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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Nedwed und die Hofrätin Dr.in Gröger als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision von 1. M A, 2. D A, 3. M A, 4. M A, und 5. T A, alle vertreten durch Dr. Bernhard Grillitsch, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Schiffgasse 6/I, als bestellter Verfahrenshelfer, dieser vertreten durch die Kocher & Bucher Rechtsanwälte OG in 8010 Graz, Friedrichgasse 31, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. Oktober 2021, L519 2244123-1/11E, L519 2244119-1/10E, L519 2244126-1/8E, L519 2244125-1/8E und L519 2244127-1/8E, betreffend Asylangelegenheiten (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin sind die Eltern der minderjährigen Dritt- bis Viertrevisionswerber sowie der ebenfalls minderjährigen Fünftrevisionswerberin. Sie sind Staatsangehörige des Irak, stammen aus Bagdad und sind Muslime der sunnitischen Glaubensrichtung.
2 Am 7. November 2020 stellten der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin für sich und die Dritt- bis Fünftrevisionswerber:innen Anträge auf internationalen Schutz. Sie begründeten die Anträge im Wesentlichen damit, dass im Irak starke Unruhen herrschen würden. Der Erstrevisionswerber werde zudem von einer schiitischen Miliz gesucht, weil er an Demonstrationen teilgenommen habe. Gegen ihn sei ein Haftbefehl erlassen worden.
3 Mit Bescheiden vom 28. Mai 2021 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) die Anträge zur Gänze ab, erteilte den Revisionswerber:innen keine Aufenthaltstitel gemäß § 57 Asylgesetz 2005, erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass ihre Abschiebung in den Irak zulässig sei und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
4 Die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerber:innen wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
5 Das BVwG führte begründend - soweit hier maßgeblich - aus, der Erstrevisionswerber habe eine gegen ihn gerichtete Verfolgung aufgrund der von ihm behaupteten Demonstrationsteilnahmen nicht glaubwürdig darlegen können.
6 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vorbringt, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, weil die Beweiswürdigung des BVwG zum Fluchtvorbringen des Erstrevisionswerbers nicht den in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen entspreche. Sie erweise sich aufgrund der völlig unsubstantiierten Annahme eines gesteigerten Vorbringens als unschlüssig und sei unvertretbar.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Die vorliegende Revision begründet ihre Zulässigkeit ausschließlich mit der aus ihrer Sicht unvertretbaren Beweiswürdigung des BVwG, die sie nach dem Zulässigkeitsvorbringen darin erblickt, dass zu Unrecht von einem gesteigerten Vorbringen des Erstrevisionswerbers ausgegangen worden sei. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung in diesem Zusammenhang aber nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 10.9.2021, Ra 2021/18/0227, mwN).
11 Im vorliegenden Fall stützte das BVwG seine Beweiswürdigung abschließend darauf, dass der Erstrevisionswerber sein Vorbringen gesteigert habe, setzte sich aber zuvor im Detail und umfassend mit den Angaben des Erst- und der Zweitrevisionswerberin zum fluchtauslösenden Ereignis auseinander. So führte es etwa aus, dass die Aus- und Rückreiseumstände in den Irak im Zusammenhang mit früheren Anträgen auf internationalen Schutz im Jahr 2015 Indizien für eine Unglaubwürdigkeit des Vorbringens seien. Zudem enthalte das Vorbringen etliche Widersprüche und sei nicht plausibel, vor allem betreffend die Umstände und Dauer der Demonstrationen, die geschilderten Bedrohungen sowie die Brandlegung im Haus der Revisionswerber:innen. Ebenso wenig habe der lediglich in Kopie vorgelegte Haftbefehl gegen den Erstrevisionswerber überzeugt, weil es unglaubwürdig sei, dass dieser dem Schwiegervater, somit einem Drittem und nicht dem Erstrevisionswerber, zugestellt worden sei.
12 Dies zeigt, dass die Beweiswürdigung keineswegs nur oder auch nur überwiegend auf der Annahme eines gesteigerten Fluchtvorbringens beruhte, sondern umfassend erfolgte. Hinzu kommt, dass der Erstrevisionswerber sein Fluchtvorbringen auch tatsächlich gesteigert hatte, indem er zunächst nur davon sprach, wegen seiner behaupteten Demonstrationsteilnahmen „Probleme mit Milizen“ gehabt zu haben, während er später aussagte, wegen eines gegen ihn ausgestellten Haftbefehls geflüchtet zu sein. Die Revision vermag somit nicht darzulegen, dass das BVwG sie in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte.
13 In der Revision werden damit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 3. Februar 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021180374.L00Im RIS seit
02.03.2022Zuletzt aktualisiert am
14.03.2022