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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §59 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des A in F, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 8. Juni 1995, Zl. 15/28-4/1995, wegen Bestrafung nach dem Fremdengesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.980,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol (der belangten Behörde) wurde der Beschwerdeführer Verwaltungsübertretungen nach § 82 Abs. 1 Z. 1 FrG und § 82 Abs. 1 Z. 4 i.V.m. § 15 FrG für schuldig befunden und nach § 82 Abs. 1 Z. 1 FrG mit einer Geldstrafe von S 3.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 6 Tage) bestraft, weil er nach Zustellung des Aufenthaltsverbotsbescheides der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 17. Jänner 1995 am 19. Jänner 1995 aus dem Gebiet der Republik Österreich vom 19. Jänner 1995 bis 27. Jänner 1995 nicht ausgereist sei und sich unbefugt im Bundesgebiet aufhalte.
In der Begründung führte die belangte Behörde, soweit noch für die Erledigung der Beschwerde wesentlich, aus, daß die Bezirkshauptmannschaft Landeck dem Beschwerdeführer am 1. Dezember 1994 zwar eine Bestätigung gemäß § 6 Abs. 3 AufG ausgestellt habe, wonach der Beschwerdeführer bis zum Ablauf des 11. Februar 1995 zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sei. Gegen den Beschwerdeführer sei aber mit (Berufungs-)Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 17. Jänner 1995, zugestellt am 19. Jänner 1995, ein Aufenthaltsverbot von zehn Jahren erlassen worden. Gemäß § 8 Abs. 1 AufG trete die Aufenthaltsbewilligung mit der rechtskräftigen Erlassung eines Aufenthaltsverbotes außer Kraft. Der Beschwerdeführer verfüge daher für den Zeitraum vom 19. Jänner 1995 bis 27. Jänner 1995 über keine Aufenthaltsbewilligung. Der Beschwerdeführer sei in L einer Beschäftigung nachgegangen, wobei er überraschend vom 1. bis 26. Februar 1995 Urlaub genommen habe. Er habe sich deswegen ab diesem Zeitpunkt an seiner Unterkunft nicht mehr aufgehalten. Eine Vollstreckung des Aufenthaltsverbotes sei aus diesem Grunde nicht möglich.
Dem Einwand des Beschwerdeführers im Berufungsverfahren, er habe sich aufgrund der Aufenthaltsbewilligung in einem Irrtum befunden, sei entgegenzuhalten, daß sich ein ausländischer Staatsbürger über die in Österreich geltenden Vorschriften zu informieren habe. Im übrigen sei der Beschwerdeführer von einem österreichischen Anwalt vertreten. Nach Verhängung des Aufenthaltsverbotes hätten den Beschwerdeführer zumindest Zweifel an der Rechtmäßigkeit seines Aufenthaltes in Österreich kommen müssen. Er wäre daher verpflichtet gewesen, diesbezüglich Erkundigungen einzuholen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Sowohl unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt der Beschwerdeführer, der Spruch im angefochtenen Bescheid sei derart undeutlich gefaßt, daß er kaum mehr nachzuvollziehen sei.
Dem ist entgegenzuhalten, daß es keineswegs dem Gesetz widerspricht, wenn bei einer teilweisen Bestätigung eines erstinstanzlichen Bescheides jene Spruchelemente, die keine Abänderung erfahren, im Spruch des Berufungsbescheides nicht neuerlich angeführt werden. Es reicht aus, wenn die Berufungsbehörde bloß jene Teile des Abspruches hinsichtlich welcher sie Konkretisierungen bzw. allfällige Richtigstellungen vornimmt, wiedergibt. Durch die Aufnahme des Spruches des erstinstanzlichen Bescheides in die Begründung des Berufungsbescheides ist der Inhalt und Umfang des (Berufungs-)Bescheides klar und deutlich erkennbar.
Soweit sich der Beschwerdeführer auf einen schuldausschließenden Irrtum aufgrund der Aufenthaltsbewilligung der Bezirkshauptmannschaft Landeck beruft, ist ihm zu erwidern, daß ein solcher Schuldausschließungsgrund dann nicht gegeben ist, wenn es Sache der Partei ist, sich mit den einschlägigen Vorschriften vertraut zu machen und im Zweifel bei der Behörde anzufragen. Im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung muß von einem Fremden verlangt werden, daß er sich über die den Aufenthalt von Ausländern im Inland regelnden österreichischen Vorschriften informiert. Unterläßt er Erkundigungen, so kann er sich nicht auf unverschuldete Rechtsunkenntnis berufen (vgl. dazu Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Auflage, § 5 Abs. 2 VStG, E Nr. 45-47). Da der Beschwerdeführer gar nicht behauptet, Informationen über die Richtigkeit seiner Auffassung über die Wirkungen der ihm erteilten Bewilligung trotz des in der Folge ihm zugekommenen Aufenthaltsverbotsbescheides eingeholt zu haben, scheidet ein relevanter Rechtsirrtum von vornherein aus.
Der Beschwerdeführer bringt gegen die Auffassung der belangten Behörde, er hätte schon am 19. Jänner 1995 aus Österreich auszureisen gehabt, vor, daß der Aufenthaltsverbotsbescheid am 19. Jänner 1995 seinem Rechtsanwalt zugestellt worden sei. Eine telefonische Verständigung sei mangels Telefonanschlusses des Beschwerdeführers nicht möglich gewesen. Selbst wenn man die Ansicht vertrete, es bestehe keine Notwendigkeit, daß der Fremde seine Arbeits-, Miet- und sonstigen Rechtsverhältnisse ordnungsgemäß beende, würde auch die Reisevorbereitung und die Besorgung von Tickets und Durchreisevisa einige Tage in Anspruch nehmen.
Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg:
Gemäß § 82 Abs. 1 FrG begeht eine Verwaltungsübertretung (Z. 1), wer nach Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht rechtzeitig ausreist oder (Z. 4) sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält (§ 15). Gemäß § 22 Abs. 1 FrG wird das Aufenthaltsverbot mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar; der Fremde hat dann unverzüglich auszureisen.
Mit der zuletzt genannten Bestimmung wird festgelegt, wann den Fremden die Ausreiseverpflichtung nach Erlassung eines Aufenthaltsverbotes trifft. Im Gegensatz zur Vorgängerbestimmung des § 6 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz wurde kein Zeitraum bestimmt, sondern die Verpflichtung mit unverzüglich, d.h. ohne schuldhafte Verzögerung, normiert. Die Auffassung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe sofort mit Zustellung des im Berufungsverfahren ergangenen Aufenthaltsverbotsbescheides das Bundesgebiet zu verlassen und die weiteren Reisevorbereitungen im Ausland zu treffen, entspricht ebensowenig dem Gesetz wie die vom Beschwerdeführer im Berufungsverfahren vertretene Auffassung, es müsse ihm zumindest ein Monat zur geordneten Regelung seiner Angelegenheiten zugestanden werden. Sollte der Beschwerdeführer aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen eine derart lange Dauer zur Regelung seiner Arbeits-, Miet- und sonstigen Rechtsverhältnisse und Durchführung der Reisevorbereitungen benötigen, wäre es an ihm gelegen gewesen, im Rahmen des Verfahrens bereits vorsorglich einen Durchsetzungsaufschub gemäß § 22 Abs. 1 zweiter Satz FrG zu stellen.
Ein sofortiges Ausreisen mit Erlassung des Aufenthaltsverbotsbescheides im Sinne der Auffassung der belangten Behörde wird vom Gesetz aber nicht verlangt. Im Beschwerdefall wurde der Aufenthaltsverbotsbescheid rechtens dem Rechtsanwalt des Beschwerdeführers am 19. Jänner 1995 zugestellt. Daß bereits an diesem Tag eine Ausreiseverpflichtung bestand und der unerlaubte Aufenthalt des Beschwerdeführers seinen Anfang nahm, kann dem Gesetz keinesfalls unterstellt werden. Der Beschwerdeführer macht geltend, daß er von seinem Rechtsanwalt mangels Telefonanschlusses nur auf dem Postweg von der Erlassung des Aufenthaltsverbotsbescheides verständigt werden konnte. Erst nach einer solchen ohne Zögern vorgenommenen Verständigung konnte der Beschwerdeführer seine Reisevorbereitungen und die Regelung seiner Rechtsverhältnisse, insbesonders die behauptete Lösung des Arbeits- und Mietvertrages, vornehmen. Zur Ordnung seiner persönlichen Angelegenheiten auch ohne schuldhaftes Zögern benötigt der Beschwerdeführer unumgänglich eine gewisse Zeit. Diese ist je nach den Umständen des einzelnen Falles zu bemessen. Selbst wenn - wie im Beschwerdefall - der Fremde nur allgemeine Hinweise auf die Notwendigkeit den Arbeits- und Mietvertrag zu lösen, macht, werden hiefür einige Tage zuzubilligen sein. Dadurch, daß die belangte Behörde die den Beschwerdeführer treffende Ausreiseverpflichtung und den Beginn seines unerlaubten Aufenthaltes mit der Zustellung des Aufenthaltsverbotsbescheides an seinen Rechtsanwalt annahm, verkannte sie die Rechtslage. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil Stempelgebührenersatz nur im Ausmaß von S 480,-- (S 360,-- für die dreifach einzubringende Beschwerde, S 120,-- für den in zweifacher Ausfertigung beigelegten Bescheid) zuzuerkennen war.
Schlagworte
Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des BerufungsbescheidesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995210815.X00Im RIS seit
11.07.2001