TE Lvwg Erkenntnis 2022/1/24 LVwG-2021/30/3259-3

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Veröffentlicht am 24.01.2022
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Entscheidungsdatum

24.01.2022

Index

41/04 Sprengmittel Waffen Munition
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

PyrotechnikG 2010 §28 Abs1
PyrotechnikG 2010 §40 Abs1
VStG §22 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Mag. Dr. Rieser über die Beschwerde des AA, geboren am XX.XX.XXXX, wohnhaft in **** Z, Adresse 1, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Tirol vom 11.11.2021, Zl ***, betreffend eine Verwaltungsübertretung nach dem Pyrotechnikgesetz,

zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Sachverhalt und rechtliche Erwägungen:

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer Folgendes angelastet:

„1.  Datum/Zeit:      23.04.2021, 20:54 Uhr

     Ort:               **** Z, Adresse 2

Sie haben zum angegebenen Zeitpunkt am angegebenen Ort pyrotechnische Gegenstände der Kategorien T2 - Notsignalrakten Fabrikat: BB - Kategorie T2) verwendet, obwohl Sie dafür keine Bewilligung besessen haben. Besitz und Verwendung von pyrotechnischen Gegenständen der Kategorien F3, F4, T2 und S2 sind nur aufgrund einer behördlichen Bewilligung erlaubt.“

Dem Beschwerdeführer wurde eine Verwaltungsübertretung nach § 40 Abs 1 iVm § 28 Abs 1 Pyrotechnikgesetz 2010 angelastet und gegen ihn gemäß § 40 Abs 1 Z 3 Pyrotechnikgesetz 2010 eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 150,00 bzw Ersatzfreiheitsstrafe 20 Stunden zuzüglich 10 % Verfahrenskosten verhängt.

In der rechtzeitig eingebrachten Beschwerde wurde Folgendes ausgeführt:

„Beschwerdeführer: AA, geb XX.XX.XXXX

Belangte Behörde: LPD Tirol

Wegen: Straferkenntnis zu GZ: ***

Beschwerde gem Art 130 Abs 1 Z 1 iVm Art 132 Abs 1 Z 1 B-VG

In umseits bezeichneter Rechtssache erhebe ich hiermit binnen offener Frist gegen den Strafbescheid der LPD Tirol

Beschwerde

an das Landesverwaltungsgericht Tirol.

Zur Rechtzeitigkeit

Das beschwerdegegenständliche Straferkenntnis wurde mir am 17.11.2021 zugestellt, die am heutigen Tag zur Post gegebene Beschwerde erfolgt somit rechtzeitig binnen der 4-wöchigen Frist gem §7 VwGVG.

Zur Anfechtungserklärung

Der Bescheid wird vollumfänglich angefochten.

Zu den Beschwerdegründen

Mir wird vorgeworfen, am 23.04.2021 um 20:54 Uhr in der Adresse 2, Z pyrotechnische Gegenstände verwendet und damit eine Verwaltungsübertretung nach §40 Abs 1 Z 3 PyroTG begangen zu haben. Die belangte Behörde sieht dies unter Bezugnahme auf die Anzeige der Beamten des SPK CC und auf gesichtete Videoaufnahmen als bewiesen an. Dabei ergebe sich der Sachverhalt aus dem unbedenklichen Akteninhalt. Sämtliche Elemente, die zur Beurteilung notwendig sind, seien zweifelsfrei und ohne weitere Ermittlungsnotwendigkeit dem vollständigen Akt zu entnehmen gewesen.

Entgegen diesen Annahmen habe ich die mir vorgeworfene Verwaltungsstraftat nicht begangen. Bei der Person, die die Behörde als meine Person identifiziert, handelt es sich nicht um mich. Da sowohl im gegen mich geführten Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Z, das inzwischen eingestellt wurde, als auch im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren Videoaufnahmen herangezogen werden, um mich zu identifizieren, lässt sich diese Falschannahme in einer mündlichen Verhandlung leicht widerlegen. Die Person, von der die Behörde annimmt, dass es sich um mich handle, hat weder meine Statur, meine Haarfarbe, meine Frisur oder Kopfform. Dies habe ich der Kriminalpolizei und der Staatsanwaltschaft bereits im Zuge des gegen mich geführten Ermittlungsverfahrens mitgeteilt, trotzdem hat die belangte Behörde darauf verzichtet, mich vorzuladen und die Person, die in den Videoaufnahmen zu erkennen ist, mit mir abzugleichen.

Beweise: Akt der Staatsanwaltschaft Z zu ***

Akt der LPD Tirol zu ***

ZV der Beamten des SPK CC, auf deren Anzeige

gegenständliches Straferkenntnis beruht

Videoaufnahmen der LPD Tirol

Beilage: E-Mail an Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft

Anträge

Somit stelle ich folgende

Anträge:

Das Landesverwaltungsgericht Tirol möge

1. eine mündliche Verhandlung durchführen, in der die Video aufnahmen gezeigt werden, die

zu meiner vermeintlichen Identifikation durch die Behörde führten;

2. die restlichen Beweise aufnehmen;

3. das angefochtene Straferkenntnis ersatzlos beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einstellen.“

Weiters war der Beschwerde noch ein Schreiben an den Polizeibeamten DD und an die Staatsanwaltschaft mit folgendem Inhalt beigegeben:

„Sehr geehrter Herr EE! Sehr geehrte Staatsanwaltschaft!

GZ: ***

Nach Einsicht der Akten und der Fotos, welche mich angeblich identifizieren, möchte ich einige Punkte klarstellen:

?    Die als ich (AA) von den Mitgliedern FF und GG des Szenekundigen Dienstes identifizierte Person bin eindeutig (!!) nicht ich. Weder habe ich eine solche Haarfarbe, eine solche Frisur, eine solche Statur oder eine solche Kopf- bzw. Gesichtsform.

?    Bei einer Gegenüberstellung meiner Person und dem Foto, welches mich angeblich zeigen soll, kann diese Identifizierung definitiv falsifiziert werden.

?    Zur Person, welche ich laut der Identifizierung sein soll, kann ich keine weiteren Angaben machen.

Alles in allem ist diese Identifizierung als einziger angeblicher Beweis gegen meine Unschuld OFFENSICHTLICHST (!!) falsch. In weiterer Folge erwarte ich die Einstellung des Verfahrens gegen meine Person und eine rasche Rückgabe meines Mobiltelefons.

MfG

AA“

Zur Sachverhaltsfeststellung wurde in den vorgelegten Strafakt der belangten Behörde Einsicht genommen. Weiters wurde im Beschwerdeverfahren bei der Staatsanwaltschaft Z der Akt zur Zahl *** angefordert und in diesen Einsicht genommen. Die für das gegenständliche Verfahren wesentlichen Aktenstücke wurde kopiert und dem Beschwerdeakt angeschlossen. Aus dem Akt der Staatsanwaltschaft Z ergibt sich, dass gegen mehrere Personen unter anderem gegen den Beschwerdeführer strafrechtliche Erhebungen wegen Verdacht des Vergehens nach § 89 (Gefährdung der körperlichen Sicherheit) und 170 Abs 1 (fahrlässige Herbeiführung einer Feuersbrunst) StGB anhängig waren. Aus den durchgeführten polizeilichen Erhebungen und Ermittlungen steht fest, dass eine ziffernmäßig nicht exakt feststellbare Zahl von Personen am 23.04.2021 gegen 20.54 Uhr rund um das JJ-Stadion Aufstellung nahm und nahezu zeitgleich Notfallsignalraketen abfeuerten, wobei manche dieser niedergehenden Raketen Brände am Dach des Stadions, an zwei Gartenhecken und am Kunstrasen eines Fußballplatzes verursachten. Eine weitere Person erlitt durch den Vorfall einen Tinnitus. Aufgrund der Dunkelheit und der schlechten Videoqualität ergab sich für die polizeilichen und staatsanwaltlichen Erhebungen das Problem, dass eine zweifelsfreie Identifizierung der Täter schlecht möglich war (dies ergibt sich auch aus den Erhebungen und Berichten des szenenkundigen Polizeibeamten) und es auch für die Staatsanwaltschaft unmöglich war, mit der für ein gerichtliches Strafverfahren erforderlichen Sicherheit festzustellen, von welchen Personen die erwähnten und festgestellten Raketen, welche die Körper- und Sachbeschädigungen ausgelöst haben, abgeschossen wurden. Ohne eine effektive Zuordnung dieser pyrotechnischen Gegenstände zu einer bestimmten Person war eine strafrechtliche Verfolgung unter anderem gegen den Beschwerdeführer nicht möglich, weshalb das Verfahren gegen die angezeigten Personen seitens der Staatsanwaltschaft eingestellt und gegen unbekannte Täter mangels derzeitiger weiterer Ermittlungsansätze abgebrochen werden musste.

Die dem Beschwerdeführer angelastete Verwaltungsübertretung nach dem Pyrotechnikgesetz wurde von diesem stets bestritten und ergeben sich auch aus den durchgeführten polizeilichen und staatsanwaltlichen Erhebungen nicht jene konkreten Hinweise, die für eine Bestrafung auch für das Pyrotechnikgesetz jedenfalls erforderlich sind. Im Beschwerdeverfahren ist auch die Subsidiaritätsbestimmung des § 40 Abs 1 erster Halbsatz Pyrotechnikgesetz 2010 und
§ 22 Abs 1 VStG beachtlich. Im gegenständlichen Fall lagen nachweislich gerichtlich strafbare Tathandlungen nach § 89 Abs 1 und 170 Abs 1 StGB vor. Die Einstellung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft erfolgte gegen den Beschwerdeführer nicht deshalb, weil ein tatbildmäßiges Verhalten nicht vorlag, sondern weil die gerichtlich strafbaren Tatbestände konkret nicht dem Beschwerdeführer und den ebenfalls angezeigten Personen mit der für eine Bestrafung erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden konnten. Da das angelastete tatbildmäßige Handeln auch betreffend den Beschwerdeführer und das gegenständliche Strafverfahren grundsätzlich den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, war auch eine Bestrafung nach den verwaltungsstrafrechtlichen Bestimmungen des Pyrotechnikgesetz 2010 nicht möglich.

Zusammenfassend war aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes und der aufgezeigten rechtlichen Erwägungen der Beschwerde stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren nach dem Pyrotechnikgesetz 2010 einzustellen.

II.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag. Dr. Rieser

(Richter)

Schlagworte

Tathandlung
Subsidiarität

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2022:LVwG.2021.30.3259.3

Zuletzt aktualisiert am

02.03.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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