TE OGH 2021/12/22 6Ob130/21t

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Veröffentlicht am 22.12.2021
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden, die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Kodek sowie Dr. Nowotny, die Hofrätin Dr. Faber und den Hofrat Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. G* Versicherung AG, *, 2. O* R*, beide vertreten durch Dr. Robert Mayrhofer, Rechtsanwalt in Ried im Innkreis, gegen die beklagte Partei A* Bankaktiengesellschaft, *, vertreten durch Dr. Günther Klepp und andere Rechtsanwälte in Linz, wegen 1.119.948,71 EUR sA (erstklagende Partei) und 152.533,33 EUR sA (zweitklagende Partei), über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 1. Juni 2021, GZ 4 R 59/21f-33, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

[1]       Die beklagte Bank stand mit einem Rechtsanwalt in langjähriger Geschäftsbeziehung. Dieser eröffnete bei der Beklagten in den Jahren 2016 und 2017 zur treuhänderischen Abwicklung von Liegenschaftstransaktionen unter anderem zahlreiche „normale“ Anderkonten, ohne einen „Kontoverfügungsauftrag“ zu erteilen, also ohne mit der Beklagten zu vereinbaren, Überweisungen nur an bestimmte Empfänger zuzulassen. Daneben gab es auch (hier nicht klagsgegenständliche) Treuhandschaften, die über das Treuhandstatut der Rechtsanwaltskammer bzw mit „Kontoverfügungsauftrag“ abgewickelt wurden und bei denen eine Treuhandrevision der Zweitklägerin keine Beanstandungen ergab. In den Jahren 2016 und 2017 tätigte der Rechtsanwalt von „normalen“ Anderkonten nach dem Prinzip „Loch auf – Loch zu“ Überweisungen teils auf sein Kanzleisammelanderkonto, teils auf andere seiner Anderkonten bei der Beklagten, teils auch an Parteien aus anderen Liegenschaftskaufverträgen. Infolge Insolvenz des Rechtsanwalts führte dies bei mehreren Treugebern zu Vermögensschäden. Die Klägerinnen ersetzten den Treugebern diese Schäden. Sie machen die auf sie übergegangenen Schadenersatzansprüche der Treugeber gegenüber der beklagten Bank geltend.

[2]       Die Vorinstanzen wiesen die Klagebegehren ab.

Rechtliche Beurteilung

[3]       Die außerordentliche Revision der Klägerinnen zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf:

[4]                     1. Bei Vollrechtstreuhandkonten ist grundsätzlich der Treuhänder als Kontoinhaber allein und uneingeschränkt verfügungsberechtigt und nicht der Treugeber (also jener, zu dessen Gunsten der Kontoinhaber das Geld verwaltet). Zu Letzterem steht die kontoführende Bank in keiner dieses Konto betreffenden Vertragsbeziehung (RS0010450). Die Bank ist daher mangels anderer Vereinbarung nicht verpflichtet, den Treuhänder zu überwachen. Sie haftet grundsätzlich nicht, wenn sie Verfügungen des Treuhänders über das Treuhandkonto durchführt, die gegen die Treuhandverpflichtung verstoßen, außer es ist ihr dabei deliktisches Verhalten vorzuwerfen (RS0010450 [T3, T5]). Das kann dann der Fall sein, wenn die missbräuchliche Verwendung der Gelder für die Bank offenkundig ist (4 Ob 245/02m). Besteht keine Vereinbarung mit der Bank, von einem Anderkonto eines Rechtsanwalts Überweisungen nur an bestimmte Personen durchzuführen, verhält sich die Bank aber regelmäßig nicht sorgfaltswidrig, wenn sie nicht prüft, ob die Überweisung im Interesse desjenigen erfolgt, dem das Geld zukommen soll (4 Ob 245/02m).

[5]            2. Aus dem Vorbringen der Beklagten ergibt sich, dass ihren Repräsentanten vor Durchführung der klagsgegenständlichen Kontoverfügungen bekannt war, dass das Empfängerkonto häufig das Kanzleisammelanderkonto des Rechtsanwalts war.

[6]            Die Ansicht des Berufungsgericht, daraus sei im vorliegenden Fall für die Repräsentanten der Beklagten keine offenkundig missbräuchliche Verfügung des Treuhänders über die Gelder abzuleiten gewesen, hält sich im Rahmen des ihm zur Verfügung stehenden Beurteilungsspielraums und der erörterten Rechtsprechungsgrundsätze, zumal auch keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass die auf das Sammelanderkonto des Rechtsanwalts überwiesenen Fremdgelder entgegen einer – der Beklagten gar nicht bekannten – Treuhandabrede zweckwidrig verwendet werden würden.

[7]            3. Mit ihren Ausführungen, den Repräsentanten der Beklagten sei auch bekannt gewesen, dass die Empfängerkonten der klagsgegenständlichen Überweisungen zum Teil weitere Anderkonten des Rechtsanwalts waren, entfernt sich die Revision von den getroffenen Feststellungen, wonach die Mitarbeiter der Beklagten vor Durchführung dieser Überweisungen lediglich eine „Formalkontrolle“ dahin durchführten, ob der entgegengenommene Überweisungsbeleg vollständig ausgefüllt war. Die weitere Überprüfung erfolgte automationsunterstützt. Nur im Fall eines „Kontoverfügungsauftrags“ wurde diesbezüglich maschinell die Übereinstimmung überprüft. Den Mitarbeitern der Beklagten fielen insoweit keine Unregelmäßigkeiten bei der Kontoführung des Rechtsanwalts auf.

[8]            4. Auch die Auffassung des Berufungsgerichts, die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, den Treuhänder zu überwachen und insoweit Nachforschungen anzustellen, findet Deckung in der dargelegten Judikatur, sodass aus dem nicht näher konkretisierten Hinweis der Revision darauf, dass in einem hier nicht klagsgegenständlichen Fall ein vom Rechtsanwalt eröffnetes Anderkonto nie befüllt worden war, für die Klägerinnen nichts zu gewinnen ist.

[9]          5. Die Frage der Geltung des Haftungsausschlusses laut den Geschäftsbedingungen für Anderkonten der Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsgesellschaften ist – worauf die Revision selbst hinweist – nicht relevant, weil sich die Klägerinnen im Revisionsverfahren nur mehr auf eine deliktische Haftung der Beklagten stützen.

Textnummer

E133987

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0060OB00130.21T.1222.000

Im RIS seit

03.03.2022

Zuletzt aktualisiert am

03.03.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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