TE Vwgh Beschluss 2022/2/1 Ra 2021/06/0221

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Veröffentlicht am 01.02.2022
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Index

L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag Steiermark
L82000 Bauordnung
L82006 Bauordnung Steiermark
001 Verwaltungsrecht allgemein
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §13
AVG §8
BauG Stmk 1995 §13 Abs2
BauG Stmk 1995 §26 Abs1
BauRallg
VwGG §28 Abs1 Z4
VwGG §34 Abs1
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und die Hofrätinnen Mag.a Merl und Mag. Liebhart-Mutzl als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache der J H in G, vertreten durch die Friedl & Holler Rechtsanwälte GmbH in 8430 Leibnitz, Konradweg 1, über den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 18. Oktober 2021, LVwG 50.21-1245/2021-8, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Gemeinde Gabersdorf; mitbeteiligte Partei: S O, vertreten durch Dr. Gerhard Petrowitsch, Rechtsanwalt in 8430 Leibnitz, Kadagasse 11; weitere Partei: Steiermärkische Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark (LVwG) die Beschwerde der Revisionswerberin gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde G vom 13. Jänner 2021, mit dem der Mitbeteiligten die Baubewilligung für die Errichtung eines näher beschriebenen Bauvorhabens auf dem Bauplatz Nr. X, KG L, erteilt worden war, mangels Beschwerdelegitimation zurück und erklärte eine ordentliche Revision für unzulässig.

Begründend führte das LVwG zusammengefasst aus, der Revisionswerberin sei als Nachbarin im Sinn des § 4 Z 44 Steiermärkisches Baugesetz (Stmk. BauG) im Behördenverfahren zwar grundsätzlich Parteistellung zugekommen. Sie habe in ihren Einwendungen die Verletzung des Grenzabstandes gemäß § 13 Abs. 2 Stmk. BauG durch den Carport, welcher nur einen Abstand von 1,2 m zur Bauplatzgrenze aufweise, geltend gemacht; gemäß der mit der Steiermärkischen Bautechnikverordnung 2020 (StBTV 2020) in Kraft gesetzten OIB-Richtlinie 2.2 „Brandschutz bei Garagen, überdachten Stellplätzen und Parkdecks“ müsse - so die Revisionswerberin in ihren Einwendungen - ein Carport mit einer Nutzfläche von mehr als 50 m2 jedoch einen Mindestabstand von 2,0 m zur Bauplatzgrenze einhalten.

Die bereits im baubehördlichen Verfahren rechtsfreundlich vertretene Revisionswerberin habe mit diesem Vorbringen ausschließlich die Verletzung des Mindestabstandes gemäß § 13 Abs. 2 Stmk. BauG durch den KFZ-Abstellplatz eingewendet. Dass - wie in der Beschwerde vorgebracht - die dem Grundstück der Revisionswerberin zugekehrte Wand des KFZ-Abstellplatzes brandbeständig ausgeführt werden müsse, sei im Behördenverfahren nicht eingewendet worden.

§ 13 leg. cit. beziehe sich ausschließlich auf Gebäude, worunter definitionsgemäß überdeckte, allseits oder überwiegend umschlossene Bauwerke zu verstehen seien. Ein überwiegend offener KFZ-Abstellplatz stelle kein Gebäude dar, weshalb die Abstandsregelungen des § 13 Stmk. BauG nicht zur Anwendung kämen. Der KFZ-Abstellplatz werde nicht unmittelbar an der Nachbargrenze, sondern in einem Abstand von 1,2 m errichtet.

Gemäß § 26 Abs. 1 Z 4 iVm § 52 Abs. 2 Stmk. BauG werde Nachbarn ein Mitspracherecht hinsichtlich der brandschutztechnischen Ausführung von Bauwerken an der Nachbargrenze eingeräumt. Die Prüfung, ob die bautechnischen Anforderungen an Bauwerke betreffend den Brandschutz (§ 43 Abs. 2 Z 2 Stmk. BauG iVm der OIB-Richtlinie 2.2) eingehalten würden, habe amtswegig zu erfolgen; diesbezüglich hätten Nachbarn mangels Nennung in der taxativen Aufzählung des § 26 Abs. 1 Stmk. BauG kein Mitspracherecht. Die Baubehörde habe im Übrigen durch die Beiziehung eines bau- und brandschutztechnischen Sachverständigen und die Einholung einer Stellungnahme der Landesstelle für Brandverhütung diesbezüglich eine Prüfung durchgeführt.

Die Revisionswerberin habe im baubehördlichen Verfahren keine zulässigen Einwendungen erhoben, weshalb sie ihre Parteistellung verloren habe. Dies habe zum Verlust ihrer Beschwerdelegitimation geführt, weshalb die Beschwerde aufgrund eingetretener Präklusion zurückzuweisen gewesen sei (Hinweis auf VwGH 28.3.2018, Ra 2015/07/0055).

2        Die Revisionswerberin erachtet sich unter der Überschrift „Revisionspunkte“ in ihrem subjektiv öffentlichen Nachbarrecht gemäß § 26 Abs. 1 Z 4 Stmk. BauG auf brandschutztechnische Ausführung der Außenwände von Bauwerken an der Nachbargrenze (§ 52 Abs. 2 Stmk. BauG), auf Versagung der Erteilung einer Baubewilligung im Fall der Nichteinhaltung der StBTV 2020 iVm der OIB-Richtlinie 2.2, auf Zuerkennung der Parteistellung in einem Bauverfahren, in dem sie die Einwendung der Nichteinhaltung der Brandschutzbestimmungen geltend gemacht habe, und - erkennbar - auf Nichterteilung einer Baubewilligung ohne Einholung des beantragten brandschutztechnischen Sachverständigengutachtens verletzt.

3        Gemäß § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG hat die Revision (u.a.) die Bezeichnung der Rechte, in denen der Revisionswerber verletzt zu sein behauptet (Revisionspunkte), zu enthalten. Durch die vom Revisionswerber vorgenommene Bezeichnung der Revisionspunkte wird der Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festgelegt und der Rahmen abgesteckt, an den der Verwaltungsgerichtshof bei der Prüfung des angefochtenen Erkenntnisses oder des angefochtenen Beschlusses gemäß § 41 VwGG gebunden ist. Danach hat der Verwaltungsgerichtshof nicht zu prüfen, ob irgendein subjektives Recht des Revisionswerbers verletzt wurde, sondern nur zu prüfen, ob jenes verletzt wurde, dessen Verletzung dieser behauptet. Der in § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG geforderten Angabe der Revisionspunkte kommt für den Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens insoweit entscheidende Bedeutung zu, als der Revisionswerber jenes subjektive Recht herauszuheben hat, dessen behauptete Verletzung die Legitimation zur Revisionserhebung erst begründet. Wird der Revisionspunkt unmissverständlich behauptet, so ist er einer Auslegung aus dem Gesamtzusammenhang der Revision nicht zugänglich (vgl. VwGH 20.11.2020, Ra 2019/05/0332, mwN).

4        Der angefochtene Beschluss, mit dem die Beschwerde der Revisionswerberin mangels Parteistellung zurückgewiesen wurde, stellt eine ausschließlich verfahrensrechtliche Erledigung dar; in Hinblick auf den normativen Gehalt dieser Erledigung käme vorliegend allein die Verletzung der Revisionswerberin in ihrem Recht auf Sachentscheidung, d.h. auf meritorische Erledigung ihrer Beschwerde, in Betracht (vgl. nochmals VwGH 20.11.2020, Ra 2019/05/0332, Rn. 10, mwN). Dieses Recht ist allerdings von dem von der Revisionswerberin ausdrücklich bezeichneten Revisionspunkt nicht erfasst.

Die Revision war daher schon aus diesem Grund zurückzuweisen.

5        Die Revision wäre aber auch nicht zulässig, weil in der Zulässigkeitsbegründung keine Rechtsfrage aufgeworfen wird, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

6        Die Revisionswerberin rügt in der Zulässigkeitsbegründung ein Abweichen des angefochtenen Beschlusses von der ständigen hg. Rechtsprechung insofern, als ein Nachbar das Recht, in dem er sich verletzt erachte, nicht ausdrücklich bezeichnen und die entsprechende Gesetzesstelle nicht angeben müsse; es müsse nur erkennbar sein, welche Rechtsverletzung behauptet werde (Hinweis auf VwGH 17.4.2012, 2009/05/0054). Im vorliegenden Fall habe die Revisionswerberin die Verletzung des Grenzabstandes durch den Carport geltend gemacht, aber auch die Verletzung der Vorgaben des Brandschutzes gemäß BT-VO 2020 iVm der OIB-Richtlinie 2.2 vorgebracht. Dies sei aus den Einwendungen ausreichend erkennbar. Die „belangte Behörde“ hätte sich mit dem Beschwerdevorbringen, wonach die dem Grundstück der Revisionswerberin zugekehrte Wand des KFZ-Abstellplatzes entweder brandbeständig ausgeführt werden oder einen Abstand von 2 m zur Grundgrenze einhalten müsse, auseinandersetzen und ein brandschutztechnisches Gutachten einholen müssen.

7        Mit diesem Vorbringen wendet sich die Revisionswerberin erkennbar gegen die Auslegung ihrer Einwendungen durch das LVwG.

Nach der ständigen hg. Rechtsprechung betrifft die Auslegung einer konkreten Parteienerklärung nur den Einzelfall. Eine solche Auslegung wäre nur dann revisibel, wenn dem Verwaltungsgericht dabei eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen und die im Einzelfall erfolgte Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise erfolgt wäre (vgl. etwa VwGH 14.7.2021, Ra 2021/06/0074, Rn. 8, mwN).

Eine solche Fehlbeurteilung vermag die Revision jedoch nicht aufzuzeigen. Es trifft zwar zu, dass ein Nachbar nicht die Gesetzesstelle angeben muss, auf die er seine Einwendungen stützt. Wenn jedoch in den - von einem rechtsfreundlichen Vertreter verfassten - Einwendungen ausdrücklich die Rechtsgrundlagen angeführt sind, hat die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht diese zu beurteilen (vgl die Ausführungen bei Hengstschläger/Leeb, AVG I [2. Ausgabe 2014] § 13 Rn. 38, wonach bei eindeutigem Inhalt eines Anbringens davon abweichende, nach außen nicht zum Ausdruck gebrachte Absichten oder Beweggründe ohne Belang sind).

Im vorliegenden Verfahren votierte das LVwG die behauptete Abstandsverletzung gemäß § 13 Abs. 2 Stmk. BauG mit der Begründung ab, dass diese Bestimmung im vorliegenden Fall nicht anwendbar sei, weil der KFZ-Abstellplatz kein Gebäude darstelle. Dem tritt die Revision nicht entgegen.

Zu den Einwendungen betreffend Brandschutz führte das LVwG aus, Nachbarn könnten die Einhaltung der bautechnischen Anforderungen an Bauwerke betreffend den Brandschutz (§ 43 Abs. 2 Z 2 Stmk. BauG iVm der OIB-Richtlinie 2.2) nicht als subjektiv öffentliches Recht geltend machen; dass die dem Grundstück der Revisionswerberin zugekehrte Wand des KFZ-Abstellplatzes brandbeständig ausgeführt werden müsse, sei erst in der Beschwerde - und somit verspätet - vorgebracht worden. Darauf geht die Revision überhaupt nicht ein.

§ 1 Abs. 1 StBTV 2020 zufolge dienen die OIB-Richtlinien (darunter auch die vorliegend relevante OIB-Richtlinie 2.2) der näheren Konkretisierung der im 1. Teil des II. Hauptstückes des Stmk. BauG (§§ 43 und 44 leg. cit.) festgelegten bautechnischen Anforderungen. § 26 Abs. 1 Z 4 Stmk. BauG verweist hinsichtlich der Rechte betreffend die brandschutztechnische Ausführung der Außenwände von Bauwerken an der Nachbargrenze, die von Nachbarn geltend gemacht werden können, auf § 52 Abs. 2 leg. cit. Wenn das LVwG angesichts dieser Rechtslage die von der Revisionswerberin ausdrücklich auf die StBVT 2020 und die OIB-Richtlinien gestützten Einwendungen im Einzelfall nicht als tauglich im Sinn des § 26 Abs. 1 Z 4 Stmk. BauG beurteilte, kann dies nicht als unvertretbar angesehen werden.

8        Da in der Revision auch keine Rechtsfrage aufgeworfen wird, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, wäre sie auch aus diesem Grund zurückzuweisen.

Wien, am 1. Februar 2022

Schlagworte

Baurecht Nachbar Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1 Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv öffentliche Rechte BauRallg5/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021060221.L00

Im RIS seit

02.03.2022

Zuletzt aktualisiert am

14.03.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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