietwagenkosten gar nicht ersatzfähig. Jedenfalls aber sei die durch das ausführende Luftfahrtunternehmen ausbezahlte Ausgleichszahlung auf den Schadenersatzanspruch gegen die Beklagte anzurechnen.
[6] Das Erstgericht gab der Klage statt. Wegen Intransparenz der Rechtswahlklausel im Luftbeförderungsvertrag sei österreichisches Recht anzuwenden. Der Vertrag sei ein relatives Fixgeschäft iSd § 919 S 2 ABGB. Die Beklagte habe den Verbrauchern wegen Verzugs die frustrierten Reisekosten zu ersetzen. Eine Vorteilsanrechnung der Ausgleichszahlung sei mangels Kongruenz nicht zulässig. Die Ausgleichszahlung kompensiere nämlich nur den irreversiblen Zeitverlust und die dadurch entstandenen Unannehmlichkeiten.
[7] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten teilweise Folge, sprach dem Kläger nur 345,46 EUR zu und wies das Mehrbegehren von 500 EUR ab. Es wendete ebenfalls österreichisches Recht an. Das Unionsrecht enthalte keine Vorgaben, ob eine Ausgleichszahlung nach Art 7 Abs 1 EU-FluggastVO auf einen weiter gehenden Schadenersatz nach Art 12 EU-FluggastVO anzurechnen sei. Nach österreichischem Recht sei eine Vorteilsanrechnung vorzunehmen, weil der Schadenersatzanspruch wegen der frustrierten Reisekosten des einen Verbrauchers und die an beide Verbraucher geleisteten Ausgleichszahlungen sachlich und zeitlich kongruent seien. Die Verbraucher hätten daher nur Anspruch auf den 500 EUR übersteigenden Betrag.
[8] Die ordentliche Revision des Klägers zielt auf eine Wiederherstellung der erstgerichtlichen Klagsstattgebung zur Gänze ab.
[9] Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[10] Die Revision ist zur Klärung der Rechtslage zulässig; sie ist teilweise berechtigt.
[11] 1. Die Revision ist gemäß § 502 Abs 5 Z 3 ZPO unabhängig von der Höhe des Streitwerts zulässig (RS0122125).
[12] 2. Im Revisionsverfahren berufen sich erstmals beide Parteien ausdrücklich auf österreichisches Recht, sodass aufgrund dieser nachträglichen Rechtswahl (vgl RS0040169) die Zulässigkeit der Rechtswahlklausel in den AGB nicht mehr zu prüfen ist.
3. Zur Anrechenbarkeit der Ausgleichszahlungen
[13] 3.1. Der Kläger argumentiert in seiner Revision, dass die Ausgleichszahlungen ausschließlich den immateriellen Schaden abgelten, der für alle nicht beförderten Fluggäste praktisch identisch sei. Daher bestehe keine Kongruenz mit den frustrierten Mietwagen- und Hotelkosten. Ein Vorteilsausgleich scheide aus.
[14] 3.2. Wird den Fluggästen gegen ihren Willen die Beförderung verweigert, hat das ausführende Luftfahrtunternehmen nach Art 4 Abs 3 iVm Art 7 Abs 1 lit a der Verordnung (EG) Nr 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. 2. 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen (im Folgenden EU-FluggastVO) bei Flügen über eine Entfernung von 1.500 km oder weniger eine Ausgleichszahlung von 250 EUR zu erbringen.
[15] Die EU-FluggastVO gilt nach ihrem Art 12 Abs 1 unbeschadet eines weiter gehenden Schadensersatzanspruchs des Fluggastes. Damit ist gemeint, dass Ansprüche aus der Verordnung weitergehende Schadenersatzansprüche aus anderen Rechtsgrundlagen unberührt lassen (Bollweg in Staudinger/Keiler, Fluggastrechte-Verordnung [2016] Art 12 Rz 9). Die Verordnung legt also nur die Mindestrechte der Fluggäste fest (EuGH 13. 10. 2011, C-83/10, Sousa Rodríguez, Rn 38; 6 Ob 146/18s [Pkt 7.5]).
[16] 3.3. Die Ausgleichszahlung nach Art 7 kann gemäß Art 12 Abs 1 S 2 EU-FluggastVO auf einen solchen weitergehenden Schadenersatzanspruch angerechnet werden. Der EuGH hat in diesem Zusammenhang klargestellt, dass eine Anrechnung rein nach nationalem Recht zu beurteilen ist (EuGH 29. 7. 2019, C-354/18, Rusu Rn 44 u 47).
[17] 3.4. Der Kläger leitet aus dem Text eben dieser Entscheidung ab, dass keine Kongruenz zwischen der Ausgleichszahlung und frustrierten Reisekosten besteht, weil die Ausgleichszahlung ausschließlich dem Ersatz ideeller Schäden durch das Ungemach der Nichtbeförderung diene.
[18] Tatsächlich führte der EuGH zwar aus, dass die Ausgleichszahlungen dazu dienen, „dass standardisiert und unverzüglich – ohne die Mühen gerichtlicher Geltendmachung – der Schaden wiedergutgemacht wird, der in den Unannehmlichkeiten besteht, die ua – wie dies im Ausgangsverfahren der Fall ist – durch die Nichtbeförderung im Personenluftverkehr entstehen“ (EuGH 29. 7. 2019, C-354/18, Rusu Rn 28) und dass die Pauschalbeträge „nur den Schaden ausgleichen [sollen], der für alle betroffenen Fluggäste praktisch identisch ist“ (EuGH 29. 7. 2019, C-354/18, Rusu Rn 30 unter Verweis auf EuGH 10. 1. 2006, C-344/04, IATA und ELFAA, Rn 43; EuGH 13. 10. 2012, C-581/10 und C-629/10 Nelson ua, Rn 52).
[19] Diese Passagen dürfen aber nicht für sich allein betrachtet werden, sondern sind im Kontext der gesamten Entscheidung zu verstehen. Im Ausgangsverfahren zum Vorabentscheidungsersuchen machten die Kläger aufgrund von Nichtbeförderung materielle Ansprüche wegen Verdienstentgang sowie immaterielle Schäden geltend. Sie seien nicht (wie gebucht) schon am 6. 9. 2016 von Bac?u (Rumänien) zu ihrem Wohnsitzort London (Vereinigtes Königreich) befördert worden, sondern erst am 11.9.2016. Beklagte war ihre Vertragspartnerin aus dem Luftbeförderungsvertrag, die vorbrachte, maximal 400 EUR Ausgleichszahlung nach Art 7 Abs 1 EU-FluggastVO zu schulden.
[20] Das vorlegende Landgericht Bac?u fragte beim EuGH unter anderem konkret an, ob die Ausgleichszahlung nach Art 7 Abs 1 EU-FluggastVO hauptsächlich dem Ausgleich materieller oder immaterieller Schäden diene (Vorlagefrage 1). Genau diese Frage ließ der EuGH aber unbeantwortet (so auch Ungerer, Umfang und Anrechnung des pauschalierten Schadensersatzes sowie erweiterte Informationspflichten und Beweislast der Fluggesellschaft nach der Fluggastrechte-Verordnung, GPR 2020, 42 [43–44]) und betonte stattdessen, dass der Verordnungstext selbst weder zu einer Anrechnung verpflichte, noch ihr entgegenstehe oder Bedingungen für eine Anrechnung vorgebe (EuGH 29. 7. 2019, C-354/18, Rusu Rn 44 und 47). In der Gesamtbetrachtung der Entscheidungsbegründung ergibt sich daher klar, dass das Unionsrecht nach Ansicht des EuGH eine Anrechnung der Ausgleichszahlung auf Ersatzansprüche für keine der im Ausgangsverfahren geltend gemachten Schadensarten, also weder für materielle noch für immaterielle Schäden, ausschließt.
[21] 3.5. Auf welche Schadenersatzansprüche Ausgleichszahlungen nach Art 7 Abs 1 EU-FluggastVO in welchem Umfang anzurechnen sind, ist im vorliegenden Fall daher nach den Grundsätzen des österreichischen Rechts für die Vorteilsanrechnung zu prüfen.
[22] Ganz allgemein muss für eine Anrechnung der anzurechnende Vorteil ebenso wie der entsprechend zu kürzende Schadenersatzanspruch äquivalent-kausal und nach dem Grundsatz der Korrespondenz oder Kongruenz von Vor- und Nachteilen sachlich und zeitlich kongruent sein (RS0114259 [T1]; vgl auch Reischauer in Rummel, ABGB3 § 1312 ABGB [2007] Rz 3a).
[23] 3.6. Konkret für die Ausgleichszahlungen nach Art 7 Abs 1 EU-FluggastVO und weitergehende Schadenersatzansprüche iSd Art 12 EU-FluggastVO ist in der deutschen und österreichischen Lehre der Umfang und die Wechselseitigkeit der Anrechnungsmöglichkeiten umstritten (vgl etwa Christian Schuster-Wolf, Schlichtung von Passagierrechts- und Pauschalreisefällen: Eine Analyse bisheriger Erfahrungen, VbR 2017/107).
[24] Ein Teil der Lehre vertritt – wie der Kläger in diesem Verfahren – die Ansicht, dass die Ausgleichszahlungen nur oder primär dem Ersatz der Unannehmlichkeiten durch die Nichtbeförderung, also dem Ersatz (überwiegend) immaterieller Schäden dienen, und lehnt daher die Anrechnung auf Schadenersatzansprüche wegen materieller Schäden – wie ihn die Kläger hier geltend machen – ab (Maruhn in Beck OK Fluggastrechte20 [2021] Art 7 Rz 8 und Art 12, Rz 10 und 14; Heinze, Schadenersatz im Unionsprivatrecht [2017] 470, 472, 477, 489).
[25] Der inzwischen wohl herrschende Teil der Lehre ist hingegen der Ansicht, dass die Ausgleichszahlungen sowohl auf materielle als auch immaterielle Schadenersatzansprüche anzurechnen sind, wenn diese aus demselben Haftungsgrund, also etwa einer Nichtbeförderung resultieren (Bollweg in Staudinger/Keiler, Fluggastrechte-Verordnung [2016] Art 12 Rz 9; Bollweg, Luftverkehrsrechtliche Ausgleichsleistungen und reisevertragliche Gewährleistung, Rra 1/2009 [11]). Begründet wird dies damit, dass die Anrechnungsmöglichkeit in Art 12 Abs 1 S 2 EU-FluggastVO auf deutsche Initiative Eingang in den Verordnungstext gefunden habe, um dem schadenersatzrechtlichen Ausgleichsgedanken Rechnung zu tragen, dem auch eine Vermeidung einer Überkompensation des Geschädigten innewohne (Bollweg in Staudinger/Keiler, Fluggastrechte-Verordnung [2016] Art 12 Rz 3). Die Kongruenz sei sowohl für Ansprüche aus materiellen als auch immateriellen Nachteilen gegeben, weil die EU-FluggastVO insoweit nicht unterscheide (Bollweg in Staudinger/Keiler, Fluggastrechte-Verordnung [2016] Art 12 Rz 11). Steinrötter nennt die Ausgleichszahlung in diesem Zusammenhang treffend einen sui-generis-Anspruch, der gleichermaßen auf immaterielle wie materielle Schäden abziele, unabhängig davon, wo man einen Schwerpunkt sehe (Steinrötter, BGH: Anrechnung fluggastrechtlicher Ausgleichsansprüche auf reise- und beförderungsvertraglichen Schadensersatz, VuR 2020, 182 [184]).
[26] 3.7. Der BGH hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass die Ausgleichszahlungen nach Art 7 Abs 1 EU-FluggastVO nicht nur dem pauschalierten Ersatz immaterieller Schäden in Form von Unannehmlichkeiten dienen (BGH X ZR 165/18 Rz 10 und X ZR 128/18 Rz 11). Unterbliebe eine Anrechnung der Ausgleichszahlung auf den Schaden wegen nutzlos gewordener Aufwendungen oder wie Hotel- und Mietwagenkosten, würde der Fluggast überkompensiert. Dass einem Fluggast, für den durch die Flugverspätung oder -annullierung keine Aufwendungen nutzlos werden und dem keine Zusatzkosten entstehen, seine Ausgleichszahlung dagegen ungeschmälert verbleibe, sei als einer pauschalierten Abgeltung immanent hinzunehmen (BGH X ZR 165/18 Rz 12 und X ZR 128/18 Rz 13).
[27] 3.8. Dieses Verständnis hat auch der Unionsgesetzgeber durch die Pauschalreise-RL 2015/2302/EU bestätigt. Erwägungsgrund 36 und Art 14 Abs 5 Pauschalreise-RL sehen ebenso wie die österreichische Umsetzung im nationalen Recht in § 12 Abs 5 PRG ausdrücklich vor, dass Ausgleichszahlungen nach Art 7 Abs 1 EU-FluggastVO auf vertragliche Ersatzansprüche gegen den Reiseveranstalter wechselseitig anzurechnen sind, um eine Überkompensation zu vermeiden.
[28] 3.9. Auch dass die Ausgleichszahlung durch das ausführende Luftfahrtunternehmen geleistet werde, hindert eine Anrechnung auf Schadenersatzansprüche gegen den Vertragspartner des Fluggastes nicht, weil das ausführende Luftfahrtunternehmen gemäß Art 3 Abs 5 S 2 für den Vertragspartner handle (BGH X ZR 128/18 Rz 14; im Ergebnis ebenso: Hausmann, Europäische Fluggastrechte im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung und großer Verspätung von Flügen [2012] 487).
[29] Für den insofern vergleichbaren Fall von Ansprüchen auf Betreuungsleistungen nach § 31e KSchG gegen den Pauschalreiseanbieter hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, dass Ausgleichszahlungen des ausführenden Luftfahrtunternehmens nach Art 7 Abs 1 EU-FluggastVO bei entsprechender Kongruenz den Vertragspartner des Fluggastes befreien können (6 Ob 146/18s [Pkt 7.6.]).
[30] 3.10. Eine Vorteilsausgleichung hat im österreichischen Recht jedoch nicht von Amts wegen zu erfolgen, sondern nur über Einwendung des Schädigers, den für deren Voraussetzungen die Behauptungs- und Beweislast trifft (RS0036710). Die Beklagte wendete zwar ein, dass die Ausgleichszahlungen der beiden Verbraucher anzurechnen seien, sie hätte dies im vorliegenden Fall auch behaupten und nachweisen müssen, dass und wie die geforderten Hotel- und Mietwagenkosten beiden Verbrauchern zuzuordnen sind.
[31] Tatsächlich steht aber fest, dass die frustrierten Hotel- und Mietwagenkosten von insgesamt 845,46 EUR von nur einem der beiden Verbraucher getragen wurden. Dieser Verbraucher hat eine Ausgleichszahlung von 250 EUR erhalten, die auf seinen Schadenersatzanspruch angerechnet werden kann.
[32] Dass die beiden Verbraucher auf einer gemeinsamen Urlaubsreise waren, machte die frustrierten Kosten nicht zu gemeinsamen Kosten, weil es im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte für eine beabsichtigte Rückerstattung, Kostenbeteiligung oder ein gemeinsames Urlaubsbudget gibt. Es ist daher laut Sachverhalt davon auszugehen, dass die zweite Verbraucherin keine weitergehenden Schäden erlitten hat und sie ihre Ausgleichszahlung von 250 EUR damit nur zur Abgeltung ihrer Unannehmlichkeiten durch die Nichtbeförderung erhalten hat. Eine Anrechnung dieser Ausgleichszahlung auf die Schäden des anderen Reiseteilnehmers scheidet daher mangels Kongruenz aus.
[33] 4. Die Abänderung der Entscheidung in der Hauptsache bedingt auch eine Änderung der Kostenentscheidung.
[34] Die Entscheidung über die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens beruht auf § 43 Abs 1 ZPO. Der Kläger drang mit rund 70 % seiner Ansprüche durch, sodass ihm 70 % der Pauschalgebühr und 40 % der sonstigen Verfahrenskosten zu ersetzen sind.
[35] Die Kostenentscheidung in den Rechtsmittelverfahren beruht auf §§ 43 Abs 1, 50 ZPO. Gegenstand der Berufung des Klägers war der gesamte Klagsbetrag. Die Beklagte war mit ihrer Berufung letztlich zu 30% erfolgreich, sodass sie 30% der Pauschalgebühr (von tatsächlich nur 144 EUR) erhält, aber dem Kläger 40 % seiner sonstigen Kosten zu ersetzen hat. Gegenstand des Revisionsverfahrens war nur das abgewiesene Mehrbegehren von 345,46 EUR. Die Erfolgsquote des Klägers auf dieser Basis beträgt rund 28 %, weshalb die Beklagte 44% der Kosten ihrer Revisionsbeantwortung ersetzt erhält.
Textnummer
E133995European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2021:0040OB00177.21I.1216.000Im RIS seit
04.03.2022Zuletzt aktualisiert am
04.03.2022