TE Vwgh Erkenntnis 1996/9/3 96/04/0067

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Veröffentlicht am 03.09.1996
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

ABGB §1294;
AVG §38;
AVG §76 Abs2;
AVG §77 Abs1;
GewO 1994 §2 Abs1 Z2;
GewO 1994 §74;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde des F in A, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 16. Jänner 1996, Zl. Ge-441501/3-1995/Re/Str, betreffend Vorschreibung von Kommissionsgebühren, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 16. Jänner 1976 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, für die Durchführung der gewerbebehördlichen Überprüfung seines Betriebes für Fruchtsafterzeugungen an einem näher bezeichneten Standort am 10. Oktober 1991 gemäß § 76 Abs. 1 und § 77 Abs. 1 AVG insgesamt (näher aufgeschlüsselte) Abgaben in der Höhe von S 2.800,-- zu entrichten. Zur Begründung führte der Landeshauptmann nach Darstellung des Verfahrensganges und des Inhaltes der maßgeblichen Gesetzesstellen aus, die Gewerbebehörde erster Instanz habe durch Mitteilung der Lebensmittelpolizei Kenntnis von einer allfälligen gewerblichen Tätigkeit des Beschwerdeführers an dem in Rede stehenden Standort erfahren. Insbesondere sei festgestellt worden, der Beschwerdeführer fülle Fruchtsäfte ab. Da bei der zuständigen Gewerbebehörde eine Gewerbeberechtigung bzw. eine Betriebsanlagengenehmigung nicht aufgelegen sei, könne es nicht als rechtswidrige Vorgangsweise der Erstbehörde angesehen werden, wenn diese zur Feststellung, ob im gegenständlichen Standort tatsächlich eine gewerbliche Tätigkeit ausgeübt werde bzw. ob eine genehmigungspfichtige Betriebsanlage betrieben werde, einen Ortsaugenschein anberaumte und durchführte. Im Anschluß an den durchgeführten Lokalaugenschein sei über den Beschwerdeführer mit Strafverfügung vom 5. November 1991 eine Geldstrafe verhängt worden, weil er eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage im Sinne des § 74 GewO 1973 ohne entsprechende gewerbebehördliche Genehmigung errichtet habe. Diese Strafverfügung sei mit Straferkenntnis vom 7. August 1992 bestätigt worden. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich habe zwar mit seinem Erkenntnis vom 11. Februar 1993 dieses Straferkenntnis behoben und das Strafverfahren eingestellt, dies jedoch nicht aus materiellrechtlichen, sondern ausschließlich aus verfahrensrechtlichen Gründen. Schließlich sei mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 4. Oktober 1995 der Antrag des Beschwerdeführers auf Feststellung, ob seine an dem in Rede stehenden Standort betriebene Anlage zur Fruchtsafterzeugung der Genehmigung bedürfe, aus Gründen der Offenkundigkeit der Genehmigungspflicht der Anlage als unzulässig zurückgewiesen worden. Da es somit auch nach Auffassung des Landeshauptmannes im gegenständlichen Kostenverfahren als zweifelsfrei feststehe, daß vom Beschwerdeführer eine gewerbliche Tätigkeit im genannten Standort ausgeführt werde und er auch eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage betreibe ohne über eine entsprechende Gewerbeberechtigung bzw. über eine Betriebsanlagengenehmigung zu verfügen, sei es einzig und allein als sein Verschulden anzusehen, daß von der Gewerbebehörde eine Überprüfung an Ort und Stelle durchzuführen gewesen sei, als sie von dieser Tätigkeit Kenntnis erlangt habe. Entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers in seiner Berufungsschrift sei es Pflicht der Behörde gewesen, die Feststellungen des Lebensmittelaufsichtsorganes zu überprüfen und als zuständige Gewerbebehörde festzustellen, ob es sich bei der angezeigten Tätigkeit um eine gewerbliche Tätigkeit im Sinne des § 1 der GewO handle, sowie ob die errichtete bzw. betriebene gewerbliche Betriebsanlage die Kriterien der Genehmigungspflicht erfülle.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer nach seinem gesamten Vorbringen in dem Recht auf Unterbleiben einer Abgabenvorschreibung verletzt. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes macht er zunächst geltend, die fragliche gewerbebehördliche Überprüfung habe am 10. Jänner 1991 stattgefunden, die Abgaben seien ihm aber erst mit Bescheid vom 30. November 1994 vorgeschrieben worden. Infolge Verjährung hätte bei richtiger rechtlicher Beurteilung von einer Vorschreibung von Gebühren Abstand genommen werden müssen. Davon abgesehen habe die belangte Behörde die Bestimmung des § 76 Abs. 2 AVG zu Unrecht angewendet. Nach der genannten Gesetzesbestimmung gelte das Verschuldensprinzip. Die Verpflichtung zur Tragung der Kosten könnte ihn daher nur dann treffen, wenn die Amtshandlung durch sein Verschulden herbeigeführt worden wäre. Hievon könne aber nicht die Rede sein. Insbesondere fehle im gegenständlichen Verfahren jedwedes Beweisergebnis, aus dem abgeleitet werden könnte, er führe einen Gewerbebetrieb ohne gewerbebehördliche Genehmigung. Richtig sei vielmehr, daß er zwar Fruchtsäfte abfülle, diese Tätigkeit aber im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebes durchführe. Dies habe er ausdrücklich behauptet. Beweisergebnisse, die gegen diese Annahme sprächen, lägen nicht vor. Soweit die belangte Behörde in diesem Zusammenhang auf den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 4. Oktober 1995 verweise, so verschweige sie, daß er gegen diesen Bescheid fristgerecht Berufung erhoben habe und dieses Verfahren noch nicht abgeschlossen sei. Erst nach dem Ausgang dieses Verfahrens werde feststehen, ob er einen Gewerbebetrieb betreibe oder seine Tätigkeit dem Bereich der Land- und Forstwirtschaft zuzurechnen sei. Fest stehe weiters, daß eine rechtskräftige Bestrafung wegen konsenslosen Betriebes einer genehmigungspflichtigen Betriebsanlage im Sinne des § 74 GewO 1994 gegen ihn nicht vorliege. Das Straferkenntnis vom 7. August 1992 sei vom Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich aufgehoben worden. In einem weiteren Verwaltungsstrafverfahren liege ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Oktober 1995 vor, mit welchem der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit aufgehoben worden sei. Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften wird vorgebracht, die belangte Behörde habe zur Frage, ob der Beschwerdeführer einen Gewerbebetrieb führe oder die Fruchtsäfteerzeugung und -abfüllung im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebes erfolge, kein wie immer geartetes Beweisverfahren durchgeführt. Sie stelle vielmehr die aktenmäßig nicht belegte und damit auch aktenwidrige Behauptung auf, er führe einen Gewerbebetrieb.

Gemäß § 77 Abs. 1 AVG können für Amtshandlungen der Behörden außerhalb des Amtes Kommissionsgebühren eingehoben werden. Hinsichtlich der Verpflichtung zur Entrichtung dieser Gebühren finden die Bestimmungen des § 76 sinngemäß Anwendung.

Gemäß § 76 Abs. 2 leg. cit. sind, wenn die Amtshandlung durch das Verschulden eines anderen Beteiligten verursacht wurde, die Auslagen von diesem zu tragen. Wurde die Amtshandlung von Amts wegen angeordnet, so belasten die Auslagen den Beteiligten dann, wenn sie durch sein Verschulden herbeigeführt worden sind.

Zunächst ist festzuhalten, daß weder das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz noch sonstige im Zusammenhang anzuwendende Rechtsvorschriften eine Regelung über die Verjährung von in den §§ 76 und 77 AVG geregelten Gebühren enthalten. Der Beschwerdeführer kann daher mit seinem diesbezüglichen Vorbringen eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht dartun.

Im übrigen erweist sich die Beschwerde allerdings als berechtigt.

Wie sich aus der zitierten Bestimmung des § 76 Abs. 2 zweiter Satz AVG ergibt, setzt in einem Fall wie dem vorliegenden, wo die Gebühren im Sinne des § 77 Abs. 1 leg. cit. begründende Amtshandlung von Amts wegen angeordnet wurde, die Verpflichtung zur Entrichtung dieser Gebühren ein Verschulden voraus, wobei, wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 12. Dezember 1989, Zl. 89/04/0094) die Frage des Vorliegens eines Verschuldens nach § 1294 ABGB zu beurteilen ist.

Wie die belangte Behörde richtig erkannte, kann in einem Fall wie dem vorliegenden ein Verschulden im Sinne des § 76 Abs. 2 zweiter Satz AVG grundsätzlich im Betrieb eines Gewerbes ohne entsprechende Gewerbeberechtigung und im Betrieb einer Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung liegen. Um beurteilen zu können, ob diese Voraussetzungen im gegebenen Fall vorliegen, hätte es allerdings entsprechender Feststellungen im angefochtenen Bescheid bedurft. Solcher Feststellungen hätte es nur dann nicht bedurft, wenn, wie sich aus § 38 AVG ergibt, über die als Vorfrage für die Verpflichtung zur Entrichtung von Kommissionsgebühren zu beurteilende Frage der Erforderlichkeit einer Gewerbeberechtigung oder einer Genehmigung der Betriebsanlage, bereits eine andere RECHTSKRÄFTIGE Entscheidung vorgelegen wäre oder die Behörde bis zum Ergehen einer derartigen rechtskräftigen Entscheidung das Verfahren unterbrochen hätte. Eine solche rechtskräftige Entscheidung dieser Vorfrage liegt hier allerdings nicht vor, weil einerseits das gegen den Beschwerdeführer im gegebenen Zusammenhang ergangene Straferkenntnis mit Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 11. Februar 1993 - aus welchen Gründen immer - aufgehoben wurde und andererseits der Beschwerdeführer, wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift ausdrücklich zugesteht, gegen den nach § 358 GewO 1994 ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich eine bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht erledigte Berufung erhob. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996040067.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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