TE Vwgh Erkenntnis 1996/9/4 96/21/0315

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Veröffentlicht am 04.09.1996
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Melderecht;

Norm

MeldeG 1991 §13;
ZustG §8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde der J in E, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 17. November 1995, Zl. Fr 1932/95, betreffend Zurückweisung einer Berufung als unzulässig, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 17. November 1995 wies die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (die belangte Behörde) die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung, womit die Beschwerdeführerin gemäß § 17 Abs. 1 FrG ausgewiesen wurde, als unzulässig zurück.

In der Begründung wurde ausgeführt, daß die Beschwerdeführerin eine fristgerechte Berufung erhoben habe. Dieses Schriftstück sei der Beschwerdeführerin unter Setzung einer zweiwöchigen Frist nur Nacherbringung der eigenhändigen Unterschrift zurückgestellt worden. Dieser Auftrag vom 9. August 1995 sei mit dem Vermerk "verzogen" zurückgekommen. Da der Aufenthaltsort der Beschwerdeführerin sonst nicht feststellbar gewesen sei (eine Anfrage beim Zentralmeldeamt der Bundespolizeidirektion Wien sei negativ verlaufen) sei eine Zustellung gemäß § 8 Abs. 2 Zustellgesetz erfolgt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin macht zusammengefaßt geltend, daß sie nach Einbringung der Berufung nach E verzogen sei, wo sie sich auch ordnungsgemäß angemeldet habe. Aus Unwissenheit habe sie es verabsäumt, der belangten Behörde den Wohnungswechsel anzuzeigen. Sie habe jedoch das Postamt in T von der Übersiedlung in Kenntnis gesetzt.

Eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, hat dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen (§ 8 Abs. 1 Zustellgesetz).

Es ist unstrittig, daß der Beschwerdeführerin diese Verpflichtung oblag und sie ihr nicht nachkam.

Wird diese Mitteilung unterlassen, so ist - soweit die Verfahrensvorschriften nicht anderes vorsehen - die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann (§ 8 Abs. 2 Zustellgesetz).

Die letztgenannte Bestimmung knüpft an die Unterlassung der Mitteilung durch die Partei eine - wenn auch umfangmäßig eingeschränkte - Ermittlungspflicht der Behörde. Nach der Rechtsprechung wurden Ermittlungen durch Einholung von Gendarmerieberichten bzw. des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger als ausreichend angesehen. Bei Wohnungsänderungen ist eine Meldeauskunft einzuholen (vgl. dazu Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechtes, 6. Auflage, Rz. 206).

Erst nachdem zweckdienliche Ermittlungen erfolglos verlaufen sind, darf die Behörde nach § 8 Abs. 2 Zustellgesetz an der bisher bekannten Abgabestelle zustellen.

Dieser Rechtslage entsprach das Verhalten der belangten Behörde nicht: Nach Vorlage des Postfehlberichtes ersuchte die belangte Behörde die Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung um Erhebung des Aufenthaltsortes der Beschwerdeführerin. Die Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung teilte daraufhin der belangten Behörde mit Schreiben vom 29. August 1995 (Blatt 23 des Verwaltungsaktes) mit, "daß die im Betreff Genannte, nach einem Räumungsbescheid des Bezirksgerichtes Purkersdorf, am 11.7.1995 amtlich abgemeldet wurde und unbekannt verzogen ist. Auch eine Nachfrage beim Bezirksgericht Purkersdorf verlief negativ."

In der Folge nahm die belangte Behörde eine Anfrage beim Zentralmeldeamt der Bundespolizeidirektion Wien (im Hinblick auf den vorletzten der Behörde bekannten Aufenthaltsort der Beschwerdeführerin in Wien) vor. Da auch diese Meldung negativ verlief, erfolgte eine Zustellung durch Hinterlegung gemäß § 8 Abs. 2 Zustellgesetz.

Wenn die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift ausführt, es sei nicht einmal möglich gewesen, an der letzten Wohnadresse den neuen Aufenthaltsort festzustellen, so ist dies aktenwidrig. Die belangte Behörde ersuchte nämlich die Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung auch um Zustellung des nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheides. Die Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung beauftragte mit der Zustellung dieses Bescheides den Gendarmerieposten T. Dieser berichtete (Blatt 29 des Verwaltungsaktes), "laut Auskunft der Marktgemeinde T hat sich die Genannte am 11.7.1995 von T, F-Straße 4, nach K, E 38, polizeilich abgemeldet."

Aus der Mitteilung der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung vom 29. August 1995 an die belangte Behörde ergibt sich, daß Erhebungen beim Bezirksgericht Purkersdorf vorgenommen wurden. Ermittlungen beim örtlich zuständigen Bezirksgericht für sich allein können jedoch nicht als dem § 8 Abs. 2 Zustellgesetz entsprechende Ermittlungen angesehen werden. Dem Bezirksgericht obliegt nämlich nicht die Evidenz der Aufenthaltsorte der im Sprengel wohnhaften Personen. Die der Behörde bis zu diesem Zeitpunkt bekannte Abgabestelle der Beschwerdeführerin war eine Wohnung, an der sie ordnungsgemäß gemeldet war. Erhebungen über den Wohnungswechsel sind daher zweckmäßigerweise bei der ZUSTÄNDIGEN Meldebehörde (siehe § 13 MeldeG) oder durch Befragungen der nachfolgenden Wohnungsbenützer oder Nachbarn an der bisherigen Abgabestelle vorzunehmen. Solche zweckdienliche Erhebungen wurden offensichtlich nicht vorgenommen. Dies zeigt der bereits wörtlich wiedergegebene Erhebungsbericht des Gendarmeriepostens T, wonach die Beschwerdeführerin sich am

11. JULI 1995 von der bisher der Behörde bekannten Anschrift nach K, E, polizeilich abgemeldet hat. Dies bedeutet nämlich, daß im Zeitpunkt der Mitteilung der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung an die belangte Behörde am 29. August 1995 oder knapp davor eine Anfrage an die Meldebehörde (Gemeinde T) Kenntnis über den nunmehrigen Aufenthaltsort der Beschwerdeführerin erbracht hätte. Es zeigt sich somit, daß die neue Abgabestelle der Beschwerdeführerin ohne Schwierigkeiten hätte festgestellt werden können. Da die belangte Behörde keine im Sinne des § 8 Abs. 2 Zustellgesetz zweckdienlichen Erhebungen vornahm, war sie nicht berechtigt, mit einer Hinterlegung im Sinne dieser Gesetzesstelle an der bisherigen Abgabestelle vorzugehen.

Da die belangte Behörde den Inhalt des § 8 Abs. 2 Zustellgesetz verkannte, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens beruht darauf, daß Stempelgebühren nur für die Beschwerde in dreifacher Ausfertigung, a S 120,-- und zwei Bescheidausfertigungen a S 30,-- zuzuerkennen waren.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996210315.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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