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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §10 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher sowie die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde 1.) des A N,
2.) des N N, beide in W, beide vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 4. Jänner 1996, Zl. V/1-BA-8953/4, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einem Verfahren über eine Ersatzvornahme,
Spruch
1. den Beschluß gefaßt:
Die Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers wird zurückgewiesen.
Der Zweitbeschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
2. Zu Recht erkannt:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Erstbeschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt vom 16. August 1995 wurde der Erstbeschwerdeführer zur Zahlung eines Betrages von 396.170,08 S zur Deckung der Kosten einer von der Behörde vorgenommenen Ersatzvornahme verpflichtet. In der mit "i.V. N N" unterzeichneten Berufung gegen diesen Bescheid heißt es u.a.:
"Ihre geltend gemachten Ansprüche gehen auf das Jahr 1987 zurück als der A N, mein Vater, noch im Geschäftsleben stand.
Derselbe ist 1990 in den Ruhestand getreten, steht derzeit vor dem 82. Lebensjahr und ist infolge eines erlittenen Herzinfarktes leidend und völlig arbeitsunfähig.
Er befindet sich seit geraumer Zeit in Pflege bei Freunden im Ausland und hat mir als seinen ältesten Sohn eine Postvollmacht überlassen.
Ihr Bescheid ist als verfehlt zu bezeichnen, weshalb ich Berufung einlege mit dem Ersuchen um Aufhebung und Einstellung."
Mit dem Bescheid vom 4. Jänner 1996 wies der Landeshauptmann von Niederösterreich diese als Berufung des Erstbeschwerdeführers bezeichnete Berufung als unzulässig zurück. In der Begründung dieses Bescheides wird ausgeführt, Partei des zugrundeliegenden Verwaltungsverfahrens sei der Zweitbeschwerdeführer, diesem wäre auch ein Berufungsrecht zugestanden. Der Erstbeschwerdeführer sei jedoch durch den angefochtenen Bescheid zu keiner Leistung verpflichtet worden, ihm gegenüber sei der Bescheid nicht erlassen worden. Ihm fehle es daher an der Parteistellung und folglich auch an der Berufungslegitimation. In Frage komme auch eine Legitimation des Zweitbeschwerdeführers als Vertreter des berufungslegitimierten Erstbeschwerdeführers. Der Zweitbeschwerdeführer berufe sich aber auf eine Postvollmacht seines Vaters, des Erstbeschwerdeführers. Unter einer Postvollmacht sei eine Ermächtigung zur Entgegennahme von Sendungen zu verstehen. Eine Postvollmacht stelle keine Verfahrensvollmacht im Sinne des § 10 AVG dar. Auf eine solche berufe sich der Zweitbeschwerdeführer auch nicht. Nach der Aktenlage bestehe ein Vollmachtsverhältnis zwischen dem Erstbeschwerdeführer und Rechtsanwalt Dr. C. Eine Kündigung dieser Vollmacht sei der Behörde gegenüber nicht bekanntgegeben worden, weshalb sie ihr gegenüber auch weiterhin wirksam sei. Da vom Zweitbeschwerdeführer die Erteilung einer Verfahrensvollmacht gemäß § 10 AVG durch seinen Vater an ihn überhaupt nicht behauptet werde, sei das Bestehen einer solchen von der Behörde auch nicht anzunehmen. Der fehlende Nachweis eines Bevollmächtigungsverhältnisses gemäß § 10 AVG stelle daher insofern keinen verbesserungsfähigen Mangel der Berufung dar, als sich der Zweitbeschwerdeführer nicht auf eine solche Vollmacht berufe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachten sich die Beschwerdeführer nach ihrem gesamten Vorbringen in dem Recht auf meritorische Erledigung ihrer Berufung verletzt. In Ausführung dieses Beschwerdepunktes machen sie geltend, aus dem Inhalt der Berufung ergebe sich zweifellos, daß der Zweitbeschwerdeführer die Berufung im Namen des Erstbeschwerdeführers erhoben habe. Wenn auch § 10 Abs. 1 AVG den Nachweis einer schriftlichen Vollmacht normiere, so berechtige das Nichtvorliegen einer derartigen schriftlichen Vollmacht im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG die Behörde nicht, die Eingabe zurückzuweisen. Sowohl dann, wenn eine schriftliche Vollmacht Mängel aufweise, als auch dann, wenn die Eingabe zwar auf ein Vollmachtsverhältnis hinweise, eine Vollmacht aber nicht vorgelegt werde, handle es sich nach ständiger Rechtsprechung um einen der Verbesserung zugänglichen Formfehler. Die belangte Behörde wäre daher verpflichtet gewesen, die Eingabe mit dem Auftrag zur Verbesserung durch Vorlage einer schriftlichen Vollmacht zurückzustellen oder sie hätte, wenn ihr die Vollmachtsverhältnisse nicht klar gewesen wären, eine diesbezüglichen Verbesserungsauftrag erteilen müssen. Der Hinweis auf die frühere Bevollmächtigung eines Rechtsanwaltes könne an dieser Verpflichtung nichts ändern. Die Bestellung eines Bevollmächtigten schließe nicht aus, daß der Vollmachtgeber im eigenen Namen Erklärungen abgebe. Er könne solche Erklärungen auch durch eine dritte Person, die er ebenfalls bevollmächtigt habe, abgeben.
1.
Die Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers ist nicht zulässig.
Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich zweifelsfrei, daß der Zweitbeschwerdeführer den Standpunkt vertritt, im eigenen Namen keine Berufung erhoben zu haben. Davon ausgehend kann er aber durch den angefochtenen Bescheid, mit dem eine solche gar nicht erhobene Berufung zurückgewiesen wurde, nicht in subjektiven Rechten verletzt sein (vgl. den hg. Beschluß vom 27. Juni 1980, Slg. N.F. Nr. 10.179/A).
Die Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG wegen des Mangels der Berechtigung zu ihrer Erhebung zurückzuweisen.
2.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes demjenigen, der behauptet, die belangte Behörde habe eine Berufung unrichtigerweise nicht ihm, sondern einer anderen Person zugerechnet und sie deshalb zurückgewiesen, das Recht zur Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gegen diesen Bescheid zusteht (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19. Dezember 1984, Slg. N.F. Nr. 11.625/A). Die Beschwerde des Erstbeschwerdeführers ist daher zulässig.
Sie ist auch berechtigt.
Aus dem oben wiedergegebenen Inhalt der in Rede stehenden Berufung ist - wovon auch die belangte Behörde ausging - zweifelsfrei erkennbar, daß sie vom Zweitbeschwerdeführer im Namen des Erstbeschwerdeführers erhoben wurde, ohne daß allerdings die nach § 10 Abs. 1 erster Satz AVG erforderliche schriftliche Vollmacht zum Nachweis des Bevollmächtigungsverhältnisses vorgelegt worden wäre. Das Fehlen einer solchen Vollmachtsurkunde bildet gemäß § 10 Abs. 2 AVG ein Formgebrechen im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG, das die belangte Behörde nicht zur sofortigen Zurückweisung der Berufung berechtigte. Sie hätte vielmehr nach § 13 Abs. 3 AVG ein Verbesserungsverfahren einzuleiten gehabt. Daran vermag der Umstand, daß sich der Zweitbeschwerdeführer in der Berufung auf die ihm vom Erstbeschwerdeführer erteilte "Postvollmacht" berief, nichts zu ändern. Der belangten Behörde ist zwar zuzugestehen, daß eine solche Postvollmacht nicht zur Vertretung in einem Verwaltungsverfahren berechtigt. Die Erklärung in der Berufung, es sei eine Postvollmacht erteilt worden, schließt allerdings nicht, so wie dies von der belangten Behörde verstanden wurde, zwingend aus, daß daneben auch eine Vollmacht zur Vertretung im Verwaltungsverfahren, insbesondere zur Erhebung einer Berufung, erteilt wurde.
Da es die belangte Behörde somit zu Unrecht unterließ, ein Verfahren nach § 13 Abs. 3 AVG zur Beischaffung der fehlenden Vollmachtsurkunde einzuleiten, erweist sich der angefochtene Bescheid als mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behaftet. Er war daher über die Beschwerde des Erstbeschwerdeführers gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 f VwGG in Verbindung mit der Verordnung
BGBl. Nr. 416/1994. Das Stempelgebührenaufwand betreffende Mehrbegehren war abzuweisen, da der angefochtene Bescheid nur in einfacher Ausfertigung vorzulegen war.
Schlagworte
Grundsätzliches zur Rechtmäßigkeit und zur Rechtsverletzungsmöglichkeit Inhalt des Spruches Anführung des Bescheidadressaten Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Grundsätzliches zur Parteistellung vor dem VwGH Allgemein Verbesserungsauftrag Vertretungsbefugter juristische PersonEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996040054.X00Im RIS seit
20.11.2000