TE Vwgh Beschluss 1996/9/3 96/04/0027

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Veröffentlicht am 03.09.1996
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §8;
GewO 1994 §348 Abs1;
VwGG §27;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde der Wirtschaftskammer Oberösterreich, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in M, gegen den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einem Verfahren gemäß § 348 GewO 1994, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Aus Anlaß mehrerer Verwaltungsstrafverfahren leitete der Landeshauptmann von Oberösterreich ein Verfahren nach § 348 Abs. 1 GewO 1994 ein und holte in diesem Verfahren gemäß dem Abs. 2 dieser Gesetzesstelle Gutachten u.a. auch der Beschwerdeführerin darüber ein, ob diverse, im einzelnen bezeichnete Würste und sonstige Fleischprodukte unter Berücksichtigung des für die Erzeugung verwendeten Maschineneinsatzes als von der Land- und Forstwirtschaft in der Regel auf den Markt gebracht anzusehen sind. In ihrem Gutachten vom 30. September 1994 kam die Beschwerdeführerin zu dem Ergebnis, diese Frage zu verneinen.

Mit Bescheid vom 13. Februar 1995 erließ der Landeshauptmann von Oberösterreich folgenden Spruch:

"I. Auf die von Herrn A gewerbsmäßig ausgeübte Tätigkeit der Erzeugung von Leberkäse, Fleischkäse, Hauswürsten, Selchwürsten und Knackwürsten mittels Kutter finden die Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994 Anwendung.

II. Auf die von Herrn A im Umfang des landwirtschaftlichen Nebengewerbes ausgeübte Tätigkeit des Schlachtens und Zerlegens selbstgemästeter Schweine in die Teile Schlögel, Schulter, Bauchfleisch, Karree, Schopfbraten und Innereien, das Tranchieren dieser Teile in Einzelportionen (Schulter, Schnitzel, Lungenbraten, Bauchfleisch, Karree, Ripperl, Gulaschfleisch, Schopfbraten) und das Verarbeiten zu Leberaufstrich, Streichwürsten (jeweils ohne Kutter), Surfleisch und Faschiertem finden die Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994 keine Anwendung.

Rechtsgrundlagen: § 2 Abs. 4 Z. 1, § 348 GewO 1994."

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin am 6. März 1995 Berufung.

Mit am 15. Jänner 1996 zur Post gegebenem Schriftsatz erhob die Beschwerdeführerin beim Verwaltungsgerichtshof Beschwerde gegen den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten wegen Verletzung der Entscheidungspflicht mit dem Antrag, der Verwaltungsgerichtshof möge über die Berufung vom 3. März 1995 selbst erkennen und gemäß § 348 GewO 1994 feststellen, daß das Tranchieren von Schlögel, Schulter, Lungenbraten, Bauchfleisch, Karree, Ripperl, Gulaschfleich, Schopfbraten in Einzelportionen und das Verarbeiten von Faschiertem im Rahmen des landwirtschaftlichen Nebengewerbes nicht erlaubt ist, sondern vielmehr den Fleischern vorbehalten bleibt.

Mit Verfügung vom 30. Jänner 1996 leitete der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 35 Abs. 2 VwGG das Vorverfahren ein und trug der belangten Behörde gemäß § 36 Abs. 2 VwGG auf, innerhalb einer Frist von drei Monaten den versäumten Bescheid zu erlassen. Diese Verfügung wurde der belangten Behörde am 23. Jänner 1995 zugestellt.

Mit (erstmals am 17. Mai 1996 und am 8. Juli 1996 in verbesserter Form beim Verwaltungsgerichtshof eingelangtem) Schriftsatz vom 14. Mai 1996 legte der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten den bezughabenden Verfahrensakt vor und beantragte mit dem (näher begründeten) Vorbringen, der Beschwerdeführerin mangle es in dem zugrundeliegenden Verfahren an der Stellung als Partei, die Zurückweisung der Beschwerde.

Die Beschwerde ist nicht zulässig.

Gemäß Art. 132 B-VG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht erheben, wer im Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt war.

Voraussetzung der Legitimation zur Erhebung einer Beschwerde nach dieser Gesetzesstelle ist daher, wie die belangte Behörde zutreffend ausführt, daß dem Beschwerdeführer im zugrundeliegenden Verwaltungsverfahren die Stellung einer Partei zukommt. Es ist daher zu untersuchen, ob in dem gegenständlichen Verwaltungsverfahren nach § 348 GewO 1994 der Beschwerdeführerin die Stellung einer Partei zukam.

Gemäß § 348 Abs. 1 leg. cit. hat der Landeshauptmann, wenn eine Gewerbeanmeldung erstattet oder um die Bewilligung zur Ausübung eines bewilligungspflichtigen gebundenen Gewerbes (§ 127) oder um die Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage angesucht oder bei der Bezirksverwaltungsbehörde oder beim Landeshauptmann die Feststellung beantragt wird, ob die Genehmigungspflicht einer Anlage im Sinne des § 74 gegeben ist, bestehen aber Zweifel, ob auf die betreffende Tätigkeit die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes anzuwenden sind, über diese Frage zu entscheiden. Dies gilt auch für den Fall, wenn in einem Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 366 Zweifel bestehen, ob auf die betreffende Tätigkeit die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes anwendbar sind.

Nach dem Abs. 2 dieser Gesetzesstelle hat der Landeshauptmann vor der Entscheidung die Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft und die nach der Sachlage in Betracht kommenden gesetzlichen beruflichen Interessenvertretungen zu hören, die ihr Gutachten binnen sechs Wochen abzugeben haben. Diesen steht gegen den Bescheid das Recht der Berufung zu, falls die Entscheidung ihren fristgerecht abgegebenen Gutachten widerspricht oder sie nicht gehört worden sind.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich bereits in seinem Beschluß eines verstärkten Senates vom 2. Juli 1969, Slg. N.F. Nr. 7.618/A, noch zur Rechtlage nach der Gewerbeordnung 1848 mit der Frage befaßt, ob die zuständige Gliederung der Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft, der in einem Verfahren nach § 18 GewO 1848 das Recht ein Gutachten zu erstatten und im Falle einer von diesem Gutachten abweichenden Entscheidung das Recht der Berufung eingeräumt wurde, die Stellung einer Partei zukommt. Der Verwaltungsgerichtshof kam damals zu dem Ergebnis, es komme in einem solchen Fall der Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft Parteistellung nicht zu. Ausdrücklich führte der Verwaltungsgerichtshof in diesem Beschluß aus, das Berufungsrecht sei "nichts weniger als der Ausfluß und Ausdruck einer Parteistellung" schlechthin. Der Verwaltungsgerichtshof verneinte daher auch die damals zur Entscheidung stehende Frage, ob der Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft in einem derartigen Verfahren ein subjektives Recht an der Verweigerung einer Konzession aus dem Gastgewerberecht zukomme. Ihr kämen vielmehr subjektive Rechte lediglich auf Erstattung eines Gutachtens zu der im Gesetz genannten Frage und auf Erhebung der Berufung zu.

Diese Rechtsprechung hielt der Verwaltungsgerichtshof auch für die Rechtslage nach der Gewerbeordnung 1973 aufrecht. In seinem Beschluß vom 29. September 1976, Zl. 2067, 2068/76 führte er aus, die Gewerbeordnung 1973 enthalte ebenfalls eine Reihe von Bestimmungen, die den gesetzlichen beruflichen Interessenvertretungen eine Mitwirkung in bestimmten gewerberechtlichen Verfahren einräumten. So stehe gemäß § 344 Abs. 1 GewO 1973 der zuständigen Gliederung der Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft das Recht der Berufung gegen einen Bescheid, mit dem die Übertragung der Ausübung des Gewerbes an einen Pächter genehmigt wird (§ 40 Abs. 2) insoweit zu, als es sich um die Entscheidung über die Erbringung des Befähigungsnachweises auf andere Weise als durch Vorlage des Prüfungszeugnisses handle, wenn die Entscheidung ihrem fristgerecht abgegebenen Gutachten widerspreche oder wenn die Gliederung nicht gehört worden sei (§ 342 Abs. 1). Vor Erlassung des Bescheides habe die für die Genehmigung zuständige Behörde, falls ein Befähigungsnachweis auf andere Weise als durch Vorlage eines Prüfungszeugnisses zu erbringen ist, die zuständige Gliederung der Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft unter Anschluß der Nachweisbelege aufzufordern, innerhalb einer Frist von sechs Wochen ein Gutachten über den Befähigungsnachweis abzugeben (§ 340 Abs. 2 GewO 1973). Nur in diesem in den angeführten Gesetzesstellen normierten Umfang seien der zuständigen Gliederung der Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft subjektive Rechte im Verfahren gewährleistet. Sie habe einen Rechtsanspruch darauf, vor der Genehmigung zur Abgabe eines Gutachtens aufgefordert zu werden, und ferner das Recht, gegen den Genehmigungsbescheid, der ihrem fristgerecht abgegebenen Gutachten entgegenstehe oder ohne ihre Anhörung ergangen sei, zu berufen. Damit seien auch nach der durch die Gewerbeordnung 1973 bestimmten Gesetzeslage die Grenzen des Rechtes der zuständigen Gliederung der Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft auf Teilnahme am Verfahren und ihre Stellung als Partei eindeutig in dem Sinn umschrieben, daß ihr nur ein Anhörungs- und Berufungsrecht, nicht jedoch die Stellung als Partei zustehe. Subjektive Rechte der zuständigen Gliederung der Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft könnten nur verletzt sein, wenn ihr das Recht auf Erstattung des Gutachtens, auf Erhebung der Berufung oder auf eine Entscheidung über ihre Berufung (wie sich aus dem Gesamtzusammenhang ergibt: endgültig) verweigert worden wäre.

Diese Rechtsprechung ist uneingeschränkt auch auf den hier vorliegenden Fall eines Verfahrens nach § 348 Abs. 1 GewO 1994 zu übertragen. Auch in diesem Verfahren steht der Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft lediglich das Recht auf Erstattung eines Gutachtens und auf Erhebung der Berufung gegen einen diesem Gutachten widersprechenden Bescheid zu. Sie ist daher nicht Partei dieses Verfahrens.

Daß dieses Ergebnis durchaus in der Absicht des Gesetzgebers liegt, ergibt sich aus der Bestimmung des § 349 Abs. 6 GewO 1994, wo ausdrücklich angeordnet wird, daß in einem Verfahren nach § 349 leg. cit. unter anderem den berührten Gliederungen der Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft Parteistellung zukommt.

Fehlte es aber solcherart in dem dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren zugrundeliegenden Verwaltungsverfahren nach § 348 Abs. 1 GewO 1994 der Beschwerdeführerin an der Stellung als Partei, so ist sie auch, da, wie eingangs dargelegt, Art. 132 B-VG dieses Recht nur Parteien einräumt, nicht zu einer Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht nach Art. 132 B-VG legitimiert.

Die Beschwerde war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG wegen des Mangels der Berechtigung zu ihrer Erhebung zurückzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Gewerberecht Verletzung der Entscheidungspflicht Diverses Zurückweisung - Einstellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996040027.X00

Im RIS seit

24.01.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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