Norm
BDG 1979 §43 Abs1Schlagworte
Missachtung der Zuständigkeit lt. FinStrGText
Die Bundesdisziplinarbehörde, Senat N.N. hat nach durchgeführter mündlicher Verhandlung am 16. Dezember 2021 in Anwesenheit der Beamtin und ihres Verteidigers sowie in Anwesenheit der Disziplinaranwältin zu Recht erkannt:
Die Beamtin ist schuldig, sie hat in ihrer Funktion als N.N. im damaligen N.N.
1) unter Missachtung der im § 58 Abs. 2 lit. a FinStrG geregelten Zuständigkeit für Spruchsenate in der Finanzstrafsache A.A. am 26.06.2019 eine Strafverfügung erlassen, obwohl sie als Einzelorgan infolge der Höhe des strafbestimmenden Wertbetrages nicht befugt war dieses Amtsgeschäft vorzunehmen und
2) in weiterer Folge bei Kenntnisnahme der unrichtig erlassenen Strafverfügung, es unterlassen gemäß § 170 Abs. 2 FinStrG iVm § 289 Abs. 1 lit. b BAO eine Aufhebung dieses Bescheides durch die Oberbehörde zu beantragen bzw. zu veranlassen.
Die Beamtin hat dadurch schuldhaft gegen ihre Dienstpflichten gemäß § 43 Abs. 1 BDG 1979 (allgemeine Dienstpflichten) verstoßen und Dienstpflichtverletzungen gemäß § 91 BDG 1979 begangen.
Es wird daher über die Beamtin gemäß § 126 Abs. 2 BDG 1979 iVm § 92 Abs. 1 Z 1 BDG 1979 die Disziplinarstrafe des Verweises verhängt.
Der Beamtin werden gemäß § 117 Abs. 2 BDG 1979 keine Verfahrenskosten vorgeschrieben, die eigenen Kosten hat sie selbst zu tragen.
Weiters wird die Beamtin vom Verdacht der Dienstpflichtverletzung gemäß § 43 Abs. 2 BDG 1979 mit Bezug auf die gegen die Beamtin von der Dienstbehörde bei der Staatsanwaltschaft N.N. am 19.05.2020 erstatteten Anzeige gemäß § 78 StPO, dass die DB den Straftatbestand des Missbrauchs der Amtsgewalt gemäß § 302 StGB erfülle, unter Bezug auf § 118 Abs. 1 Z 1 BDG 1979 freigesprochen und das Disziplinarverfahren eingestellt.
Begründung
Zusammensetzung des Disziplinarsenates
Die Beamtin wird im N.N. verwendet.
Durch die Disziplinarkommission beim N.N. wurde gegen die Beamtin bescheidmäßig ein Disziplinarverfahren eingeleitet.
Im gegenständlichen Verfahren ist die Zuständigkeit mit 1. Oktober 2020 auf die Bundesdisziplinarbehörde übergegangen (2. Dienstrechts-Novelle 2019, BGBl. I Nr. 58/2019, idF des 2. COVID-19-Gesetzes, BGBl. I Nr. 16/2020).
Beweismittel
Angeführt werden jene Beweismittel, die gemäß § 126 Abs. 1 BDG 1979 Gegenstand des Beweisverfahrens der mündlichen Verhandlung waren und die den in der Folge als erwiesen festgestellten Sachverhalt begründen:
? Disziplinaranzeige vom 19.05.2020
? BIA – Bericht vom 23.03.2020
? Niederschrift vom 19.12.2019 mit B.B. durch BIA
? Niederschrift vom 19.12.2019 mit C.C. durch BIA
? Gedächtnisprotokoll vom 25.06.2019
? Niederschrift vom 19.12.2019 mit der Beamtin durch BIA
? E-Mail vom 23.12.2019 der Beamtin an BIA
? E-Mail vom 31.08.2019 der B.B. an die Beamtin
? E-Mail vom 04.12.2019 der Beamtin an Mitarbeiterinnen d. N.N.
? E-Mail vom 05.06.2019 und vom 17.06.2019 des D.D. an die Beamtin
? E-Mail vom 28.05.2019 der Beamtin an aktenführendes Team
? E-Mail vom 30.01.2020 der B.B. an BIA
? Niederschrift vom 04.02.2020 mit D.D. durch BIA
? E-Mail vom 17.06.2019 der Beamtin an D.D.
? Einleitungsverfügung vom 28.05.2019 gegen A.A.
? E-Mail vom 23.04.2020, 09:01 Uhr des A.A. an BIA
? E-Mail vom 23.04.2020 des BIA an A.A.
? E-Mail vom 23.04.2020, 09:07 Uhr des A.A. an BIA
? E-Mail vom 28.04.2020 des BIA an N.N. des N.N.
? Strafverfügung vom 26.06.2019 gegen A.A., erlassen durch die Beamtin
? Einleitungsverfügung vom 27.04.2016 gegen A.A.
? Antrag auf Aufhebung vom 09.04.2020 d. Strafverfügung vom 26.06.2019
? Aufhebungsbescheid vom 17.04.2020 des N.N.
? Disziplinarverfügung vom 23.10.2017
? Anzeige an die StA N.N. vom 19.05.2020
? Ergänzende Anzeige an die StA N.N. vom 16.07.2020
? Stellungnahme der Vorständin des N.N. an die PA des N.N. vom 16.07.2020
? EB der DK beim N.N., vom 31. August 2020
? Teileinstellung der N.N. vom 27.05.2021, GZ N.N., betreffend Einstellung wegen § 310 StGB bzw. § 251 FinStrG
? Urteil des LG N.N., vom 14.09.2021, GZ N.N.
? Ausschreibung mündliche Verhandlung für den 16.12.2021
? Vertagungsbitte Rechtsvertreter
? Schreiben an N.N. wegen Vertagungsbitte
? Schreiben an Verteidiger wegen Vertagungsbitte
? Ersuchen an LG N.N. um Übermittlung des Hv-Protokolls
? Antwortschreiben mit Mail vom 25.11.2021
? Bekanntgabe Verteidiger mit Schriftsatz vom 26.11.2021
? Hv_Protokoll des LG N.N. vom 14.09.2021 zu N.N.
? AV vom 3.12.2021 betreffend ein Telefonat mit RA wegen Vertagungsbitte
? Auskunft an Zeugin B.B. mit Mail vom 9.12.2021
? Schreiben Dienstbehörde Bezug Dezember 2021 und Dienstbeschreibung
? Verständigung der Zeugin B.B., dass sie erkrankt ist (3. COVID-Impfung
? Verhandlungsschrift vom 16.12.2021
Sachverhalt
Mit Verweis auf die oben unter Beweismittel dargestellten Aktenstücke wird als Sachverhalt festgestellt:
Die Beamtin steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Ihre Dienstbehörde war das N.N. Mit Wirkung vom 1. April 2019 wurde die Beamtin vorübergehend mit der Funktion der N.N. betraut.
Am 11. Dezember 2019 wurde die Vorständin des N.N., E.E., durch eine Mitarbeiterin, Frau C.C., darüber in Kenntnis gesetzt, dass die Beamtin eine Strafverfügung erlassen habe, bei der ihre funktionale Zuständigkeit nicht mehr gegeben gewesen sei, zumal der strafbestimmende Wertbetrag gemäß § 58 Abs. 2 lit. a FinStrG bereits in die Zuständigkeit des Spruchsenates fiel. Durch die Behördenleiterin wurde zur Prüfung des Sachverhaltes das BIA eingeschaltet, welches am 23. März 2020 der N.N. des N.N. einen Ermittlungsbericht vorlegte (AS 8-13).
Diesem Bericht ist folgender Sachverhalt zu entnehmen:
Die Beamtin hat in ihrer Funktion als N.N. in der Finanzstrafsache gegen den Beschuldigten A.A. gemäß § 143 FinStrG eine Strafverfügung erlassen, mit der eine Geldstrafe von € 7.000, -- festgesetzt wurde. Dabei hat die Beamtin die im § 58 Abs. 2 lit. a FinStrG gesetzlich geregelten Zuständigkeitsgrenzen nicht beachtet. Trotz des Vorliegens eines strafbestimmenden Wertbetrages iHv. € 70.503,16, der somit weit über der gesetzlichen Zuständigkeit von Spruchsenaten iHv. € 33.000,- gelegen war, hat sie keine Weiterleitung des Finanzstrafaktes, mit einer entsprechenden Stellungnahme an den zuständigen Spruchsenat und dem Antrag der Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie der Fällung eines Erkenntnisses vorgenommen.
In der Niederschrift vom 19. Dezember 2019, welche vom BIA durchgeführt wurde, hat die Beamtin, die Ausfertigung der Strafverfügung gegen A.A. bestätigt und ua. wörtlich ausgeführt: [...] „In der Strafverfügung sind mir 2 Fehler passiert. Erstens weiß ich sofort, dass die Wertgrenze für meine Zuständigkeit bei 33.000,- Euro liegt. Und zweitens ist der Betrag von 7.000,- als Strafe zu gering. Ich weiß nicht, wie es dazu kommen konnte.“ [...] und [...] „Ich habe im Eifer wie gesagt übersehen, dass ich hier gar nicht mehr zuständig gewesen bin.“ [...]. In der mündlichen Verhandlung stellte die Beamtin klar, dass es sich um ihre erste Strafverfügung gehandelt hätte.
Auf die vom BIA gestellte Frage, ob die Beamtin zu irgendeinem Zeitpunkt versucht habe, den Fall zu sanieren, gab die Beamtin, wörtlich zu Protokoll: [...] „Saniert habe ich den Fall im Rückblick nicht. Vertuschen wollte ich ihn jedoch auch nicht. Ich kann leider nichts Konkretes dazu sagen.“ [...]
In der mündlichen Verhandlung am 16. Dezember 2021 gab die Beamtin an, dass sie wiederholt versucht habe ihren Fehler zu sanieren, aber die Norm lange nicht gefunden habe. Auch sei es ihre Art Lösungen anzubieten.
Die N.N. der N.N. des N.N., C.C., gab gegenüber dem BIA an, dass ihre Vorgesetzte, die Beamtin, zur besagten Strafverfügung wörtlich gesagt habe: [...] „Ich habe das gestern mit meinem Mann besprochen. Dieser hat gesagt: „Das kannst ja nicht machen.“[...] Außerdem soll die Beamtin der Mitarbeiterin gegenüber kundgetan haben, dass sie ein schlechtes Gewissen habe und wörtlich gesagt habe: [...] „Pst, es wird schon keiner draufkommen.“ [...]
Dies wiederholte die Zeugin C.C. auch in der mündlichen Verhandlung am 16. Dezember 2021. Durch die Vernehmung der Zeugin C.C., in der mündlichen Verhandlung wurde der zugrundeliegende Sachverhalt dahingehend ergänzt, dass die Zeugin den Fehler in der Strafverfügung, nämlich die Nichtbeachtung des strafbestimmenden Wertbetrages, bemerkte, allerdings nichts unternahm um eine Abfertigung der falschen Strafverfügung zu verhindern.
Außerdem geht aus dem Hv-Protokoll des LG N.N. hervor, dass die Zeugin B.B. die Aussage der Zeugin C.C. nicht bestätigen konnte.
Die Strafverfügung gegen A.A. wurde auf Antrag des N.N. mit Bescheid (GZ. N.N.) des N.N. aufgehoben. Begründend wurde ausgeführt, dass dieser Bescheid von einem nicht berufenen Organ erlassen worden sei.
Gleichzeitig mit der Disziplinaranzeige wurde von der Dienstbehörde gegen die Beamtin auch Anzeige gemäß § 78 StPO (AS 82-85) an die StA N.N. erstattet, weil der Verdacht bestehe, dass die Beamtin den Straftatbestand des Missbrauchs der Amtsgewalt gemäß § 302 StGB erfülle. Mit Schriftsatz vom 16 Juli 2020 erfolgte von der N.N. des N.N. eine ergänzende Stellungnahme an die StA N.N.
Die N.N. benachrichtigte das N.N. mit Schreiben vom 27. Mai 2021, GZ N.N., dass das gegen die Beamtin geführte Ermittlungsverfahren hinsichtlich § 310 StGB bzw. § 251 FinStrG gemäß § 190 Z 2 StPO eingestellt wurde, weil kein tatsächlicher Grund zur weiteren Verfolgung besteht.
Mit Urteil des LG N.N. vom 14. September 2021, GZ N.N., wurde die Beamtin gemäß § 259 Z 3 StPO vom Vorwurf des Amtsmissbrauches (§ 302 Abs. 1 StGB) freigesprochen.
Kostenentscheidung:
Gemäß § 390 Abs. 1 StPO trägt die Kosten des Verfahrens der Bund.
Begründung: Kein Schuldbeweis.“
Rechtslage
Nachstehend angeführte Rechtsgrundlagen sind durch den gesetzten Sachverhalt berührt:
§ 43 Abs. 1 und Abs. 2 BDG 1979 lautet:
Allgemeine Dienstpflichten§ 43. (1) Der Beamte ist verpflichtet, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft, engagiert und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen.
(2) Der Beamte hat in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.
§ 95 BDG 1979 lautet:
Zusammentreffen von strafbaren Handlungen mit Dienstpflichtverletzungen(1) Wurde der Beamte wegen einer gerichtlich oder verwaltungsbehördlich strafbaren Handlung rechtskräftig verurteilt und erschöpft sich die Dienstpflichtverletzung in der Verwirklichung des strafbaren Tatbestandes, ist von der disziplinären Verfolgung des Beamten abzusehen. Erschöpft sich die Dienstpflichtverletzung nicht in der Verwirklichung des strafbaren Tatbestandes (disziplinärer Überhang), ist nach § 93 vorzugehen.
(2) Die Disziplinarbehörde ist an die dem Spruch eines rechtskräftigen Urteils zugrunde gelegte Tatsachenfeststellung eines Strafgerichtes (Straferkenntnis eines Verwaltungsgerichts) gebunden. Sie darf auch nicht eine Tatsache als erwiesen annehmen, die das Gericht (das Verwaltungsgericht) als nicht erweisbar angenommen hat.
§ 118 Abs. 1 lautet:
Einstellung des Disziplinarverfahrens(1) Das Disziplinarverfahren ist mit Bescheid einzustellen, wenn
1.
der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Dienstpflichtverletzung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit ausschließen,
2.
die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Dienstpflichtverletzung darstellt,
3.
Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen, oder
4.
die Schuld des Beschuldigten gering ist, die Tat keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat und überdies eine Bestrafung nicht geboten ist, um den Beschuldigten von der Verletzung der Dienstpflichten abzuhalten oder der Verletzung von Dienstpflichten durch andere Beamte entgegenzuwirken.
§ 58 Abs. 2 lit. a FinStrG lautet:
Behörden des verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahrens und organisatorische Bestimmungen zum Beschwerdeverfahren.
A. Zuständigkeit.(2) Die Durchführung der mündlichen Verhandlung und die Fällung des Erkenntnisses obliegt, soweit nicht gerichtliche Zuständigkeit gemäß § 53 gegeben ist, einem Spruchsenat (§ 65) als Organ der Finanzstrafbehörde,
a)
wenn der strafbestimmende Wertbetrag bei den im § 53 Abs. 2 bezeichneten Finanzvergehen 10 000 Euro, bei allen übrigen Finanzvergehen 33 000 Euro übersteigt,
b) […].
§ 170 FinStrG lautet:
(1) Die Behörde, welche die Entscheidung erlassen hat, kann bis zum Eintritt der Verjährung der Strafbarkeit in der Entscheidung unterlaufene Schreib- und Rechenfehler oder andere offenbar auf einem ähnlichen Versehen beruhende tatsächliche Unrichtigkeiten berichtigen.
(2) Die Oberbehörde kann Entscheidungen der Finanzstrafbehörden in Ausübung des Aufsichtsrechtes aus den Gründen des § 289 Abs. 1 lit. a bis d BAO aufheben. Entscheidungen der Spruchsenate oder deren Vorsitzenden dürfen in Ausübung des Aufsichtsrechtes nicht aufgehoben werden.
(3) Die Senate des Bundesfinanzgerichtes oder ein Richter des Bundesfinanzgerichtes können eine von ihnen erlassene Entscheidung unbeschadet der sich aus Abs. 1 ergebenden Befugnisse aus den Gründen des § 289 BAO ändern oder aufheben, wenn sie mit Revision beim Verwaltungsgerichtshof oder mit Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof angefochten ist.
(4) Durch die Aufhebung einer Entscheidung tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung der aufgehobenen Entscheidung befunden hat. Die Behörde, deren Entscheidung aufgehoben wurde, ist an die Rechtsansicht der aufhebenden Behörde gebunden. Eine Strafentscheidung darf jedoch für den Beschuldigten nicht nachteiliger sein als die aufgehobene Entscheidung. Maßnahmen gemäß Abs. 2 und 3 sind nur innerhalb eines Jahres nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung zulässig. Auf die Ausübung der der Behörde gemäß Abs. 1 bis 3 zustehenden Rechte steht niemandem ein Anspruch zu.
Rechtliche Würdigung
Gemäß § 43 Abs. 1 BDG 1979 ist die Beamtin bzw. der Beamte verpflichtet, ihre bzw. seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft, engagiert und unparteiisch mit den ihr bzw. ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen. Die Beamtin hat ihre dienstlichen Aufgaben nicht unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung besorgt. Sie hat im Widerspruch zu den gesetzlichen Zuständigkeitsanordnungen, die einer eindeutigen Regelung im Finanzstrafgesetz unterworfen sind, eine Strafverfügung erlassen.
Darüber hinaus hat die Beamtin nach dem Erkennen ihrer Unzuständigkeit für die Erlassung einer Strafverfügung nicht sofort eine Sanierung derselben angestrebt, indem sie entsprechend dem § 170 Abs. 2 FinStrG einen Antrag an die Oberbehörde auf Aufhebung des Bescheides stellte, sondern ist zunächst untätig geblieben.
Daher hat die Beamtin objektiv ihre Dienstpflichten gemäß § 43 Abs. 1 BDG 1979 verletzt.
Einstellung
Hinsichtlich des Vorwurfes im EB, mit Bezug auf die gegen Beamtin von der Dienstbehörde bei der StA N.N. erstattete Anzeige gemäß § 78 StPO (AS 82 bis 85) , dass die Beamtin den Straftatbestand des Missbrauchs der Amtsgewalt gemäß § 302 StGB erfüllt und somit unter Verdacht steht die von ihr wahrzunehmenden Dienstpflichten gemäß § 43 Abs. 2 BDG 1979 (allgemeine Dienstpflichten) schuldhaft verletzt zu haben, war die Beamtin vom Verdacht der Dienstpflichtverletzungen gemäß § 43 Abs. 2 BDG 1979 unter Bezug auf § 118 Abs. 1 Z 1 BDG 1979 freizusprechen und das Disziplinarverfahren einzustellen, weil in Anlehnung an den Freispruch durch das Urteil des LG N.N. vom 14. September 2021, GZ N.N., die Beamtin die ihr zur Last gelegten Dienstpflichtverletzungen nicht begangen hat.
Verschulden
Die Bundesdisziplinarbehörde rechnet der Beamtin bei dem von ihr gesetzten Sachverhalt auch ein Verschulden in Form der Fahrlässigkeit zu. Fahrlässig handelt (§ 6 StGB), wer die Sorgfalt außer acht lässt, zu der er nach den Umständen verpflichtet und nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt ist und die ihm zuzumuten ist, und deshalb nicht erkennt, dass er einen Sachverhalt verwirklichen könne, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht (unbewusste Fahrlässigkeit), fahrlässig handelt aber auch, wer einen solchen Sachverhalt verwirklicht, ihn aber nicht herbeiführen will (bewusste Fahrlässigkeit) (vgl. Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten, 4, S. 41f).
Grob fahrlässig handelt, wer das gewöhnliche Maß an nie ganz vermeidbaren Fahrlässigkeitshandlungen des täglichen Lebens ganz erheblich übersteigt. Das Kriterium der groben Fahrlässigkeit ist deliktspezifisch zu beurteilen und im vorliegenden Fall ergibt sich diese Schuldform sowohl aus dem BIA-Bericht vom 23. März 2020 als auch aus der Beschuldigtenvernehmung in der mündlichen Verhandlung am 16. Dezember 2021, bei der die Beamtin ein umfassendes Geständnis ablegte und zugab, dass ihr ein Fehler bei der Strafverfügung durch die Nichtbeachtung des strafbestimmenden Wertbetrages unterlaufen war. Die Bundesdisziplinarbehörde rechnet demnach der Beamtin ein fahrlässiges Verschulden zu nicht rechtskonform gehandelt zu haben. Sie hatte Kenntnis von ihren Dienstpflichten, insbesondere von der geltenden Rechtsordnung, dass die Grenze des strafbestimmenden Wertbetrages für Spruchsenate 33.000 € beträgt, sowie dass sie nach Erkennen ihrer Unzuständigkeit für die Erlassung einer Strafverfügung nicht sofort eine Sanierung derselben angestrebt hat, indem sie entsprechend dem § 170 Abs. 2 FinStrG einen Antrag an die Oberbehörde auf Aufhebung des Bescheides stellte, sondern zunächst untätig geblieben ist.
Strafausspruch
§ 93 Abs. 1 BDG 1979: Das Maß für die Höhe der Strafe ist die Schwere der Dienstpflichtverletzung. Dabei ist darauf Rücksicht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafe erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten oder der Begehung von Dienstpflichtverletzungen durch andere Beamte entgegenzuwirken. Die nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden Gründe sind dem Sinne nach zu berücksichtigen; weiters ist auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beamten Bedacht zu nehmen.
§ 92. Abs. 1 BDG 1979 (Disziplinarstrafen)
1. der Verweis,
2. die Geldbuße bis zur Höhe eines halben Monatsbezuges
3. die Geldstrafe in der Höhe von einem Monatsbezug bis zu fünf Monatsbezügen
4. die Entlassung.
In Interpretation des § 93 BDG 1979 hat der VwGH zuletzt am 12.11.2013 unter VwGH Zl. 2013/09/0045 wörtlich ausgeführt: „Gemäß § 93 Abs. 1 erster Satz BDG 1979 ist die Schwere der Dienstpflichtverletzung als Maß für die Höhe der Strafe festgelegt. Dieser Maßstab richtet sich nach dem Ausmaß der Schuld im Sinne der Strafbemessungsschuld des Strafrechts. Für die Strafbemessung ist daher sowohl das objektive Gewicht der Tat maßgebend wie auch der Grad des Verschuldens (vgl. die ErläutRV zur Vorgängerbestimmung des § 93 BDG 1979 im BDG 1977, 500 Blg. Nr. 14 GP 83). Das objektive Gewicht der Tat (der Unrechtsgehalt) wird dabei in jedem konkreten Einzelfall - in Ermangelung eines typisierten Straftatbestandskatalogs im Sinne etwa des StGB-wesentlich durch die objektive Schwere der in jedem Einzelfall konkret festzustellenden Rechtsgutbeeinträchtigung bestimmt.“ Die zu beurteilenden Dienstpflichtverletzungen beziehen sich auf die Nichteinhaltung gesetzlicher Bestimmungen. Wie bereits unter Pkt. VIII ausgeführt, hat die DB ein fahrlässiges Verhalten zu verantworten, weil sie schuldhaft gehandelt hat. Hinsichtlich der objektiven Schwere der Tat bzw. der Folgen der Tat ist auszuführen, dass die dargestellten Dienstpflichtverletzungen jedenfalls nicht bloß geringfügig sind und auch nicht bloß unbedeutende Folgen nach sich gezogen haben. Die rechtskonforme Verwaltungsausübung von Bediensteten ist nach dem Selbstverständnis der österreichischen Finanzverwaltung eine unbedingte Voraussetzung der Dienstausübung. Somit wäre auch aus Sicht der Bundesdisziplinarbehörde aufgrund der Schwere der Tat (Verschuldensgrad und objektive Schwere) grundsätzlich eine Geldbuße als schuld- und tatangemessen festzusetzen gewesen. Im gegenständlichen Disziplinarverfahren sind jedoch Umstände zu Tage getreten, die auch die Anwendung einer maßvolleren Sanktionierung rechtfertigen. Nicht zuletzt ist hier das umfassende und reumütige Geständnis der Beamtin als mildernd zu werten, das in die Beurteilung der Bundesdisziplinarbehörde eingeflossen ist. Im Weiteren ist hervorzuheben, dass die vorliegende Fehlleistung nicht durch einen besonders leichtfertigen Umgang mit den Dienstpflichten begründet war oder durch mangelndes Engagement bzw. einer Gleichgültigkeit gegenüber geltenden Vorschriften, sondern durch Unerfahrenheit einerseits und Unkollegialität andererseits verursacht wurde.
Gemäß § 93 Abs. 1 BDG 1979 ist bei der Festsetzung der Disziplinarstrafe der Umstand zu berücksichtigen, inwieweit die beabsichtigte Strafe erforderlich ist, um den Beamten bzw. die Beamtin von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Im Hinblick auf die persönliche Verantwortung der Beamtin konnte mit der Erteilung der Disziplinarstrafe des Verweises das Auslangen gefunden werden.
Zuletzt aktualisiert am
02.03.2022