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10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
VwGG §26 Abs2Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie die Hofräte Mag. Samm und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des S A in B, vertreten durch Mag. Gunter Österreicher, Rechtsanwalt in 2020 Hollabrunn, Wiener Straße 17/3, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 23. November 2021, Zl. LVwG-AV-1571/001-2021, betreffend Verhängung eines Waffenverbotes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 17. August 2021 wurde dem Revisionswerber in Bestätigung eines zuvor erlassenen Mandatsbescheides gemäß § 12 Abs. 1 Waffengesetz 1996 der Besitz von Waffen und Munition verboten.
2 Dagegen erhob der Revisionswerber durch seinen damaligen Rechtsvertreter am 14. September 2021 Beschwerde an das Verwaltungsgericht. Bereits am 15. September 2021 - noch vor der Vorlage der Beschwerde - teilte der Revisionswerber der belangten Behörde mit, dass das Vollmachtsverhältnis zu seinem damaligen Rechtsvertreter aufgelöst worden sei.
3 Mit Verfahrensanordnung vom 27. Oktober 2021 beraumte das Verwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung für den 17. November 2021 an und lud dazu unter anderem den Revisionswerber persönlich. Die Ladung des Revisionswerbers wurde nach einem erfolglosen Zustellversuch zur Abholung bei einer Postgeschäftsstelle hinterlegt.
4 Zur mündlichen Verhandlung am 17. November 2021 erschien der Revisionswerber nicht, sodass sie in seiner Abwesenheit durchgeführt wurde. Seine Ladung wurde nach Ende der Abholfrist mit dem Vermerk „nicht behoben“ an das Verwaltungsgericht retourniert.
5 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde des Revisionswerbers nicht Folge und erklärte eine ordentliche Revision für nicht zulässig.
6 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, zu deren Zulässigkeit im Wesentlichen vorgebracht wird, dem Revisionswerber seien weder die Ladung zur mündlichen Verhandlung noch das bekämpfte Erkenntnis ordnungsgemäß zugestellt worden, sodass in der Durchführung der mündlichen Verhandlung in seiner Abwesenheit ein wesentlicher Verfahrensmangel liege.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Vorauszuschicken ist, dass das in Revision gezogene Erkenntnis dem Revisionswerber nach der Aktenlage bislang nicht (wirksam) zugestellt wurde, weil das Verwaltungsgericht die Zustellung nicht an ihn, sondern an den ehemaligen Rechtsvertreter verfügt hat. Dass die diesem erteilte Vollmacht aufgelöst worden war, wurde der belangten Behörde jedoch bereits vor der Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht mitgeteilt.
11 Dies hindert jedoch nicht die Erhebung der Revision, weil das Erkenntnis durch Zustellung an die belangte Behörde wirksam erlassen wurde (vgl. § 26 Abs. 2 VwGG, zur rechtswirksamen Erlassung eines Erkenntnisses durch Zustellung an die belangte Behörde etwa VwGH 20.2.2019, Ra 2018/03/0121, mwN).
12 Die Revision behauptet darüber hinaus eine unwirksame Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung, wobei nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (etwa VwGH 3.7.2020, Ra 2019/06/0036) das Nichterscheinen einer nicht ordnungsgemäß geladenen Partei nicht zu deren Säumnis führe, sondern die dennoch erfolgte Durchführung der Verhandlung einen allenfalls mit Revision bekämpfbaren Verfahrensmangel darstelle. Die Ladung sei dem Revisionswerber an seiner alten Anschrift zugestellt worden, obwohl er „im September 2021“ seinen Wohnsitz in eine andere Gemeinde verlegt, sich fortan dort aufgehalten und auch seinen Hauptwohnsitz an dieser Adresse gemeldet habe. Dem Verwaltungsgericht sei diese Wohnsitzänderung offenbar zum Zeitpunkt der Ladung nicht bekannt gewesen.
13 Einen wesentlichen Verfahrensmangel (und eine darin allenfalls gelegene Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes) legt die Revision damit jedoch nicht dar:
14 Nach der mit der Revision vorgelegten Meldebestätigung aus dem Zentralen Melderegister hatte der Revisionswerber bereits am 7. September 2021 die Verlegung seines Hauptwohnsitzes von der alten an die neue Anschrift gemeldet, sodass - seinem Vorbringen nach - bereits ab diesem Zeitpunkt keine Abgabestelle an der alten Anschrift mehr bestand.
15 Jedoch wurde sowohl in der Beschwerde vom 14. September 2021 als auch in der Mitteilung der Vollmachtsauflösung vom 15. September 2021 jeweils im Rubrum des Schriftsatzes noch die alte Anschrift des Revisionswerbers angegeben, an welche in der Folge auch die fragliche Ladung adressiert wurde. Dass der Revisionswerber dem Verwaltungsgericht jemals eine Änderung seiner Abgabestelle mitgeteilt hätte oder dass eine solche dem Verwaltungsgericht sonst erkennbar gewesen sei, bringt er nicht vor und ergibt sich auch sonst nicht aus den Akten.
16 Hat die Partei in einem Anbringen eine Abgabestelle genannt, so kann diese als ihre bisherige Abgabestelle angesehen werden; eine Partei, die der Behörde eine allenfalls unrichtige Wohnanschrift angibt, hat die ihr aus einer Zustellung an diese unrichtige Wohnanschrift erwachsenden Rechtsnachteile selbst zu vertreten (vgl. VwGH 27.3.2007, 2006/21/0337, 0338, mwN, ebenfalls zur unrichtigen Angabe einer Anschrift im Rubrum eines Schriftsatzes nach Beendigung des Vollmachtsverhältnisses).
17 Da die Verlegung des Hauptwohnsitzes (und damit die behauptete Änderung der Abgabestelle) vor Einleitung des Beschwerdeverfahrens erfolgte, konnte das Verwaltungsgericht dem Revisionswerber wirksam an die in der Beschwerde genannte Anschrift zustellen.
18 Selbst wenn man von einer Änderung der Abgabestelle während des Verfahrens ausginge, so hätte der Revisionswerber die nach § 8 Abs. 1 ZustG verpflichtende Mitteilung darüber an die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht unterlassen. Damit trägt er nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Gefahr, dass die Behörde bzw. das Gericht diese Änderung nicht erkennen und die Zustellung an der bisherigen Abgabestelle bewirkt werden kann, gleichgültig, wo sich die Partei tatsächlich aufgehalten hat und welche Abgabestelle für sie zu diesem Zeitpunkt sonst in Betracht gekommen wäre, sofern die Behörde bzw. das Gericht - wie vorliegend - von der Änderung bzw. Aufgabe der Abgabestelle keine Kenntnis erlangt und sich daher zu Nachforschungen über die Abgabestelle des Empfängers im Sinne des § 8 Abs. 2 ZustG von vornherein nicht veranlasst sehen kann (vgl. VwGH 13.11.2018, Ra 2018/21/0064, mwN).
19 Da somit eine ordnungsgemäße Ladung des Revisionswerbers für die mündliche Verhandlung vom 17. November 2021 vorgenommen wurde, liegt in der Durchführung der Verhandlung in seiner Abwesenheit keine Verletzung von Verfahrensvorschriften: Das Nichterscheinen einer ordnungsgemäß geladenen Partei hindert die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht (VwGH 25.5.2021, Ra 2020/08/0188, mwN).
20 Soweit die Revision ihre Zulässigkeit überdies damit begründet, dass das Verwaltungsgericht seine Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen habe, legt sie schon deshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung dar, weil jegliche Ausführungen dazu fehlen, bezogen auf welche Feststellungen und aus welchen Gründen welche beweiswürdigenden Erwägungen bekämpft werden.
21 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 2. Februar 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022030004.L00Im RIS seit
03.03.2022Zuletzt aktualisiert am
09.03.2022