Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Stadt Wien, vertreten durch Wiener Wohnen, *, vertreten durch die Bischof Zorn + Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Verein *, vertreten durch Mag. Edgar Kilian, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 26. Mai 2021, GZ 38 R 254/20i-32, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1. Der Frage, ob es sich bei einem konkreten Verhalten um ein unleidliches Verhalten nach § 30 Abs 2 Z 3 MRG handelt, kommt keine grundsätzliche Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zu, weil regelmäßig eine Abwägung im Einzelfall vorzunehmen ist (RIS-Justiz RS0042984 [T11]). Anderes gilt im Interesse der Rechtssicherheit nur dann, wenn eine auffallende Fehlbeurteilung vorliegt (RS0042984 [T5, T6, T8]). Eine solche aufzugreifende Fehlbeurteilung zeigt die Revision aber nicht auf.
[2] 2. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs muss der Vermieter die von einem mit Zustimmung des Vermieters im Bestandobjekt geführten Unternehmen ausgehenden Belästigungen, die mit dessen Betrieb notwendig und üblicherweise verbunden sind und mit denen bei der Vermietung zu rechnen war, in Kauf nehmen. Der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 3 zweiter Fall MRG liegt nur dann vor, wenn die Belästigungen das bei Betrieben dieser Art übliche und unvermeidliche Ausmaß überschreiten (RS0108108; RS0068002). Bei der Beurteilung dieses Ausmaßes sind die im Haus und dessen Umgebung üblichen Verhältnisse zu berücksichtigen (RS0108108 [T1]).
[3] 3. Das Berufungsgericht sah den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 3 zweiter Fall MRG als verwirklicht an, weil die festgestellten, auch nach Zustellung der Aufkündigung unverändert fortgesetzten (vgl RS0070378) nächtlichen Lärmbelästigungen selbst bei Berücksichtigung des vereinbarten Verwendungszwecks der „*kultur“ das Maß des Zumutbaren überschritten. Diese Beurteilung hält sich im Rahmen der Rechtsprechung. Die Argumentation des Revisionswerbers, die Lärmbeeinträchtigung anderer Mieter sei aufgrund seiner Investitionen in die Schallisolierung im Jahr 2014 (nur mehr) geringfügig, die verbliebene Lärmentwicklung daher durch den vereinbarten Verwendungszweck gedeckt, sodass die Klägerin verpflichtet sei, die Brauchbarkeit des Mietobjekts durch die (durch einfache Baumaßnahmen mögliche) Beseitigung letzter Schallübertragungsquellen herzustellen oder zumindest daran mitzuwirken, baut auf einer selektiven Darstellung des festgestellten Sachverhalts auf. So leitet das Berufungsgericht die Überschreitung des üblichen und unvermeidlichen Ausmaßes der von einem derartigen Vereinslokal ausgehenden Belästigungen nicht allein aus der Tatsache und Lautstärke der Lärmimmissionen ab, sondern vor allem daraus, dass diese Lärmbeeinträchtigung zur Nachtzeit (bis 4:00 Uhr oder 5:00 Uhr, manchmal bis in die Morgenstunden) erfolgt. Diesen entscheidenden Aspekt lässt die Beklagte zur Gänze außer Betracht.
[4] 4. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor. Damit war die Revision zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedürfte (§ 510 Abs 3 ZPO).
Textnummer
E133986European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2021:0050OB00140.21F.1222.000Im RIS seit
03.03.2022Zuletzt aktualisiert am
03.03.2022