TE Vwgh Beschluss 2022/1/24 Ra 2021/13/0117

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Veröffentlicht am 24.01.2022
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB)
22/03 Außerstreitverfahren
23/04 Exekutionsordnung
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

ABGB §364c
ABGB §472
ABGB §509
EO §200 Abs1
EStG 1988 §29 Z3
LiegenschaftsbewertungsG 1992 §3 Abs3
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser, den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer sowie den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision der C E in B, vertreten durch Dr. Gustav Eckharter, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Museumstraße 5/15, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 29. Juni 2021, Zl. RV/7100623/2021, betreffend Einkommensteuer 2019, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Bescheid vom 1. Dezember 2020 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer 2019 fest. In der Begründung wurde ausgeführt, im Rahmen des Verkaufes der Liegenschaft L in Mödling am 24. Juli 2019 habe die Revisionswerberin auf ein zu ihren Gunsten eingeräumtes Fruchtgenussrecht und auf ein Belastungs- und Veräußerungsverbot gegen Zahlung von insgesamt 500.000 € verzichtet. Der Verzicht auf das Belastungs- und Veräußerungsverbot stelle einen nach § 29 Z 3 EStG 1988 steuerpflichtigen Vorgang dar (Einkünfte aus Leistungen). Da für den Verzicht auf beide Rechte insgesamt 500.000 € bezahlt worden sei, werde für den Verzicht auf das Belastungs- und Veräußerungsverbot ein Zufluss von 250.000 € angesetzt.

2        Die Revisionswerberin erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde. Das Belastungs- und Veräußerungsverbot habe lediglich der Absicherung des Fruchtgenussrechtes gedient; der Ansatz von 250.000 € sei willkürlich.

3        Mit Beschwerdevorentscheidung vom 21. Jänner 2021 wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab. Zu welchem Zweck ein Belastungs- und Veräußerungsverbot eingeräumt worden sei, sei für die Besteuerung einer Zahlung aufgrund des Verzichtes gemäß § 29 Z 3 EStG 1988 unerheblich.

4        Die Revisionswerberin beantragte die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht.

5        Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde teilweise Folge. Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe seien dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bildeten einen Bestandteil des Spruches des Erkenntnisses. Weiters sprach das Bundesfinanzgericht aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

6        Nach Wiedergabe des Verfahrensgeschehens führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, die Revisionswerberin und ihr Sohn hätten im März 2015 ein Pflichtteilsübereinkommen geschlossen. Demnach habe der Sohn der Revisionswerberin an einem Liegenschaftsanteil (Hälfteanteil), den er zur Abgeltung des Pflichtteils nach seinem Vater übernommen habe, das lebenslange und unentgeltliche Fruchtgenussrecht eingeräumt. Weiters habe sich der Sohn verpflichtet, diesen Liegenschaftsanteil ohne Zustimmung der Revisionswerberin weder zu belasten noch zu veräußern. Die Revisionswerberin habe sich verpflichtet, ihre Zustimmung für den Fall zu erteilen, dass für erforderliche Arbeiten zur Renovierung, Sanierung oder zur Erhaltung der Substanz des Vertragsgegenstandes ein Kredit aufzunehmen sei.

7        Am selben Tag habe die Revisionswerberin auch mit ihrem Enkel einen Vertrag geschlossen. Darin habe sie ihrem Enkel den anderen Hälfteanteil dieser Liegenschaft geschenkt. Die Revisionswerberin habe sich am Vertragsgegenstand das lebenslange unentgeltliche Fruchtgenussrecht vorbehalten. Der Übernehmer habe sich verpflichtet, den Vertragsgegenstand ohne Zustimmung der Revisionswerberin weder zu belasten noch zu veräußern. Die Revisionswerberin habe sich wiederum verpflichtet, ihre Zustimmung für den Fall zu erteilen, dass für erforderliche Arbeiten zur Renovierung, Sanierung oder zur Erhaltung der Substanz des Vertragsgegenstandes ein Kredit aufzunehmen sei.

8        Im Jänner 2017 habe eine Bank eine Pfandurkunde ausgestellt. Die Revisionswerberin habe der Einverleibung des Pfandrechtes bis zum Höchstbetrag von 125.000 € und dem Vorrang dieses Pfandrechtes vor dem Fruchtgenussrecht und dem Belastungs- und Veräußerungsverbot zugestimmt.

9        Im Juli 2019 verkauften der Sohn und der Enkel der Revisionswerberin diese Liegenschaft. Als Kaufpreis sei ein Betrag von 1,640.000 € vereinbart worden. Im Kaufvertrag sei weiters vereinbart worden, dass die Revisionswerberin auf die Rechte aus dem Fruchtgenussrecht und dem Veräußerungs- und Belastungsverbot verzichte. Für diesen Verzicht erhalte die Revisionswerberin - aus dem Kaufpreis - eine Abschlagszahlung von 500.000 €.

10       Die Revisionswerberin habe in den Jahren 2015 bis 2019 aus der Liegenschaft Einnahmen von insgesamt ca. 170.000 € und Einkünfte von 87.153,58 € erklärt; sie habe sich damals in ihren 84. bis 88. Lebensjahren befunden. Aus diesen Daten errechne sich - wie der Beilage des „Schreibens“ vom 26. Mai 2021 zu entnehmen sei - der Wert des Fruchtgenussrechts und der Wert des Veräußerungs- und Belastungsverbotes bzw. des Verzichtes auf das Veräußerungs- und Belastungsverbot mit 96.434,75 €.

11       Es bestehe kein Zweifel daran, dass die Aufteilung des Gesamtverkaufspreises in Höhe von 1,640.000 € auf 1,140.000 € einerseits und 500.000 € anderseits seitens der Sphäre der Verkäuferseite erfolgt sei.

12       Die Revisionswerberin habe auf Vorhalt mitgeteilt, für die Aufteilung des Kaufpreises sei ausschlaggebend gewesen, dass mit der Pension des verstorbenen Ehemannes der Revisionswerberin und den getätigten Entnahmen aus der Liegenschaft die Lebenshaltungskosten, insbesondere die Aufwendungen für den eigenen Wohnsitz gezahlt worden seien; durch das Ableben des Ehemanns seien die Einkünfte der Revisionswerberin auf die Witwenpension reduziert worden; hiemit habe der eigene Wohnsitz nicht mehr finanziert werden können; es sei daher der Kaufpreis einvernehmlich „unter Brüdern“ annähernd gedrittelt worden; das Belastungs- und Veräußerungsverbot habe ausschließlich die Rolle gespielt, dass ohne Verzicht auf dieses die Liegenschaft nicht hätte veräußert werden können; dem Verzicht sei keine wie immer namhaft zu machende und steuerpflichtige Leistung der Revisionswerberin zu Grunde gelegen; aufgrund der Veräußerung sei es auch zu hohen Vorsteuerkürzungen und Umsatzsteuer-Nachzahlungen gekommen.

13       Zu diesem Vorbringen sei auszuführen, dass der bekannt gegebenen Aufteilung des Kaufpreises „unter Brüdern“ eine unzutreffende Methode zu Grunde liege. Diese Kaufpreisaufteilung sei augenfällig unrichtig, vom Finanzamt im Zuge der Veranlagung und im Beschwerdeverfahren aber nicht hinterfragt und nicht korrigiert worden. Im Zuge des Ermittlungsverfahrens des Bundesfinanzgerichtes sei der Wert des Veräußerungs- und Belastungsverbotes bzw. des Verzichtes auf das Veräußerungs- und Belastungsverbot in Höhe von 96.434,75 € errechnet worden. Die Einkünfte aus Leistungen seien daher nicht (wie vom Finanzamt) mit 250.000 €, sondern mit 96.434,74 € anzusetzen.

14       Am Ende der Entscheidungsgründe findet sich eine nähere Darstellung der Bemessungsgrundlagen (unter Einbeziehung von Einkünften aus Leistungen in Höhe von 96.434,75 €) sowie der Höhe der Abgabe.

15       Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision.

16       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

17       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

18       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

19       Zunächst macht die Revision zur Zulässigkeit geltend, der Spruch des Bescheides (und auch des Erkenntnisses des Bundesfinanzgerichtes) müsse den festgesetzten Abgabenbetrag beinhalten; es gehe nicht an, dass dazu auf die Entscheidungsgründe verwiesen werde, welche einen Bestandteil des Spruchs bilden sollen.

20       Gemäß § 198 Abs. 2 BAO haben Abgabenbescheide im Spruch u.a. die Art und Höhe der Abgaben und die Grundlagen der Abgabenfestsetzung (Bemessungsgrundlagen) zu enthalten. Nach § 93a BAO sind die für Bescheide geltenden Bestimmungen (insbesondere § 198 Abs. 2 BAO) sinngemäß auf Erkenntnisse und Beschlüsse der Verwaltungsgerichte anzuwenden. Die im vorliegenden Verfahren gewählte „Verweistechnik“ ist aber nicht zu beanstanden (vgl. VwGH 19.9.2007, 2006/13/0106; 25.4.2013, 2012/15/0161; 29.1.2014, 2011/13/0001; 29.1.2015, 2012/15/0007). Die Bemessungsgrundlage sowie die Höhe der Abgabe sind auf Seite 17 des angefochtenen Erkenntnisses (also - wie im Spruch des Erkenntnisses angeführt - am Ende der Entscheidungsgründe) klar ausgewiesen.

21       Sodann wird in der Revision geltend gemacht, nach der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses sei der Wert des Belastungs- und Veräußerungsverbotes in einer Beilage zu einem Schreiben vom 26. Mai 2021 ermittelt worden; diese Beilage sei aber der Revisionswerberin niemals zugestellt worden. Das Bundesfinanzgericht lege auch nicht dar, wie sich dieser Betrag errechne und wie sich die Steigerung zu dem von der belangten Behörde vorgegebenen Betrag (87.153,58 €) ergebe.

22       Hiezu ist zu bemerken, dass nach dem Inhalt der vorgelegten Akten die Beilage zu dem Schreiben (Vorhalt) vom 26. Mai 2021 aus einem einzigen Blatt besteht, und zwar aus einem Ausdruck aus dem vom Bundesministerium für Finanzen zur Verfügung gestellten Berechnungsprogramm betreffend die Bewertung von Renten („Bewertung von Renten und wiederkehrenden Nutzungen und Leistungen“); dies unter Angabe des Geschlechts und des Geburtsdatums der Revisionswerberin, des Bewertungsstichtags (Tag der Vertragsunterfertigung, mit welchem - nach der Vertragsurkunde - auch die Liegenschaft übergeben und übernommen wurde) sowie einer jährlichen (vorschüssigen) „Rate“ von 17.430 €. Nach dem im Akt befindlichen Rückschein wurde der Vorhalt samt „Beilagen“ der Revisionswerberin übermittelt. In der Vorhaltsbeantwortung rügte die Revisionswerberin u.a. die „Rentenberechnung- und Bewertung“ und verwies betreffend eine andere Liegenschaft auf den „Rechner des BMF“. Soweit erkennbar wurde damit also auf dieses Berechnungsblatt Bezug genommen. Im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit der Revision ist damit nicht ableitbar, dass diese Beilage (Berechnungsblatt) nicht übermittelt worden wäre. Bei dem in der Revision genannten Betrag von 87.153,58 € handelt es sich hingegen um die von der Revisionswerberin in den Jahren 2015 bis 2019 insgesamt (also in fünf Jahren) erzielten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung der genannten Liegenschaft (ein Fünftel hievon wurde im Rahmen der Berechnung des Barwertes als durchschnittliche jährliche „Rate“ angesetzt: 17.430 €).

23       Entgegen dem Revisionsvorbringen enthält das angefochtene Erkenntnis durchaus Feststellungen zum Sachverhalt; die Berechnungen sind auch - wiederum entgegen dem Revisionsvorbringen - näher dargestellt. Das Bundesfinanzgericht (bzw. das Finanzamt gemäß § 269 Abs. 2 BAO) ermittelte den Wert des Fruchtgenussrechts durch Ermittlung des Barwerts unter Annahme von jährlichen Einnahmen von (durchschnittlich) 17.430 €.

24       Wenn die Revision darauf verweist, dass die Immobilienertragsteuer in voller Höhe bezahlt worden sei, so ist dies - nach dem Akteninhalt und offenbar entgegen der Annahme des Bundesfinanzgerichts, das die Aufteilung des Gesamtkaufpreises im Hinblick auf eine Vereinbarung unter Familienangehörigen („unter Brüdern“) in Frage stellen will - zwar zutreffend. Der gesamte Kaufpreis von 1.640.000 € wurde - ohne dass dieser Betrag im Hinblick auf die Zahlung an die Revisionswerberin gekürzt worden wäre - der Besteuerung nach § 30 EStG 1988 unterworfen (nach § 30 Abs. 4 Z 2 EStG 1988 mit 14% des Veräußerungserlöses und einem Steuersatz von 30%: insgesamt 68.880 €). Dies hat aber keine Auswirkung darauf, ob eine zu besteuernde Leistung der Revisionswerberin - an die Verkäufer - vorliegt; der Besteuerung dieser Leistung der Revisionswerberin an ihren Sohn und ihren Enkel steht die Besteuerung des Verkaufs der Liegenschaft durch Sohn und Enkel nicht entgegen.

25       Die Revision macht geltend, nur der entgeltliche Verzicht auf ein Belastungs- und Veräußerungsverbot sei steuerbar. Ein Verzicht auf Rechte gegen Zahlung eines Betrags von 500.000 € kann aber - entgegen der Ansicht der Revisionswerberin - nicht als unentgeltlich beurteilt werden.

26       Wenn in der Revision geltend gemacht wird, das Belastungs- und Veräußerungsverbot sei in untrennbarem Zusammenhang mit dem Fruchtgenussrecht gestanden, so ist zwar zutreffend, dass die beiden Rechte jeweils in derselben Vertragsurkunde (mit beiden neuen Eigentümern: Sohn und Enkel der Revisionswerberin) vereinbart wurden. Dass diese Rechte untrennbar seien, ist aber nicht erkennbar. Insbesondere enthalten beide Vereinbarungen keinen Hinweis darauf, dass - wie in der Revision geltend gemacht - das Belastungs- und Veräußerungsverbot als bloße „Sicherungsmaßnahme“ für das Fruchtgenussrecht hätte dienen sollen; ein derartiger Zusammenhang ist auch sonst nicht ersichtlich (vgl. hingegen etwa OGH 1.9.1999, 9 Ob 193/99v, betreffend einen zur Sicherung einer Forderung im Provisorialverfahren gestellten Antrag auf Erlassung eines Belastungs- und Veräußerungsverbots: Orientierung des Streitwertes am Wert der Forderung, nicht an jenem der Liegenschaft). Dazu ist auch zu bemerken, dass ein - wie hier vorliegend - im Grundbuch eingetragenes Fruchtgenussrecht auch gegen Dritte durchsetzbar ist (vgl. § 472 ABGB: gegen jeden Besitzer der dienstbaren Sache wirksam). Das Fruchtgenussrecht stünde zwar einer Veräußerung (oder Belastung) der Liegenschaft nicht entgegen, es könnte dadurch aber nicht (rechtlich) beeinträchtigt werden (vgl. auch § 150 Abs. 1 EO idF vor BGBl. I Nr. 86/2021 und nunmehr § 200 Abs. 1 EO).

27       Im Übrigen ist darauf zu verweisen, dass nach § 29 Z 3 EStG 1988 zu den sonstigen Einkünften solche aus Leistungen zählen, soweit sie weder zu anderen Einkunftsarten (§ 2 Abs. 3 Z 1 bis 6 leg. cit.) noch zu den Einkünften im Sinne der Z 1, 2 oder 4 gehören. Eine Leistung im Sinne des § 29 Z 3 EStG 1988 kann in einem Tun, einem Dulden oder einem Unterlassen bestehen. Eine Leistung im Sinne der zitierten Bestimmung ist jedes Verhalten, das darauf gerichtet ist, einem anderen einen wirtschaftlichen Vorteil zu verschaffen. Die Veräußerung von Vermögensgegenständen und die einem Veräußerungsvorgang gleichzuhaltende Vermögensumschichtung kann aber nicht auch als Leistung iSd § 29 Z 3 EStG 1988 angesehen werden (vgl. VwGH 3.7.2003, 99/15/0003; 28.5.2009, 2007/15/0200; 20.10.2010, 2007/13/0059; 31.1.2018, Ro 2017/15/0018; 3.5.2021, Ra 2019/13/0124, je mwN).

28       Der Verzicht auf ein Fruchtgenussrecht ist als eine einem Veräußerungsvorgang gleichzuhaltende Vermögensumschichtung zu beurteilen (vgl. VwGH 31.3.2017, Ra 2016/13/0029, mwN); es handelt sich daher um keine Leistung gemäß § 29 Z 3 EStG 1988. Die Aufgabe eines Veräußerungs- und Belastungsverbots (vgl. zu diesem etwa OGH 16.1.1980, 6 Ob 691/79; 31.3.1987, 5 Ob 303/87) gegen Entgelt unterliegt hingegen der Steuerpflicht gemäß § 29 Z 3 EStG 1988; das nicht übertragbare Verbot ist kein Wirtschaftsgut, das veräußert werden könnte (vgl. VwGH 23.5.2000, 95/14/0029, VwSlg. 7508/F; 27.4.2017, Ra 2015/15/0067, mwN). Das Verbot ist darauf gerichtet, Veräußerungs- und Belastungsvorgänge eines Dritten, die dem Verbotsberechtigten unerwünscht sind, zu unterbinden (vgl. neuerlich VwGH 23.5.2000, 95/14/0029; 15.12.2010, 2005/13/0134), und schafft in wirtschaftlicher Hinsicht die Voraussetzung dafür, durch einen späteren Verzicht darauf Dispositionen des durch das Verbot Belasteten zu ermöglichen und dafür ein Entgelt zu lukrieren (vgl. VwGH 15.12.2010, 2005/13/0134).

29       Im Kaufvertrag vom 24. Juli 2017 wurde lediglich vereinbart, dass die Revisionswerberin für ihren Verzicht auf das Veräußerungs- und Belastungsverbot sowie auf das Fruchtgenussrecht einen Betrag von 500.000 € erhält. Eine Aufgliederung dieses Entgelts auf die beiden Rechte erfolgte nicht.

30       Es entspricht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass die Aufteilung eines einheitlichen Entgelts für verschiedene Wirtschaftsgüter (insbesondere für bebaute Liegenschaften) nach streng objektiven Maßstäben zu erfolgen hat. Hiezu ist der Verkehrswert beider Wirtschaftsgüter zu ermitteln und das Entgelt im Verhältnis dieser Werte aufzuteilen. Dies gilt etwa auch dann, wenn ein Veräußerungserlös auf mehrere - nur zum Teil von Befreiungsbestimmungen betroffene - Liegenschaften erfolgen soll („Methode des Sachwertverhältnisses“; vgl. VwGH 7.9.1990, 86/14/0084; 4.6.2003, 99/13/0238; 19.12.2013, 2012/15/0033; 16.9.2015, Ro 2014/13/0008, mwN). In dieser Weise ist (an sich) auch im hier vorliegenden Fall vorzugehen, in dem ein einheitliches Entgelt den Verzicht auf zwei (steuerlich unterschiedlich zu behandelnde) Rechte betrifft.

31       Entgegen der Ansicht des Bundesfinanzgerichts wurde im Zuge der Erhebungen nur der Wert des Fruchtgenussrechts ermittelt, und zwar - in einer im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit der Revision nicht zu beanstandenden Weise - durch die Ermittlung des Ertragswertes dieses Rechtes. Wenn dazu in der Revision insbesondere geltend gemacht wird, es seien zu hohe durchschnittliche Jahreserträge angesetzt worden, so geht die Revision insoweit nicht vom festgestellten Sachverhalt aus (Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in fünf Jahren insgesamt 87.153,58 €). Eine Reduktion dieses Ansatzes - wie in der Revision begehrt - könnte überdies nur den Wert des Fruchtgenussrechts reduzieren, was aber keine Reduktion des Wertes des Belastungs- und Veräußerungsverbotes bewirken würde.

32       Eine allgemeine (abstrakte) Bewertung des Belastungs- und Veräußerungsverbotes scheidet aus (vgl. etwa Hauswurz/Prader, Liegenschaftsbewertungsgutachten 172: „mangelnde Vergleichbarkeit“; vgl. auch VwGH 22.10.2013, 2012/10/0141). Das Liegenschaftsbewertungsgesetz 1992 (vgl. zur wenn auch eingeschränkten Brauchbarkeit von dort festgeschriebenen Bewertungsregeln auch für das Abgabenrecht VwGH 10.8.2005, 2002/13/0132) sieht in § 3 Abs. 3 leg. cit. hiezu vor, dass bei Rechten und Lasten, deren Bewertung nach den in den §§ 2 bis 7 leg. cit. enthaltenen Regeln nicht möglich ist, der vermögenswerte Vorteil des Berechtigten beziehungsweise der vermögenswerte Nachteil des Belasteten heranzuziehen ist (vgl. dazu auch die Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 333 BlgNR 18. GP 13: wenn sich zum Beispiel keine vergleichbaren Rechte oder Lasten für die Durchführung des Vergleichswertverfahrens finden und das Recht auch nicht genutzt werden kann, sodass das Ertragswertverfahren nicht anwendbar ist).

33       Ausgehend vom vermögenswerten Vorteil des Berechtigten ergäbe sich das Entgelt der Revisionswerberin für den Verzicht auf das Veräußerungs- und Belastungsverbot - in diesem Sinne entsprechend auch der Vorgangsweise bei der „Differenzmethode“ (vgl. dazu neuerlich VwGH 19.12.2013, 2012/15/0033, mwN) - mit der Differenz aus dem gesamten Entgelt (500.000 €) und dem (nach dem Ertragswertverfahren ermittelten) Wert des Fruchtgenussrechts (ca. 100.000 €) also mit etwa 400.000 €. Vor diesem Hintergrund kann die Revision nicht aufzeigen, dass die Revisionswerberin durch die Zurechnung eines Betrages von 96.434,75 € zum Verzicht auf das Belastungs- und Veräußerungsverbot beschwert wäre.

34       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgezeigt, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen.

Wien, am 24. Jänner 2022

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021130117.L00

Im RIS seit

02.03.2022

Zuletzt aktualisiert am

09.03.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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