Index
L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag WienNorm
AVG §66 Abs4Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsidenten Erhart und die Räte Dr. Werner, Dr. Borotha, Dr. Vejborny und Dr. Hrdlitzka als Richter, im Beisein des Landesregierungsrates Dr. Riemer als Schriftführer, über die Beschwerde der HC, JD, AS und des Ing. FF, sämtliche in W, gegen die Bauoberbehörde für Wien (Bescheid des Wiener Magistrates - Abteilung 64 im selbständigen Wirkungsbereich vom 13. September 1951, Z.M.Abt.64/2768/51), betreffend Ersatz der Kosten für notstandspolizeiliche Maßnahmen, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Begründung
Mit dem Bescheid des Wiener Magistrates - Abt. 36 vom 24. Mai 1948 wurden die Beschwerdeführer als Eigentümer des mit kriegsverursachten Schäden behafteten Hauses W, gemäß § 76 AVG aufgefordert, die Kosten für Sicherungsarbeiten, die gemäß § 129 Abs. 6 der Bauordnung für Wien verfügt und vollstreckt wurden, im Betrage von 18.879,89 S zu ersetzen. Wie sich aus der Sachverhaltsdarstellung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Mai 1951, Zl. 2266/50, ergibt, war am 19. März 1946 ein baupolizeilicher Auftrag erlassen worden, der die behelfsmässige Instandsetzung des Daches, die Vornahme der erforderlichen Sicherungsmaßnahmen (Pölzung), die Abräumung des im Stiegenhaus und auf den Decken in den Stockwerken liegenden Schuttes und die Wiederherstellung des Hauskanals zum Gegenstande hatten. In der Folge ist es dann, weil die Hauseigentümer die Baugebrechen nicht behoben, zu einem Eingreifen der Baupolizei gekommen, die absturzgefährliche Mauerwerkteile über der Hauseinfahrt abtragen und den auf den Decken und im Stiegenhaus liegenden Schutt abräumen ließ. Von diesen Maßnahmen wurden die Hauseigentümer mit dem Schreiben der Magistratsabteilung 36 vom 26. März 1947 verständigt. Darin heißt es, das Gebrechen festgestellt wurden, die eine Gefahr für die körperliche Sicherheit bilden. Wegen Gefahr im Verzuge mußten die oberwähnten Vorkehrungen gemäß § 129 Abs. 6 der Bauordnung für Wien in Ausübung der Gefahrenpolizei getroffen und auf Gefahr und Kosten der Hauseigentümer vollstreckt werden. Die damit in Zusammenhang stehende Vorschreibung der Kosten wurde im Berufungsverfahren von der Wiener Landesregierung unter gleichzeitiger Berufung auf § 76 AVG, § 129 Abs. 6 der Bauordnung für Wien und § 3 VVG aufrecht erhalten. Mit dem zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes wurde der bezügliche Berufungsbescheid vom 29. August 1950 wegen Gesetzwidrigkeit infolge Unzuständigkeit der Landesregierung aufgehoben. Die Begründung dieses Erkenntnisses besagt, daß im Hinblick auf die mangelnde Identität zwischen den baupolizeilichen aufgetragenen Vorkehrungen und den von der Baupolizeibehörde getroffenen Maßnahmen ein von der Behörde gesetzter notstandspolizeilicher Akt vorliege und daher § 129 Abs. 6 der Bauordnung für Wien als jene Gesetzesstelle zu gelten habe, die die eigentliche Grundlage des angefochtenen Bescheides bilde. Der Ersatzbescheid, der die gegen die Kostenvorschreibung anhängige Berufung erledigte, wurde von der Bauoberbehörde für Wien erlassen. Er gründet den Auftrag zum Kostenersatz auf § 129 Abs. 6, gab im übrigen jedoch der Berufung keine Folge (Bescheid des Wiener Magistrates - Abteilung 64 vom 13. September 1951). Die Begründung besagt, daß die Voraussetzungen für eine notstandspolizeiliche Maßnahme gegeben waren: Anläßlich der am 26. März 1947 vorgenommenen Überprüfung des Bauzustandes habe sich ergeben, daß zur Beseitigung einer Gefahr für das Leben und die Gesundheit von Menschen die unverzügliche Abtragung der absturzgefährlichen Mauerwerksteile über der Hauseinfahrt, die Abräumung der mit Schutt überlasteten Decken und der Trümmerlast im Stiegenhaus notwendig gewesen sei.
Die Hauseigentümer fechten auch diesen Bescheid vor dem Verwaltungsgerichtshof an.
Vor dem Eingehen auf die Beschwerdeausführungen hatte sich der Gerichtshof zunächst mit dem in der Gegenschrift der belangte Behörde enthaltenen Vorbringen zu beschäftigen, das die Legitimation der Beschwerdeführer zur Beschwerdeführung zum Gegenstande hat. In dieser Hinsichtlich führt die belangte Behörde aus, daß die Beschwerdeführer wohl im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides und der Einbringung der Berufung Eigentümer der Liegenschaft waren, daß jedoch seit 30. Jänner 1951 das S Gemeinnützige Ges.m.b.H., Eigentümerin der Liegenschaft sei. Wenn die belangte Behörde den Berufungsbescheid auch noch dem ursprünglichen Eigentümer zugestellt habe, so sei hiefür maßgebend gewesen, daß der erstinstanzliche Bescheid, die dagegen eingebrachte Berufung und die Erledigung dieser Berufung eine verfahrensrechtliche Einheit bildeten. Durch die Zustellung des Berufungsbescheides sei das Berufungsverfahren abgeschlossen. Zur Erhebung der Beschwerde sei aber nur eine Partie im Sinne des § 8 AVG legitimiert. Verpflichtet zum Ersatz der Kosten der notstandspolizeilichen Sicherungsmaßnahmen sei der Eigentümer der Liegenschaft. Eigentümer der Liegenschaft seien aber nicht mehr die Beschwerdeführer, sondern das S. Der Verwaltungsgerichtshof erachtet die Beschwerdelegitimation der Beschwerdeführer für gegeben. Die belangte Behörde hat die Heranziehung der Beschwerdeführer zum Kostenersatz durch die Abweisung der von ihnen ergriffenen Berufung bestätigt. Solange sie diese Vorschreibung des Kostenersatzes durch die Abweisung der von ihnen ergriffenen Berufung bestätigt. Solange sie diese Vorschreibung des Kostenersatzes aufrecht erhält, kann den im Sinne des Bescheides Belasteten die Beschwerdemöglichkeit gegen diese Vorschreibung nicht in Abrede gestellt werden. Aus dem von der belangten Behörde herangezogenen Grundsatz der in rem-Wirkung baubehördlicher Bescheide kann nur gefolgert werden, daß der Hauseigentümer seine Verpflichtung zum Ersatz der durch notstandspolizeiliche Maßnahmen entstandenen Kosten nicht unter Hinweis darauf ablehnen kann, daß er im Zeitpunkte der Vornahme der Arbeiten noch nicht der Eigentümer der Liegenschaft gewesen sei (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Juli 1952, Zl. 2294/51), nicht aber enthebt er die Behörde von der Verpflichtung, über die Berufung des seinerzeit als Berufungswerber aufgetretenen Hauseigentümers sachlich abzusprechen. Dies ist ja auch geschehen. Im Übrigen wird die die Beschwerdeführer verpflichtende Wirkung des ursprünglichen und mit der angefochtenen Entscheidung aufrechterhaltenen Bescheides durch den Wechsel im Eigentum des Hauses unberührt.
Die Beschwerdeführ machen in erster Linie geltend, sie seien dadurch beschwert, daß ihnen ein Bescheid von einer anderen Behörde - nämlich dem Magistrat, Abteilung 64 - ausgefertigt und zugestellt wurde, als von jener, welche zur Entscheidung zuständig gewesen sei und auch nach der im zugestellten Bescheid enthaltenen Mitteilung die Entscheidung erlassen habe (Bauoberbehörde für Wien). Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zu erweisen. Der Gerichtshof verweist in dieser Hinsicht auf seine Ausführungen in dem Erkenntnis vom 25. März 1952, Zl. 2235/50, woselbst gesagt ist, daß gegen die vom Magistrat vorgenommene Intimation eines die Berufungsentscheidung zum Gegenstande habenden Beschlusses der Bauoberbehörde kein Anstand besteht.
Die weiteren Beschwerdeausführungen bekämpfen die Bestätigung der Kostenvorschreibung unter dem Gesichtspunkt der Unanwendbarkeit der Vorschrift des § 129 Abs. 6 der Bauordnung für Wien. Die Voraussetzungen für notstandspolizeiliche Maßnahmen hätten deshalb gefehlt, weil die Baubehörde seit längerer Zeit in Kenntnis der Bauschäden gewesen wäre; auch hätte sie die Hauseigentümer und deren Anschrift gekannt. Es hätte auch deshalb keine Notwendigkeit bestanden, notstandspolizeiliche Maßnahmen zu treffen, weil von der Abwendung einer unmittelbar drohenden Gefahr nicht die Rede sein konnte. Die belangte Behörde hatte auf dieses Vorbringen in der Gegenschrift erwidert, daß aus den vorliegenden Verwaltungsakten einwandfrei hervorgehe, daß die erteilten baupolizeilichen Aufträge vom Eigentümer nicht erfüllt wurden und daß daher die Erteilung weiterer oder abgeänderter Bauaufträge gleichfalls keine Aussicht auf Erfüllung hatten. Aus den Verwaltungsakten ergebe sich aber, daß der Zustand der Baulichkeit ein solcher geworden wäre, daß ein unmittelbares Einschreiten der Behörde gerechtfertigt war. Durch sämtliche Sachverständigen sei das Bestehen eines gefahrdrohenden Zustandes und die Notwendigkeit einer sofortigen Beseitigung festgestellt worden. Der Gerichtshof ist der Auffassung, daß es wohl möglich ist, daß die Baubehörde wegen vorhandener Baugebrechen ohne Anhörung des Hauseigentümers die erforderlichen Verfügungen und Sicherungsmaßnahmen auf Gefahr und Kosten des Eigentümers nach § 129 Abs. 6 der Bauordnung für Wien selbst dann anordnen und sofort vollstrecken lassen kann, wenn baupolizeiliche Aufträge, die den Hauseigentümer zur Beseitigung der Baugebrechen verpflichten, erteilt und vollstreckbar sind. In einer solchen Situation ist allerdings die Zulässigkeit notstandspolizeilichen Einschreitens davon abhängig, daß wegen der Säumigkeit des Hauseigentümers ein solcher über das seinerzeitige Gefahrenmoment hinausgehender gefahrdrohender Zustand eingetreten ist, daß keine Zeit mehr bleibt, das Verwaltungsvollstreckungsverfahren mit dem Ziel der Verfügung und Durchführung der Ersatzvornahme einzuleiten. Im vorliegenden Fall kann sich die belangte Behörde zur Rechtfertigung des Einschreitens der Baubehörde erster Instanz auf kein anderes Moment berufen, als daß am 26. März 1947 festgestellt wurde, daß in dem durch Kriegseinwirkung beschädigten Gebäude Gebrechen bestehen, die eine Gefahr für die körperliche Sicherheit bilden und daß Gefahr im Verzuge gegeben ist. Ob und inwiefern wegen des Zustandes der Baulichkeit die Notwendigkeit einer sofortigen Beseitigung bestanden hat, geht jedoch aus dieser Feststellung nicht hervor. Es fehlen alle Anhaltspunkte, die der belangten Behörde eine Beurteilung ermöglicht hätten, ob sich der Bauzustand des Hauses seit der Erlassung des Auftrages vom 19. März 1946 derart verschlechtert hatte, daß ein Aufschub, der durch die Androhung und die Verfügung der Ersatzvornahme hinsichtlich der Schuttentfernung entstanden wäre, im öffentlichen Interesse nicht hätte verantwortet werden können. Des weiteren ist es offen geblieben, wie es sich mit der Beseitigung der absturzgefährlichen Mauerwerksteile über der Hauseinfahrt verhalten hat. In dieser Hinsichtlich lag überhaupt noch kein baupolizeilicher Auftrag vor. Der Umstand allein, daß der Hauseigentümer baupolizeilichen Aufträgen nicht entsprochen hat und daher die Behörde der Meinung war, daß er weiteren baupolizeilichen Aufträgen ebenfalls nicht entsprechen werde, würde ein Einschreiten nach § 129 Abs. 6 nicht rechtfertigen. Aus diesen Erwägungen ist der Gerichtshof zu der Auffassung gelangt, daß der Sachverhalt ergänzungsbedürftig geblieben ist. Die Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes belastet den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Er mußte daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. c Z 2 VwGG aufgehoben werden.
Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte nach § 39 Abs. 23 lit. c VwGG 1952 Abstand genommen werden.
Wien, am 9. September 1952
Schlagworte
Baupolizei Vollstreckung Kosten BauRallg10European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1952:1951002429.X01Im RIS seit
01.03.2022Zuletzt aktualisiert am
01.03.2022